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Teildokument zu: Waldpolitik und nachhaltige Entwicklung 4. Handlungsfelder und Aufgaben der Waldpolitik Mit der Diskussion über das "Waldsterben" traten Anfang der 80er Jahre die Wälder vor allem in Deutschland erstmals in den Mittelpunkt allgemeinpolitischer Auseinandersetzungen. Aus der "Forstpolitik" wurde die "Waldpolitik", die im wesentlichen die Verminderung waldschädigender Emissionen zum Ziel hatte. Wenige Jahre später setzte mit der Auseinandersetzung über die Vernichtung der Tropenwälder ein Trend zur Globalisierung der Waldpolitik ein, der in einer grundsätzlichen Diskussion über den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder in allen Klimazonen mündete. Die wichtigsten Aktivitäten und Ergebnisse der bisherigen Waldpolitik werden im folgenden zusammengefaßt und künftige Handlungsfelder abgeleitet. 4.1 Nationale und europaweite Reduktion waldschädigender EmissionenAls Reaktion auf die massive Ausweitung von Waldschäden erhöhte sich zu Beginn der 80er Jahre der Handlungsdruck auf die damalige Bundesregierung. Zentrale Forderung war die drastische Verminderung der Schwefeldioxid und der Stickoxidemissionen aus dem Energie und Vekehrsbereich, die als Auslöser des Waldsterbens erkannt worden waren. In der Folgezeit wurden eine Reihe von Erweiterungen und Verschärfungen des Immissionsschutzrechtes beschlossen, so vor allem: Parallel wurde auf internationaler Ebene die Begrenzung der grenzüberschreitenden Luftverunreinigungen angegangen und in der "Genfer Luftreinhaltekonvention" rechtlich verankert. In dieser Rahmenkonvention haben sich 32 Staaten zur Verminderung ihrer waldschädlichen Schadstoffemissionen verpflichtet. Inzwischen ist die Zahl der Unterzeichner auf 40 gestiegen, und es wurden folgende schadstoffbezogene Protokolle verabschiedet: Die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben erzielte in einigen Bereichen gute Ergebnisse. So sank in Deutschland - nach Angabe der Bundesregierung - die SO2-Emission in den alten Ländern zwischen 1980 und 1990 um 70 Prozent. Dieser Trend setzte sich auch nach dem Beitritt der neuen Bundesländer fort, so daß 1992 insgesamt 53 Prozent weniger SO2 freigesetzt wurde als 1980. Auf europäischer Ebene lag der SO2-Ausstoß im Jahr 1990 um 30 Prozent unter dem von 1980. Entsprechend verringerten sich auch die Sulfateinträge in die Wälder. Sie lagen in Deutschland, je nach Baumbestand und Lage, bis in die 80er Jahre hinein bei jährlichen Werten von über 100 kg/ha. Selbst in ehemals sehr stark belasteten Gebieten (z. B. im Solling) hat sich bis Mitte der 90er Jahre der jährliche Sulfat-Eintrag auf 30-40 kg/ha verringert. Allerdings liegt dies immer noch oberhalb der dauerhaft zu verkraftenden Menge, die auf etwa 10 kg/ha und Jahr geschätzt wird. Sollte das verschärfte SO2-Protokoll in Kraft treten, würde die Emission weiter herabgesetzt. Deutschland müßte dann die SO2-Emission bis zum Jahr 2000 um 83 Prozent und bis zum Jahr 2005 um 87 Prozent (Bezugsjahr 1980) verringern. Absolut entspräche dies in etwa einer Absenkung von knapp 7,5 auf rund 1 Mio. t SO2/ Jahr. Erheblich geringer waren die Erfolge bei der NOx-Reduzierung. Zwar konnte der aus den Kraftwerken stammende Anteil in den alten Ländern von knapp 1 Mio. t/Jahr auf 0,25 Mio. t/Jahr verringert werden. Allerdings wurde diese Emissionsminderung durch eine lange Zeit ansteigende NOx-Freisetzung im Verkehrsbereich kompensiert. Hier ist erst in den letzten Jahren - als Folge der Einführung des geregelten 3-Wege-Katalysators - ein leicht rückläufiger Trend festzustellen. Zwischen 1990 und 1993 sank der NOx-Ausstoß im Verkehrsbereich um 4,5 Prozent. Die gesamte NOx-Emission (Verkehr und Energiesektor) verringerte sich im Zeitraum von 1980 bis 1994 von ca. 3,3 Mio. t auf 2,2 Mio. t. Ebenfalls abgenommen hat die Emission von Ammoniak (NH3) aus der Landwirtschaft. Sie ist vor allem infolge der Verringerung des Tierbestandes in den neuen Bundesländern leicht rückläufig und sank von 0,76 Mio. t im Jahr 1990 auf 0,62 Mio. t in 1994. Der Gesamt-Stickstoffeintrag (N0x und NH3-Stickstoff) in die Wälder ist innerhalb der letzten 10 Jahre zunächst angestiegen und hat sich auf hohem Niveau in etwa stabilisiert. Mit Werten von mindestens 30-40 kg N/ha liegt er weit oberhalb der von Wäldern dauerhaft zu verkraftenden Menge von höchstens 20 kg/ha. Völlig ungelöst ist die Ozon-Problematik. Das waldschädigende Reizgas bildet sich duch die chemische Umwandlung von N0x und flüchtigen Kohlenwasserstoffverbindungen (VOC) unter intensiver Sonneneinstrahlung. Die bisherige Verringerung dieser Ausgangsschadstoffe hat