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Teildokument zu: Waldpolitik und nachhaltige Entwicklung


5. Waldschutz und ­nutzung als Modell für ökologisch-soziales Wirtschaften

Deutschland sieht sich zumeist als "waldwirtschaftliches Musterland". Kaum einem Volk wird ein derart enges kulturelles und wirtschaftliches Verhältnis zum Wald nachgesagt. Dies läßt sich anhand einiger Fakten untermauern:

  • Trotz der hohen Bevölkerungsdichte verfügt die Bundesrepublik über mehr als 10 Mio. ha Wald. Das ist rund ein Drittel der Landesfläche. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern nimmt die Waldfläche in Deutschland seit Jahren stetig zu.
  • Die deutsche Forstwirtschaft hat das Prinzip der an der nachwachsenden Holzmenge orientierten Nachhaltigkeit entscheidend geprägt und in den letzten zweihundert Jahren dafür gesorgt, daß in den deutschen Wäldern ein beträchtlicher Holzvorrat stockt.
  • In keinem Land hat das Phänomen des "Waldsterbens" zu Beginn der 80er Jahre mehr Aufmerksamkeit erregt als in Deutschland. Dieser gesellschaftliche Druck hat maßgeblich zur Verabschiedung eines Maßnahmenpakets zur Verringerung der waldschädigenden Schadstoffemissionen geführt, das in Teilbereichen Erfolge zeigt.
  • Mit großem finanziellen Aufwand wurde innerhalb der letzten 15 Jahren die Erforschung der Waldökosysteme gefördert. Daraus resultiert ein hoher Kenntnisstand über das komplexe Wirkungsgefüge in Waldökosystemen.
  • Die Bundesregierung hat auf internationaler Ebene wesentlich zur Thematisierung des Tropenwaldproblems beigetragen und ist z. B. einer der Hauptgeldgeber für das Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen Regenwälder.
  • Auf der Basis dieser Aktivitäten hat sich in weiten Teilen der Politik und des Forst­ und Holzsektors ein starkes Selbstvertrauen herausgebildet, das zuweilen sogar in einem ausgeprägten Sendungsbewußtsein gegenüber anderen Staaten mündet. Es darf auf der anderen Seite jedoch nicht übersehen werden, daß auch in deutschen Wäldern die Welt längst nicht (mehr) in Ordnung ist. Auch dafür gibt es eine Reihe von Fakten:

  • Zwei Drittel der Wälder zeigen Schadsymptome infolge der jahrzehntelang anhaltenden Schadstoffeinträge. Gerade derart vorgeschädigte Bestände sind besonders stark von Stürmen, langen Trockenphasen und Krankheiten bedroht. Als Folge des Schadstoffeintrags treten großflächig versauerte Waldböden mit deutlich verminderter natürlicher Fruchtbarkeit auf.
  • Wie in fast allen europäischen Ländern finden sich auch in Deutschland keine Naturwälder mehr. Sie wurden bereits vor Jahrhunderten durch Raubbau vernichtet bzw. gerodet, um Raum für Landwirtschaft, Siedlungen und Industrie zu schaffen.
  • In Deutschland stehen lediglich rund 20.000 ha Wald unter Schutz. Das sind gerade einmal 0,2 Prozent der Gesamtwaldfläche. Weitere etwa 800.000 ha unterliegen als ausgewiesene Waldbiotope oder Naturparke einer eingeschränkten Nutzung. Mit einer Durchschnittsgröße von nur rund 30 ha sind viele Schutzgebiete zu klein, um das Überleben bedrohter Tier­ und Pflanzenarten sichern zu können.
  • Zusammensetzung und Struktur der Wälder sind in der Regel naturfern. Das Bild des deutschen Waldes wird von Mono­ und Bikulturen aus den Baumarten Fichte, Kiefer, Douglasie, Buche und Eiche dominiert. Eine Vielzahl von in Wäldern lebenden Tier­ und Pflanzenarten stehen auf der "Roten Liste".
  • Die in weiten Teilen überhöhten Schalenwildbestände behindern in starkem Maße eine natürliche Verjüngung vor allem von Laubbäumen. Die Aufzucht von Laub­ und Laubmischwäldern ist deshalb vielerorts nur noch innerhalb abgezäunter Areale möglich. Die Errichtung tausender Kilometer Wildschutz-Zäune stellt eine erhebliche Kostenbelastung der Forstwirtschaft dar.
  • Vor allem die immer noch weit verbreiteten Fichtenreinbestände sind wenig resistent gegen Stürme und weisen daher ein hohes Betriebsrisiko auf. Nur etwa die Hälfte dieser Bestände erreicht die Hiebreife. Ein großer Teil fällt zuvor Stürmen, Schneebruch oder Krankheiten zum Opfer.
  • Die Kritikpunkte haben in den letzten Jahren verstärkt zu einer Diskussion über das in Deutschland vorherrschende Bewirtschaftungsmodell des "schlagweisen Altersklassenwaldes" geführt. Dieses Verfahren erfordert einen relativ geringen Planungsaufwand und erleichtert den Einsatz von Maschinen. Altersklassenwälder weisen jedoch eine Reihe ökologischer und ökonomischer Nachteile auf. Der relativ große Pflegeaufwand (Saat, Durchforstung etc.) verursacht hohe Betriebskosten und einen vergleichsweise hohen Energieinput. Zudem weisen die altershomogenen Bestände eine geringe biologische Vielfalt auf, d. h., sie sind strukturarm, bieten wenigen Tier­ und Pflanzenarten Lebensraum und sind durch ein geringes genetisches Potential gekennzeichnet. Die ökologische Verarmung wirkt sich negativ auf die Stabilität der Bestände aus und erhöht dadurch das Betriebsrisiko. Sowohl unter ökologischen als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten bedarf die Waldbewirtschaftung in Deutschland daher einer Neuorientierung.

    Zwar hat in letzter Zeit ein Trend hin zu naturnäheren Bewirtschaftungsmodellen eingesetzt. Dieser muß jedoch wesentlich verstärkt werden, um der ökologischen und ökonomischen Herausforderung gerecht zu werden. Die Waldwirtschaft muß künftig

  • trotz der bereits erfolgten Schädigungen durch Stoffeinträge die ökologischen, ökonomischen und sozialen Waldfunktionen sicherstellen und so den sich wandelnden Ansprüchen der Gesellschaft an die Wälder Rechnung tragen,
  • die Anpassungsfähigkeit der Wälder an künftige Klimaänderungen vergrößern und
  • sich auf dem hart umkämpften Holzmarkt behaupten.
  • Diese Zielsetzungen werden nur durch eine ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene Strategie zu erreichen sein, in deren Zentrum die Schaffung naturnaher, ökologisch und ökonomisch hochwertiger Wälder steht. Neben einer Umstrukturierung der Forstwirtschaft bedarf es dazu in starkem Maße einer öffentlichen und politischen Unterstützung. Eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft braucht entsprechende volkswirtschaftliche und ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Sie ist zudem auf hohe Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft angewiesen.

    Vor diesem Hintergrund müßte eine zukunftsweisende, integrierte Waldpolitik auf folgenden fünf Säulen basieren:

  • 1. Umsetzung einer ökologisch nachhaltigen Waldbewirtschaftung
  • 2. Flankierende Marktpolitik für naturnah erzeugte Hölzer
  • 3. Verringerung extern hervorgerufener Waldschäden
  • 4. Vorbildhafte internationale Zusammenarbeit
  • 5. Gesellschaftlichen Konsens über die Waldpolitik herstellen
  • Ein solches Programm müßte, wie in der Agenda 21 vereinbart, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Funktionen der Wälder gleichberechtigt nebeneinanderstellen und die zahlreichen Ansprüche an die Wälder miteinander in Einklang bringen. Es könnte ein Modell für eine ökologisch-soziale Wirtschaftsweise sein und als "Schrittmacher" auf dem Weg in eine nachhaltige Entwicklung fungieren.

    Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, ist eine sektorübergreifende Zusammenarbeit aller politisch-administrativen Ebenen unerläßlich. Deshalb sollte von der Bundesregierung umgehend eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines "Programms zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder" eingerichtet werden, dem neben den relevanten Ministerien (Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft, Arbeit und Soziales, Wirtschaftliche Zusammenarbeit etc.) auch Vertreter der Länder sowie der Nichtregierungsorganisationen angehören müßten.

    5.1 Umsetzung einer ökologisch nachhaltigen Waldbewirtschaftung

    In keinem Wirtschaftszweig sind Ökologie und Ökonomie so eng miteinander verbunden wie in der Waldwirtschaft. Ökologische Schäden wirken sich über kurz oder lang auch negativ auf die Produktivkraft des Waldes aus. Insofern ist der Einklang von Ökologie und Ökonomie in der Waldwirtschaft zwingend und unverzichtbar. Auf der Grundlage dieses Zusammenhangs wird seit Jahrzehnten unter dem Stichwort "naturgemäße Waldwirtschaft" ein stärker an den Naturprozessen orientierter Waldbau praktiziert. Dieser führt bislang jedoch ein Nischendasein. Es gilt, diesen Ansatz zu fördern und ihn als Leitbild einer zukunftsorientierten Waldwirtschaft zu etablieren.

    5.1.1 Wirtschaftswälder ökologisch nutzen

    Die künftige Waldstruktur muß sich wesentlich stärker an den natürlichen Wäldern orientieren. Dies bedeutet jedoch keineswegs eine Aufgabe der Waldnutzung, d. h. den Verzicht auf Produktion und Nutzung von Holz. Im Gegenteil: Die Nutzung des umweltfreundlichen und hochwertigen Rohstoffs Holz ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll und muß deshalb weiterhin im Zentrum einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung stehen. Nicht zuletzt ist dies auch ein Beitrag zum Erhalt hochqualifizierter und zukunftsfähiger Arbeitsplätze, insbesondere im ländlichen Raum.

    Bei der Erzeugung des Holzes ist stärker als bisher auf die natürlichen Produktivkräfte im Wald zu setzen. Konkret bedeutet dies eine Abkehr vom schlagweisen Altersklassenwald hin zum vielfältig strukurierten Dauerwald, in dem eine größere Zahl unterschiedlicher Baumarten unterschiedlichen Alters auf engem Raum zusammenstehen können. Die steuernden Eingriffe des Menschen sollten sich auf ein Minimum beschränken und folgende Grundprinizipien befolgen:

  • Bevorzugung einheimischer (Laub)baumarten,
  • Vorrang für die Naturverjüngung,
  • Einzelstammweiser Einschlag mit schonenden Erntemethoden,
  • Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden und auf Bodenbearbeitung,
  • Erhöhung des Totholzanteils im Wald.
  • Für die Umsetzung der naturnahen Waldbewirtschaftungsprinzipien sind vorrangig die Bundesländer verantwortlich. Eine vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) durchgeführte Analyse der Landeswaldgesetze und ­waldbauprogramme machte deutlich, daß vor allem in den alten Bundesländern entsprechende Vorschriften für einen naturnahen Waldbau zumeist fehlen. Es wird daher eine grundlegende Novellierung der Landeswaldgesetze in den Bundesländern Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie eine Überarbeitung der Gesetze in Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen gefordert. Vergleichbare Defizite wurden auch für die Waldbauprogramme der Länder ausgemacht, die für die Staatswälder die Prinzipien einer naturnahen Waldbewirtschaftung formal verbindlich festschreiben. Sie müßten durch konkrete Vorschriften ergänzt werden, so z. B., daß Windwurfflächen < 0,5 ha der Sukzession zu überlassen sind und daß der Starktotholzanteil mindestens 5 Prozent des Bestandesvorrats ausmachen muß.

