S O Z I A L I S T I S C H E

M I T T E I L U N G E N

der London-Vertretung der SPD

Nr. 106
1947


Dezember
1947

Issued by the London Representative of the German Social Democratic Party,
33, Fernside Avenue, London, NW 7 - Telephone: MIL1 Hill 3915


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SPD UND LONDON

Kurz vor Eröffnung der Aussenminister-Konferenz in London hatte die SPD den Parteivorstand, den Parteiausschuss und massgebende Spitzenfunktionäre zu einer Tagung nach Bremen geladen, um den Standort der Sozialdemokratie zu den aussen- und innenpolitischen Problemen zu beziehen. Die Bremer Tagung wurde zu einer Willenskundgebung starker politischer Kraft. Der SPD-Pressedienst berichtet darüber wie folgt[1]:

Seit dem Ende des Krieges hat es für das deutsche Volk keine entscheidungsvollere Zeit gegeben als es die letzten Tage vor dem Beginn der Londoner Aussenministerkonferenz sind. Diese Tagung der massgebenden sozialdemokratischen Funktionäre in Bremen trug dieser Tatsache besonders Rechnung. Die dreifache Problemstellung war klar gegeben: die spannungsgeladene internationale Atmosphäre, die allgemeine deutsche Situation in ihr und schliesslich die Haltung der SPD zu diesem ganzen Komplex.

Alles wurde in Rede und Gegenrede gründlich und freimütig besprochen. Die Zustimmung des Parteiausschusses zu der Politik und den Vorschlägen des Vorstandes bezog sich auf alles Wesentliche, die vereinzelte Kritik auf Dinge am Rande. Überraschungen gab es nicht. Die Linie der SPD hatte ja gerade in den letzten Tagen und Wochen in besonders zahlreichen Willensbekundungen ihren klaren Ausdruck gefunden. Sie wurde in Bremen bestätigt und dabei präzisiert. Hier sei versucht, auf kürzestem Raum das Wichtigste zusammenzufassen, was in Ollenhauers so besonders klarem und eindringlichen Referat und in Schumachers epigrammatisch-temperamentvollem Schlusswort zum Ausdruck kam.

Die Londoner Konferenz war als Resultat der gescheiterten Moskauer Konferenz von vornherein eine ausgesprochene Verlegenheitslösung. Sie ist also durch die seitherige negative Entwicklung mit einer doppelten Hypothek belastet. So wird es vermutlich auch in London wie damals in Moskau weniger um die deutsche Frage als um die Abgrenzung der alliierten Machtsphären gehen. In der Zeit zwischen den beiden Konferenzen hat auf Moskauer Geheiss ein Vernichtungsfeldzug gegen die demokratischen, in erster Linie gegen die sozialistischen Parteien Osteuropas eingesetzt, der gegenwärtig in einer veränderten kommunistischen Taktik offener Obstruktion und Revolution auch nach Westeuropa übergreift.

Im Gegensatz zu der in unserem Sinne rein negativen Politik des Ostens fehlte bis vor kurzem eine entsprechend klare Konzeption des Westens vollkommen. Der Sommer ging damit praktisch verloren, weil ein konstruktiver Plan für eine einigende Lösung ausblieb. Der Verfall der moralischen und materiellen Widerstandskraft im deutschen Volke ist in dieser Zeit bis an den Punkt ernstester unmittelbarer Gefahr fortgeschritten.




[Veranstaltungshinweis]


Besucht Sonntag, d. 14. Dezember 1947, nachm. 3-7 Uhr

unsere W E I H N A C H T S - M E S S E in der

VEGA (Modern Vegatarian Restaurant), 56-58 Whitcomb Street
Tube Station: Leicester Square, neben Leicester Squ. Theatre

3 Uhr: Eröffnungsansprache des Labour Abgeordneten Joe Reeves, M.P. Im Anschluss bis 7 Uhr Verkauf schöner und nützlicher Geschenkartikel, handwerkliche Gegenstände, Spielwaren, teilweise von deutschen Kriegsgefangenen hergestellt und gespendet, Bücher, Kunstdrucke, Karten usw. Eintrittspreis sh 2/6, einschliesslich Kaffee und Kuchen im Restaurant.

"BRITISH RELIEF COMMITTEE FOR GERMAN WORKERS" (Arbeiterwohlfahrt)




[Weihnachts- und Neujahrsgruß]

Wir wünschen allen Lesern und Freunden unserer "SM" ein gesundes und frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches und gutes Neujahr 1948.

