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Japan : es bleibt alles beim alten / Michael Ehrke. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1999. - 18 S. = 75 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2000

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT







[Zusammenfassung]

  • Die Hoffnungen auf politische Reformen des japanischen politischen Systems, die 1993 aufkamen, als die Spaltung der größten Fraktion der regierenden LDP, der Heiseikai, zum ersten Regierungswechsel seit fast 40 Jahren geführt hatte, sind vorläufig beendet: Die alte Heiseikai, der machtpolitische Kern der LDP, ist wieder hergestellt. Es ist, wie es scheint, alles wieder beim alten. Die Politik Japans unter der LDP ist ein selbstreferenzielles System, das seine Umwelt auch nur wahrzunehmen nicht mehr in der Lage ist.

  • In der Außenpolitik bleibt die Weigerung, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, das entscheidende Hindernis. Die wirtschaftlich bereits weitgehend integrierte Region wird sicherheitspolitisch durch die Präsenz der USA zusammengehalten. Ohne kooperative Beziehungen zu seinen Nachbarn kann Japan selbst kaum eigenständige Initiativen ergreifen. Wenn Japan darauf verzichtet, die politischen Beziehungen zu seinen Nachbarn auf eine neue Grundlage zu stellen, verzichtet es auch darauf, seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen Geltung zu verschaffen. Es verbleibt politisch in einer autistisch-isolationistischen Position, die seine Unternehmen wirtschaftlich längst überwunden haben.

  • Erklärungen der japanischen Wirtschaftskrise sind vielfältig. Eine Interpretation sieht die Krise als Symptom für die Erschöpfung des „japanischen Wirtschaftsmodells". Dies früher erfolgreiche Modell kann heute dem wachsenden Wettbewerbsdruck einer globalisierten Wirtschaft nicht standhalten. Mitverantwortlich sind die Schwäche der anonymen Regelsysteme Markt und Recht und deren Substitution durch informelle persönliche Netzwerke.

  • Eine zweite Interpretation begrenzt die These der „Modellerschöpfung" auf das Finanzsystem. Banken, Wertpapierhäuser und Versicherungen waren der internationalen Konkurrenz nie ausgesetzt, und die nationale Konkurrenz wurde bisher durch staatliche Regulierung eingeschränkt. Die systemimmanente Kollusion zwischen privaten Banken und Finanzverwaltung enthält eine implizite Garantie für die Privaten, deren Risiko weitgehend vom Staat (d.h. vom Steuerzahler) gedeckt wird. Das Finanzsystem konnte und mußte daher keine Kompetenz im Risikomanagement – die Kernkompetenz dieses Wirtschaftssektors – entwickeln.

  • Einem dritten Ansatz zufolge liegt das wirkliche Problem Japans nicht in einer sinkenden potentiellen, sondern in der zunehmenden Differenz zwischen potentieller und wirklicher Wachstumsrate. Das Schließen dieser Differenz ist die Aufgabe makroökonomischer Steuerung, und es ist das makroökonomische Mißmanagement der Regierung, das für die Krise und deren derzeitige Zuspitzung verantwortlich zu machen ist.

  • Andere sehen die zentrale Krisenursache in der exzessiven Ersparnis der Haushalte. Die Investitionszurückhaltung der Unternehmen ist nur eine Folge des stagnierenden oder rückläufigen privaten Konsums. In geldpolitischer Hinsicht ist Japan in einer „Liquiditätsfalle" gefangen: Die Geldpolitik greift nicht, weil die Haushalte (und Unternehmen) bei jedem positiven Zinssatz das Halten von Liquidität dem Konsum (der Investition) vorziehen.

  • Das größte Risiko, vor dem die japanische Wirtschaft zur Zeit steht, liegt in der Stabilisierung sich wechselseitig bestätigender negativer Erwartungen. Keinen Ausweg bietet die Reform- und Deregulierungsdebatte, und angesichts der „Liquiditätsfalle" greift die konventionelle Geldpolitik, die ausgereizt ist, (der nominale Zinssatz kann nicht unter Null liegen) per definitionem nicht.

  • Die Wirkung einer expansiven Fiskalpolitik ist ambivalent zu bewerten. Eine expansive Fiskalpolitik müßte von einer Reformpolitik ergänzt werden, die sich auf die Dimension erwarteter sozialer Risiken auswirkt oder den Zwang zur Ersparnisbildung an anderer Stelle abmildert. Eine Reform des Bankensystems ist unabdingbar – was aber nicht heißt, daß die Finanzreform ein Allheilmittel gegen die Krise wäre.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

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