    Entscheidend für die Umsetzung ökologisch nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden ist die drastische Verringerung des Wildbestandes in den Wäldern. Eine Abkehr von der verfehlten Wildhege hin zu einer an der Waldökologie orientierten Bejagung von Schalenwild ist längst überfällig. Die Hegepraxis der Jäger hat in vielen Waldgebieten Deutschlands zu derart hohen Wilddichten geführt, daß eine Verjüngung vor allem von Laubbäumen nur noch in abgezäunten Arealen möglich ist. Der erfordliche Schutz der Wälder vor Wildverbiß stellt eine immense finanzielle Belastung der Forstwirtschaft dar. Überhöhte Schalenwildbestände wirken sich zudem negativ auf den Artenbestand in den Wäldern aus. Die vom Wild bevorzugten Jung-Laubbäume und Kräuter werden zurückgedrängt, während sich andere Arten (v. a. Fichte) ausdehnen können. Diese Verschiebung der Konkurrenzsituation wirkt sich insgesamt negativ auf die ökologische Stabilität der Wälder aus.

    Alle Konzepte zur naturgemäßen Bewirtschaftung der Wälder fruchten nicht, solange die natürliche Reproduktion der Wälder durch Wildverbiß unterbunden wird. Vor diesem Hintergrund sind dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Schalenwildbestände auf ein waldverträgliches Maß zurückzuführen. Dazu ist die Abschußplanung nach ökologischen Kriterien festzulegen. Erforderlich ist vor allem

  • eine am Waldzustand orientierte Abschußplanung auf der Basis von Wildverbißgutachten,
  • eine rechtliche Einschränkung der Fütterung auf tatsächliche, populationsgefährdende Notzeiten sowie
  • die Abschaffung trophäenorientierter Abschußkriterien und ­zeiten, die den Abschuß aus ökologisch gerechtfertigten Gründen erschweren.
  • 5.1.2 Waldschutzgebiete ausweiten

    Die Umstellung der Waldbewirtschaftung muß auch zur Folge haben, daß ausreichend große Waldinseln einer natürlichen Entwicklung überlassen werden. Dabei ist zu bedenken, daß in Mitteleuropa keine größeren Naturwälder mehr bestehen und daher der Kenntnisstand über die Zusammensetzung, die Struktur und die ökologischen Prozesse in von Menschen unbeeinflußten Wäldern lückenhaft ist. Das Wissen um die natürlichen Bedingungen in Wäldern ist jedoch eine Voraussetzung für die naturnahe Waldbewirtschaftung.

    Deshalb sollte ein möglichst vernetztes System aus "Naturwaldzellen" eingerichtet werden, das die wichtigsten Waldgesellschaften repräsentativ umfaßt. Dazu sind mindestens 5 Prozent der Waldfläche unter Schutz zu stellen. Das wäre mehr als das Zwanzigfache der heute ausgewiesenen Waldschutzflächen. Das allgemeine Interesse an einem stärkeren Naturschutz sollte allerdings nicht zu Lasten der privaten Forstwirtschaft durchgesetzt werden. Vielmehr sind Schutzflächen in erster Linie in öffentlichen Wäldern auszuweisen. Privaten Waldbesitzern, die sich ebenfalls zu einem solchen Schritt der "Stillegung" entscheiden, müssen Fördermittel zur Kompensation des entgangenen wirtschaftlichen Nutzens zur Verfügung stehen. In jedem Fall ist einem Anreizsystem Vorrang vor dem Verordnungsweg einzuräumen.

    Neben den primären Schutzzielen (z. B. Erhalt der biologischen Vielfalt) könnten in solchen nicht bewirtschafteten Gebieten mittel­ bis langfristig neue Forschungsergebnisse über die natürlichen ökosystemaren Prozesse (Stoffströme, Konkurrenzsituation, Sukzession) gewonnen werden, die eine Überprüfung und Fortentwicklung einer ökologisch nachhaltigen Forstpraxis ermöglichen. Waldschutzgebiete kommen daher langfristig auch der Waldwirtschaft zugute.

    Es darf in diesem Zusammenhang außerdem nicht vergessen werden, daß der Schutz und Erhalt von Naturwäldern eine der zentralen Forderungen in der internationalen Walddiskussion ist. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, der natürlichen Waldentwicklung in Mitteleuropa Möglichkeiten einzuräumen, um auf internationalem Parkett glaubwürdig für den Erhalt von Naturwäldern in anderen Regionen der Erde auftreten zu können.

    5.1.3 Wirtschaftliche und soziale Konsequenzen

    Ökologisch konsequentes Handeln kann mit erheblichem wirtschaftlichen Nutzen einhergehen. Dies gilt insbesondere für den Waldbereich. Es ist sicherlich kein Zufall, daß ausgerechnet private Waldbesitzer seit langer Zeit die oben aufgezeigten Prinzipien eines naturnahen Waldbaus mit erheblichem wirtschaftlichem Gewinn praktizieren. Ein nach ökologischen Kriterien genutzter Wald ist also Natur, die sich bezahlt macht. Dabei ist jedoch grundsätzlich zu bedenken, daß die Waldwirtschaft durch extrem lange Wirtschaftszyklen gekennzeichnet ist. Ein junger Baum wirft frühestens nach einigen Jahrezehnten Erträge ab, hochwertiges Starkholz liefert er erst nach 120 bis 200 Jahren. Das in anderen Wirtschaftsbereichen übliche kurzfristige Profitdenken greift daher im Wald nicht. Stattdessen zahlen sich in der Waldwirtschaft langfristig tragfähige Strategien aus. Der naturgemäße Waldbau ist eine solche Langfrist-Strategie, die folgende wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt:

  • Geringere Kulturkosten durch die Nutzung der kostenlosen natürlichen Verjüngung anstelle der kostenintensiven Pflanzung angekaufter Setzlinge,
  • Kostensenkung durch geringeren Pflegeaufwand,
  • Qualitätssteigerung durch die optimierte Nutzung der natürlichen Waldökosystemprozesse ("biologische Automation"),
  • Erhebliche Reduzierung des Schwachholzaufkommens, das nur mit Verlusten auf dem Markt abgesetzt werden kann,
  • Höhere Betriebssicherheit aufgrund ökologisch stabilerer Bestände,
  • Schaffung neuer, qualifizierter Arbeitsplätze durch den Ersatz von Maschinen,
  • Einnahmesteigerung durch Verlagerung der Produktion auf hochwertige Laubgehölze.
  • Trotz der wirtschaftlichen Vorteile eines naturgemäßen Waldbaus können für den Einzelbetrieb bei der Umstellung kurzfristig wirtschaftliche Nachteile entstehen (evtl. zeitweise höherer Arbeitsaufwand oder Umsatzrückgänge). Derartige betriebliche Hemmnisse sind durch die Bereitstellung öffentlicher Fördermittel zu beseitigen. Denn die Forstwirtschaft erbringt grundlegende ökologische Leistungen, die bislang von der Gesellschaft nicht monetär honoriert werden. Ihr Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft, der biologischen Vielfalt sowie zum Schutz von Böden, Wasser und Klima ist zwar allgemein anerkannt, wird jedoch "gratis" in Anspruch genommen. In einer Zeit, in der die ökologischen und sozialen Leistungen innerhalb der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert einnehmen, fordert die Forstwirtschaft zu Recht deren Honorierung ein. Über die Marktpreise (für Holz) ist eine solche Honorierung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Der Wert von sauberer Luft und sauberem Wasser, von biologisch vielfältigen Ökosystemen und einer "schönen Landschaft" kann nicht in Heller und Pfennig ausgedrückt werden. Insofern sagen die Preise nicht die "ökologische Wahrheit", zum Nachteil der Waldwirtschaft und des Waldes. Dieser Mißstand kann durch eine finanzielle Förderung naturgerechter Waldbewirtschaftungsmethoden gelindert werden.

    Ein ökologisch ausgerichteter Waldbau würde darüber hinaus zu einer Belebung des "Grünen Arbeitsmarktes" führen und den seit Jahrzehnten anhaltenden Trend zum radikalen Abbau von Waldarbeitsplätzen umkehren. An Stelle der zunehmend eingesetzten Bewirtschaftungs­ und Erntemaschinen erfordert eine schonende, naturgemäße Waldbewirtschaftung qualifizerte Arbeitskräfte. Vor diesem Hintergrund wird auch von gewerkschaftlicher Seite eine ökologische und soziale Wende in der Waldwirtschaft gefordert.

    5.2 Flankierende Marktpolitik für naturgerecht erzeugte Holzprodukte

    Die Schatten des weltweiten Freihandels werden auch im Forst­ und Holzbereich immer deutlicher. Das ungehemmte Spiel der Marktkräfte läßt die weltweit auftretenden ökologischen und sozialen Schäden der Forst­ und Holzwirtschaft unberücksichtigt und fördert daher den Raubbau an den Wäldern. Wer seine Wälder nachhaltig bewirtschaftet und Holzprodukte umweltverträglich herstellt, hat auf dem Weltmarkt einen schweren Stand, weil seine Produktionskosten nicht mit denen der Waldplünderer in anderen Teilen der Welt konkurrieren können. Die falschen Signale des Marktes werden noch verstärkt durch die mangelnde Transparenz. So liegt die Herkunft der Holzprodukte in aller Regel im dunkeln. Selbst Händler sind oftmals nicht in der Lage nachzuvollziehen, aus welchen Wäldern die verarbeiteten Hölzer stammen und unter welchen Bedingungen sie gewonnen wurden. Dies gilt erst recht für die Endverbraucher. Auch eine wachsende Zahl von Zertifikaten, die eine schonende Holzproduktion belegen sollen, hat keine Transparenz geschaffen. Im Gegenteil: Sie wirkte aufgrund der unübersichtlichen Vielfalt der Kennzeichen und mangelnden Kontrollen kontraproduktiv. Meist erwiesen sich die Zertifikate bei genauerer Betrachtung ohnehin als Augenwischerei.

