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Nordrhein-Westfalen

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Beginn und Grundphilosophie des Reformprozesses

Im November 1987 legte die vom Landtag eingesetzte Reform-Kommission" den Bericht „Effizienzsteigerung der Verwaltungsreform" vor und löste damit die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen aus. Zu den Vorschlägen im Bereich Verwaltungsorganisation gehörte unter anderem die Empfehlung, von den obersten Landesbehörden nur die originären Aufgaben der Leitung, Steuerung und Kontrolle der nachgeordneten Behörden wahrnehmen zu lassen. Eine von der Landesregierung eingesetzte Projektgruppe untersuchte in sieben obersten Landesbehörden insgesamt über 3000 Teilaufgaben daraufhin, ob sie an untere Verwaltungseinheiten delegiert werden oder völlig entfallen können. Die Projektgruppe machte der Regierung eine Reihe von Vorschlägen zur Entlastung der Ministerialebene, die in der Folgezeit allerdings nur in begrenztem Umfang realisiert wurden.

Breiten Raum nahm im Bericht der Reform-Kommission der Komplex „Aufgabenkritik" ein. Die Kommission sah in einer dauerhaft institutionalisierten Aufgabenkritik eine Voraussetzung für den effektiven Personaleinsatz und damit auch für eine effiziente Verwaltung. Diese Betrachtungsweise machte sich die Landesregierung zu eigen und setzte 1989 einen „Arbeitsstab Aufgabenkritik" (ASTA) beim Finanzministerium ein. Mit dem ASTA etablierte die Düsseldorfer Regierung die systematische Aufgabenkritik als Daueraufgabe.

In der Koalitionsvereinbarung von 1995 bekundete die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, daß sie das bis dato verfolgte Reformkonzept mit den Organisationsuntersuchungen als wesentliche Grundlage fortsetzen wolle. Die Regierungspartner einigten sich auf eine verstärkte Beteiligung sowohl der Beschäftigten als auch der Bürgerinnen und Bürger. Personalentwicklungsaspekte und die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente sind in der Koalitionsvereinbarung als weitere Schwerpunkte festgehalten.

Als Wolfgang Clement am 27. Mai 1998 das Ministerpräsidentenamt von Johannes Rau übernahm, verkleinerte er das Kabinett von zwölf auf acht Ministerien. Die Arbeit der Ministerialebene müsse weiter auf Kernaufgaben konzentriert werde, denn die Regierung brauche „alle Kraft fürs Steuern" und dürfe keine Energie „fürs Rudern und Paddeln vergeuden". Clement kündigte außerdem weitere Privatisierungen bisher staatlicher Bereiche, den Abbau von Regulierungen gegenüber Schulen und Hochschulen sowie die Zusammenfassung von Bauverwaltung und Liegenschaftsverwaltung zu einem am Markt arbeitenden Immobilienmanagement an.

Vor allem die Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium, die im Sinne einer Verwaltungsmodernisierung nur schwierig zu begründen war, löste heftige Kritik bei der Opposition, der Richterschaft und in den Medien aus, bis der Verfassungsgerichtshof des Landes NRW im Februar 1999 diese Kombination verwarf. Nach weiteren politischen Turbulenzen (verkündete und später wieder verworfene Personalunion von Justiz- und Innenminister, dann Rücktritt des designierten neuen Justizministers vor Amtsantritt) wurde im März 1999 mit der Ernennung eines neuen Justizministers die frühere Situation zweier unabhängiger Ministerien wieder hergestellt.

In einem „Eckpunktepapier" vom 11. November 1998 hatte der für die Reform zuständige

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Innen- (und zu diesem Zeitpunkt auch noch Justiz-)Minister Behrens die Zielsetzungen zur Modernisierung der Landesverwaltung in folgenden Handlungsfeldern konkretisiert: konsequente Aufgabenkritik und Vorschriftenüberprüfung, Binnenmodernisierung der Behörden, Optimierung des Verwaltungsaufbaus und der Behördenstrukturen und Unterstützung der Kommunen in ihren Reformbemühungen.

