FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Geschichtspropaganda. Entsprechend seiner zentralen Aufgabe, als Massenorganisation zur Ideologievermittlung und Erziehung seiner Mitglieder wie der Werktätigen insgesamt beizutragen, betrieb der FDGB im Rahmen seines Schulungswesens eine aktive G. Er konnte sich dabei u.a. auf die an der Hochschule der Deutschen Gewerkschaften „Fritz Heckert“ angesiedelte, parteigebundene Forschung und Lehre zur Geschichte im Allgemeinen und zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und ihrer Gew. im Besonderen stützen. Grundlage der G. des FDGB war die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus, deren erklärtes Ziel in der Überwindung der Klassengesellschaft lag. Ausgehend von den Lehrsätzen des dialektischen und des historischen Materialismus, denen zufolge das materielle, sich nach den Gesetzen der Dialektik weiterentwickelnde Sein das Bewusstsein der Menschen bestimmt, wurde die Geschichte der Menschheit dabei als eine Abfolge von Klassenkämpfen begriffen und dargestellt, die sich - so die zentrale Annahme - unweigerlich aus den Widersprüchen zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ergeben würden. Die von der marxist.-leninist. Partei angeführte Arbeiterklasse hatte demnach die historische Mission, der Menschheit durch die proletarische Revolution den Weg in die klassenlose, kommunist. Gesellschaft zu bahnen (vgl. ideolog. Grundlagen).
Im Rahmen dieser Geschichtsauffassung, die der Arbeiterklasse eine zentrale Rolle zuwies, nahm die Geschichte der Gew. einen prominenten Platz ein. Im Korsett der parteigebundenen Forschung und Lehre wurde die Geschichte der Gew. dabei allerdings nicht nach historisch-kritischen Maßstäben erarbeitet und vermittelt, sondern von ihren inneren Widersprüchen, von interessenbezogenen Auseinandersetzungen und von vermeintlichen „Fehlentwicklungen“ gesäubert (vgl. Widerstand und Opposition) und letztlich als Ergebnis des angeblich stets konsequenten, klassenkämpferisch-revolutionären Wirkens der marxist.-leninist. Partei selbst dargestellt. Die besondere Pflege sozialdemokrat. oder gar christlicher Gewerkschaftstraditionen hatte in dieser G. des FDGB folglich kaum einen Platz. Um der G. mehr Regional- und Lokalkolorit geben zu können und so deren Breitenwirkung zu verbessern, bemühte sich der FDGB in den 1980er Jahren, die Bezirks- und Kreisvorstände stärker in die G. mit einzubeziehen.
F.S.