    Gerade im Waldbereich ist der Widerspruch zwischen Ökologie und Markt besonders fatal, da er langfristig zur Vernichtung der eigenen Produktionsgrundlage führt. Das ökologisch wie ökonomisch unvernünftige Wirtschaften wird nicht überwunden werden können, solange Holz, Papier und Zellstoff aus Raubbau billiger ist als aus nachhaltiger Bewirtschaftung. Wie in Kapitel 2 erwähnt, müssen von einer international verbindlichen Waldschutzvereinbarung spürbare Inpulse zur Überwindung dieses Mißstandes ausgehen. Es reicht jedoch nicht, auf die globale Ebene zu verweisen, denn auch einzelne Länder können Erhebliches dazu beitragen, die Marktkräfte in Richtung einer dauerhaft tragfähigen Waldwirtschaft zu lenken. Dazu ist ein zielgerichtetes, marktgerechtes Instrumentarium zur Förderung von naturgerecht produzierten Hölzern und Holzprodukten zu etablieren, dessen Kernpunkte im folgenden geschildert werden.

    5.2.1 Verläßliche Kennzeichnung naturnah erzeugter Holzprodukte

    Zur Förderung einer nachhaltigen Waldwirtschaft wird seit langem die Einführung einer freiwilligen Positivkennzeichnung für Hölzer aus umwelt­ und sozialverträglicher Bewirtschaftung diskutiert. Ein solches Gütesiegel würde für mehr Transparenz auf dem Markt sorgen, den Verbrauchern objektive Informationsmöglichkeiten bei der Kaufentscheidung bieten und die Absatzchancen für nachhaltig erzeugte Hölzer und Holzprodukte verbessern.

    Die bisherigen Versuche zeigen, daß ein Positiv-Label nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn

  • es auf alle Hölzer, also auch Importhölzer aus den Tropen und anderen Teilen der Welt, angewendet wird,
  • es durch Beteiligung aller relevanten Gruppen (Forstwirtschaft, Handel, Gewerkschaften, Umwelt­ und Verbraucherverbände etc.) entwickelt wurde,
  • ihm nachprüfbare und allgemein akzeptierte ökologische und soziale Vergabekriterien zugrunde liegen,
  • es von einer unabhängigen Instanz vergeben wird und
  • eine wirksame Kontrolle gewährleistet ist.
  • Der bisher erfolgversprechendste Ansatz ist die Arbeit des "Forest Stewardship Council (FSC)", einem internationalen Zusammenschluß von mittlerweile über 160 Forst­ und Holzwirtschafts­ bzw. Handelsunternehmen sowie Gewerkschaften, Umweltverbänden und Menschenrechtsorganisationen. In dieser Runde einigte man sich auf allgemeine Prinzipien und Kriterien für die Vergabe eines Labels für umwelt­ und sozialverträglich erzeugte Hölzer aus allen Klimazonen. In den einzelnen Ländern sollen diese Richtlinien von Arbeitsgruppen konkretisiert werden. FSC stellt selbst keine Zertifikate aus. Seine Aufgabe ist es, hierfür Organisationen zu akkreditieren und darüber zu wachen, daß die FSC-Richtlinien eingehalten werden. Mitte 1995 wurden die ersten vier Zertifizierer akkreditiert und die ersten Zertifikate vergeben.

    Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß auch die Arbeit des FSC nicht unkritisch gesehen werden darf. Vor allem in Tropenländern treten Schwierigkeiten bei der Überwachung zertifizierter Betriebe auf. In Einzelfällen wurden bereits gravierende Verstöße gegen die Kriterien des FSC-Labels aufgedeckt, so z. B. der Holzeinschlag in Waldschutzgebieten. Es muß im Interesse des FSC liegen, derartige Verstöße zu unterbinden und Kontrollen sowie Sanktionen zu verstärken.

    In Deutschland beginnt zur Zeit die Arbeit an einer Konkretisierung der FSC-Kriterien. Sie bietet die Chance, die Vergabegrundlagen der bisher in Deutschland vergebenen Holz-Zertifikate zu harmonisieren und die drohende Inflation von Gütesiegeln zu verhindern. Dabei konkurrieren die drei folgenden Konzepte für die Vergabe von Holz-Gütesiegeln:

  • Ausgehend von der Einschätzung, daß die Bewirtschaftung der Wälder in Deutschland den Kriterien der Nachhaltigkeit genügt, wird vom Deutschen Forstwirtschaftsrat das Kennzeichen "Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, gewachsen in Deutschlands Wäldern" vergeben. Das Label kann jeder deutsche Forstbetrieb für sich in Anspruch nehmen. Daher bietet es keinen Anreiz für ökologische Innovationen, sondern dient der Absatzförderung für in Deutschland eingeschlagene Hölzer.
  • Aufbauend auf einer vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) entwickelten Konzeption für den naturnahen Waldbau vergibt die Eco Timber GmbH ein gleichnamiges Label. Voraussetzung für seine Inanspruchnahme ist die Regeneration des Waldes durch Naturverjüngung, der Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide, der Einsatz sanfter Betriebstechniken (z. B. Rückepferde) bei der Waldpflege und der Holzernte, eine Erhöhung des Totholzes (v. a. des stehenden Totholzes) auf etwa 5 Prozent des Holzvorrates sowie die Bevorzugung einheimischer Baumarten. Das Konzept entspricht im wesentlichen den seit Jahrzehnten in der Praxis bewährten Richtilinien der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) und hat zum Ziel, die Einrichtung von ökologisch und ökonomisch hochwertigen Dauerwäldern zu fördern.
  • Ebenfalls an den Richtlinien der ANW orientiert sich das vom Naturland e. V. vergebene Holz-Zertifikat. Es geht jedoch in einigen wesentlichen Punkten über diese Richtlinien hinaus und ist gekennzeichnet durch einen vollständigen Verzicht auf nicht einheimische Baumarten sowie die Einrichtung von Referenzflächen, auf denen die Wälder einer natürlichen Entwicklung überlassen werden. Etwa 10 Prozent des Waldes bleiben so von der Bewirtschaftung ausgeschlossen. Die langfristig entstehenden Naturwaldzellen erhöhen den ökologischen Wert der Wälder und können neue Erkenntnisse über die ungestörten ökologischen Prozesse in Wäldern vermitteln, die einer Fortentwicklung der naturnahen Waldwirtschaft dienen sollen. Das Konzept wird von den Umweltverbänden Greenpeace, BUND, Robin Wood und dem WWF unterstützt.
  • Der Prozeß einer Vereinheitlichung der Zertifikate muß vorangebracht werden, denn ein Nebeneinander verschiedener Kennzeichnungen schafft eher Unklarheit als Transparenz für die Verbraucher. Daher sollte so schnell wie möglich ein Kompromiß erzielt werden. Dies dürfte nur gelingen, wenn ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte gleichberechtigt Beachtung finden. Ein Grundsatzstreit um verschiedene "Waldbau-Ideologien" erscheint dem tatsächlichen Gewicht eines Holz-Zertifikats nicht angemessen. Denn so wichtig eine Positivkennzeichnung für Hölzer aus umwelt­ und sozialverträglicher Erzeugung auch ist, sie allein wird die drängenden Waldprobleme nicht lösen. Daher sollte man sich möglichst rasch auf ein von allen Beteiligten getragenes Label einigen, das

  • einen Anreiz zur Umstellung auf naturnahe Waldbewirtschaftungsmethoden bietet,
  • auf praktikablen, wirtschaftlich tragfähigen und nachprüfbaren Waldbaukriterien beruht und
  • Chancen bietet, sich am Markt zu behaupten und über ein Nischendasein hinauszugehen.
  • Bislang werden lediglich Forstbetriebe zertifiziert, während die auf dem Markt angebotenen Endprodukte noch nicht ausreichend berücksichtigt sind. Will man das Hauptziel des Gütesiegels, nämlich mehr Markttransparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, nicht verfehlen, muß diese Lücke schnell geschlossen werden.

    5.2.2 Ökologisch sinnvolle Absatzmärkte erweitern

    Holz ist ein hochwertiger, vielfältig einsetzbarer und umweltfreundlicher Naturstoff. Er wird seit Jahrhunderten als Bau­ und Rohstoff sowie als Energiequelle genutzt. Aussagekräftige Ökobilanzen können erheblich dazu beitragen, die Umweltvorteile von nachhaltig erzeugtem Holz deutlich zu machen. Die bisher vorliegenden Bilanzierungen belegen dies. Sie sind jedoch noch methodisch weiterzuentwickeln, um die komplexen Stoff­ und Energieströme über den gesamten Lebensweg von Holzprodukten erfassen zu können. Hierin liegt eine zentrale Aufgabe der holzwirtschaftlichen Forschung.

    Trotz der wachsenden Holznachfrage steckt die Forst­ und Holzwirtschaft in Deutschland in einer tiefen Krise. Dafür gibt es ein ganzes Bündel von Gründen:

  • Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sowie behördliche Auflagen (z. B. im Bau­ und Heizungsbereich) haben Holz in vielen Bereichen zurückgedrängt.
  • Die Globalisierung der Märkte hat zu einer drastischen Steigerung von Holzimporten geführt. Diese Hölzer stammen zum erheblichen Teil aus waldschädigendem und waldvernichtendem Raubbau, insbesondere aus der borealen Zone und den Tropen.
  • Das gängige Betriebsmodell des Altersklassenwaldes hat zum Heranwachsen großer Mengen Schwachholzes geführt, die nur mit erheblichen Verlusten auf dem Markt abzusetzen sind. Darüber hinaus brachten Orkane zu Beginn der 90er Jahre vor allem in den relativ instabilen fichtendominierten Beständen sehr große Mengen an Sturmholz, die den Holzmarkt über Jahre hinweg übersättigten.
  • Die in den letzten Jahren von seiten der Holzwirtschaft verstärkt eingesetzten Marketing-Strategien werden allein nicht ausreichen, um diese Situation grundlegend zu verändern. Vielmehr sind gezielte Maßnahmen zur Absatzförderung in denjenigen Bereichen zu ergreifen, in denen Holz besonders umweltfreundlich eingesetzt werden kann. Dies gilt besonders für dauerhaft verbautes Holz in langlebigen Produkten (z. B. Bauteile, Möbel etc.), das als zusätzlicher Kohlenstoffspeicher die Atmosphäre von klimaschädlichem CO2 entlastet. Darüber hinaus erscheint es langfristig erforderlich, daß die Forstwirtschaft nicht nur bei der Vermarktung, sondern bereits bei der Erzeugung des Holzes vermehrt auf Qualität setzt und stärker als bislang von der durch "Massenproduktion" gekennzeichneten Alterklassenbewirtschaftung mit wenigen Baumarten abrückt. Dadurch würde sich zum Beispiel die katastrophale Lage im Schwachholzbereich wesentlich entspannen. Bis ein solcher Wandel in der Waldbewirtschaftung jedoch greift, müssen Übergangslösungen gefunden werden, die den Einsatz von Schwachholz als Rohstoff sowie als Energieträger fördern.

