FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum und Beschäftigungswachstum



Page Top

Wirtschaftswachstum in den USA nicht höher, aber beschäftigungsintensiver

Zwischen 1983 und 1995 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA um 41, in der BR Deutschland um 35 Prozent. Der Unterschied ist nicht sehr groß und er geht auf einige wenige Jahre vor 1986 zurück. In den letzten Jahren lag das amerikanische Wirtschaftswachstum zwar deutlich über dem von Deutschland, im Gesamtzeitraum von 1991-95 lag Deutschland im Vergleich jedoch noch vorne (Tabelle 1).


Tabelle 1:

Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Arbeitslosenquote in den USA und in Deutschland



1986-90

1991-95

1996

1997*

1998*




USA



BIP-Wachstum (real)

2,8

2,0

2,8

3,8

2,5

Erwerbstätigenwachstum

2,1

1,1

1,4

2,2

1,8

Arbeitslosenquote

5,9

6,6

5,4

4,9

4,6








Deutschland **

BIP-Wachstum (real)

3,4

2,1

1,4

2,2

2,6

Erwerbstätigenwachstum

1,5

-0,4

-1,2

-1,4

-0,1

Arbeitslosenquote

5,9

7,3

8,8

9,7

9,8




* 1997 und 1998 Schätzung

** Bis 1991/92 Westdeutschland

Quelle: Europäische Kommission (1998): Frühjahrsvorausschätzung


Unterschiedlich war aber die Beschäftigungsintensität des Wirtschaftswachstums, d. h. bei gleichem Wachstum werden in den USA mehr Personen beschäftigt als in Deutschland. Die Unterschiede sieht man deutlich bei der Gegenüberstellung der Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes mit den Änderungsraten der Beschäftigung. Die Abbildungen 3a und 3b zeigen die BIP- und Beschäftigungsentwicklung für Deutschland (West) und die USA. In den USA folgt die Beschäftigungsentwicklung eng der Wirtschaftsentwicklung: Eine Veränderung des Wirtschaftswachstums zieht eine gleichgerichtete und fast gleich große Veränderung der Beschäftigung nach sich. Anders als in Deutschland oder anderen europäischen Ländern genügt in den USA bereits ein geringes Wirtschaftswachstum, um die Beschäftigung ansteigen zu lassen.

Dies wird aus den Abbildungen 4a und 4b nochmals deutlich, in denen die jährlichen Wachstumsraten des Sozialprodukts den jeweiligen Veränderungsraten der Beschäftigung gegenübergestellt werden. Die Regressionsgerade für die USA schneidet die x-Achse nahe dem Nullpunkt. Dieser Schnittpunkt stellt die sog. Beschäftigungsschwelle dar, d. h. die Höhe des Wirtschaftswachstums, ab dem die Beschäftigung ansteigt. Diese Beschäftigungsschwelle liegt in den USA erheblich niedriger als für Europa oder für Deutschland.



Page Top

Steigendes Angebot an Arbeitskräften

Das Wachstum der Beschäftigung setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Betrachten wir zunächst das Angebot an Arbeitskräften. Seine Entwicklung läßt sich über die folgende Identitätsgleichung darstellen:

Zahl der Erwerbstätigen = Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter x Erwerbsquote x Beschäftigungsquote

Dabei ist die Erwerbsquote(EQ) der Anteil der Erwerbspersonen (EP=Erwerbstätige + Arbeitslose) an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Bev) und die Beschäftigungsquote(BQ) der Anteil der tatsächlich Erwerbstätigen(ET) an den Erwerbspersonen(EP).

Abbildung 5 zeigt die Veränderungen bei den aufgeführten Komponenten im Zeitraum 1983-1995 für die USA und für Deutschland.

Es zeigt sich, daß das hohe amerikanische Beschäftigungswachstum stark von einer Zunahme der Bevölkerung (im erwerbsfähigen Alter) gespeist worden ist. Dabei spielen der „Babyboom" früherer Jahre und eine starke Zuwanderung eine erhebliche Rolle. Die jährliche Nettozuwanderung wird auf rund 1 Million Menschen geschätzt.

Die Zunahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellt keine oder nur eine geringe Herausforderung für den Arbeitsmarkt dar, wenn gleichzeitig die Erwerbsquote sinkt. Dies war aber weder in den USA noch in Deutschland der Fall - im Gegenteil: die Erwerbsquote stieg. Die USA vezeichneten während dieses Zeitraums vor allem eine deutlich erhöhte Erwerbsbeteiligung der Frauen (1995 in den USA 71 %, in Deutschland 61 %). Die Zahl der Neuankömmlinge auf dem Arbeitsmarkt lag also - besonders in den USA - signifikant über der rein demographisch bedingten Zunahme. Der amerikanische Arbeitsmarkt bewältigte die doppelte Herausforderung (Zunahme von Bevölkerung und Erwerbsquote) geradezu mit Bravour: auch die Beschäftigungsquote stieg. Entsprechend hoch ist der Anstieg der Beschäftigtenzahl (ET).

