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TEILDOKUMENT:
Entwicklungen in den wichtigen Sektoren Die beiden wichtigsten Wirtschaftssektoren sind die Minenindustrie (MI) und das verarbeitende Gewerbe (VG). Beide produzieren Exportgüter und haben 1997 zusammen mehr als ein Drittel des BIP erwirtschaftet. In der Minenindustrie sind ca. 5% und im verarbeitenden Gewerbe etwa 27% der Arbeitskräfte beschäftigt. Beide Bereiche sind über Unteraufträge, durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, durch Staatsbetriebe und durch die Importsubstitutions-Industrialisierung (ISI) immer sehr eng miteinander verknüpft gewesen. Auch heute bestehen noch vielfältige wechselseitige wirtschaftliche Beziehungen. Da beide Sektoren immer auch exportorientiert waren, passen auf sie auch nicht alle Charakteristika importsubstituierender Industrien. Die wirtschaftlichen Interdependenzen zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Minensektor werden durch Input-Output-Analysen am Beispiel des Minerals-Energy-Complex (MEC) belegt. Freilich ist der Rohstoffsektor mit 50% stärker von den Inputs des verarbeitenden Gewerbes abhängig (Verflechtungen gibt es auch zwischen Landwirtschaft und verarbeitendem Gewerbe, aber in geringerem Ausmaß). Beide Sektoren sind zudem geprägt von hoher Kapitalintensität und hoher Abhängigkeit von ausländischen Kapitalgüterimporten, Importen von Halbfertigwaren und Öl sowie von starker Exportorientierung. Trotz der vielfältigen Probleme, die in beiden Sektoren bestehen, bilden sie durch ihre Dynamik und Stellung auf dem Weltmarkt (sowohl auf der Import- wie der Exportseite) die Basis der industriellen Entwicklung Südafrikas. Sie unterscheiden sich deutlich von den durch Dutch-disease geprägten Rohstoffländern Afrikas. Das verarbeitende Gewerbe hat während der Apartheid dank der hohen Protektion sehr hohe Wachstumsraten erzielen können. In den 80er Jahren waren seine Entwicklungsmöglichkeiten durch den Goldboom sowie durch die bereits ausgeschöpften Vorteile der ISI beendet. Der Sektor geriet in eine Produktivitätskrise, weil sich der Anteil der Importe von Kapitalgütern im Verhältnis zum Output stark reduzierte. Mit der Liberalisierung der Zölle und nichttarifärer Handelshemmnisse während der 90er Jahre verringerte sich der Produktivitätsrückstand gegenüber anderen Ländern. Die Öffnung des südafrikanischen Marktes, das Entstehen eines funktionierenden Kapitalmarktes zur Finanzierung von Investitionen und damit ein wieder steigender Anteil von Kapitalgüterimporten haben zur Verbesserung der Totalen Faktorproduktivitäten (TFP) im verarbeitenden Gewerbe beigetragen. Allerdings hält die hohe Protektion des Sektors noch immer vor, weshalb die Entwicklung der TFP nicht schnell genug vorankommt. Die effektive Protektion betrug je nach Subsektor zwischen 9% (Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren) und 94% (Textilien). Die Folgen dieser Protektion waren sinkende Beschäftigung, sinkende Investitionen und sinkendes Output-Wachstum. Die Protektion hatte auch einen Anti-Export-Bias zur Folge, der zum einen durch den Schutz auf den Inlandsmärkten entstand (es ist profitabler auf den lokalen Märkten Produkte zu verkaufen), zum anderen durch Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse (NTH) höhere Input- und Produktionskosten nach sich zog. Südafrikas verarbeitendes Gewerbe wurde im international Vergleich weniger konkurrenzfähig. Um den Anti-Export-Bias zu reduzieren, führte die Regierung Exportsubventionen ein. Deshalb stiegen die Exporte von Fertigwaren von 1980-1991 um durchschnittlich ca. 7%/Jahr. Mit dem General Export Incentive Scheme (GEIS), das von 1990 bis 1997 eingesetzt wurde, wuchs die Exportorientierung der südafrikanischen Industrie noch schneller. Die Hauptprobleme des verarbeitenden Gewerbes bleiben bis heute die relativ niedrigen Arbeitsproduktivitäten (bzw. die niedrigen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität), die niedrigen Wachstumsraten der Kapitalproduktivität und eine ineffiziente Kapitalnutzung aufgrund von Überkapitalisierung. Diese Faktoren schlagen sich in vielen Subsektoren in Form von negativen TFP nieder, weil vor allem die Investitionen in Humankapital und physisches Kapital sehr niedrig sind. Das verarbeitende Gewerbe erzielte in den letzten Jahren vor allem ein intensives Wachstum, d.h. die Ausweitung der Faktoren Kapital und Arbeit bei stagnierenden TFP. Erst in den 90er