    Baustoff Holz

    Seit alters her ist Holz ein hochwertiger Baustoff. Bauteile aus Holz sind langlebig und erhöhen die Wohnqualität. Ihre Verwendung ist umwelt­ und klimafreundlich, da Holz ökologisch verträglich hergestellt, genutzt und entsorgt werden kann und eine weit bessere Energiebilanz aufweist als andere Baustoffe (z. B. Stahl, Beton, Aluminium). Allerdings haben veränderte gesellschaftliche Ansprüche und brandschutzrechtliche Bestimmungen innerhalb der letzten Jahrzehnte zu einer weitgehenden Verdrängung von Holz im Baubereich geführt. Diesen Trend gilt es umzukehren, um die ökologischen Vorteile des Naturstoffes Holz gegenüber Stahl, Beton und anderen Baumaterialien zu nutzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Konstruktion und Verwendung der Holzbauteile so geschieht, daß der Einsatz von chemischen Holzschutzmitteln, die die Ökobilanz erheblich belasten, weitgehend vermieden wird.

    Die vorrangig in Modellprojekten gewonnenen Erfahrungen belegen, daß Holz im Rahmen einer überlegten Baukonstruktion selbst in mehrgeschossigen Häusern bis zu drei Etagen ohne Erhöhung des Brandrisikos eingesetzt werden kann. Es bereitet keine Schwierigkeiten, tragende Bauteile aus Holz so zu konstruieren, daß sie im Brandfall ihre Funktionstüchtigkeit bis zu 90 Minuten behalten. Diese Zeitspanne ist gesetzlich für sogenannte feuerbeständige Konstruktionen und Brandwände vorgeschrieben.

    Dessenungeachtet ist die Verwendung von Holz im Hochbau in vielen Landesbauordnungen noch beschränkt. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Nachfrage nach umweltverträglichen und gesundheitlich unbedenklichen Baustoffen sollten diese engen Vorschriften an den aktuellen Erkenntnisstand angepaßt werden, der die neu entwickelten und in zahlreichen Modellprojekten praktisch erprobten Einsatzmöglichkeiten von Holzkonstruktionenen belegt. In einigen Bundesländern hat dies bereits zu spürbaren Erfolgen geführt. So erhöhte sich der Anteil von Holzhäusern an den neu errichteten Ein­ und Zweifamilienhäusern in Bayern seit 1990 von 0,5 auf 3 Prozent.

    Holz als Rohstoff

    Der Holzverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland hat sich seit den 50er Jahren kontinuierlich von etwa 40 Mio. Kubikmeter Rohholzäquivalenten (RHÄ) (nur alte Bundesländer) auf etwa 80 Mio. Kubikmeter RHÄ erhöht. Der Anstieg ist auf die rapide Steigerung des Verbrauchs von Papier­, Pappe­ und Zellstoffprodukten zurückzuführen, der sich in diesem Zeitraum in etwa verzehnfachte. Seit Mitte der 80er Jahre geht der größte Teil der Holzmenge in den Papier-Sektor ein. Allein zwischen 1980 und 1993 stieg die Produktion von Papier und Pappe in Deutschland um etwa 60 Prozent an. Der Jahresverbrauch pro Kopf liegt heute bei rund 200 kg, davon entfallen etwa 100 kg auf Presse­ und Druckerzeugnisse, knapp 80 kg auf Verpackungen und der restliche Anteil auf technische Verwendungszwecke und den Haushaltsbereich.

    Die rasante Entwicklung des Papiermarktes wirkte sich nicht auf die einheimische Holzproduktion aus. Der Einschlag in den deutschen Wäldern liegt seit den 60er Jahren in etwa bei 30 Mio. Kubikmeter pro Jahr. Dagegen stieg die importierte Holzmenge von etwa 20 Mio. Kubikmeter RHÄ im Jahr 1960 auf über 80 Mio. Kubikmeter RHÄ zu Beginn der 90er Jahre. Entscheidenden Anteil daran hatten die stark ansteigenden Papier­ und Zellstoffimporte, vornehmlich aus Skandinavien und Nordamerika. Sie haben sich seit den 50er Jahren verzehnfacht und entsprechen heute einer Rohholzmenge von etwa 50 Mio. Kubikmeter. Ohne die Ausweitung des Altpapiereinsatzes in den letzten Jahrzehnten von etwa 5 auf 25 Mio. Kubikmeter RHÄ wäre dieser Anstieg noch größer gewesen.

    Nicht einmal 20 Prozent der für die Papier­ und Pappeherstellung benötigten Frischfasern werden aus heimischem Durchforstungsholz gewonnen, obwohl das Potential weit größer wäre. Die Schwachhölzer ließen und lassen sich bislang nur schwer vermarkten. Dies hat zu anwachsenden Durchforstungsrückständen in den Wäldern geführt, die die Stabilität der Altersklassenbestände gefährden. Die Umstellung der vorherrschenden Betriebsform auf Dauerwaldbewirtschaftung würde zwar mittelfristig zu einem wesentlich geringerem Schwachholzanfall führen und so die katastrophale Situation entschärfen. Während der Übergangsphase sind jedoch dringend ökonomisch und ökologisch sinnvolle Absatzmöglichkeiten für die deutschen Schwachholzüberschüsse zu schaffen. Neben einer energetischen Nutzung, die im folgenden Abschnitt behandelt wird, ist dazu die Förderung einer nationalen Zellstoffproduktion auf hohem ökologischen Niveau erforderlich. Dabei muß es Ziel sein, die Importe des z. T. mit großen Umweltschäden hergestellten Frischzellstoffs zu verringern. Ein Zurückdrängen der in der Papierindustrie eingesetzten Altpapiermenge wäre dagegen ökologisch kontraproduktiv.

    Die 1987 erfolgte Verschärfung von Auflagen für die Abwasserreinigung führte zur Stillegung von Produktionsstätten von Sulfat-Zellstoff in Deutschland. Seitdem basiert die nationale Zellstoffproduktion ausschließlich auf dem Sulfit-Verfahren, das zwar wesentlich umweltfreundlicher ist, jedoch bislang nur Zellstoff geringerer Qualtät hervorbringt. Entsprechend gering ist die Bedeutung des in Deutschland hergestellten Zellstoffs auf dem Markt, der zu 97 Prozent von importiertem (Sulfat)-Zellstoff beherrscht wird. Die zum Teil nicht nachhaltige Holzgewinnung, die häufig eingesetzte umweltschädliche Chlor-Bleiche sowie die langen Transportwege - allein ein Viertel der Importe stammt aus Kanada - bedingen eine erhebliche Belastung der Umwelt. Es ist daher sowohl aus wirtschaftlichen als auch ökologischen Erwägungen heraus sinnvoll, die Entwicklung des Sulfit-Verfahrens in Deutschland voranzubringen und den umweltschonend produzierten Zellstoff auf dem Markt zu etablieren.

    Erste positive Ergebnisse gingen von einer modernen, umweltfreundlich arbeitenden Zellstoffabrik im bayerischen Kehlheim aus. Dort wurde 1992 das schwefelfrei arbeitende Organocell-Verfahren, dessen Entwicklung auch von der Bundesregierung unterstützt wurde, erstmalig großtechnisch umgesetzt. Dieses Verfahren hat bedeutende Vorteile: geschlossene Produktionskreisläufe, einen relativ geringen Energie­, Frischwasser­ und Rohstoffverbrauch, verminderte Prozeßrückstände und eine hohe Zellstoffqualität. Wegen des drastischen Einbruchs der Zellstoffpreise mußte das Werk allerdings 1993 die Produktion einstellen. Trotz des Interesses einiger international tätiger Investoren konnte der Betrieb bislang nicht fortgeführt werden.

    1998 wird mit dem Bau eines vergleichbaren Zellstoffwerkes in Stendal (Sachsen-Anhalt) begonnen, das ab dem Jahr 2000 jährlich rund 500 000 t Zellstoff produzieren soll. Es wird erwartet, daß damit etwa 1000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen bzw. gesichert werden, der Hauptanteil davon in der umliegenden Transport­ und Forstwirtschaft. Das Projekt wird mit über 300 Mio. DM von staatlicher Seite gefördert. Es wäre aus ökonomischen und ökologischen Gründen erforderlich, derartige Anlagen auch in anderen Teilen der Republik zu fördern, und so einen Beitrag zur Entlastung der Umwelt und zur Förderung der Forstwirtschaft zu leisten. Allerdings gilt es dabei, der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation vor Ort Rechnung zu tragen, wie das Negativbeispiel eines geplanten Großsägewerkes in Wismar zeigt. Das mit großzügiger Bundes­ und Landesförderung subventionierte Großprojekt bedroht die durch kleine und mittlere Sägewerke gekennzeichnete Holzwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern und fördert zugleich den ökologisch wie ökonomisch unsinnigen Import billiger Hölzer vor allem aus dem benachbarten Polen. Die regionale Forst­ und Holzwirtschaft würde dadurch massiv benachteiligt. Eine breite Allianz von Waldbesitzern, holzverarbeitender Industrie und Umweltverbänden versucht zur Zeit, die Bundesregierung von einer Subventionierung des widersinnigen Projektes abzubringen.

    Holz als Energiequelle

    In Deutschland wird schätzungsweise ein Viertel des eingeschlagenen Holzes verfeuert. Der Löwenanteil fällt dabei auf Privathaushalte, die allein 15 Mio. Rm Brennholz verbrauchen. Wieviel davon tatsächlich der Wärmeerzeugung dient, kann nicht näher bestimmt werden. In jedem Fall dürfte ein erheblicher Anteil in offenen Kaminen verbrannt werden, ohne daß die erzeugte Wärme genutzt wird. Als Brennstoff für die kommerzielle Energieerzeugung ist Holz in Deutschland nach wie vor nicht mehr als eine Randerscheinung. Nicht einmal 1 Prozent des Primärenergiebedarfs wird durch Holz abgedeckt. In Finnland und Schweden liegt dieser Anteil bei über 15 Prozent, in Österreich bei rund 10 Prozent.

    Eine Steigerung der energetischen Holznutzung hätte eine Reihe ökologischer und ökonomischer Vorteile und ist dringend anzustreben. Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft ist ein unerschöpflicher und annähernd CO2-neutraler Brennstoff, d. h., das bei der Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid wird von den nachwachsenden Wäldern wieder vollständig aufgenommen. Beim Holzeinschlag und ­transport ist lediglich eine geringe Menge fossiler Energie aufzuwenden, die jedoch die positive CO2-Bilanz kaum trübt. Der Ersatz fossiler Energieträger durch Holz ist somit ein wichtiger Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen und zum Klimaschutz.