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Das Durcheinander in der Verwaltung der deutschen Stellen und der Militärregierung, von bizonalen Einrichtungen und Länderinstanzen und vieles andere mehr [haben] dazu geführt, dass heute so oft auch der Bestinformierte nicht mehr weiss, wer Koch und Kellner ist. In letzter Minute ist dann bei den Amerikanern ein Wechsel zu festerem Kurs erfolgt, weil man endlich zu der Ansicht kam, dass eine Aufgabe Deutschlands und damit Europas die Demokratie in der ganzen Welt in ihren Grundfesten erschüttern müsste.

Eine neue Interimslösung ist das wahrscheinliche Ergebnis von London. Dann wird für die deutsche Sozialdemokratie die Zeit der stärksten Belastungsprobe kommen. Dann wird man auf beiden Seiten handeln müssen, im Westen, weil man nicht die jetzige dilatorische Behandlung aller Fragen weiterführen kann, für die der Hinweis auf die Ungewissheit des Londoner Ausganges bisher noch eine, wenn auch sehr schwache Rechtfertigung abgeben mochte. In diesem Augenblick aber müsse sich, so betonte Ollenhauer besonders eindringlich, jeder Funktionär der unmittelbaren Verpflichtung zur deutschen Einheit bewusst bleiben. Die SPD betrachtet die Möglichkeit eines Weststaates ausschliesslich als eine Plattform zur Wiederherstellung einer vollständigen deutschen Einheit.

In dieser Situation haben nun weite Kreise des deutschen Volkes eine Haltung bezogen, die nach sozialdemokratischer Auffassung in krassem Widerspruch zu den realen Gegebenheiten steht. Damit kommt man zu der Frage der sogenannten "Nationalen Repräsentation" und gleichzeitig zu der unerfreulichen Erscheinung von Äusserungen, die als Persönlichkeiten von Namen oder als Repräsentanten von Gremien ausgesprochen zonalen Charakters in einer allgemein deutschen Frage durchaus unzuständig waren.

Zur grundsätzlichen Seite der Angelegenheit hat Ollenhauer u. a. festgestellt: "Jede Deklaration einer sogenannten nationalen Repräsentation, die die SEP einschliesst und die sich gleichzeitig für Demokratie und politische Freiheit ausspricht, ist eine bewusste Irreführung des deutschen Volkes wie der ganzen Welt. Die Frage der Zulassung der SPD in der Ostzone, und zwar unter der Bedingung vollkommener Gleichberechtigung mit allen anderen Parteien ist keine Frage der Sozialdemokratie, sondern der deutschen und der europäischen Demokratie. Wir sind nicht bereit, einer verlogenen Scheineinheit das Opfer unserer Überzeugung zu bringen." Zum gleichen Gegenstand, aber mit anderer Blickrichtung erklärte Schumacher: "Von den Ministerpräsidenten der Länder verlangen wir eine gute Verwaltungsarbeit und eine gute Politik im Landesrahmen. Aber es ist nicht ihre Aufgabe, sich Rechte einer aussenpolitischen deutschen Gesamtvertretung anzumassen".

Die parteiinterne Variante des gleichen Themas aber bestand in Bremen in der einmütigen Ablehnung jedes öffentlichen politischen Einzelgängertums, nachdem einmal eine klare Entscheidung in irgendeiner wichtigen Frage von den höchsten Instanzen der Partei getroffen worden ist. Ollenhauer forderte hier, dass bei der Willensbildung der Partei jedem Mitglied volle Meinungsfreiheit zustehe, dass aber nach Vorliegen eines Parteibeschlusses ebenso jedes Mitglied, gleich welchen Namens oder Ranges, die Entscheidung der Partei zu respektieren habe. Für die Frage einer deutschen Gesamtvertretung lagen solche Beschlüsse vor.

Sicher ist, dass das Wort einer Partei, die neben ihrem zahlenmässigen Umfang auch über ein in Deutschland heute ganz ungewöhnliches Mass von innerer Stärke und Geschlossenheit verfügt, auch in der internationalen Bewertung ungleich mehr Gewicht besitzt als jede unlegitimierte, hastig ad hoc zusammengestoppelte Scheinrepräsentation mit der wahrscheinlichen Lebensdauer einer politischen Eintagsfliege. Die Bremer Tagung war die Daseins- und Willensbekundung einer starken, homogenen und äusserst manövrierfähigen politischen Kraft, wie sie in dieser Potenz in Deutschland heute ihresgleichen sucht.