Jahren verbesserten sich die TFP bei gleichzeitig nur geringer Kapitalakkumulation und Reduktion der Beschäftigung. Die Folgen waren bis 1993 sinkende Indikatoren für Beschäftigungs- und nur schwach ansteigende Kapitalstock-Wertschöpfungsrelationen. Da die Auslandsdirektinvestitionen (ADI) in Südafrika auch gering sind und zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird, ist das Wachstum der TFP im verarbeitenden Gewerbe auf die zunehmende Öffnung der südafrikanischen Wirtschaft, auf Kapitalimporte, Ausrüstungsinvestitionen sowie die Steigerung des Anteils der Privatindustrie an den Gesamtinvestitionen zurückzuführen. Allerdings liegt das Wachstum der TFP aufgrund relativ niedriger Ausrüstungsinvestitionen und Kapitalgüterimporte unterhalb des Niveaus des Minensektors oder vergleichbarer Länder wie Thailand, Malaysia, Singapur. Erst mit einem starken Anstieg der Effizienz und der TFP kann Südafrika in eine Phase des extensiven Wachstums eintreten. Minensektor: Südafrika ist traditionell ein Rohstoffexporteur. Von besonderer Bedeutung ist die Gold-, Platin- und Kohleproduktion. Der Goldglanz verblaßt jedoch: Während Südafrikas Anteil an der Weltproduktion 1971 noch ca. 68% betrug, fiel er auf inzwischen 22% (1996). Trotz großer Ineffizienz bei der Produktion wurden früher hohe Gewinne erzielt, die aber zurückgingen, als die südafrikanische Dominanz auf dem Goldmarkt abnahm. Um in Zukunft international konkurrenzfähig bleiben zu können, muß man die TFP erhöhen, vor allem wegen der günstigeren natürlichen Bedingungen in anderen Teilen Afrikas (Kongo, Côte d'Ivoire) und weil der Verfall des Goldpreises die südafrikanische Goldindustrie nicht begünstigt. Steigende Förderkosten durch vergleichsweise hohe Löhne, hohe Extraktions- und direkte Förderkosten werden die internationale Rolle Südafrikas als Goldproduzent mittelfristig weiter reduzieren, was zu weiteren Entlassungen führen wird. Damit setzt sich der seit den 80er Jahren zu beobachtende Trend fort: Die Zahl der Goldarbeiter fiel von 535.000 (1985) auf 350.000 (1997). Die südafrikanischen Minenunternehmen diversifizieren in den letzten Jahren verstärkt außerhalb des Landes, um weiterhin international eine Rolle spielen zu können. Kleinindustrie: Im informellen Sektor (Small, Micro and Medium Enterprise Sector - SMME) werden mehr als 4 Mio. Arbeitskräfte beschäftigt. Während der Apartheid war dieser Sektor starker Diskriminierung ausgesetzt, faktisch durfte sich nur in wenigen Segmenten der Townships eine kleine schwarze Unternehmerschicht etablieren. Erst seit Beginn der 90er Jahre beginnt sich der SMME zu entwickeln. Ca. 60% der Unternehmen werden von Frauen geführt, wobei viele Unternehmen nur entstanden, weil die Gründer keine Beschäftigung im formellen Sektor finden konnten. Die meisten Unternehmen werden von Afrikanern geleitet und konzentrieren sich auf Aktivitäten im Kleinhandel (ca. 70%). Die Einkünfte sind niedrig und liegen im Durchschnitt unterhalb der Mindestlöhne, aber in einigen Segmenten verdient man auch weitaus mehr als Lohnarbeiter. Die typischen Probleme des SMME, der als Schwamm" für den Arbeitsmarkt fungieren soll, liegen im Zugang zu Finanzen (Kredite, die erst seit den 90er Jahren verfügbar sind) und zum Markt oder betreffen Standort- und Pachtfragen und staatliche Regulierungen, die während der Apartheid darauf abzielten, die Entstehung eines "black business" zu verhindern. Der SMME ist also ein Auffangbecken für Arbeitslose und zugleich ein dynamischer Sektor, in dem sich neues innovatives Unternehmertum findet. Unterscheiden muß man freilich zwischen einem dynamischen Unternehmertum und Kleinunternehmen, die als Überlebensstrategie aus der Not heraus geboren wurden. In diesem Sektor wird ein Beitrag zur Reduzierung der starken Einkommensunterschiede geleistet. Eine Stärkung des SMME hat somit nicht nur Folgen für die Wirtschaftsentwicklung des Landes, sondern stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der sozialen Spannungen zwischen Schwarz und Weiß dar. Er gibt wichtige Impulse, vorausgesetzt er wird kompetent unterstützt. Inzwischen gibt es in Südafrika eine sehr breite Förderpalette für den SMME. Im Weißbuch zur Entwicklung und Förderung des Kleingewerbes von 1995, National Strategy for the Development and Promotion of Small Businesses in South Africa, wurden die Weichen für seine Zukunft gestellt. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September |