Seit Januar 1999 liegt zudem ein Kabinettsentwurf vor, der eine umfassende Verwaltungsstrukturreform u.a. durch Auflösung der Mittelinstanzen (fünf Bezirksregierungen, zwei Landschaftsverbände) durchsetzen will.

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Akteure und Arbeitsstrukturen

Der 1989 installierte „Arbeitsstab Aufgabenkritik" arbeitet außerhalb der Linienorganisation und damit fachlich weisungsfrei. Der Arbeitsstab hat vor allem den Auftrag, für die gesamte Landesverwaltung Organisationsuntersuchungen im Einvernehmen mit dem jeweiligen Fachressort zu vergeben, die Untersuchungen gemeinsam mit dem Fachressort auszuwerten und danach der Landesregierung Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Zu den Untersuchungsaufträgen zählen auch die Entwicklung neuer Steuerungsmethoden und die Einführung moderner Informations- und Kommunikationstechnik.

Der Landtag begleitet den Reformprozeß seit Januar 1993 mit dem „Ausschuß für Verwaltungsstrukturreformen". Der Ausschuß ließ durch eine Projektgruppe einen parteiübergreifenden Antrag zur Konzeption der nordrhein-westfälischen Verwaltungsmodernisierung erarbeiten. Der schließlich mit den Stimmen von SPD und FDP angenommene Antrag forderte den Umbau hin zu einer „lernenden, zur Selbstinnovation fähigen, schlanken, effektiven und effizienten öffentlichen Verwaltung".

Eine zentrale, ressortübergreifende Steuerung der Reformen institutionalisierte das Düsseldorfer Kabinett 1995 mit der „Steuerungsgruppe Verwaltungsreform", die sich mit übergreifenden strukturellen Fragen beschäftigt - unter anderem mit dem Ausbau der Beteiligungsrechte der Beschäftigten, der Optimierung des Personalmanagements, der Verbesserung der Verwaltungsstrukturen, der Vollzugskritik und der Einführung neuer Steuerungsmodelle.

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Strukturreformen

Die aufgabenkritische Untersuchung der Landesverwaltung steht unter der Vorgabe, die Aufbau- und Ablauforganisationen zu optimieren, Instrumente zur Aufgabenbewältigung vorzuschlagen (IuK-Technik, Verfahren und Instrumente zur Prozeßsteuerung), die Personalwirtschaft zu überprüfen und aus den eingesparten Ressourcen, vor allem im Personalbereich, einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zu leisten. Die Ministerien sind bis auf drei Ressorts untersucht beziehungsweise befinden sich in laufenden Untersuchungen. Die Analyse des nachgeordneten Bereichs ist bis auf die Universitäten und die medizinischen Einrichtungen abgeschlossen. Nordrhein-Westfalen griff bei diesem Vorhaben in großem Umfang auf externen Sachverstand zurück. Nur so konnten nach Auffassung des nordrhein-westfälischen Kabinetts die Untersuchungen mit einer vertretbaren Belastung der Verwaltungen und innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bewältigt werden. Seit 1990 sind für externe Gutachten jährlich 10 bis 12 Mio. Mark im Haushalt eingestellt worden.

Effizienzgewinne durch die Untersuchungen sieht man bislang als Folge effektiver organisierter Abläufe, beseitigter Schwachstellen und eingeführter betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente. Zudem habe die Mitarbeiterorientierung die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten gesteigert. Die ressortübergreifende Auswertung und Übertragung der Einsichten aus den Organisationsuntersuchungen gestalte sich jedoch schwierig.

Tiefgreifend verlief der Erneuerungsprozeß beispielsweise in der Justizverwaltung. Unter anderem sind die Fallbearbeitungen auf Ar-

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beitsteams (Service-Einheiten) konzentriert. Für die Anfang 1999 in Kraft tretende neue Insolvenzordnung wurden die Arbeitsabläufe analysiert und eine darauf abgestimmte Software entwickelt.