keine Verbesserung gebracht. An sonnigen Sommertagen treten über mehrere Stunden hinweg Ozonkonzentrationen von über 200 µg/Kubikmeter Luft großflächig auf. Bereits ab Werten von etwa 100 µg/Kubikmeter Luft werden Pflanzen geschädigt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich die erste Phase der Waldpolitik vor allem auf die technische Minderung waldschädigender Emissionen konzentrierte. Schrittmacher war und ist die Entwicklung von Innovationen in der Filter und Anlagentechnik. Dagegen blieben emissionsmindernde Innovationen im Verkehrsbereich weit hinter dem erforderlichen Maß zurück und wurden durch das Wachstum der Verkehrsleistung vollständig kompensiert. Insgesamt liegen die Schwefel und Stickstoffemissionen in Deutschland auch heute noch weit über den von den Wäldern verkraftbaren Mengen. Auf absehbare Zeit werden technologische Innovationen allein nicht dazu führen, die erforderliche Absenkung der Schadstoff-Freisetzung zu erreichen. 4.2 Die Globalisierung der WaldpolitikAusgehend von der Tropenwalddiskussion trat seit Mitte der 80er Jahre zunehmend der Erhalt der globalen Funktionen der Wälder (Klimaregulation, biologische Vielfalt) in das Blickfeld der Waldpolitik. Damit wurde der Boden bereitet für eine grundsätzliche Diskussion über den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Wälder in allen Klimazonen. Allgemeine Leitlinien dieser globalen Waldpolitik wurden im Rahmen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) festgelegt, die im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Allerdings erfolgte dies, nach äußerst kontroversen Auseinandersetzungen, lediglich in der nicht rechtsverbindlichen "Walderklärung" und der ebenso unverbindlichen Agenda 21 (Kapitel 11). Vor allem letztere stellt seitdem die Grundlage für die weiteren Verhandlungen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder dar. Zentrale Aussagen der Walderklärung sind: Die "Agenda 21" enthält in ihrem Kapitel 11 ("Bekämpfung der Entwaldung") die folgenden Handlungsfelder: Die Agenda 21 macht recht konkrete Aussagen, wie die oben genannten Handlungsfelder auszufüllen sind. Zudem wird in ihr deutlich auf die Bedeutung einer Beteiligung des privaten Sektors, der indigenen Völker und der Nichtregierungsorganisationen (NRO) bei allen waldbezogenen Aktivitäten hingewiesen. Im Nachgang der Rio-Konferenz wurde die Waldpolitik unter dem Dach der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) fortgesetzt, deren Aufgabe die Fortentwicklung und schrittweise Umsetzung der in der Agenda 21 vereinbarten Maßnahmen ist. Die CSD beschloß im Jahr 1995 die Einsetzung des "Intergovernmental Panel on Forests" (IPF). In diesem Gremium sollten die in Rio vereinbarten Waldschutzabkommen hinsichtlich ihrer Wirkung überprüft und ergänzende bzw. weitergehende Maßnahmen erarbeitet werden. Zentrale Fragestellungen waren dabei: Eine Einigung gab es letztlich in beiden Punkten nicht. Von der verbindlichen Einführung klarer Kriterien für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder ist man ebenso weit entfernt wie von der Ausarbeitung einer rechtsverbindlichen Wald-Vereinbarung. So bleibt das diplomatische Gezerre um den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder weiterhin ein Musterbeispiel für das Schneckentempo der globalen Umweltpolitik. Auch fünf Jahre nach Rio hat die internationale Staatengemeinschaft keine substanziellen Fortschritte zur Lösung des Waldproblems erreicht. Nach jahrelangen Verhandlungen zeichnet sich eine rechtsverbindliche Waldvereinbarung erst in weiter Ferne ab. Waldschutz muß verbindlich werdenAuch wenn der Weg noch lang sein mag, ist die Ausarbeitung einer rechtsverbindlichen internationalen Waldvereinbarung dringend erforderlich. Diese könnte sowohl eine eigenständige Wald-Konvention als auch ein Wald-Protokoll unter dem Dach der Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt sein. Angesichts der vielfältigen Ursachen der Waldschädigung und vernichtung müßten die folgenden Eckpunkte als Basis für einen wirksamen Schutz der Wälder vereinbart werden: In jedem Fall sollte es vermieden werden, durch unverbindliche Formulierungen zunächst möglichst viele Staaten "in ein Boot" zu bekommen. Dieses Verfahren liegt zum Beispiel der Klimarahmenkonvention zugrunde, die auch fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung keine verpflichtenden Ziele und Maßnahmen enthält. Als Absichtserklärung wäre eine Wald-Vereinbarung jedoch nicht mehr als das Festschreiben des Status quo und würde keine Fortschritte bringen. Denn mit der Walderklärung und der Agenda 21 liegen bereits unverbindliche Dokumente vor. 4.3 Plädoyer