In Deutschland ging die Beschäftigungsquote trotz einer deutlich geringeren Herausforderung durch Bevölkerungs- und Erwerbsquotenzunahme leicht zurück. Aber auch hier stieg die Beschäftigtenzahl, d.h., auch der deutsche Arbeitsmarkt absorbierte weitestgehend die Nettozunahme der Jobsucher.

Die demographisch bedingte Zunahme des Arbeitskräfteangebotes und damit der Jobnachfrage in den USA wurde im übrigen keineswegs durch eine erhöhte „Abwanderung in die Selbständigkeit" gemildert. Der Anteil der Selbständigen an den Erwerbstätigen (ohne Landwirtschaft) liegt seit Jahren bei etwa 7,5%. Für die Bundesrepublik ergaben sich bis Anfang der neunziger Jahre ähnliche Prozentsätze. Seit 1990 stieg hier jedoch der Selbständigenanteil leicht an.

Page Top

Produktionsausweitung in erster Linie durch erhöhten Arbeitseinsatz

Wenden wir uns nun der Nachfrage nach Arbeitsleistung zu: Dann tritt der folgende Zusammenhang ins Zentrum:

BIP = Zahl der Erwerbstätigen x Jahresarbeitszeit pro Erwerbstätigen x Produktivität pro Arbeitsstunde

Die Zahl der Erwerbstätigen(ET) multipliziert mit ihrer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit (JAZ, gemessen in Stunden) ergibt das jährliche Gesamt-Arbeitsvolumen (AV, ebenfalls gemessen in Stunden). Die durchschnittliche Produktivität pro Arbeitsstunde (AP) läßt sich auch darstellen als Bruttoinlandsprodukt (BIP) geteilt durch Arbeitsvolumen. D.h. je höher die Produktivität, desto geringer das Arbeitsvolumen, das für ein bestimmtes Bruttoinlandsprodukt benötigt wird. Ebenso gilt: Je länger die durchschnittliche Arbeitszeit pro Erwerbstätigen, desto weniger Erwerbstätige sind nötig, um dieses Bruttoinlandsprodukt zu erstellen.

Für den Zwölfjahreszeitraum von 1983 - 1995 zeigt Abbildung 6, daß das amerikanische Wirtschaftswachstum, das leicht über dem deutschen lag, mit einer ganz anderen Kombination von Produktivität, Arbeitsvolumen und Arbeitskräfteeinsatz zustande gekommen ist als das deutsche. In den USA stieg vor allem das Arbeitsvolumen: mehr Erwerbstätige, die außerdem noch etwas länger arbeiten. Der Grund: die Produktivität pro Arbeitsstunde nahm nur geringfügig zu.

Ganz anders in Deutschland: Das Arbeitsvolumen ging leicht zurück. Daß dennoch die Zahl der Erwerbstätigen zunahm, war nur aufgrund der markanten Reduzierung der durchschnittlichen jährlichen Arbeitszeit möglich. Das Wirtschaftswachstum hingegen wurde ausschließlich mit der Steigerung der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität „bewältigt". Diese reichte sogar für eine gleichzeitige Verringerung des Arbeitsvolumens aus.

Im Zusammenhang mit dem deutlich gestiegenen Arbeitsvolumen in den USA ist auch darauf hinzuweisen, daß es nicht zu einer Ausweitung von Teilzeitarbeit kam. Es wurden überwiegend Vollzeitarbeitsplätze geschaffen. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an der Gesamterwerbstätigkeit blieb während des vergangen Jahrzehnts weitgehend gleich zwischen 18 - 19 %. In Deutschland ist dagegen der Anteil der Teilzeit langsam, aber stetig gestiegen und lag 1996 bei knapp über 16%.

Die zunehmende Nachfrage nach Arbeitskraft ging in den USA in erster Linie von den kleinen und mittleren Unternehmen aus. Sie schufen allein in den letzten vier Jahren mehr als 12 Millionen neue Arbeitsplätze Die großen Unternehmen hingegen bauten im Zuge von kräftigen Produktivitätssteigerungen Millionen von Stellen ab.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

Previous Page TOC Next Page