Was die Strukturen des Verwaltungsaufbaus betrifft, so stellen sich inzwischen Fragen, die sowohl über den Zuständigkeitsbereich einzelner Verwaltungen als auch über die Organisationsgewalt der Landesregierung hinausgehen. Sie bedürfen politischer Entscheidungen des Landesgesetzgebers, so etwa die Frage nach der Zahl der Verwaltungsebenen oder der Aufgabenabgrenzung zwischen unteren, mittleren und oberen Behörden.

Derzeit wird in Nordrhein-Westfalen vor allem über die Existenz und Organisation der Landesmittelbehörden eine politische Diskussion geführt. Grundlage ist der Plan der Landesregierung, die fünf Bezirksregierungen in Köln, Düsseldorf, Detmold, Arnsberg und Münster sowie die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe aufzulösen. Die Landschaftsverbände sind „höhere Kommunalverbände", eine Art Dachverbände, die für die Mitglieder, die Kreise und kreisfreien Städte des Verbandsgebietes, bestimmte Aufgaben überkommunal wahrnehmen. Diese Aufgaben umfassen u.a. die Bereiche Gesundheit (Krankenhäuser, Landeskrankenhäuser, Psychatrien), Behinderteneinrichtungen und Soziales, Kultur- und Denkmalpflege, Kommunalwirtschaft, Naturpflege und Straßenwesen, Hauptfürsorgestellen und Jugendhilfe (Landesjugendämter). All diese Aufgaben sollen entweder den Kommunen oder in der Mehrzahl der Fälle neu zu schaffenden „Dienstleistungszentren" zugewiesen werden. Etwa 400 Sonderbehörden vom Bergamt bis zum Eichamt sollen hier ein- oder angegliedert werden. Etwa 150 staatliche Aufgaben sollen wegfallen, privatisiert oder von anderen Trägern übernommen werden. Betriebsbedingte Kündigungen werde es angeblich nicht geben.

Der geographische Zuschnitt der Dienstleistungsregionen ist bisher freilich noch ebenso umstritten (z.B. entsprechend den bisherigen Regierungsbezirken oder zusätzliche „Region Ruhrgebiet") wie das Konzept selbst. In diesen Zusammenhang gehört auch eine ins Auge gefaßte Reform der Gemeindeordnung, die den Gemeinden jenseits von Energie- und Wasserversorgung, öffentlichem Personennahverkehr und dem Betrieb von Telekommunikationsnetzen erweiterte wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten einräumen soll, wenn kein anderer ebensogut diese Aufgabe übernehmen kann. Hauptamtliche Bürgermeister sollen statt für fünf demnächst für acht Jahre gewählt werden, um durch die Differenz zur fünfjährigen Amtsperiode der Räte der Kommunen zu verdeutlichen, daß der direkt gewählte Bürgermeister der Bürgerschaft und nicht dem Rat verpflichtet ist.

Der für die Reform erforderliche Gesetzgebungsprozeß soll im Laufe des Jahres 1999 erfolgen.

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Vorschriften- und Verfahrensvereinfachung

Ab 1993 untersuchten zwei interministerielle Projektgruppen Sach- und Personalstandards im Bereich der Landesverwaltung und im kommunalen Bereich. Unter Beteiligung einer Beratungsfirma prüften sie rund 200 Vorschriften. Über die Hälfte konnte wegfallen oder durch Standardreduzierungen optimiert werden. Die Untersuchung von Zustimmungs- und Genehmigungsvorbehalten geht weiter. Auch Anzeige-, Mitteilungs- und Berichtspflichten werden in einem fortlaufenden Prozeß dahingehend geprüft, ob sie wegfallen können.

