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Teildokument zu: Waldpolitik und nachhaltige Entwicklung

4. Handlungsfelder und Aufgaben der Waldpolitik

Mit der Diskussion über das "Waldsterben" traten Anfang der 80er Jahre die Wälder vor allem in Deutschland erstmals in den Mittelpunkt allgemeinpolitischer Auseinandersetzungen. Aus der "Forstpolitik" wurde die "Waldpolitik", die im wesentlichen die Verminderung waldschädigender Emissionen zum Ziel hatte. Wenige Jahre später setzte mit der Auseinandersetzung über die Vernichtung der Tropenwälder ein Trend zur Globalisierung der Waldpolitik ein, der in einer grundsätzlichen Diskussion über den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in allen Klimazonen mündete. Die wichtigsten Aktivitäten und Ergebnisse der bisherigen Waldpolitik werden im folgenden zusammengefaßt und künftige Handlungsfelder abgeleitet.

4.1 Nationale und europaweite Reduktion waldschädigender Emissionen

Als Reaktion auf die massive Ausweitung von Waldschäden erhöhte sich zu Beginn der 80er Jahre der Handlungsdruck auf die damalige Bundesregierung. Zentrale Forderung war die drastische Verminderung der Schwefeldioxid­ und der Stickoxidemissionen aus dem Energie­ und Vekehrsbereich, die als Auslöser des Waldsterbens erkannt worden waren. In der Folgezeit wurden eine Reihe von Erweiterungen und Verschärfungen des Immissionsschutzrechtes beschlossen, so vor allem:

  • die Großfeuerungsanlagen-Verordnung
  • die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft)
  • die Kleinfeuerungsanlagen-Verordnung
  • die Verordnung zur Emissionsbegrenzung von leicht-flüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen
  • die Verordnung zur Emissionsbegrenzung von Kohlenwasserstoffen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen sowie bei der Betankung von Fahrzeugen.
  • Parallel wurde auf internationaler Ebene die Begrenzung der grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen angegangen und in der "Genfer Luftreinhaltekonvention" rechtlich verankert. In dieser Rahmenkonvention haben sich 32 Staaten zur Verminderung ihrer waldschädlichen Schadstoffemissionen verpflichtet. Inzwischen ist die Zahl der Unterzeichner auf 40 gestiegen, und es wurden folgende schadstoffbezogene Protokolle verabschiedet:

  • Das Helsinki-Protokoll zur Verringerung der Schwefeldioxidemissionen (SO2) (1985) hat zum Ziel die Verringerung der SO2-Emissionen um mindestens 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1980 bis spätestens 1993. Eine neues, verschärftes SO2-Protokoll, das 27 Staaten 1994 in Oslo verabschiedeten, ist noch nicht in Kraft getreten, da es bislang erst von drei Staaten ratifiziert wurde. Erforderlich sind 16 Ratifizierungen. Es sieht vor, die SO2-Emission auf ein Niveau abzusenken, das unterhalb der von Ökosystemen verkraftbaren Mengen ("Critical Loads") liegt. Dazu sind verpflichtende Obergrenzen der Gesamtschwefelemission für die Jahre 2000, 2005 und 2010 festgelegt worden.
  • Das Sofia-Protokoll zur Verringerung der Stickstoffoxidemissionen (N0x) (1988) sieht die Rückführung der NOx-Emissionen bis 1994 auf das Niveau von 1987 in 25 Staaten vor. Deutschland und elf weitere Staaten haben sich darüber hinaus dazu verpflichtet, ihre NOx-Emissionen bis spätestens 1998 um 30 Prozent zu senken.
  • Das Protokoll zur Reduzierung der Emission an flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan (NMVOC) (1991) zielt auf die Verringerung der NMVOC-Emissionen um mindestens 30 Prozent gegenüber 1988 bis spätestens 1999. Von 23 Vertragsstaaten haben inzwischen 12 das Protokoll ratifiziert.
  • Die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben erzielte in einigen Bereichen gute Ergebnisse. So sank in Deutschland - nach Angabe der Bundesregierung - die SO2-Emission in den alten Ländern zwischen 1980 und 1990 um 70 Prozent. Dieser Trend setzte sich auch nach dem Beitritt der neuen Bundesländer fort, so daß 1992 insgesamt 53 Prozent weniger SO2 freigesetzt wurde als 1980. Auf europäischer Ebene lag der SO2-Ausstoß im Jahr 1990 um 30 Prozent unter dem von 1980. Entsprechend verringerten sich auch die Sulfateinträge in die Wälder. Sie lagen in Deutschland, je nach Baumbestand und Lage, bis in die 80er Jahre hinein bei jährlichen Werten von über 100 kg/ha. Selbst in ehemals sehr stark belasteten Gebieten (z. B. im Solling) hat sich bis Mitte der 90er Jahre der jährliche Sulfat-Eintrag auf 30-40 kg/ha verringert. Allerdings liegt dies immer noch oberhalb der dauerhaft zu verkraftenden Menge, die auf etwa 10 kg/ha und Jahr geschätzt wird.