    Eine Ausweitung des Brennholzmarkts würde die Absatzprobleme beim Schwachholz abmildern und eine dringend benötigte neue Einnahmequelle für die Forstbetriebe darstellen. Eine Studie der Bundesforschungsanstalt für Forst­ und Holzwirtschaft schätzt, daß etwa ein Drittel der nachwachsenden Holzmenge nicht kostendeckend genutzt werden kann. Jedes Jahr würden somit rund 20 Mio. Kubikmeter Holz nicht oder nur mit Verlusten vermarktet werden. Ein Ausbau der energetischen Holznutzung könnte diese Situation abmildern. Erste Schritte dazu sind bereits unternommen worden. So gingen in Bayern 32 Großheizanlagen in Betrieb, weitere 20 geförderte Anlagen sind in Planung bzw. in Bau. Darüber hinaus wurden 200 moderne Kleinfeuerungsanlagen gefördert. Gerade als Brennstoff für kleine und mittlere, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen bieten sich Holz und Holzabfälle an.

    Lange Zeit vorgebrachte emissionschutzrechtliche Bedenken gegen die Holzverbrennung sind aufgrund technologischer Innovationen mittlerweile kaum noch aufrechtzuhalten. Zwar kann vor allem bei der Verbrennung von Altholz aufgrund von Verunreinigungen mit Lacken, Kunststoffen oder anderen problematischen Stoffen eine erhöhte Freisetzung von Stäuben, Kohlenmonoxid, Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Dioxinen auftreten. Jedoch werden in der Regel alle in der TA Luft festgeschriebenen Grenzwerte voll eingehalten oder deutlich unterschritten. Dies gilt erst recht für die Verbrennung von naturbelassenem Holz. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, daß ältere mit Holz befeuerte Kleinanlagen in absehbarer Zeit auf den Stand der Technik gebracht werden.

    Ein wesentliches Hemmnis für die energetische Holznutzung stellt der im Vergleich zu fossilen Brennstoffen höhere Preis dar. Hier setzt der Markt die klimapolitisch falschen Vorzeichen, so daß es einer Korrektur der politischen Rahmenbedingungen bedarf. Durch die Einführung der seit Jahren diskutierten CO2­ bzw. Energiesteuer könnte die Benachteiligung des umweltfreundlichen Brennstoffes Holz aufgehoben und ein erhebliches Potential zur Senkung der klimawirksamen Emissionen erschlossen werden. Nach Schätzungen der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages könnten in Deutschland bis zu 3,5 Prozent des Primärenergiebedarfs durch Biomasse - davon über die Hälfte durch Holz - abgedeckt werden.

    Papierverschwendung eindämmen und Altpapier nutzen

    Häufig machen Forstleute und Waldbesitzer den zunehmenden Altpapiereinsatz für den Notstand beim Schwachholzabsatz verantwortlich. Diese Sichtweise wird dem Problem jedoch - wie oben dargestellt - nicht gerecht. Ein Zurückdrängen des Altpapiers würde angesichts des herrschenden Preisgefüges zu einer Ausweitung der Importe führen und wohl kaum der deutschen Forstwirtschaft nutzen. Das Schwachholzproblem sollte folglich nicht zu Lasten einer ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Altpapierverwertung gelöst werden, sondern durch die Eröffnung neuer Absatzpotentiale in nationalen Zellstoffanlagen sowie im Energiebereich.

    Die oben bereits angesprochene explosionsartige Entwicklung des Verbrauchs von zumeist kurzlebigen Papierprodukten hat vor allem die zum Teil rücksichtslose Ausbeutung von Wäldern in der borealen Zone gefördert. Würden alle Länder einen ähnlich hohen Papierverbrauch aufweisen wie Deutschland (ca. 16 Mio. t/Jahr), dann wären die Wälder der Welt bald erschöpft. Insofern liegt die jährlich in Form von Presse­ und Druckerzeugnissen, Werbebroschüren, Katalogen, Verpackungen, Büro­ und Hygienepapieren verbrauchte Menge an Papier und Karton über einem global dauerhaft tragfähigen Niveau. Vor diesem Hintergrund sind die Bestrebungen zur Senkung des Verbrauchs an kurzlebigen Produkten wesentlich zu verstärken. Dies gilt insbesondere für Erzeugnisse aus frischem Zellstoff.

    Trotz eines stetig wachsenden Einsatzes von Altpapier, der heute bei knapp 60 Prozent der Papier­ und Pappeproduktion liegt, stieg der Holzverbrauch für die Papierproduktion weiter an. Nach einer Studie des IFEU-Instituts in Heidelberg ließe sich der Bedarf an Frischzellstoff durch einen intelligenten Umgang mit Papier, Pappe und Karton im Verpackungs­, Büro­, Handels­ und Haushaltsbereich in Deutschland halbieren, wenn gleichzeitig der Altpapiereinsatz weiter erhöht würde.

    Die Herstellung von einer Tonne Papier aus Altpapier benötigt im Vergleich zur Produktion derselben Menge aus frischem Zellstoff weniger als die Hälfte an Energie und Wasser und belastet die Luft nur mit einem Viertel der Schadstoffe. Zudem werden rund 10 Mio. t Papier­ und Pappeabfälle einer ökonomisch wie ökologisch sinnvollen Wiederverwertung zugeführt und müssen nicht kostenaufwendig entsorgt werden. Insgesamt sind die Umweltvorteile des Altpapierrecyclings beträchtlich. Sie sollten noch stärker als bisher genutzt werden. Der technisch maximal erreichbare Einsatz von Altpapier wird von der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" auf 75 bis 85 Prozent geschätzt. Um dies zu erreichen, ist weiterhin die Verabschiedung der seit langem diskutierten Altpapierverordnung erforderlich. Diese sollte folgende Vorgaben enthalten:

  • - Priorität der stofflichen Verwertung vor der Verbrennung von Altpapier,
  • - Festlegung von Mindesteinsatzquoten für Altpapier in den verschiedenen Produktbereichen nach dem jeweiligen Stand der Technik,
  • - Festschreibung von Qualitätsstandards für Papierprodukte, damit deren Wiederverwertbarkeit sichergestellt ist,
  • - Verpflichtung von Handel und Industrie zur getrennten Sammlung von Papieren unterschiedlicher Qualität,
  • - Maßnahmen zur Vergrößerung des Absatzmarktes für Recyclingprodukte, z. B. im öffentlichen Beschaffungswesen,
  • - verstärkte Förderung der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.
  • 5.3 Waldschädigende Emissionen verringern

    Trotz der in den vergangenen Jahren erzielten Erfolge bei der Verringerung waldschädigender Emissionen liegen die Schadstoffeinträge in die Wälder oberhalb eines verträglichen Niveaus. Werden die Anstrengungen zur Luftreinhaltung nicht deutlich verstärkt, ist auf absehbare Zeit nicht mit einer Absenkung des sehr hohen Waldschadensniveaus zu rechnen. Dies ist nicht nur ein ökologisches Problem, sondern auch eine immense Belastung der Volkswirtschaft. So werden die Kosten des Waldsterbens jährlich auf bis zu 10 Mrd. DM geschätzt. Bis Mitte des nächsten Jahrhunderts könnten sich die volkswirtschaftlichen Verluste durch das Waldsterben auf 211 bis 344 Mrd. DM aufsummieren.

    Um diese enorme Belastung abzuwenden, müssen die Anstrengungen zur Luftreinhaltung verstärkt werden. Als Zielmarke gilt dabei ein Niveau, das unterhalb der waldschädlichen Schadstoffmengen - den sogenannten "Critical Loads" - liegt. Dazu sind insbesondere die Emissionen von Stickstoffoxiden (N0x) und Ammoniak (NH3) deutlich zu verringern. Als Faustzahl kann ein maximaler Stickstoffeintrag von 20 kg/ha und Jahr angesetzt werden. Um dies zu erreichen, müßte - nach Berechnungen der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" - die Emission von N0x und NH3 gegenüber dem heutigen Niveau mindestens halbiert werden. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Verringerung der im Sommer auftretenden hohen bodennahen Ozonbelastungen zu ergreifen. Um diese auf ein waldverträgliches Maß zurückzuführen, wäre gar eine langfristige Verringerung der NOx-Freisetzung um bis zu 80 Prozent erforderlich. N0x ist eine der Vorläufersubstanzen des photochemisch gebildeten Ozons und daher entscheidend an der Entstehung des "Sommer-Smogs" beteiligt.

    Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, daß ein waldverträgliches Emissionsniveau ausschließlich durch den verstärkten Einsatz von Schadstoffiltern erreicht werden kann. Die Grenzen dieser "End-of-Pipe-Technologie" werden inzwischen sichtbar. So sind zum Beispiel mittlerweile zwei Drittel der Pkw mit Ottomotoren mit einem Dreiwege-Katalysator ausgestattet. Dennoch stieg aufgrund einer erheblichen Steigerung der Zahl motorisierter Fahrzeuge und der Verkehrsleistung die NOx-Emission im Verkehrsbereich bis 1990 stetig auf gut 2 Mio. t jährlich an und sank bis 1993 nur um 4,5 Prozent bzw. knapp 100 000 t. Ohnehin gering sind die technischen Verminderungspotentiale bei der NH3-Freisetzung. Die dringend erforderliche Absenkung des Schadstoffausstoßes wird daher künftig weit mehr als bislang durch strukturelle Veränderungen vor allem in der Verkehrs­ und Landwirtschaftspolitik erfolgen müssen.

    5.3.1 Maßnahmen im Verkehrsbereich

    Im Zentrum der Verkehrspolitik muß die Verkehrsvermeidung und ­verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel (v. a. Bahnen und Busse, Fahrrad, Binnenschiffahrt) stehen. Außerdem ist die Entwicklung und vor allem die Markteinführung von Fahrzeugen mit geringem Treibstoffbedarf ("3-Liter-Auto") und von neuen, schadstoffarmen oder ­freien Antriebstechnologien zu fördern. Dazu bedarf es eines Bündels von Maßnahmen auf allen politisch-administrativen Ebenen.