Die Bemühungen um Effizienz und Vereinfachung der Förderverfahren haben zu pauschalierten Förderungen und Festbetragsfinanzierungen geführt. Die Erfolgskontrolle der Förderprogramme bleibt jedoch ein schwieriges Thema. Der ASTA gab ein Gutachten zur Implementierung eines Programmcontrollings in Auftrag. Aus dem Bereich der Förderprogramme wurden die Beratungsprogramme untersucht. Geprüft wurde, ob die Bedingungen für eine effektive Wirkung der Beratungen und

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für einen effizienten Mitteleinsatz gegeben waren. Als Konsequenz aus dem Gutachten erstellen die Ressorts für jedes Beratungsprogramm spezielle Prüfkriterien. Sie haben zudem zu den im Gutachten festgestellten Mängeln Stellung genommen und dem Finanzministerium über ihre Verbesserungsmaßnahmen berichtet. Die Berichte sollen bei den Verhandlungen über den Haushaltsentwurf 1999 berücksichtigt werden. Zum September 2000 will das Kabinett erstmals entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen die verschiedenen Beratungsprogramme weitergeführt werden.

Durch den Kabinettsbeschluß zum „Eckwertepapier" vom 11. November 1998 wurde ein „ressortübergreifendes, verbindliches und transparentes Normprüfungsverfahren" eingeführt und dazu ein Normprüfungsausschuß mit Vertretern der Staatskanzlei, des Innen- und des Justizministeriums sowie des Finanzministeriums eingerichtet. Spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes oder einer neuen Verordnung wird durch den Normenprüfungsausschuß unter Verbändebeteiligung und Mitwirkung des Landesrechnungshofs geprüft, ob eine Norm ihr Ziel erreicht hat.

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Personalmanagement

Der nordrhein-westfälische Reformprozeß ist deutlich mit der Vorgabe des Personalabbaus verknüpft. Die Landesregierung sieht den Abbau von 22.000 (von insgesamt circa 345.000) Stellen vor. Der Stellenabbau soll ausschließlich über natürliche Fluktuation erfolgen. 14.270 Stellen sind bisher mit einem kw-Vermerk versehen. Um die politische Vorgabe von 22.000 einzusparenden Stellen umzusetzen, müßten die fehlenden knapp 8000 kw-Vermerke in den noch nicht durch externe Organisationsgutachten untersuchten Bereichen der Landesverwaltung realisiert werden. Diese umfassen jedoch mit knapp 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur noch ein Siebtel der Beschäftigten.

Bislang sind etwa 3.620 Stellen real weggefallen. Verschiedene Sonderregelungen sollen den Stellenabbau fördern und beschleunigen:

  • Im Tarifbereich der gesamten Landesverwaltung kommt die „58-er Regelung" zur Anwendung. Danach können Angestellte, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, ihr Arbeitsverhältnis beenden, wenn dadurch ein kw-Vermerk realisiert werden kann.

  • Um an den Schulen auch bei längerfristigem Ausfall von Lehrkräften Unterricht erteilen zu können, ohne den Personaletat auf Dauer durch unbefristetete Neueinstellungen zu belasten, wurde das Programm „Geld statt Stellen" eingerichtet. Im Haushaltsplan werden keine Stellen ausgewiesen, sondern finanzielle Mittel bereitgestellt. Für das Schuljahr 1997/98 beläuft sich der Betrag auf 112 Mio. Mark. 80 Prozent der bereitgestellten Mittel sind in Form von Stundenbudgets je planmäßiger Lehrkraft pauschal auf alle Schulen aufgeteilt, so daß die Schulen in diesem Rahmen eigenständig den Vertretungsunterricht organisieren. Die verbleibenden 20 Prozent können den betroffenen Schulen von den Schulaufsichtsbehörden bei besonderen Engpässen zugeteilt werden.

  • In den Bereichen der Landesregierung, für die noch keine Organisationsgutachten vorliegen, wurde eine zweiprozentige Stellenkürzung im Haushalt festgeschrieben.

Von den Stelleneinsparungen ausgenommen sind die Bereiche Schule sowie Forschung und Lehre, wo jeder freiwerdende Arbeitsplatz erneut zu besetzen ist. Im Polizeivollzugsdienst verbleiben durch Stellenabbau freiwerdende Mittel in vollem Umfang im Personaletat. Sie sind für eine Stärkung der polizeilichen Präsenz zu verwenden.