    Sollte das verschärfte SO2-Protokoll in Kraft treten, würde die Emission weiter herabgesetzt. Deutschland müßte dann die SO2-Emission bis zum Jahr 2000 um 83 Prozent und bis zum Jahr 2005 um 87 Prozent (Bezugsjahr 1980) verringern. Absolut entspräche dies in etwa einer Absenkung von knapp 7,5 auf rund 1 Mio. t SO2/ Jahr.

    Erheblich geringer waren die Erfolge bei der NOx-Reduzierung. Zwar konnte der aus den Kraftwerken stammende Anteil in den alten Ländern von knapp 1 Mio. t/Jahr auf 0,25 Mio. t/Jahr verringert werden. Allerdings wurde diese Emissionsminderung durch eine lange Zeit ansteigende NOx-Freisetzung im Verkehrsbereich kompensiert. Hier ist erst in den letzten Jahren - als Folge der Einführung des geregelten 3-Wege-Katalysators - ein leicht rückläufiger Trend festzustellen. Zwischen 1990 und 1993 sank der NOx-Ausstoß im Verkehrsbereich um 4,5 Prozent. Die gesamte NOx-Emission (Verkehr und Energiesektor) verringerte sich im Zeitraum von 1980 bis 1994 von ca. 3,3 Mio. t auf 2,2 Mio. t.

    Ebenfalls abgenommen hat die Emission von Ammoniak (NH3) aus der Landwirtschaft. Sie ist vor allem infolge der Verringerung des Tierbestandes in den neuen Bundesländern leicht rückläufig und sank von 0,76 Mio. t im Jahr 1990 auf 0,62 Mio. t in 1994.

    Der Gesamt-Stickstoffeintrag (N0x­ und NH3-Stickstoff) in die Wälder ist innerhalb der letzten 10 Jahre zunächst angestiegen und hat sich auf hohem Niveau in etwa stabilisiert. Mit Werten von mindestens 30-40 kg N/ha liegt er weit oberhalb der von Wäldern dauerhaft zu verkraftenden Menge von höchstens 20 kg/ha.

    Völlig ungelöst ist die Ozon-Problematik. Das waldschädigende Reizgas bildet sich duch die chemische Umwandlung von N0x und flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen (VOC) unter intensiver Sonneneinstrahlung. Die bisherige Verringerung dieser Ausgangsschadstoffe hat keine Verbesserung gebracht. An sonnigen Sommertagen treten über mehrere Stunden hinweg Ozonkonzentrationen von über 200 µg/Kubikmeter Luft großflächig auf. Bereits ab Werten von etwa 100 µg/Kubikmeter Luft werden Pflanzen geschädigt.

    Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich die erste Phase der Waldpolitik vor allem auf die technische Minderung waldschädigender Emissionen konzentrierte. Schrittmacher war und ist die Entwicklung von Innovationen in der Filter­ und Anlagentechnik. Dagegen blieben emissionsmindernde Innovationen im Verkehrsbereich weit hinter dem erforderlichen Maß zurück und wurden durch das Wachstum der Verkehrsleistung vollständig kompensiert. Insgesamt liegen die Schwefel­ und Stickstoffemissionen in Deutschland auch heute noch weit über den von den Wäldern verkraftbaren Mengen. Auf absehbare Zeit werden technologische Innovationen allein nicht dazu führen, die erforderliche Absenkung der Schadstoff-Freisetzung zu erreichen.

    4.2 Die Globalisierung der Waldpolitik

    Ausgehend von der Tropenwalddiskussion trat seit Mitte der 80er Jahre zunehmend der Erhalt der globalen Funktionen der Wälder (Klimaregulation, biologische Vielfalt) in das Blickfeld der Waldpolitik. Damit wurde der Boden bereitet für eine grundsätzliche Diskussion über den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Wälder in allen Klimazonen. Allgemeine Leitlinien dieser globalen Waldpolitik wurden im Rahmen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) festgelegt, die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Allerdings erfolgte dies, nach äußerst kontroversen Auseinandersetzungen, lediglich in der nicht rechtsverbindlichen "Walderklärung" und der ebenso unverbindlichen Agenda 21 (Kapitel 11). Vor allem letztere stellt seitdem die Grundlage für die weiteren Verhandlungen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder dar.

    Zentrale Aussagen der Walderklärung sind:

  • die Betonung der nationalen Souveränität bei der Entwicklung von Strategien zur Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung von Wäldern;
  • Wälder sollen nachhaltig bewirtschaftet werden;
  • die ökologische Bedeutung von Wäldern soll anerkannt werden;
  • die traditionelle Nutzung von Wäldern soll berücksichtigt werden;
  • für die nichtforstlichen Ursachen der Waldzerstörung sollen sektorübergreifende Lösungen gefunden werden;
  • der offene und freie Handel mit Waldprodukten soll erleichtert werden und
  • Zusatzkosten für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung von Wäldern sollen von der internationalen Gemeinschaft getragen werden. In diesem Zusammenhang sollen auch die wirtschaftlichen Verluste ausgeglichen werden, die Nutzungsbeschränkungen mit sich bringen.
  • Die "Agenda 21" enthält in ihrem Kapitel 11 ("Bekämpfung der Entwaldung") die folgenden Handlungsfelder:

  • Aufrechterhaltung der vielfältigen Rolle und Funktionen der Wälder;
  • Verbesserung des Schutzes und der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern und die Wiederaufforstung degradierter Flächen;
  • Formulierung wissenschaftlich fundierter Kriterien und Richtlinien für die Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung aller Waldarten;
  • Aufbau bzw. Verbesserung von Kapazitäten für Planung, Bewertung und systematische Beobachtung von Wäldern und der ihren Zustand beeinflussenden Aktivitäten.
  • Die Agenda 21 macht recht konkrete Aussagen, wie die oben genannten Handlungsfelder auszufüllen sind. Zudem wird in ihr deutlich auf die Bedeutung einer Beteiligung des privaten Sektors, der indigenen Völker und der Nichtregierungsorganisationen (NRO) bei allen waldbezogenen Aktivitäten hingewiesen.

    Im Nachgang der Rio-Konferenz wurde die Waldpolitik unter dem Dach der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) fortgesetzt, deren Aufgabe die Fortentwicklung und schrittweise Umsetzung der in der Agenda 21 vereinbarten Maßnahmen ist. Die CSD beschloß im Jahr 1995 die Einsetzung des "Intergovernmental Panel on Forests" (IPF). In diesem Gremium sollten die in Rio vereinbarten Waldschutzabkommen hinsichtlich ihrer Wirkung überprüft und ergänzende bzw. weitergehende Maßnahmen erarbeitet werden. Zentrale Fragestellungen waren dabei:

  • die Festlegung nachprüfbarer Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in den verschiedenen Klimazonen sowie
  • die Prüfung waldrelevanter Abkommen und die Schaffung neuer Rechtsinstrumente (z. B. Waldkonvention, Waldprotokoll)
  • Eine Einigung gab es letztlich in beiden Punkten nicht. Von der verbindlichen Einführung klarer Kriterien für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder ist man ebenso weit entfernt wie von der Ausarbeitung einer rechtsverbindlichen Wald-Vereinbarung. So bleibt das diplomatische Gezerre um den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder weiterhin ein Musterbeispiel für das Schneckentempo der globalen Umweltpolitik. Auch fünf Jahre nach Rio hat die internationale Staatengemeinschaft keine substanziellen Fortschritte zur Lösung des Waldproblems erreicht. Nach jahrelangen Verhandlungen zeichnet sich eine rechtsverbindliche Waldvereinbarung erst in weiter Ferne ab.