  • Stufenweise Erhöhung der Mineralölsteuer: Die geringen Treibstoffkosten sind ein entscheidendes Hemmnis für die Verringerung der Verkehrsleistung, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von besonders sparsamen Pkw und den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel. Über eine Erhöhung der Mineralölsteuer könnte dieses Hemmnis ohne großen bürokratischen Aufwand vermindert werden. Damit würde auch der seit langem geforderten verursachergerechten Anlastung der durch den Verkehr entstehenden Kosten (Umweltschäden, soziale Kosten, Wegebaukosten) Rechnung getragen. Höhere Mineralölsteuern stellen zudem einen wirtschaftlichen Anreiz für die Entwicklung und Markteinführung alternativer Treibstoffe und Antriebskonzepte (z. B. Solarauto) dar.
  • Die Erhöhung sollte im Rahmen eines langfristig angelegten Stufenplans erfolgen, um einen festen Rahmen für die notwendige Marktanpassung vorzugeben. Um die Sozialverträglichkeit einer Mineralölsteuererhöhung zu gewährleisten, ist diese in ein ökologisch-soziales Steuerreformkonzept zu integrieren, das insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen steuerliche Entlastungen im Bereich der Lohn­ bzw. Einkommenssteuer bringt.
  • Konsequenter Ausbau und Verbesserung des Öffentlichen Verkehrs: Zwar liegen im 1992 verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) die Investitionen des Bundes für die Schiene mit 55 Prozent erstmals höher als für die Bundesfernstraßen. Allerdings kann dies nach einer jahrzehntelangen Bevorzugung des motorisierten Verkehrs keineswegs als "Wende" in der Verkehrspolitik gewertet werden. Zudem ist die Finanzierung zahlreicher Projekte im BVWP nicht gesichert, so daß die vorgesehene Mittelaufteilung nicht den tatsächlich getätigten Investitionen entspricht. Ein konsequenter Ausbau des Öffentlichen Verkehrs müßte den Schienenprojekten bei der Finanzierung grundsätzlich Vorrang vor den Straßenprojekten einräumen.
  • Entscheidenden Einfluß auf die Qualtität des ÖV-Netzes haben zudem die Kommunen, insbesondere in den Ballungsräumen. Durch eine fahrgastfreundliche Vernetzung der Linien, eine unkomplizierte Tarifstruktur, die Einrichtung von Busspuren und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit können sie ihren Anteil am "Modal Split" ausweiten. Darüber hinaus sind sie im Rahmen von Nahverkehrsplänen in der Lage, die Gestaltung des regionalen Schienenverkehrs mitzubestimmen. Dies kann konstruktiv genutzt werden, um dem Trend zur Streckenstillegung, vornehmlich in den ländlichen Regionen, entgegenzuwirken.
  • Verkehrsvermeidende Regional­ und Stadtplanung
  • Die räumliche Trennung von Wohn­, Arbeits­, Freizeit­ und Versorgungseinrichtungen hat die rapide Zunahme des Verkehrsaufkommens in der Vergangenheit mit verursacht. Um dies rückgängig zu machen, muß die Schaffung verkehrsvermeidender Siedlungsstrukturen eines der Hauptziele der Regional­ und Stadtplanung sein. Dies bedeutet z. B.
  • - eine Durchmischung von Wohn­, Arbeits­ und sozialer Infrastruktur.
  • - die vorrangige Ausweisung neuer Wohn­ und Gewerbeflächen entlang von bestehenden Schienenverbindungen sowie
  • - den Erhalt bzw. die Schaffung einer dezentralen Versorgungsstruktur.
  • Über diese strukturellen Maßnahmen hinaus sind kurzfristig wirksame ordnungspolitische Maßnahmen erforderlich. Vor allem sind die Möglichkeiten zur Verordnung von Fahrverboten zur Verringerung der Belastung der Luft mit Ozon, Benzol­, N0x und Ruß zu erweitern. Die bislang im Ozon-Gesetz der Bundesregierung bzw. in der 23. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz festgeschriebenen Möglichkeiten reichen bei weitem nicht aus, um klein­ und großräumig auftretende extreme Luftbelastungen zu verhindern.

    5.3.2 Maßnahmen im Landwirtschaftsbereich

    Die waldschädigenden Ammoniak-Emissionen entstammen zu über 80 Prozent der Tierhaltung, insbesondere der in größeren Betrieben üblichen Intensiv-Tierhaltung. Eine Verringerung der Schadstoffemission muß deshalb hier ansetzen. Dabei ist festzustellen, daß die in Deutschland seit 1989 erreichte Reduktion der NH3-Freisetzung weit überwiegend auf den Abbau der Tierbestände in den neuen Bundesländern zurückgeht. Während die NH3-Emission hier von 210 000 t auf 100 000 t absank, verringerte sie sich in den alten Bundesländern lediglich um 40 000 t auf 520 000 t.

    Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß Ammoniak trotz der im Vergleich zu Stickstoffoxiden geringen Emmissionsmengen erheblich zur Versauerung der Waldböden beiträgt. Für die alten Bundesländer schätzt die Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre", daß etwa die Hälfte des in Waldböden eingetragenen Versauerungspotentials auf die NH3-Emissionen zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund sind emissionsmindernde Maßnahmen in der Landwirtschaft von großer Bedeutung für den Waldschutz.

    Die wirksamste Strategie zur Emissionsminderung in der Landwirtschaft ist eine Stärkung des ökologischen Landbaus sowie einer extensiven und tiergerechten Viehwirtschaft. Die bäuerliche Landwirtschaft ist in der Lage, die betrieblichen Stoffkreisläufe weitestgehend zu schließen und die Freisetzung von Schadstoffen in die Luft und ins Grundwasser zu vermeiden. Der Anstieg der NH3-Emission aus der Landwirtschaft wurde daher erst mit dem Aufkommen der sogenannten "Gülle-Wirtschaft" zum Problem. Hierunter sind in aller Regel große Viehbetriebe zu verstehen, die ohne Stalleinstreu (Stroh) arbeiten. Die tierischen Exkremente werden mit Wasser weggespült. Das Exkrement-Wasser-Gemisch wird als Gülle oder Flüssigmist bezeichnet. Aus ihm entweichen im Gegensatz zum Festmist große Mengen an klima­ bzw. waldschädigendem Methan und Ammoniak. Eine Stärkung der Festmistsysteme im Rahmen einer bäuerlichen Landwirtschaft würde somit neben einer Vielzahl anderer agrarspezifischer Umweltprobleme auch die Emission waldschädigender Stoffe dauerhaft reduzieren.

    Eine derartige ökologische Wende in der Landwirtschaft wird jedoch bestenfalls langfristig erreicht werden können. Kurzfristig sind daher Schadstoffminderungen durch eine Absenkung der Viehdichten und die Festschreibung von technischen Maßnahmen zur Emissionsminderung (z. B. Abdeckung von Güllebehältern, emissionssenkende Ausbringungstechnik, Filter­ und Entlüftungstechnik etc.) erforderlich.

    5.4 Internationale Zusammenarbeit

    In der globalen Waldpolitik zeichnet sich trotz aller Verhandlungen kein Durchbruch ab. Weder die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel für den Schutz vor allem der Tropenwälder noch die Verabschiedung eines rechtsverbindlichen Instrumentariums zur Umsetzung einer wirksamen Walderhaltungspolitik auf globaler Ebene sind auf absehbare Zeit zu erwarten. Währenddessen geht die Waldvernichtung ungebremst weiter. Die Folgen - Artensterben, CO2-Freisetzung, Bodenerosion, Überschwemmungen etc. - sind größtenteils irreversibel und tragen maßgeblich dazu bei, daß sich die Lebensbedingungen in vielen Teilen der Welt dramatisch verschlechtern und ehemals fruchtbare Landstriche zu unbewohnbaren Wüsten verkommen.

    Es ist zweifellos richtig und wichtig, sich auf globaler Ebene für das Zustandekommen einer wirksamen Waldschutzstrategie einzusetzen. Angesichts der dramatischen und irreversiblen Folgen der Waldvernichtung darf die Globalisierung der Waldpolitik jedoch nicht als Vorwand für nationales Nichtstun herangezogen werden. Im Gegenteil: Nationale Initiativen sind gefragt, um Verhandlungen auf globaler Ebene neue Impulse zu verleihen. Deutschland sollte auch auf internationaler Ebene eine Pilotfunktion übernehmen, um durch Taten andere Länder von der Notwendigkeit und der Umsetzbarkeit einer ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogenen und wirksamen Waldschutzpolitik zu überzeugen. Die Erfolgsaussichten auf europäischer und internationaler Ebene werden dabei umso größer sein, je konsequenter die Bundesrepublik im eigenen Land die Umsetzung einer ökologisch nachhaltigen Waldpolitik verwirklicht.

    Erstes Ziel sollte es sein, eine Kerngruppe von Ländern zusammenzubringen, die sich dazu verpflichten, auf nationaler und internationaler Ebene die Prinzipien einer ökologisch nachhaltigen Waldpolitik im Rahmen eines Sofortprogramms umzusetzen. Zu dieser neuen "Allianz zum Schutz der Wälder" könnten außer Deutschland zum Beispiel Österreich, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Norwegen und andere Staaten gehören, die sich durch eine fortschrittliche Umweltpolitik auszeichnen. Je zahlreicher und gewichtiger diese Gruppe ist, desto mehr Druck könnnte sie innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft ausüben. Daher ist anzustreben, daß sich dieser Kerngruppe nach und nach möglichst viele europäische und außereuropäische Länder anschließen.

    Die Motive, einer solchen Allianz beizutreten, mögen durchaus unterschiedlich sein. Dabei sind ökonomische und technologiepolitische Beweggründe ebenso legitim wie ökologische, klimapolitische und soziale. In der Regel dürften sich mehrere Motive überlagern. So ist zum Beispiel der Erhalt der biologischen Vielfalt nicht nur ökologisch dringend erforderlich, sie ist auch wirtschaftlich höchst interessant, weil sie in Zukunft für die Ernährung, die Medizin und zur Rohstoffversorgung nutzbar ist. Ebenso kann die nüchterne Erkenntnis, daß künftige immense Kosten vermieden werden können, wenn bereits heute in den Erhalt und die Stabilität der Wälder investiert wird, das Interesse an einer Waldschutz-Allianz erhöhen. Und schließlich könnte auch die Effizienzsteigerung der in der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzten Finanzmittel ein Grund sein, der Allianz beizutreten. Denn im Rahmen einer engen Kooperation mehrerer Industrieländer können auch größere Waldschutzprojekte effektiver und zielgerichteter umgesetzt werden.