Die mehrtägige Tagung der SPD in Bremen fand mit der einstimmigen Annahme einer Entschliessung ihren Abschluss, in der nach dem Hinweis auf die Tatsache, dass vor den entscheidenden Beschlüssen in London das deutsche Volk ohne legitimierte Vertretung sei, erklärt wird, dass trotz der völligen Ohnmacht des deutschen Volkes sein Wille zur politischen und wirtschaftlichen Einheit heute stärker als je sei. Die Welt sollte erkennen, dass nur eine nationale befriedigende Lösung das deutsche Volk zu einem Pfeiler internationaler Zusammenarbeit machen und damit das Aufflammen neuer nationalistischer Strömungen verhindern könne. Nur eine deutsche Republik könne völkerrechtlich in Erscheinung treten, zu deren Vertretung in völliger Freiheit unter den gleichen demokratischen Bedingungen und in der gleichen Rechtssicherheit in allen Zonen Wahlen durchzuführen seien.

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Über die Auswirkungen von Dr. Schumachers und Fritz Heines Amerikareise erhielten wir von Friedrich Stampfer einen zusammenfassenden Bericht, in dem es heisst:

"Nach einem Aufenthalt von mehr als fünf Wochen haben Kurt Schumacher und Fritz Heine die Vereinigten Staaten wieder verlassen. Ihr für eine so kurze Zeit fast zu reichhaltiges Reiseprogramm hat sie über New York nach San Francisco, über Chicago nach Washington und wieder zurück nach New York geführt. Jeder Tag war mit Versammlungen und Konferenzen überladen; selbst die Reisetage waren zum Teil mit Besprechungen im fahrenden Zug ausgefüllt.

Der Initiative der American Federation of Labor ist es zu danken, dass ein führender deutscher Politiker wie Kurt Schumacher zweieinhalb Jahre nach Beendigung des Krieges als geladener Gast einer mächtigen Arbeiterorganisation amerikanischen Boden betreten konnte. Durch diese Einladung und ihre Annahme ist die freundschaftliche Verbindung zwischen der amerikanischen und der deutschen Arbeiterbewegung, die ja auch während der Hitler- und Kriegszeit bestanden hat, aufs neue unterstrichen und bekräftigt worden. Man muss diese Tatsache umso höher schätzen, als die American Federation of Labor bekanntlich im eigenen Lande streng auf parteipolitische Neutralität hält. Diese Neutralität hat sie nicht gehindert, dem Sozialdemokraten Kurt Schumacher auf ihren Jahreskongress in San Francisco einen begeisterten Empfang zu bereiten und seine Rede - die nicht frei von Kritik an der amerikanischen Regierungspolitik war - mit stürmischem Beifall aufzunehmen. Der Beifall erneu[er]te sich, als der Präsident der AFofL, William Green, die Erklärung abgab, dass sich die Federation ganz auf den Boden des von Schumacher entwickelten Programms einer europäischen Politik stelle.

Dies war umso bemerkenswerter, als Schumachers Kritik ihre Spitze ganz besonders gegen die Demontagen richtete, die er in seiner Rede einen Schlag gegen den Marshall-Plan genannt hatte.

Die Opposition gegen die Demontagepolitik, die bereits im Senat einen nicht unbeträchtlichen Anhang hat, wird also durch die amerikanischen Gewerkschaften eine wesentliche Verstärkung erhalten. Für die deutschen Arbeiter aber mag es in ihrem Kampf für demokratische Freiheit und soziale Gerechtigkeit in ihren amerikanischen Kameraden Bundesgenossen finden. Soweit es sich um die Festigung der Beziehungen zwischen der amerikanischen und der deutschen Arbeiterbewegung handelt, schliesst die Reise mit einem zweifellosen Gewinn.

In Washington hatten die beiden Gäste mit Mitgliedern der Regierung Besprechungen, die naturgemäss vertraulich waren. Sie dienten der gegenseitigen Information und wurden von beiden Seiten mit voller Aufrichtigkeit geführt. Es war das erste Mal nach dem Kriege, dass zwischen Vertretern des deutschen Volkes und Mitgliedern des Kabinetts in der Hauptstadt selbst ein persönlicher Kontakt hergestellt wurde. Von einer "vollen Übereinstimmung" wird man schon deshalb nicht sprechen dürfen, weil die amerikanische Politik noch von der Kriegszeit her mit allerlei Vorstellungen und Abmachungen belastet ist, von denen sie sich nicht mit einem plötzlichen Ruck freimachen kann. Mancher Irrtum ist in der Zwischenzeit schon berichtigt worden, und man darf zuversichtlich hoffen, dass die jüngsten Besprechungen in derselben Richtung weiter wirken werden. Gelegentliche Besuche und Besprechungen können freilich nicht die ständig geregelte Fühlungnahme ersetzen, wie sie zwischen souveränen Staaten in Friedenszeiten auf diplomatischem Wege erfolgt.