Die vom ASTA vergebenen externen Organisationsgutachten verweisen immer wieder auf die Bedeutung der IuK-Technik für die Möglichkeit von Personaleinsparungen. Inzwischen sind 700 Mio. DM in neue Datentechnik geflossen, von denen 480 Mio. auf die Justizbehörden entfallen.

Die Landesregierung will den Personalbedarf möglichst nur noch aus dem vorhandenen Personalstamm des Landes decken. Das Lan-

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deshaushaltsgesetz schreibt in der Neufassung von 1998 vor, daß vor der Besetzung einer Stelle von außen zunächst festzustellen ist, ob in der Landesverwaltung eine entsprechend qualifizierte Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter auf einer kw-Stelle zu finden ist. Um den internen Stellenwechsel zu verbessern, ist zum Jahresbeginn 1998 eine beim Innenministerium angesiedelte Stellenbörse eingerichtet worden. Eine Sanktionsregelung soll sicherstellen, daß jede Stelle angezeigt wird: Nicht über die Stellenbörse ausgeschriebene Arbeitsplätze bringen dem Ressort einen zusätzlichen kw-Vermerk ein. Dort können Beschäftigte auch anonym Versetzungswünsche anzeigen. Künftig soll die Stellenbörse überdies die Vermittlung neuer Arbeitsplätze bei eingeschränkter Dienstfähigkeit ermöglichen beziehungsweise verbessern. Dort wird zum einen die Suche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angezeigt, die ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Zum anderen wird ein Stellenpool eingerichtet. Aussagen über Akzeptanz und Auslastung der Stellenbörse sind derzeit noch nicht möglich.

Im Bereich der Personalwirtschaft wurden die Grundlagen der Personalbedarfsbestimmung in quantitativer und qualitativer Hinsicht ermittelt, Personalbemessungskriterien festgelegt und an einem fortschreibungsfähigen Personalbemessungssystem gearbeitet.

Die bundesrechtlichen Vorgaben in bezug auf eine Novellierung des öffentlichen Dienstrechts sind in Nordrhein-Westfalen in zwei Schritten umgesetzt worden. In der ersten Stufe hat der Landtag im Frühjahr 1998 das „Achte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften" verabschiedet. Die Regelungen umfassen Leistungsanreize, die Flexibilisierung des Personaleinsatzes, aber auch der Arbeitszeitgestaltung und der Senkung der Versorgungsleistungen.

Im Gesetzesentwurf der Landesregierung zum „Neunten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften" sind Regelungen zur Vergabe von Leitungspositionen auf Probe und auf Zeit vorgesehen. Teilzeitstellen sollen im Stellenplan unabhängig vom Antrag eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin ausgewiesen werden können.

Das nordrhein-westfälische Personalentwicklungskonzept sieht neben klassischen Elementen der Qualifizierung und neuen andernorts bewährten Instrumenten wie den Zielgesprächen zwischen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter und Führungskraft auch andere Maßnahmen vor. So wird beispielsweise über regelmäßige Arbeitsplatzwechsel (Rotation) oder den befristeten, externen Einsatz von Beschäftigten bei internationalen Einrichtungen nachgedacht.

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Mitarbeiterpartizipation

Die Landesregierung hat 1997 mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und dem Deutschen Beamtenbund Rahmenvereinbarungen über Grundprinzipien der Verwaltungsreform abgeschlossen.

In einzelnen Verwaltungsbereichen findet Aufgabenkritik auch unter direkter Mitwirkung der Beschäftigten statt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksregierungen erarbeiteten in 120 Workshops 1.593 aufgabenkritische Vorschläge. Eine Arbeitsgruppe aus Ressortvertretern und Vertretern einer Bezirksregierung wies die Vorschläge dann einem oder mehreren Ressorts zur Stellungnahme zu. Die Arbeitsgruppe entwickelte aus dem Gesamtüberblick über die Vorschläge und Stellungnahmen Empfehlungen und leitete diese mit den Stellungnahmen an die betreffenden Ressorts weiter. Die Entscheidung über die Umsetzung der Vorschläge lag bei den Ressorts. Nach Angaben der Staatskanzlei wurde ein „erheblicher" Teil umgesetzt.