    Ein von einer Staatengruppe getragenes Aktionsprogramm zum Schutz der Wälder sollte sich auf wenige zentrale Schwerpunkte konzentrieren und bei den einzuleitenden Maßnahmen auf ein Höchstmaß an Effektivität zielen. Schließlich sollte das Bündnis zu einer Bündelung der für den Waldschutz zur Verfügung stehenden Kräfte und Finanzen sorgen. Als Schwerpunkte bieten sich die folgenden vier Aktionsfelder an:

  • 1. Bi­ und multilaterale Modellprojekte zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Waldverträglichkeit der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit.
  • 2. Ein Programm für die standortgerechte und sozialverträgliche Aufforstung ehemaliger Waldflächen in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung.
  • 3. Ein Ausbauprogramm für die Solarenergie, vor allem zur Verminderung des Brennholzverbrauchs in den Tropen.
  • 4. Die Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel für Waldschutzprojekte sowie deren zielgerichtete und effiziente Verwendung.
  • 5.4.1 Waldnutzung ohne Zerstörung fördern

    Ganz oben auf der Prioritätenliste muß eine Überprüfung der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit sowie die Durchführung von Modellprojekten zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern stehen. Bei der Überprüfung sind folgende Kriterien anzulegen:

  • Finanzierungs-Moratorium für waldvernichtende Großprojekte (z. B. Staudämme, Straßenbauvorhaben, Förderung von Bodenschätzen in Primärwaldgebieten etc.).
  • Rückzug aus der Finanzierung von Tropenforst-Aktionsplänen überall dort, wo diese (noch) nicht zu Tropenwaldschutzplänen umstrukturiert wurden.
  • Orientierung der Entwicklungszusammenarbeit an den Grundbedürfnissen der Bevölkerung sowie Beteiligung der betroffenen Bevölkerungsgruppen und Berücksichtigung ihrer Nutzungs­ und Landrechte (vor allem auch indigener Völker).
  • Zu prüfen ist auch der Mitteleinsatz in der Entwicklungszusammenarbeit. So hat die Bundesrepublik ihre Mittel für den Tropenwaldschutz auf rund 300 Mio. DM jährlich gesteigert. Doch entfallen diese auf etwa 50 Länder, so daß im wesentlichen eine Vielzahl kleiner Einzelprojekte gefördert werden. Die einzelnen Posten dieses breiten Spektrums mögen für sich genommen durchaus sinnvoll sein. Da aber eine klare Konzeption fehlt, geht von ihnen kaum eine tatsächliche Anstoßfunktion aus.

    Es sollte daher angestrebt werden, mehr Finanzmittel in Modellprojekte im Waldbereich umzulenken, die gezielt als Demonstrationsvorhaben geplant und durchgeführt werden. Deren Stellenwert kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, da sie am praktischen Beispiel verdeutlichen, wie eine ökologische und sozialverträgliche Bewirtschaftung von Wäldern gelingen kann. Neben einer Ausweitung von Waldschutzgebieten (Nationalparks, Naturreservate) können auch nachhaltige Bewirtschaftungs­ und Aufforstungsprojekte modellhaft umgesetzt werden. In der Regel müssen sich alle drei Formen innerhalb größerer Projekte gegenseitig ergänzen. So hat sich bei der Einrichtung von Biosphärenreservaten ein kombiniertes Schutz­ und Nutzungskonzept als erfolgreich erwiesen, bei denen ein Kernbereich als absolute Schutzzone ausgewiesen wird, die von einer Pufferzone mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten umgeben ist (Sammeln von Früchten, Harzen, einzelnen Pflanzen sowie "sanfter Tourismus"). An diese schließt sich ein dritter Gürtel an, in dem Agroforstwirtschaft betrieben wird. Erfolgreiche, wenngleich kleinräumige Beispiele in Kenia, Vietnam, Indonesien, im Kongogebiet und in Kolumbien zeigen die Tragfähigkeit solcher Modelle, in denen Schutz und Nutzung sinnvoll miteinander verbunden werden. Das Gelingen ist dann gewährleistet, wenn eng mit der lokalen Bevölkerung zusammengearbeitet wird und deren Lebensbedingungen durch die Projekte verbessert werden. Zudem wirkt sich die Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungsträgern, die über vielfältige Erfahrungen bei der Durchführung derartiger Modellprojekte verfügen, positiv auf die Ergebnisse aus.

    5.4.2 Aufforstungsoffensive starten

    Die ebenso gewaltige wie dringliche Aufgabe, neue Wälder anzulegen, wird mit den bisherigen Mitteln nicht einmal ansatzweise erfüllt. Dem Verlust an Waldflächen von jährlich etwa 15 bis 18 Mio. ha stehen gerade einmal 1,5 bis 2 Mio. ha Neuaufforstungen gegenüber. Der Bedarf an Aufforstungen wird dagegen auf jährlich mindestens 18 bis 25 Mio. ha geschätzt, um das Brennholzdefizit in vielen Regionen der Tropen auszugleichen, industriell nutzbare Hölzer zu produzieren sowie den Bodenschutz und die Regulierung des Wasserhaushaltes sicherzustellen. Aufforstungen tragen darüber hinaus dazu bei, den Nutzungsdruck auf die verbliebenen Primärwälder zu vermindern. Nicht zuletzt fördern sie den Klimaschutz, da nachwachsende Bäume erhebliche Mengen an atmosphärischem Kohlendioxid aufnehmen. Im Rahmen des Sofortprogramms sollten sich die Länder der Waldschutz-Allianz zu einer drastischen Ausweitung ihrer Aufforstungsbemühungen verpflichten. Eine Zielgröße von 20 000 bis 100 000 ha pro Jahr erscheint dabei durchaus als realisierbar. Als Maßstab für die jeweilige Aufforstungsverpflichtungen könnte - nach einem Vorschlag von EUROSOLAR - der Energieverbrauch bzw. die CO2-Emission pro Kopf in den Geberländern herangezogen werden.

    Am erfolgreichsten haben sich umwelt­ und sozialverträgliche Aufforstungsprojekte erwiesen, die

  • auf einer breiten Beteiligung der lokalen Bevölkerung und auf klaren Besitz­ und Nutzungsrechten an Land und Bäumen basierten,
  • einen Landnutzungsplan aufwiesen, dem standortökologische Untersuchungen zugrunde lagen,
  • vielfältige, an den Ansprüchen der Bevölkerung orientierte Nutzungsmöglichkeiten boten (Brennholz, Viehweide, Schutz),
  • kleinflächig durchgeführt wurden (Bauernwälder, Gemeindewälder),
  • im wesentlichen auf einheimische Baumarten zurückgriffen.
  • Großprojekte, vor allem die Anlage von Plantagen aus schnellwachsenden Baumarten, sind dagegen häufig fehlgeschlagen und haben mitunter sogar zu erheblichen ökologischen Schäden geführt (z. B. Grundwasserabsenkung, Senkung der Bodenfruchtbarkeit). Wegen des immensen Brennholzbedarfs kann allerdings auf die Anlage von Plantagen, vor allem in der Nähe großer Städte, nicht völlig verzichtet werden. Es ist jedoch sicherzustellen, daß diese nicht aus großflächigen Monokulturen bestehen, sondern verschiedene standortgerechte Baumarten kultiviert werden, um ein notwendiges Maß an ökologischer Stabilität zu garantieren. Außerdem ist die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung bei Planung und Umsetzung derartiger Aufforstungen zu gewährleisten.

    5.4.3 Solarenergie fördern

    Rund 70 Prozent der Menschen in der sogenannten Dritten Welt sind auf Holz als Energieträger angewiesen. Rund 1 Mrd. Kubikmeter Holz werden jährlich allein für Kochzwecke verwendet. Gleichzeitig wächst das Brennholzdefizit in allen Teilen der Tropen stetig an. Selbst eine drastische Ausweitung von Aufforstungen würde die Brennholzkrise nicht lösen können. Es gilt vielmehr, beim Bedarf anzusetzen und diesen durch den Einsatz solarer Systeme zu verringern. Gerade in den ländlichen Gebieten der Tropen, die durch hohe Sonneneinstrahlung und geringe Infrastruktur gekennzeichnet sind, bietet sich ein dezentraler Solarenergieeinsatz an. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, daß 3 Mrd. Menschen in den Tropen mit sogenannten Solar Home Systems ausgestattet werden und künftig weitgehend auf Brennholz verzichten könnten. Darüber hinaus kann Sonnenenergie auch zur Energieversorgung von Handwerk und Kleingewerbe, von Schulen und Krankenhäusern sowie von Bewässerungspumpen eingesetzt werden.

    Trotz des immensen ökologischen und wirtschaftlichen Potentials spielt die Verbreitung solarer Systeme in den Entwicklungsländern bislang eine untergeordnete Rolle in der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Es bedarf dringend einer zielgerichteten Konzeption, um dieser zukunftsweisenden Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Kernpunkte sind dabei:

  • Die Optimierung der solaren Systeme (Funktionalität, Wartungsaufwand, Lebensdauer etc.) anhand von Versuchsanlagen,
  • Preissenkungen durch Einstieg in die Massenproduktion,
  • Aufbau von Produktionskapazitäten in den Entwicklungsländern.
  • Eine enge Zusammenarbeit der Waldschutz-Allianz würde die Einführung solargestützter Energiesysteme in den Entwicklungsländern fördern und könnte zugleich ein Impulsprogramm für den Aufbau der Solarwirtschaft in den Geberländern selbst sein.

    5.4.4 Fairer Finanztransfer und effiziente Mitteleinsatz

    Es steht außer Zweifel, daß für den Waldschutz und die Umstellung der Bewirtschaftung auf umweltverträgliche Verfahren in großem Umfang Finanzmittel benötigt werden. Allein die Anpflanzung eines Hektars Wald kostet in den Tropen 400 bis 500 US-Dollar. Ebenfalls kostenintensiv ist die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Pflege und Überwachung von Aufforstungen sowie der dringend erforderliche Ausbau der Forstadministration und die Fortbildung des dort beschäftigten Personals. Dazu kommen die Kosten für die Einrichtung und Überwachung von Schutzgebieten, und schließlich macht der Verzicht auf holzwirtschaftliche Nutzung von Primärwäldern Ausgleichszahlungen erforderlich.

    Wie hoch der Finanzbedarf insgesamt sein wird, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht konkret angegeben werden. Die in der Agenda 21 für den Zeitraum 1993 bis 2000 überschlägig ermittelten 70 Mrd. US-Dollar dürften jedoch sicherlich nicht zu hoch gegriffen sein. Wenn der Norden der Aufforderung der Entwicklungsländer nachkäme und ein Drittel dieser Summe übernähme, müßte er jährlich 3,3 Mrd. US-Dollar für globale Waldschutzmaßnahmen zusätzlich zur Verfügung stellen. Zum Vergleich sei erwähnt, daß der bei der Weltbank eingerichtete Globale Umweltfonds GEF für eine Laufzeit von drei Jahren über 2 Mrd. US-Dollar verfügt, die auf die Bereiche Schutz der Ozonschicht, Erhalt der biologischen Vielfalt, Klimaschutz und Schutz der internationalen Gewässer aufgeteilt werden müssen.

    Angesichts der wachsenden Haushaltsprobleme in den Industrieländern ist nicht damit zu rechnen, daß ein derartiges Finanzvolumen kurzfristig zur Verfügung gestellt werden wird. Diejenigen Länder, die für sich eine Vorreiterrolle im globalen Waldschutz reklamieren, sollten jedoch ihre vor über 20 Jahren gemachte Zusage, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, endlich umsetzen. Entsprechend sollte diese Verpflichtung von den Staaten der Waldschutz-Allianz eingehalten und die zusätzlichen Gelder vordringlich zur Finanzierung der oben genannten Waldschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Dabei sollten den ärmsten Ländern Finanzmittel künftig nicht mehr als Kredite, sondern in Form von Zuschüssen bereitgestellt werden. Auf diese Weise würde ein weiteres Anwachsen der ohnehin erdrückenden Zinslast in diesen Ländern vermieden.