In New York häuften sich in den letzten Tagen ihres Aufenthaltes Veranstaltungen aller Art. Auf einem Frühstück, hier Luncheon genannt, das zu Ehren der reichsdeutschen Gäste veranstaltet wurde, sprach neben dem alten Führer der Sozialistischen Partei Norman Thomas[2] und dem berühmten Theologen Reinhold Niebuhr der frühere Unterstaatssekretär der Roosevelt-Regierung Adolph A. Berle[3]. Eine Reihe wohltätiger Gesellschaften, unter ihnen die New Yorker Filiale der Arbeiterwohlfahrt, hatte Fritz Heine gebeten, über den Wiederaufbau der deutschen Arbeiterbewegung zu berichten; einige Hundert Personen folgten seinem Vortrag mit gespannter Aufmerksamkeit. Ganz den New Yorker Sozialdemokraten gehörte ein Empfang am Sonntagnachmittag in der historischen "Rand School", dem alten Sitz der Organisation. Es war ein dramatischer Höhepunkt, als der bald neunzigjährige Abraham Cahan, Chefredakteur des von ihm vor 40 Jahren gegründeten "Jewish Daily Forward" Schumacher die Hand reichte und sagte, dieser Augenblick, in dem er den Vertreter der wiedererstandenen SPD begrüssen konnte, sei einer der glücklichsten seines Lebens. Ein jugendlicher Vertreter der mit der Social Democratic

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Federation konkurrierende Socialist Party benützte die Gelegenheit, die Einigung beider Gruppen zu fordern, er sprach die Hoffnung aus, dass vom Besuch Schumachers eine Wiederbelebung der sozialistischen Bewegung in Amerika und ihr neuer Aufstieg ausgehen werde. Schumachers Erscheinen auf der Rednertribüne wurde mit Erheben von den Sitzen und dem Gesang der Internationale begrüsst. Brausender Beifall folgte seiner Rede. Die ganze Atmosphäre erinnerte an jene vergangene Zeit, in der die deutsche Sozialdemokratie das gefeierte Vorbild der gleichgerichteten jungen Bewegungen in der ganzen Welt war. Der letzte Abend vor der Abreise gehörte dem Leserkreis der New Yorker "Neuen Volkszeitung", der mit anderthalbtausend Mann einen stattlichen Saal füllte. Mit Recht konnte Schumacher sagen, dass er sich hier beinahe wieder auf deutschem Boden fühle.

Die deutsche Arbeiterbewegung und Arbeiterpresse in den USA blicken auf eine hundertjährige Geschichte zurück. In ihr spielt die "Volkszeitung", einst eine Tageszeitung, jetzt ein Wochenblatt die "Neue" genannt, eine nicht geringe Rolle. Namentlich in den letzten Jahren der Hitlerzeit und des zweiten Weltkrieges hat sie sich als Sprachrohr der deutschen Sozialdemokratie und des "anderen", von Hitler unterdrückten Deutschland über die Vereinigten Staaten hinaus einen guten Namen erworben. Zu ihren Lesern zählen heute nicht nur Sozialdemokraten, sondern auch Deutschamerikaner bürgerlicher Gesinnung, deren Sympathie [sie] sich durch ihr Eintreten für die Menschenrechte des deutschen Volkes erworben hat. Sie stellten zu der Schumacher-Versammlung ein nicht geringes Kontingent und vereinigten sich mit den Sozialdemokraten in stürmischen Ovationen für den Redner. So darf man hoffen, dass dieser politische Besuch über den leider ziemlich engen Kreis der hiesigen Sozialdemokraten hinaus seine
Wirkung auf die schwer aufzurüttelnde Masse des Deutschamerikanertums haben wird. Es ist oft schon bemerkt worden, dass die Amerikaner deutscher Herkunft, was politischen Sinn und Gefühl der Zusammengehörigkeit betrifft, hinter allen anderen Gruppen weit zurückstehen, den Italienern, den Polen usw., gar nicht zu reden von den amerikanischen Juden, die mit ihren Opfern für ihre gemeinsame Sache unerreichbar dastehen. Die deutschen Sozialdemokraten in Amerika - und darauf beruht auch die Bedeutung der "Neuen Volks-Zeitung" sind die einzige Gruppe, die für eine Amerika und Deutschland verbindende demokratische Politik den Weg gezeigt hat. Der Besuch aus Deutschland war für sie ein grosses Ereignis und hat ihre Stellung im Deutschamerikanertum wesentlich gestärkt.

"Wir müssen Amerika verstehen - aber auch Amerika muss uns verstehen lernen", sagte Schumacher bei Gelegenheit einer Pressekonferenz zu den zahlreich versammelten Journalisten. dass dieses Verstehenlernen nicht ganz leicht ist, zeigt die Zurückhaltung, die die amerikanische Presse in ihren Veröffentlichungen über den Besuch geübt hat - eine Zurückhaltung, die in starkem Gegensatz steht zu dem starken persönlichen Interesse, das die Journalisten an ihm gezeigt haben. Noch immer fürchtet die New Yorker Presse Widerstand aus ihren Leserkreisen, wenn sie sich mit deutschen Dingen in einer Verständnis zeigenden Weise beschäftigt. Und die hiesige Presse ist nun einmal eine Geschäftspresse; sie will dem Kunden nur die Ware bieten, von der sie weiss, dass sie ihm gefällt. Wer im amerikanischen Volke um Verständnis für die Probleme und Nöte Deutschlands wirbt, leistet noch immer harte Pionierarbeit, und nicht nur die Sozialdemokratische Partei, sondern das deutsche Volk insgesamt sollte den beiden Amerikafahrern Dank dafür wissen, dass sie sich dieser Arbeit unterzogen haben."

Vom Vertreter des PV der SPD in Schweden, Genossen Kurt Heinig, erhielten wir aus Stockholm den folgenden Bericht:

"Auf Einladung der Schwedischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei flogen am Montag den 17. November die Gen. Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Franz Neumann von Hamburg nach Stockholm. Der Besuch trug privaten Charakter. Man wollte vor allem durch persönliche Aussprachen die Beziehungen zwischen den beiden Bruderparteien vertiefen. Um zureichend Zeit für Besprechungen zu gewinnen, waren in beiderseitigem Einverständnis keine öffentlichen Kundgebungen vorgesehen. Sehr bald zeigte sich, dass dieses Programm nicht durchzuführen war. Aus verschiedenen Städten Schwedens und aus Norwegen lagen bereits Einladungen für Versammlungen vor, als die Delegation nach Stockholm kam, und hier war das Interesse ebenfalls sehr gross. So kam es zu einer arbeitsreichen Woche.

Am 18. November war ein grosser Presseempfang; nach den Mitteilungen

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der Sachkundigen, einer der grössten seit Kriegsende. Hier beantworteten Dr. Schumacher und Franz Neumann stundenlang die an sie gestellten Fragen. Am Abend war eine Zusammenkunft mit der schwedischen Regierung und dem Vorstand der schwedischen Partei.

Am 19. November war die Delegation vom Nationalökonomischen Klub zu einem Lunch mit Aussprache eingeladen. Dann folgte ein Zusammensein mit den Vorständen der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Schweden" und der "Arbeiterwohlfahrt". Am Abend hatte der Kreis um "Tiden" - die wissenschaftliche Zeitschrift der schwedischen Partei - zu einer grossen Zusammenkunft eingeladen. Hier sprach Dr. Schumacher vor mehreren hundert Partei- und Gewerkschaftsfunktionären, vor den Vertretern der sozialdemokratischen Presse und Literatur, den Repräsentanten der Stadtverwaltung Stockholm usw.

Am 20. November begann die Tagesarbeit mit einem Zusammensein mit einer Anzahl Regierungsmitgliedern. Dann folgte eine Versammlung in der "Deutschen Vereinigung 1945"[4], der neuen deutschen Kolonie, Vorsitzender Prof. Dr. Dr. Gallinger[5], Vizevorsitzender Kurt Heinig. Am Abend sprach Dr. Kurt Schumacher in einer Versammlung der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Schweden" im grossen Saale des Volkshauses. Hier waren die Emigranten anderer Länder mit eingeladen, der Saal war überfüllt.

Der 21. November war ausschliesslich Besprechungen mit Parteiinstitutionen und Regierungsstellen gewidmet.

Der 21. November schloss den Stockholmer Besuch mit einer Einladung durch die staatswissenschaftliche Vereinigung der Universität Stockholm in der grossen Aula ab, wo Dr. Kurt Schumacher über "Das Wesen des Nazismus" sprach. In der Nacht zum 22. reiste die Delegation nach Oslo, der Hauptstadt Norwegens. Hier erwartete sie wieder ein arbeitsreicher Tag. Vor allem war es eine Riesenversammlung, die von der sozialdemokratischen Arbeitergesellschaft[6] und den sozialdemokratischen Studenten einberufen wurde. In einem der grössten Säle Oslos, vor etwa 1.200 Zuhörern, die Schumachers Ausführungen stürmisch beklatschten, kam es zu einer harten Abrechnung mit den Kommunisten. In Norwegen versteht man besonders, was es heisst, die Quislingpartei zu sein - die wenigen anwesenden Kommunisten pfiffen verärgert und wurden durch neuen Beifallssturm der Versammlung davon überzeugt, dass der Schlag richtig getroffen hatte.

Nach der Versammlung war wieder Presseempfang, dann folgte ein Zusammensein mit der norwegischen Regierung, der Partei- und Gewerkschaftsleitung und weiteren Freunden der Arbeiterbewegung Norwegens. Man traf auch den Vorsitzenden der holländischen Partei, Koos Vorrink - Amsterdam.

Am 23. November war die Delegation wieder in Schweden, nun in Göteborg. Hier war eine Versammlung der sozialdemokratischen Jugendorganisation mit grosser Sorgfalt vorbereitet. Ein komplettes Orchester der Roten Falken spielte zur Begrüssung der Versammlung. Neben dieser gab es wieder einen Presseempfang und Aussprache mit den schwedischen Freunden.

Am 24. November flog die Delegation von Malmö aus wieder nach Deutschland. Die deutsche Delegation fand überall Gelegenheit zu offener Aussprache, sie gab freimütig jede gewünschte Auskunft, sie erhielt ebenso selbstverständlich auf ihre eigenen Fragen offene und detaillierte Antworten. Der Gesamtertrag der Reise entspricht so auf beiden Seiten allen Erwartungen, die Freundschaftsbande sind noch fester geworden als sie schon waren.

Als Dr. Schumacher nach seiner Rückkehr aus Schweden und Norwegen über seine Eindrücke berichtete, konnte er bereits baldige Gegenbesuche norwegischer und schwedischer Sozialisten in Deutschland ankündigen.

ist der Name der neuen internationalen Vereinigung, die auf einer Konferenz beschlossen wurde, die vom 10.-14. Oktober im Moonthuis-Blarioum in Holland stattgefunden hatte. Diese Konferenz war von nationalen Erziehungs-Organisationen für Arbeiterkinder aus folgenden Ländern beschickt: Belgien, Deutschland, vertreten durch Kati Heil[7] vom Roten Falken-Sekretariat in Hannover, Odeonstr. 14/16, England, Dänemark, Frankreich, Holland, Schweden, Schweiz und Frankreich. Österreich, Finnland und Italien waren wegen Visa-Schwierigkeiten an der Teilnahme verhindert. Zur Leitung des IFS - das nur provisorischen Charakter hat, bis die Schaffung einer permanenten internationalen Organisation möglich sein wird - wurde ein aus 5 Mitgliedern bestehendes "Internationales Komitee" eingesetzt. In ihm sind vertreten Dänemark, Belgien, Holland, England und die Schweiz. Die Sozialistische Erziehungs-Internationale hat damit nach 25-jähriger erfolgreicher Arbeit ihre Tätigkeit beendet, und im IFS (717 Keizersgracht, Amsterdam) ihre Nachfolgerin bekommen.

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unseres Genossen Paul Sering[8], das vor kurzem in Deutschland erschien und grosses Interesse gefunden hat, sprach der österreichische Sozialist Jul. Braunthal in der deutschen Sendung des Londoner Rundfunk. Wir geben hier einen Auszug aus dieser Besprechung wieder:

"In Deutschland ist soeben ein Buch erschienen, das vielen als Führer durch die Wirrsal unserer Lage dienen kann. Das Buch versucht eine Erklärung der beispiellosen Katastrophe der letzten Jahre und eine Bestandsaufnahme der Welt nach der Katastrophe.

Was ist der letzte Grund für diese Katastrophe? Sering zeigt in seiner tiefgehenden Untersuchung, dass sie ein Untergangssymptom des liberalen Kapitalismus ist. Der Zusammenbruch des Weltwährungssystems nach dem ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise der dreissiger Jahre mit ihren Millionenheeren von Arbeitslosen im Gefolge, haben die Regierungen in allen Staaten gezwungen, in die Volkswirtschaft planmässig einzugreifen, den freien kapitalistischen Wettbewerb immer stärker einzuschränken, Industrie, Finanzen und Handel einer immer schärferen Kontrolle zu unterwerfen und die Kapitalinvestitionen zu dirigieren. Das Zeitalter des freien Kapitalismus hat sich, zum mindesten in Europa, seinem Ende genähert.

Was aber liegt jenseits des Kapitalismus? Viele Sozialisten haben fest daran geglaubt, dass die kapitalistische Gesellschaftsform zwangsläufig von einer sozialistischen abgelöst werden wird. Sie waren in diesem Glauben bestärkt, als sie sahen, wie die Regierungen kapitalistischer Staaten gezwungen waren, zur Planwirtschaft überzugehen, und sie betrachteten die Planwirtschaft als ein untrügliches Zeichen des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Sering zweifelt an dieser Zwangsläufigkeit. Es ist, wie er überzeugend zeigt, keineswegs sicher, dass dem Zeitalter des freien Kapitalismus ein Zeitalter des Sozialismus mit "eherner Notwendigkeit" - wie dies Marx prophezeit hat - folgen muss.

Ohne Planwirtschaft kann es keinen Sozialismus geben. Aber Planwirtschaft ist - wie das Beispiel Hitlerdeutschland zeigt - auch ohne Sozialismus möglich. Hitler-Deutschland war kein sozialistischer Staat, sondern ein Paradies des Monopolkapitalismus. Hitlers Planwirtschaft hatte den Zweck, die militärische Macht Deutschlands zu stärken, um dem deutschen Kapitalismus neue Märkte und dem deutschen Staat neue Länder zu unterwerfen. Hitlers Planwirtschaft war Planimperialismus, wie Sering es nennt, und führte zwangsläufig nicht zum Sozialismus, sondern zum Weltkrieg. Viele Sozialisten glaubten wieder, in der wachsenden Tendenz der Nationalisierung der Produktionsmittel ein weiteres Symptom für den zwangsläufigen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus zu sehen. Gewiss, das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln ist die Grundlage jedes sozialistischen Wirtschaftssystems. Aber die Verstaatlichung der Industrie und des Handels muss keineswegs zu einer sozialistischen Organisation der Gesellschaft führen. In Sowjetrussland ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufgehoben; es ist das einzige Land der Welt ohne Kapitalisten. Aber dennoch ist Sowjetrussland, wie Sering behauptet, kein sozialistisches Gemeinwesen - trotz totaler Planwirtschaft und totalem Staatseigentum an den Produktionsmitteln.

Hier berührt nun Sering den Kernpunkt des leidenschaftlichen Konflikts, an dem sich die deutsche Arbeiterbewegung gespalten hat. Welche Vorstellungen haben die Sozialisten mit der Idee des Sozialismus verbunden? In erster Linie die Vorstellung von einer klassenlosen Gesellschaft.

Die bolschewistische Revolution in Russland hat die herrschenden Klassen ausgerottet; es gibt dort keinen Landadel, keine Fabrikbesitzer und keine Finanzmagnaten mehr. Dennoch ist die Sowjetgesellschaft keineswegs klassenlos. Im Laufe der dreissig Jahre seit der Oktoberrevolution hat sich mit der hierarchisch organisierten Staatswirtschaft eine neue gesellschaftliche Oberschicht entwickelt, die sich zwar nicht auf das Privateigentum an Produktionsmitteln, sondern auf die Ausübung unentbehrlicher leitender Funktionen gründet. Es ist die Oberschicht der Betriebsleiter und Wirtschaftsdirektoren, der hohen Staats- und Verwaltungsbeamten, der höheren Grade der Armee, Polizei und der Parteibürokratie, - eine Schicht, die in die Hunderttausende geht und die in der einzig zugelassenen Partei, der kommunistischen, ihre politische Herrschaftsorganisation besitzt. Diese Entwicklung hat zunächst zu einer vielfach stärkeren Differenzierung der Einkommen und der Lebenshaltung als in den kapitalistischen Staaten Westeuropas geführt, während gleichzeitig die Machtfülle der herrschenden Oberschicht gewachsen ist. Die Macht der russischen Vorgesetzten über seine

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Untergebenen in der Fabrik und im Büro ebenso wie in der Kaserne ist heute, wie Sering feststellt, weit grösser als in demokratisch-kapitalistischen Staaten, da die Autorität des russischen Vorgesetzten mit der Drohung der Deportation gestützt ist, - und die Zahl der Deportierten geht in die Millionen. - Wie ist es zu erklären, dass sich aus der klassenlosen Gesellschaft, wie sich Russland nach dem Sieg der bolschewistischen Revolution darstellte, eine neue Klassenherrschaft entwickeln konnte? Weil Russland infolge einer Kette von Umständen eine sozialistische Ökonomie ohne Demokratie aufbauen musste. Nun ist Demokratie ein weiteres unerlässliches Element jeder sozialistischen Gesellschaft, wie das russische Beispiel zeigt. Gerade weil die Verstaatlichung der Produktionsmittel die Machtfülle des Staates ins Gigantische vermehrt, sind starke Institutionen der Demokratie erforderlich, um die Entwicklung der Staatsbürokratie zu einer herrschenden Klasse zu unterbinden und zu verhindern, dass die breiten Massen des arbeitenden Volkes zu Hörigen der Staatsbürokratie werden.

So führt die Untersuchung Serings zum Ergebnis, dass sich aus der Krise der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nur dann eine sozialistische Organisation der Gesellschaft erheben kann, wenn gleichzeitig mit der Ausdehnung der Planwirtschaft und der Nationalisierung der Industrien die Demokratie auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens entwickeln wird."

(Die erste Auflage des Buches ist bereits vergriffen, über die Ausgabe einer zweiten Auflage finden Verhandlungen statt.)[9]

der bereits den grössten Teil des Sächsischen Erzgebietes erfasst, dringt nur wenig an die Aussenwelt. Die kontrollierenden Instanzen und nicht zuletzt die für den Abbau des so wichtig gewordenen Metalls zuständige Sowjetische AG "Vitriol" haben strenge Geheimhaltung befohlen. Bekannt ist, dass trotz aller amtlicher Dementis weiterhin Zwangsverpflichtungen stattfinden, mit Drohungen des Lebensmittelkartenentzugs für die Familien und dergleichen. Selbst von der Insel Rügen und der Küste von Mecklenburg-Vorpommern holt man Arbeitskräfte herbei. Erst vor wenigen Tagen sind annähernd 3.000 Personen aus den Kreisen Schwerin, Dommin und Güstrow von dem zuständigen Arbeitsamt im Uranbergbau zwangsverpflichtet worden ...

Im allgemeinen haben sich die Verhältnisse im Uranbergbau gebessert. Es werden Trennungsgelder für die Familien und Reisekostenzuschüsse für die fernab wohnenden Bergleute bezahlt. Der Uran-Bergarbeiter verdient zwar nicht 1300-1400 RM im Monat, wie der SED-Chef Buchwitz unlängst behauptete, und ist auch nicht der "bestbezahlte Bergarbeiter Europas", aber es gelangen neben relativ guter Bezahlung erhebliche Sonderprämien für Mehrleistungen und Sonderzuteilungen an Fleisch, Nährmitteln, Brot, Zigaretten und Fett zur Verteilung. Wer krank wird, verliert sofort alle Vergünstigungen und wird auf Normalration herabgesetzt. Entschuldigungsgründe wie Krankheit, Erschöpfung, Alter usw. gibt es nicht.

Anlass zu Klagen ergibt sich aus der geringen Betriebssicherheit, die zu vielen Unglücksfällen führt. Sehr oft, so berichten die Bergleute, können sie vor Steinstaub, Gasen usw. nichts sehen und kaum atmen. Die Arbeit wird aber trotzdem mit fieberhafter Hast und meist unzureichenden Betriebseinrichtungen vorangetrieben, vor allem in den kleinen Versuchsstollen ...

Die kürzlich gemeldete Zahl von 20.000 Bergarbeitern, auf die man die Belegschaftszahl der Sowjetischen Bergwerk-AG bringen will, wird als längst überholt angesehen. Allein in Annaberg wohnen 12.000 Bergarbeiter und in Aue beinahe ebensoviel. Ähnlich ist es in den andern Städten und den meisten Dörfern. Das Fünffache der angegebenen Zahl dürfte der Wahrheit näherkommen. In neuerer Zeit greift der Uranbergbau vom Gebiet von Aue, Schwarzenberg und Johanngeorgenstadt sowie den Annaberger und Marienberger Revieren weiter nach Osten in das Freitaler und weiter nach Norden nach Freiberg und vor allem in das Revier von Brand-Erbisdorf über. Es besteht die Anordnung, systematisch alle alten Stellen des Erzgebirges auf Pechblendevorkommen usw. abzutasten. Aus malerischen Sommerfrischen und Heilkurorten, bekannten Industrie-Mittel- und Kleinstädten und selbst kleinen Dörfern werden langsam russige Bergorte mit stetig wachsender Bergbaubevölkerung. Städte wie Annaberg, Aue, Schwarzenberg, Schneeberg, