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Virtuelle Wertschöpfung und Standortpolitik : Gutachten / Petra Bonnet ; Josephine Hofmann - [Electronic ed.] - Bonn, 2002 - 78 S. = 245 KB, Text & Image files . - (Medien- und Technologiepolitik) - ISBN 3-89892-053-4
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2002

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT



Vorwort

[Seite der Druckausg.:1-2 = Titelseiten]

[Seite der Druckausg.:3 ]

Die Standortpolitik der modernen Informationsgesellschaft steht vor neuen Herausforderungen. Die Auswirkungen der Globalisierung und der weltweit zu beobachtenden Rezessionen sind auch im Bereich der "Neuen Medien" deutlich zu spüren. Gleichzeitig stehen die einzelnen Bundesländer nicht nur untereinander im Standortwettbewerb um Medienunternehmen und Agenturen, sondern sie werden zusätzlich mit der internationalen Konkurrenz konfrontiert.

Auf allen Ebenen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hat das Internet vielfältige Veränderungen gebracht. Die immer stärkere Durchdringung von Unternehmen, Verwaltung, Bildung und Forschung mit Informations- und Kommunikationstechnologien hat Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und internationale Wettbewerbsposition. Sie ist damit für unsere Gesellschaft eine zentrale Herausforderung der kommenden Jahre.

Denn es geht hier nicht nur um einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor, sondern ebenso um Arbeitsverhältnisse und Beschäftigung, Bildungs- und Qualifikationsanstrengungen, Forschungsförderung, Rückwirkungen auf das System der sozialen Sicherung – also um Veränderungen in unserer Gesellschaft insgesamt.

Im Zusammenhang mit dem Kongress "Multimedia 2002, Global-Regional-Digital, Standortpolitik im digitalen Zeitalter" am 19. Februar 2002 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung die vorliegende Studie zum Thema "Virtuelle Wertschöpfung und Standortpolitik" in Auftrag gegeben. Ich danke den Autorinnen Petra Bonnet und Josephine Hofmann für diese inhaltsreiche Arbeit sowie der Siemens AG und der Erich-Brost-Stiftung in der Friedrich-Ebert-Stiftung für die finanzielle Förderung des Gutachtens.

Dr. Jürgen Burckhardt
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Friedrich-Ebert-Stiftung

[Seite der Druckausg.:4 = Leerseite]

Virtuelle Wertschöpfung und Standortpolitik
– Thesen –

[Seite der Druckausg.:5]

Virtualität und Standortpolitik sind kein Widerspruch, wenn auch die konzeptionelle Darstellung virtueller Wertschöpfung eine weitgehende Unabhängigkeit von Raum und Zeit impliziert. Diese Unabhängigkeit bezieht sich auf den potenziellen Handlungsraum der agierenden Unternehmen in bezug auf Kundenstandorte, Form und Kanal der Leistungsübergabe als auch den Radius für eine Partnerwahl zur Bildung virtueller Netzwerke.

Bei der Bemessung dieses Handlungsraumes ist jedoch zu beachten, dass gerade viele der unternehmensbezogenen Dienstleistungen auf kultureller Kompatibilität mit ihren Kunden aufbauen. Damit schließt sich der Kreis, denn: Kulturelle Kompatibilität entwächst bis heute noch maßgeblich räumlicher Nähe und "Ähnlichkeit".

Virtuelle Wertschöpfung in Form zunehmender virtueller Netzwerke findet sich schwerpunktmäßig in Bereichen der wissensintensiven Dienstleistungen. Diese Unternehmen zeichnen sich, bei allen Unterschieden, durch einen hohen Digitalisierungsgrad der Arbeitsprozesse, eine hohe Wissensintensität, Kundenindividualität und latenten Fachkräftemangel aus. Umgekehrt ist dies ein Bereich unserer Volkswirtschaft, der noch im Wachstum begriffen und von daher von hoher Attraktivität in bezug auf Arbeitsplatzschaffung und -sicherung ist. Doch auch "traditionelle" Unternehmen aus dem Handwerksbereich (z.B. dem Elektrohandwerk) spüren, dass virtuelle Kooperationen zukünftig ein probates Mittel sein können, um den zunehmenden Forderungen der Kunden ("komplexe Dienstleistungen aus einer Hand") zu begegnen.