    Eine Erhöhung des Finanzvolumens allein nutzt jedoch nichts, wenn nicht gleichzeitig die zielgerichtete und effiziente Verwendung der Gelder sichergestellt werden kann. Dies ist zum einen durch ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen der Geberländer innerhalb der Wald-Allianz zu gewährleisten. Eine enge Kooperation bei der Planung und Umsetzung der Waldschutzprojekte sowie ein breiter Erfahrungsaustausch kann erheblich dazu beitragen, Doppelarbeit zu vermeiden und die Umsetzung der Projekte vor Ort effizienter zu gestalten. Darüber hinaus wird es zum anderen jedoch unbedingt erforderlich sein, die Kooperation mit den Nehmerländern auf eine am Waldschutzziel orientierte und rechtlich verbindliche Basis zu stellen. Dabei ist vor allem die Beteiligung der lokalen Bevölkerung sicherzustellen, denn Waldschutzprojekte sind erfolgreich, wenn sie die Ansprüche und Rechte der Bevölkerung vor Ort berücksichtigen, deren Wissen und Erfahrungen nutzen und zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen führen. Als Grundlage für die Umsetzung von Projekten in den oben genannten Bereichen sind daher Waldschutzverträge abzuschließen. Dabei sollten Partnerländer sowohl mit einzelnen Staaten der Wald-Allianz als auch mit der Kerngruppe als Ganzes Verträge abschließen können. In jedem Fall müßte in den Verträgen festgelegt sein, wie und wofür die Finanzmittel verwendet werden. Zur Überwachung könnten Projektbeiräte, denen neben den Vertragsparteien auch unabhängige Experten angehören sollten, eingesetzt werden.

    5.5 Gesellschaftlichen Konsens herstellen

    Die Landschaft ist das Spiegelbild der Gesellschaft. Ihr Gesicht ist geprägt von den menschlichen Entscheidungen über die Art und Weise ihrer Nutzung bzw. Nicht-Nutzung. Dies gilt auch für die Wälder, die in Deutschland rund ein Drittel der Landesfläche einnehmen und folglich ein bestimmendes Element der Landschaft sind. Ausdehnung, Gestalt und Zusammensetzung der Wälder wechselten in der Vergangenheit abhängig von den jeweiligen Ansprüchen der Gesellschaft. Während die Agrargesellschaft früherer Jahrhunderte Ziele wie etwa die Brennholzversorgung, die Jagd oder die Schweinemast in den Vordergrund stellte, ist die Gesellschaft heute vor allem am nutzbaren Holzvorrat, zunehmend jedoch auch am Erholungswert oder dem biologischen Reichtum der Wälder interessiert. Wie eh und je treten dabei zwischen den verschiedenen Interessengruppen Konflikte auf, so etwa zwischen der Forstwirtschaft und dem Naturschutz.

    Angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen Ansprüche an die Wälder stellt sich die Frage, wer über Nutzung und Aussehen des "Grünen Drittels" entscheidet. In den letzten 200 Jahren lag die Entscheidungskompetenz - im Rahmen sich verändernder gesetzlicher Vorgaben - letztlich bei der Forstwirtschaft. Die Forstleute entschieden auf der Basis ihres Wissens über den Wald über dessen Bewirtschaftung. Noch in den 80er Jahren - im Zusammenhang mit der Diskussion über das "Waldsterben" - stand die Forstwirtschaft außerhalb der Kritik der rasch wachsenden Umweltbewegung und genoß innerhalb der Bevölkerung eine große Akzeptanz. Dies hat sich seitdem erheblich verändert. Es häufen sich Negativschlagzeilen über den Wald und seine Betreuer, deren Arbeit in zunehmenden Maße mit Kahlschlägen, Artenschwund, Monokulturen und Waldsterben in Verbindung gebracht wird. Anfängliche Radikal-Forderungen, die mehr einer verklärten Natur-Romantik als dem tatsächlichen Wissen über die Wälder entsprangen, wurden inzwischen abgelöst durch die Forderung nach einer stärker an den natürlichen Prozessen orientierten Waldwirtschaft und einer Ausweisung von Totalreservaten.

    Der zunehmenden Kritik hält die Forstwirtschaft, zumindest mehrheitlich, ihre Leistungsbilanz der letzten Jahrzehnte (große Holzvorräte, dauerhafte Waldpflege und ­erhaltung, Sicherung der sozialen Funktionen der Wälder etc.) entgegen und verweist auf den spürbaren Wandel in der Waldbewirtschaftung, der zum Beispiel in jüngster Zeit vermehrt zur Begründung von Laub­ und Laubmischwälder geführt hat. Darüber hinaus wird die Diskussion von den großen wirtschaftlichen Problemen durch den Holzmarktverfall, mangelnde Förderung und Bürokratismus geprägt. Und schließlich verteidigt die private Waldwirtschaft ihre Eigentumsrechte gegen das geforderte Mitspracherecht anderer gesellschaftlicher Gruppen.

    Neben der Forstwirtschaft und den aus der Umweltbewegung hervorgegangenen Verbänden tragen auch Gewerkschaften sowie Produzenten und Konsumenten (z. B. Kommunen, Verbraucherverbände) von Holzprodukten zur Diskussion über die Zukunft der Waldwirtschaft bei. Die Rolle der Wald­ und Holzwirtschaft als wichtiger Arbeitsmarkt vor allem in strukturschwachen, ländlichen Regionen wird dabei ebenso thematisiert wie die mit dem Wald in Verbindung stehenden Konsumgewohnheiten. Die ursprüngliche Auseinandersetzung zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft ist auf diese Weise um allgemeine soziale Fragestellungen ergänzt und auf eine breite Basis gestellt worden.

    Eine von der Forstwirtschaft für sich in Anspruch genommene exklusive Entscheidungskompetenz in allen Fragen der Waldbewirtschaftung wird heute nicht mehr ohne weiteres akzeptiert. Statt dessen hat die "Demokratisierung der Naturressource Wald" begonnen. Dieser Prozeß ist auch im Sinne der im Rahmen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung verabschiedeten Agenda 21, die weltweit die Mitspracherechte der lokalen Bevölkerung und der Nichtregierungsorganisationen bei allen Fragen der Naturnutzung wesentlich stärkt.

    Auf dieser Basis muß der Versuch unternommen werden, die künftige Waldpolitik auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu stellen. Einseitige und verkürzte Zielsetzungen einzelner Interessengruppen und entsprechende "ideologische Grabenkämpfe" müssen überwunden werden, Kooperation an die Stelle der Konfrontation treten. Bisher nebeneinanderstehende Partikularinteressen müssen in einem "Bündnis für den Wald" zusammengeführt werden, das sich die dauerhafte Sicherung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Waldfunktionen zum Ziel setzt. Forst­ und Holzwirtschaft, Naturschutzbehörden, Verbände, Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik müssen an einem Strang ziehen, um ein von allen akzeptiertes Schutz­ und Nutzungskonzept für den Wald zu entwickeln. Beispiele dazu gibt es viele, so etwa gemeinsame Erklärungen von Waldbesitzern und Umweltverbänden zur Holznutzung, die gemeinsame Arbeit an den Kriterien für die Kennzeichnung ökologisch nachhaltig erzeugter Hölzer und Holzprodukte oder die Zusammenarbeit zwischen Umweltverbänden und waldbewirtschaftenden Kommunen. Diese Ansätze sind zu verstärken und zu einem gesellschaftlichen Konsensmodell über die künftige Bewirtschaftung der Wälder fortzuentwickeln.

    Zentrale Zielsetzungen dieses Bündnisses sollten sein:

  • Eine Integration des Naturschutzes in die Nutzung, unter Einschluß eines Systems von Schutzgebieten,
  • der Umbau der vorherrschenden Altersklassenwälder zu naturnahen Dauerwäldern,
  • die Rückführung des Wildbestandes auf ein waldverträgliches Maß,
  • die Verminderung der waldschädigenden Emissionen auf ein waldverträgliches Maß,
  • die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Wald­ und Holzwirtschaft,
  • der verstärkte Einsatz von Holz als Ersatz von umweltbelastenden Materialien im Baubereich sowie als Energieträger,
  • die Schaffung zusätzlicher Absatzmärkte vor allem für Schwachholz, z. B. in neu zu errichtenden Zellstoffwerken, bei gleichzeitiger Steigerung des Papierrecyclings,
  • die Einführung eines anerkannten und glaubwürdigen Gütesiegels für Holz und Holzprodukte aus naturnaher und sozialverträglicher Bewirtschaftung,
  • die Entwicklung und Umsetzung eines Förderprogramms zum ökologisch-sozialen Umbau der Waldbewirtschaftung.
  • Ein derartiger gesellschaftlicher Konsens würde das Rückgrat für eine integrierte Waldpolitik, die sich konsequent am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientiert, darstellen und könnte zu einem Modell für den ökologischen und sozialen Umbau des Wirtschafts­ und Lebensstils im Sinne der Agenda 21 werden.

    Resümee

    Durch eine integrierte Waldpolitik kann Deutschland eine Vorreiterrolle innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft übernehmen und gleichzeitig die eigenen Probleme im Waldbereich lösen. Erforderlich ist dabei ein Konzept, das alle waldrelevanten Politikbereiche miteinander verknüpft und über die Waldwirtschaft im engeren Sinne hinausgeht. Grundlage dafür ist die Umsetzung eines ökologisch nachhaltigen Schutz­ und Nutzungskonzeptes auf der Basis naturnaher Dauerwälder mit einem vernetzten System aus Waldschutzgebieten. Flankierend sind marktpolitische Initiativen zur ökologisch sinnvollen Absatzförderung für Holzprodukte aus nachhaltiger Bewirtschaftung zu ergreifen, insbesondere im Bereich langlebiger Produktgruppen (Bauteile, Möbel etc.) und bei der energetischen Holznutzung. Darüber hinaus sind die bisherigen Aktivitäten zur Senkung waldschädigender Emissionen zu verstärken. Dabei wird es - über die Einführung innovativer Technologien hinaus - vor allem auf strukturelle Veränderungen im Verkehrs­, Landwirtschafts­ und Energiebereich ankommen. Von zentraler Bedeutung dafür ist eine ökologisch-soziale Steuerreform, die den Naturverbrauch verteuert und Arbeitskosten senkt. Und schließlich sind im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die Ansätze zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung vor allem der Tropenwälder konsequent auszubauen. Ein solches integriertes Waldkonzept sollte auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt werden und von allen relevanten Gruppen getragen werden. Es könnte eine Modell-Funktion auf dem Weg zu einem nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen wahrnehmen.


    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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