für eine neue WaldpolitikDer Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder braucht eine Parallelstrategie. Einerseits muß man weiter an einer Wald-Vereinbarung arbeiten, auch wenn dies noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Anderseits sind unmittelbar Maßnahmen gegen die ausufernden Waldschäden und die irreversible Zerstörung zu ergreifen. Eine neue, erfolgversprechende Waldpolitik muß auf folgenden beiden Säulen basieren: Es steht außer Zweifel, daß weltweite Probleme nicht von einzelnen Staaten gelöst werden können. Dies gilt auch für die fortschreitende Vernichtung und Schädigung der Wälder. Allerdings darf dies nicht dazu führen, die nationalen Handlungsmöglichkeiten auf dem Altar des Globalisierungstrends zu opfern. Vielmehr ist Bewegung auf internationaler Ebene erst dann zu erwarten, wenn einzelne Staaten, oder besser Staatengruppen, konkret und glaubhaft vorangehen. Im Waldbereich ist dazu so rasch wie möglich ein Sofortprogramm zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder anzustreben. Ein solches Sofortprogramm würde nicht nur unmittelbar zur Verbesserung der Waldsituation in den Vorreiterländern beitragen, sondern könnte darüber hinaus den Druck auf die internationale Staatengemeinschaft erhöhen. Deutschland ist aus mehreren Gründen für die Übernahme dieser Vorreiterrolle prädestiniert. Im folgenden wird vor diesem Hintergrund aufgezeigt, wie eine nationale Waldpolitik aussehen müßte, die dieser Vorreiterrolle gerecht würde. Dabei muß es sich keineswegs um einen nationalen Alleingang handeln, im Gegenteil. Es ist anzustreben, Verbündete zu finden, d. h. Länder, die ebenfalls bereit sind, durch selbst auferlegte Verpflichtungen die Sicherung der Waldfunktionen national und international voranzubringen. Ein wirksames Waldschutzprogramm muß auf einem integrierten Konzept beruhen. Der Schutz der Wälder ist zum Beispiel nur zu gewährleisten, wenn die Emissionen aus dem Straßenverkehr, dem Energiebereich sowie der Landwirtschaft drastisch reduziert werden. Waldrelevant ist zudem die Wirtschafts bzw. Konsumpolitik, da sie z. B. die Nachfrage nach Produkten aus ökologisch verträglicher Waldbewirtschaftung beeinflußt. Ebenso ist die Finanzpolitik - etwa über die Einführung ökologischer Steuern - ein waldrelevanter Bereich. Eine Vielzahl von Verknüpfungen ergeben sich zwischen dem Schutz der Wälder und dem Klima bzw. dem Natur und Artenschutz. Und schließlich gehört zu einer ambitionierten Waldpolitik auch die Entwicklungszusammenarbeit, sprich: der Schutz der Wälder in anderen Regionen der Erde (Tropenwaldschutz, Eindämmung der Wüstenausbreitung etc.). Um diesen vielfältigen Verknüpfungen gerecht zu werden, bedarf es einer integrierten Waldpolitik, die über die Umsetzung von Schutz und ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftungskonzepten hinaus auch die erforderliche Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zum Ziel hat. Gerade die Bewirtschaftung der Naturressource Wald bietet die Chance, zu einem Modellfall für eine dauerhaft tragfähige Wirtschaftsweise zu werden. Eine integrierte Waldpolitik könnte damit als Schrittmacher für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung fungieren. Im folgenden Kapitel wird anhand der Situation in Deutschland ein Weg aufgezeigt, wie sie dieser Anforderung gerecht werden kann. ResümeeDie bisherige nationale und internationale Waldpolitik hat nicht zum notwendigen Wandel im Umgang mit den Wäldern geführt. Trotz der nationalen und europaweiten Reduktion waldschädlicher Emissionen liegt der Schadstoffeintrag auch heute noch weit über einem waldverträglichen Niveau. Auf der globalen Ebene führten die zahlreichen Verhandlungen zwar zur Vereinbarung allgemeiner Grundsätze zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder. Diese sind jedoch nicht verbindlich und zeigen bislang keine Wirkung. Eine rechtsverbindliche internationale Wald-Vereinbarung ist - wenn überhaupt - erst in Jahren zu erwarten. Angesichts der irreversiblen Folgen der fortschreitenden Vernichtung und Schädigung der Wälder braucht eine wirksame Waldpolitik dringend Vorreiter. Diese sollten sich zu einem Sofortprogramm verpflichten, das insbesondere die in der Agenda 21 vereinbarten Grundsätze für den Schutz und die nachhaltige Waldbewirtschaftung konkret mit Leben erfüllt. Deutschland würde sich aus vielfältigen Gründen für die Übernahme dieser internationalen Vorreiterrolle anbieten. Grundlage für eine zielgerichtete Waldpolitik muß ein integriertes Konzept sein, das alle waldrelevanten Politikbereich miteinander verknüpft. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998 |