    Waldschutz muß verbindlich werden

    Auch wenn der Weg noch lang sein mag, ist die Ausarbeitung einer rechtsverbindlichen internationalen Waldvereinbarung dringend erforderlich. Diese könnte sowohl eine eigenständige Wald-Konvention als auch ein Wald-Protokoll unter dem Dach der Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt sein. Angesichts der vielfältigen Ursachen der Waldschädigung und ­vernichtung müßten die folgenden Eckpunkte als Basis für einen wirksamen Schutz der Wälder vereinbart werden:

  • Die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel durch die Industrieländer zur Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz der Wälder in den Entwicklungsländern. Geht man von der in der Agenda 21 überschlägig ermittelten Summe von 70 Mrd. US-Dollar für den Zeitraum 1993 bis 2000 sowie der Forderung aus, daß ein Drittel davon aus den Industrieländern fließen soll, dann müßten jährlich mindestens 3,3 Mrd. US-Dollar bereitgestellt werden. Die Gelder sollten über die "Globale Umweltfazilität" (GEF) der Weltbank vergeben werden.
  • Die Verpflichtung zur Erarbeitung von nationalen Waldschutzplänen in allen Vertragstaaten der Vereinbarung. In ihnen müssen konkrete Programme zur Eindämmung der Waldvernichtung, zur Einrichtung von Schutzgebieten und zur Umsetzung von nachhaltigen Bewirtschaftungskonzepten auf nationaler Ebene entwickelt werden. Dabei ist die Mitwirkung und Berücksichtigung der Interessen und Rechte der waldabhängigen (indigenen) Völker sicherzustellen. Die Vorlage eines Waldschutzplanes muß eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Finanzmittel des einzurichtenden GEF-Waldfonds sein, um einen finanziellen Anreiz für die Aufstellung derartiger Pläne zu schaffen.
  • Die Verankerung eines weltweiten Aufforstungsprogramms. In Abhängigkeit von spezifischen nationalen Waldkennwerten (z. B. Vernichtungsraten, Nutzholzverbrauch pro Kopf) müssen sich die Vertragsstaaten zur Durchführung von Aufforstungsmaßnahmen in einem Maße verpflichten, das ausreicht, um die abnehmende Waldflächentwicklung innerhalb der nächsten zehn Jahre umzukehren. Damit neue Wälder dort angelegt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, sollte es den Staaten ermöglicht werden, ihre Aufforstungsverpflichtungen in anderen Teilen der Welt (z. B. den Tropenländern) zu erfüllen.
  • Maßnahmen zur Verringerung des Holzverbrauchs. Der explosionsartige Anstieg des Verbrauchs kurzlebiger Zellstoff­ bzw. Papierprodukte in den Industrieländern muß gestoppt werden. Eine Erhöhung der Recyclingquote sowie die Reduzierung des "Verpackungsluxus'" und anderer kurzlebiger Produkte auf Holzbasis sind dazu für alle (Industrie)länder festzuschreiben. Darüber hinaus sind in den Entwicklungsländern die Maßnahmen zur Verminderung und zum Ersatz des Brennholzeinsatzes - vorrangig durch solare Systeme - erheblich zu verstärken.
  • Eine Förderung der Verwendung von Holz für die Produktion langlebiger und hochwertiger Produkte (z. B. im Bauwesen), um die ökologischen Vorteile des Rohstoffes Holz gegenüber umweltschädlichen Alternativen (Aluminium, Stahl, Kunststoff etc.) zu nutzen und darüber hinaus atmosphärisches CO2 einzubinden.
  • Die Festsetzung von ökologischen Standards im weltweiten Holzhandel. Dazu ist in erster Linie die Einführung einer Positivkennzeichnung für Holz aus nachweislich ökologisch nachhaltiger Bewirtschaftung, inklusive der erforderlichen überprüfbaren Indikatoren und Kriterien, zu vereinbaren. Darüber hinaus sollte eine Importabgabe auf nicht nachhaltig erzeugte Hölzer vorgesehen werden, deren Erlöse als zusätzliche Einzahlung in den GEF-Waldfonds eingehen.
  • In jedem Fall sollte es vermieden werden, durch unverbindliche Formulierungen zunächst möglichst viele Staaten "in ein Boot" zu bekommen. Dieses Verfahren liegt zum Beispiel der Klimarahmenkonvention zugrunde, die auch fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung keine verpflichtenden Ziele und Maßnahmen enthält. Als Absichtserklärung wäre eine Wald-Vereinbarung jedoch nicht mehr als das Festschreiben des Status quo und würde keine Fortschritte bringen. Denn mit der Walderklärung und der Agenda 21 liegen bereits unverbindliche Dokumente vor.