In Pilotprojekten im Justizministerium und in den staatlichen Umweltämtern wurde die direkte Mitarbeiterbefragung als Instrument für die Verbesserung von Verwaltungsleistungen getestet. Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft soll die Befragung der rund 7.400 Beschäftigen zu einem dauerhaften Instrument werden.

Im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sind auf Abteilungsebene Qualitätszir-

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kel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt worden.

Den Vorschlag des parlamentarischen Ausschusses für Verwaltungsreform, im Dialog mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Leitbild der nordrhein-westfälischen Verwaltung zu erarbeiten, griff die Düsseldorfer Landesregierung auf. Sie erarbeitete 1997 ein Rahmenleitbild, das aktuelle Themen der Verwaltungsmodernisierung wie beispielsweise Aufgabenkritik, nachhaltige Entwicklung, Bürger- und Mitarbeiterorientierung etc. aufgreift und mit den klassischen Verwaltungszielen von Rechtsstaatlichkeit, Wohl der Allgemeinheit und Sozialstaatlichkeit verbindet. Auf der Grundlage des Rahmenleitbildes sind mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Behörden und Einrichtungen eigene Leitbilder entwickelt worden.

Der ASTA setzte bei den zuletzt vergebenen Organisationsuntersuchungen verstärkt auf die Mitwirkung der Beschäftigten, um dauerhafte Verbesserungen zu erzielen. Zugleich weist der Ausschuß aber auf die Grenzen selbstorganisierter und selbstgesteuerter Aufgabenkritik hin: „Die besonderen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen setzen den Modernisierungsschritten und damit der Übertragbarkeit von Modellen aus dem privatwirtschaftlichen Bereich strikt zu beachtende Grenzen. (...) Autonome Umsetzungen, die zum Beispiel die Etathoheit des Parlaments oder die politische Verantwortung der Minister unterlaufen, sind daher kein akzeptabler Weg." Die von der Organisationsentwicklung angestrebte lernende Organisation könne daher nicht das Ziel des ASTA sein.

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Neue Steuerungsinstrumente

Zur Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung sammelte Nordrhein-Westfalen zunächst Erfahrungen in Pilotprojekten in ausgewählten Verwaltungsbereichen, die zum Teil noch laufen. Inzwischen wird in mehreren Einrichtungen des Landes eine Kosten- und Leistungsrechnung implementiert. Die kaufmännische doppelte Buchführung wird in den Hochschulkliniken des Landes sowie im Materialprüfungsamt praktiziert.

Aufbauend auf der Kosten- und Leistungsrechnung unternimmt Nordrhein-Westfalen im Rahmen von Pilotprojekten weitere Schritte zu einer dezentralen Ressourcenverantwortung. Zunehmend mehr Verwaltungen und Einrichtungen verantworten Teile ihres Budgets dezentral. Sie können nicht verausgabte Mittel auf das nächste Haushaltsjahr übertragen und eingesparte Personalmittel für Sachausgaben oder Investitionen verwenden.

In verschiedenen Einrichtungen wird begonnen, die Verwaltungsleistung durch Zielvereinbarungen zu steuern. In der Finanzverwaltung soll ein produktorientiertes Kennzahlsystem die Zielvereinbarungen und deren Kontrolle ermöglichen. Die Kennzahlen wurden gebildet, indem man im Rahmen der Kostenträgerrechnung landesweit in den Finanzverwaltungen die Kosten bestimmter Leistungen erfaßte und Durchschnittswerte errechnete.

In einzelnen Bereichen der Landesverwaltung werden Erfahrungen mit der Einführung von Controlling und Berichtswesen gesammelt.

Um die gleichgerichtetete Entwicklung der verschiedenen neuen Steuerungsinstrumente zu koordinieren, wurde eine interministerielle „Steuerungsgruppe Verwaltungsreform" beim Finanzministerium eingerichtet.

Die Implementierung neuer Steuerungsinstrumente wird in Nordrhein-Westfalen auch für die Zukunft als ein wesentlicher Bestandteil der weiteren Verwaltungsmodernisierung gesehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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