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Ausblick

1999 und in den folgenden Jahren stehen das Land und sein Präsident vor großen Herausforderungen:

Bei fast 16% Arbeitslosigkeit und unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Jahre 1998 sind in diesem Jahr soziale Proteste und Unruhen zu erwarten. Die Ankündigung der Regierung, zwecks Reduktion des Haushaltsdefizits die Transfers an die unter großen Finanzproblemen leidenden territorialen Körperschaften zu modifizieren bzw. zu reduzieren, die vorgesehenen Verringerungen der Subventionen für öffentliche Dienstleistungen und die beabsichtigten Fusionen und Auflösungen verschiedener öffentlicher Institutionen könnten zu explosiven Entwicklungen führen.

Zur Überwindung der Wirtschaftskrise müssen zugleich das konsolidierte Haushaltsdefizit, die Rekordarbeitslosigkeit und das Leistungsbilanzdefizit gesenkt und allzu große Ausschläge über die Breiten des Wechselkursbandes vermieden werden. Dies beim erwarteten Rückgang der Öleinnahmen, bei niedrigen Preisen und geringer Dynamik im Kaffeesektor. Ob das Programm von Investitionen im sozialen Wohnungsbau, steuerlichen Anreizen für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und der Flexibilisierung der Arbeitstarife die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt, bleibt ungewiß.

Im sozialen Bereich müssen die Finanz- und Qualitätskrise im Erziehungssektor überwunden und der Gesundheitssektor reformiert werden. Die Zuwendungen im staatlich subventionierten Gesundheitsbereich, also die Leistungen für die ärmeren Teile der Bevölkerung, sollen stärker kontrolliert und beschnitten, die ineffiziente und korrumpierte Sozialversicherungsagentur in eine Holding mit selbständigen und unterschiedlichen Instituten umgewandelt werden. Diese sozialen Programmpunkte bedeuten Wandel und damit ein zusätzliches aus sozialer Unsicherheit genährtes Konfliktpotential.

„Friedensverhandlungen im Krieg" mit zwei Agenden und einer Vielzahl von Akteuren mit nicht unbedingt eindeutigen Friedensmotivationen während einer Rezessionsphase stellen größte Herausforderungen an Logistik und strategische Planungskapazitäten der Regierung: Zwei Verhandlungsstränge mit der Guerilla, FARC und ELN, müssen bedient und möglichst bald zusammengefaßt werden. Nach den Versprechungen vom Januar sind auch die Paramilitärs mit einem für diese Aufgabe gering motivierten Militär zu bekämpfen. Zugleich aber gilt es auch, Verhandlungen mit ihnen aufzunehmen, was einen Bruch der Kommunikation mit den FARC bewirken könnte. Die Streitkräfte sind aus den Verstrickungen mit Drogenhandel und Paramilitärs zu lösen, zugleich sind sie aber mit Hilfe der USA schlagkräftiger zu machen, um stärkere Druckpotentiale in der „Kriegsagenda" zu entwickeln. Sollten die Streitkräfte erfolgreicher werden, könnten sowohl ihre Stimmung als auch die der skeptischen Teile der Eliten und der Bevölkerung gegenüber dem bisherigen Verhandlungsweg der Regierung umschlagen.

Die nur bedingte Unterstützung von Seiten der USA im Friedensprozeß ist durch vertrauensbildende Maßnahmen der kolumbianischen Diplomatie abzusichern. Der versprochene „Marshall-Plan" (Plan Colombia) in Höhe von 3,5 Mrd. US-$ ist mit internationaler Hilfe aufzulegen und umzusetzen. Er dient u.a. zur Finanzierung von Substitutionsprogrammen in den Guerilla-Drogenanbauzonen und von unabdingbaren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Reformen, die für die Sicherung eines langfristigen Friedens entscheidend sind.

Nachhaltiger Frieden wird ohne Reduktion des Drogenhandels und der sozialen Ungleichgewichte im Lande kaum gelingen. Andererseits erlaubt erst Frieden eine Entfaltung des kolumbianischen Wirtschaftspotentials, Wachstum und Gleichheit. Aktive „Paciencia" (Geduld) wird eine notwendige Tugend aller Beteiligten sein müssen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

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