    4.3 Plädoyer für eine neue Waldpolitik

    Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder braucht eine Parallelstrategie. Einerseits muß man weiter an einer Wald-Vereinbarung arbeiten, auch wenn dies noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Anderseits sind unmittelbar Maßnahmen gegen die ausufernden Waldschäden und die irreversible Zerstörung zu ergreifen. Eine neue, erfolgversprechende Waldpolitik muß auf folgenden beiden Säulen basieren:

  • Selbstverpflichtung einiger Vorreiter-Staaten, die sich im Rahmen eines Sofortprogramms verpflichten, konkrete Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder im eigenen Land und im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit durchzuführen.
  • Ausarbeitung eines integrierten Konzepts, das über die Waldwirtschaft hinaus sämtliche waldrelevanten Politikbereiche miteinander verknüpft. Ein solches Konzept kann zu einem Modell-Fall für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen insgesamt werden und somit als "Schrittmacher" auf dem Weg in eine zukunftsfähige Entwicklung wirken.
  • Es steht außer Zweifel, daß weltweite Probleme nicht von einzelnen Staaten gelöst werden können. Dies gilt auch für die fortschreitende Vernichtung und Schädigung der Wälder. Allerdings darf dies nicht dazu führen, die nationalen Handlungsmöglichkeiten auf dem Altar des Globalisierungstrends zu opfern. Vielmehr ist Bewegung auf internationaler Ebene erst dann zu erwarten, wenn einzelne Staaten, oder besser Staatengruppen, konkret und glaubhaft vorangehen. Im Waldbereich ist dazu so rasch wie möglich ein Sofortprogramm zum Schutz­ und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder anzustreben.

    Ein solches Sofortprogramm würde nicht nur unmittelbar zur Verbesserung der Waldsituation in den Vorreiterländern beitragen, sondern könnte darüber hinaus den Druck auf die internationale Staatengemeinschaft erhöhen. Deutschland ist aus mehreren Gründen für die Übernahme dieser Vorreiterrolle prädestiniert.

  • 1. Deutschland hat sich sowohl im Klimaschutz als auch beim Schutz der tropischen Wälder eine internationale Vorreiterrolle zugesprochen. An diesem Anspruch ist die nationale Politik zu messen. Darüber hinaus verfügt Deutschland als einer der weltweit größten Holzproduzenten und ­konsumenten über eine erhebliche Marktrelevanz in der internationalen Holzwirtschaft.
  • 2. Von Deutschland aus ist schon einmal eine "forstwirtschaftliche Revolution" ausgegangen. Sie brachte das Prinzip der "ertragsorientierten Nachhaltigkeit". Eine solche "Revolution" ist auch jetzt wieder gefragt. Sie muß zur Einführung einer "ökologischen Nachhaltigkeit" in der Waldbewirtschaftung führen und darüber hinaus die gesellschaftlichen Funktionen der Wälder berücksichtigen. Entsprechende ökologisch wie ökonomisch tragfähige Bewirtschaftungsmodelle wurden bereits entwickelt und können gefördert werden.
  • 3. Der Zustand der Wälder ist in Deutschland äußerst dramatisch. Zwei von drei Bäumen sind krank. Die Emissionen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft liegen immer noch weit über einem waldverträglichen Niveau.
  • 4. Die Forstwirtschaft steckt in der Krise. Neue ökonomische Impulse sind dringend erforderlich, um die Rentabilität des Forstsektors in Deutschland wieder herzustellen. Diese sind am ehesten von einer ökologischen und sozialen Reform zu erwarten.
  • Im folgenden wird vor diesem Hintergrund aufgezeigt, wie eine nationale Waldpolitik aussehen müßte, die dieser Vorreiterrolle gerecht würde. Dabei muß es sich keineswegs um einen nationalen Alleingang handeln, im Gegenteil. Es ist anzustreben, Verbündete zu finden, d. h. Länder, die ebenfalls bereit sind, durch selbst auferlegte Verpflichtungen die Sicherung der Waldfunktionen national und international voranzubringen.

    Ein wirksames Waldschutzprogramm muß auf einem integrierten Konzept beruhen. Der Schutz der Wälder ist zum Beispiel nur zu gewährleisten, wenn die Emissionen aus dem Straßenverkehr, dem Energiebereich sowie der Landwirtschaft drastisch reduziert werden. Waldrelevant ist zudem die Wirtschafts­ bzw. Konsumpolitik, da sie z. B. die Nachfrage nach Produkten aus ökologisch verträglicher Waldbewirtschaftung beeinflußt. Ebenso ist die Finanzpolitik - etwa über die Einführung ökologischer Steuern - ein waldrelevanter Bereich. Eine Vielzahl von Verknüpfungen ergeben sich zwischen dem Schutz der Wälder und dem Klima­ bzw. dem Natur­ und Artenschutz. Und schließlich gehört zu einer ambitionierten Waldpolitik auch die Entwicklungszusammenarbeit, sprich: der Schutz der Wälder in anderen Regionen der Erde (Tropenwaldschutz, Eindämmung der Wüstenausbreitung etc.).

    Um diesen vielfältigen Verknüpfungen gerecht zu werden, bedarf es einer integrierten Waldpolitik, die über die Umsetzung von Schutz und ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftungskonzepten hinaus auch die erforderliche Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zum Ziel hat.

    Gerade die Bewirtschaftung der Naturressource Wald bietet die Chance, zu einem Modellfall für eine dauerhaft tragfähige Wirtschaftsweise zu werden. Eine integrierte Waldpolitik könnte damit als Schrittmacher für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung fungieren. Im folgenden Kapitel wird anhand der Situation in Deutschland ein Weg aufgezeigt, wie sie dieser Anforderung gerecht werden kann.

    Resümee

    Die bisherige nationale und internationale Waldpolitik hat nicht zum notwendigen Wandel im Umgang mit den Wäldern geführt. Trotz der nationalen und europaweiten Reduktion waldschädlicher Emissionen liegt der Schadstoffeintrag auch heute noch weit über einem waldverträglichen Niveau. Auf der globalen Ebene führten die zahlreichen Verhandlungen zwar zur Vereinbarung allgemeiner Grundsätze zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder. Diese sind jedoch nicht verbindlich und zeigen bislang keine Wirkung. Eine rechtsverbindliche internationale Wald-Vereinbarung ist - wenn überhaupt - erst in Jahren zu erwarten.

    Angesichts der irreversiblen Folgen der fortschreitenden Vernichtung und Schädigung der Wälder braucht eine wirksame Waldpolitik dringend Vorreiter. Diese sollten sich zu einem Sofortprogramm verpflichten, das insbesondere die in der Agenda 21 vereinbarten Grundsätze für den Schutz und die nachhaltige Waldbewirtschaftung konkret mit Leben erfüllt. Deutschland würde sich aus vielfältigen Gründen für die Übernahme dieser internationalen Vorreiterrolle anbieten. Grundlage für eine zielgerichtete Waldpolitik muß ein integriertes Konzept sein, das alle waldrelevanten Politikbereich miteinander verknüpft.


    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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