Hier zeigt sich für die Standortpolitik in Zeiten virtueller Wertschöpfung ihr Anknüpfungspunkt. Die Charakteristika dieser Unternehmen bringen es mit sich, dass sie auf eine leistungsfähige Infrastruktur in bezug auf Aus- und Weiterbildung, Kultur- und Freizeitwert, Wohnungsmarkt und telekommunikativer Infrastruktur angewiesen sind und in hohem Maße vom Entstehen einer entsprechenden "Szene" profitieren. "Fühlungsvorteile" entstehen so auch durch das Nebeneinander von Fachschulen, Akademien und entsprechenden Unternehmen.

Standortpolitik sollte sich in diesem Kontext auf die Herausbildung der relevanten Cluster konzentrieren. Die Untersuchung hat belegt, dass hierbei in der Bundesrepublik bereits sehr vielfältige Bemühungen zu beobachten sind. Allerdings müssen die Maßnahmen – bezogen auf die Charakteristika von Virtualität – noch feinkörniger werden.

[Seite der Druckausg.:6]

Beratungseinrichtungen müssen mit dem Thema Virtualität vertrauter umgehen lernen

Von Beratungsseite aus müssen angepasste Betriebs- und Netzwerkberatung für Existenzgründer und etablierte Unternehmen angeboten werden. Hierzu sind neue Angebote zu konzipieren und vor allem die Berater selbst zu qualifizieren. Detailliertes Wissen um virtuelle Wertschöpfung und virtuelle Produkte muss gewährleistet und daher auch entwickelt werden.

Regionen müssen sich durch Clusterbildungen voneinander abheben

In den Regionen muss eine konkrete, stetige und nachhaltige Szeneentwicklung für die bereits entstandenen oder die an der regionalen Stärke orientierten neuen Cluster betrieben werden. Wichtig ist dabei die Berücksichtigung der regionalen Stärke: Nicht jede Region wird z.B. medienwirtschaftlich bedeutende Unternehmen hervorbringen – auch wenn dies gegenwärtig in 16 Bundesländern und in unzähligen Regionen angestrebt wird. Eine von Wirtschaftsfördereinrichtungen und weiteren Institutionen einzuschlagende Standortpolitik der Verknüpfung existierender Unternehmen sowie der Vernetzung mit ergänzenden Betrieben kann – branchenunabhängig – zu innovativen Ansätzen führen.

Infrastrukturen müssen selbstredend Wertschöpfung gewährleisten

Nahezu keiner Erwähnung bedarf die selbstverständliche Verfügbarkeit sicherer und leistungsfähiger IT- und Telekommunikationsstrukturen, stellen diese doch die technische Basis jeglicher digitalen Wertschöpfung dar: Wichtig darüber hinaus ist die Beratung hinsichtlich des Anwendungsnutzens und der Anwendungsszenarien sowie innovative "Bereitstellungsoptionen" z.B. in Form technisch und vom übrigen Wohnwert her attraktiv ausgestatteter Arbeits- und Lebensviertel.

Infrastrukturen umfassen mehr als Verkehrswege und Telekommunikation der Medienbruch hin zu den Verwaltungen muss aufgehoben werden

Taugliche Infrastrukturen für virtuelle Wertschöpfung umfassen auch Politikfelder wie das Electronic Government. Im Zusammenhang mit virtueller Wertschöpfung muss die konsequente Umsetzung des Konzepts des Electronic Governments angegangen werden. Medienbrüche zu den Verwaltungen müssen vermieden und überwunden werden, virtuelle Wertschöpfung muss auch innerhalb von und zwischen den Verwaltungen möglich sein. Regionale Ansätze – und hierbei soll nicht an die Programmierung weiterer städtischer und kommunaler Homepages gedacht werden – können durchaus Beispiele für ein "digitales Miteinander" von Wirtschaft und Verwaltung schaffen, können bürokratische Weg abkürzen helfen, können Entscheidungen weniger kompliziert und deutlich transparenter erfolgen. Hier muss politisch zwingend angesetzt werden.

[Seite der Druckausg.:7]

Virtualität erfordert spezifische Qualifikationen – für die Bildungspolitik stellen sich neue Herausforderungen

Bildungsoffensiven sind in allen Bundesländern allgegenwärtig, das Lernen um und mit neuen Medien nimmt nun schon seit Jahren einen hohen Stellenwert ein. Die Verankerung von Medienkompetenz ist noch lange nicht befriedigend gelöst, die Notwendigkeit des Erkennens der Wichtigkeit allerdings schon. Doch Virtualität benötigt noch weitere qualifikatorische Voraussetzungen als die "Beherrschung der Technik". Notwendig ist gleichzeitig auch die Vermittlung und Schulung ergebnisorientierten Prozessdenkens, von Teamfähigkeit sowie von Kommunikationskompetenz – mit und ohne Nutzung von Technik. Berücksichtigung müssen alle Schultypen und Bildungssegmente finden. Der potenziellen digitalen Spaltung muss intensiv gegengesteuert werden. Die Informationsgesellschaft und auch die virtuelle Wertschöpfung müssen auf ein größtmögliches Feld an Anwendern moderner Kulturtechniken stoßen – die Benutzung der IuK-Techniken und des Internets gehören dazu, Ausgrenzung darf aus gesellschaftspolitischer Verantwortung nicht gegeben und kann aus wirtschaftlicher Weiterentwicklung heraus nicht akzeptiert werden.

Politik allein kann hierzu keine Curricula entwickeln – Bildungseinrichtungen müssen in einen kontinuierlichen Austausch mit den Unternehmen treten

Prozessdenken kann theoretisch und unter Nutzung von grafischen Verfahren dargestellt werden, es lebt jedoch von anschaulichen Beispielen und praktischen Erfahrungen. Kommunikation kann anhand von Lehrbüchern nachgezeichnet werden, sie muss jedoch – um reale Züge zu bekommen – gelebt und dadurch erlernt werden. Praktiker müssen mit vernünftigen Beispielen, mit Unternehmensplanspielen an Schüler, Auszubildende und Studierende herantreten. Distanz und deren Überwindung muss dargestellt werden etc. Werkzeuge für beinahe als Standard zu charakterisierende Arbeitssituationen müssen frühzeitig vermittelt werden – und nicht erst am ersten Arbeitstag thematisiert und eingefordert werden. Der kontinuierliche Austausch mit Praktikern und die Umsetzung in Lerninhalte kann Regionen Ansätze für ein innovatives und attraktives Standortmarketing verschaffen.

Standortpolitik wird auf regionaler Ebene betrieben – aber Best Practices sind geografisch unabhängig nutzbar

Empfehlenswert ist, dass bislang noch ein wenig "rückständige" stärker von Erfahrungen bereits weiter vorangeschrittener Regionen profitieren sollten, ohne selbst den langwierigen Prozess der diversen Pilotanwendungen zu allen Themengebieten zu durchlaufen. Der Standort der Wissenstransfer betreibenden Region würde dadurch nicht geschmälert. Es geht trotz allem lokalen Ringen um mobile Ressourcen, um eine allgemeine Anhebung des gesamtdeutschen Standortniveaus. Zumal es sich hierbei oft auch um zukünftige elementare Faktoren einer innovativen und modernen Informationsge-

[Seite der Druckausg.:8]

sellschaft handelt. Das Wissen um moderne arbeitsorganisatorische Formen und deren infrastrukturelle, gesellschaftliche, aber auch rechtliche und kulturelle Bereitstellung und Akzeptanz ist für alle Beschäftigten in allen Bundesländer wichtig – egal ob sich diese in der "szenigen" Medienbranche oder eher in traditionell geprägten Wirtschaftszweigen betätigen.

Standortpolitik in Zeiten virtueller Wertschöpfung erfordert Akteure und Promotoren innovativen Zuschnitts

Institutionen, die sich dieser Aufgabe stellen, sollten

  • Know-how hinsichtlich regional bedingter Cluster aufgebaut und so einen Einblick in die jeweilig relevante Szene haben;

  • stark dem Leitbild der Verzahnung und des Networking folgen und bereits unter dieser Prämisse auch Kontakt zu den Themenstellungen Arbeitsteilung, Kooperation und technische Unterstützung von Anwendungen haben;

  • selbst als "Netz in Netzen" arbeiten und so als Kooperationspartner und nicht als "feindlicher Übernehmer" auftreten. Verbunden mit der natürlich vorauszusetzenden Kompetenz trägt dieser Aspekt auch stark zur Akzeptanz der Einrichtungen bei und sorgt dafür, dass bei konkreten Fragestellungen, die innerhalb des Clusters auftreten, die jeweils kompetentesten Ansprechpartner gefunden werden, ohne dadurch einen eigenen Kompetenzverlust zu erleiden;

  • eigene Anstöße auf lokalen Stärken basierend umsetzen und somit einen gezielten Ausbau in den Regionen fördern, ihn aber nicht diktieren;

  • Anknüpfungspunkte sowohl ins politische als auch ins unternehmerische Lager haben müssen und

  • sich aufgrund ihres Gesamtengagements als Anlaufpunkt für Cluster etablieren und dies durch konsequente Öffentlichkeitsarbeit auch sichtbar machen.

[Seite der Druckausg.:9-10 = Inhaltsverzeichnis]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 2002

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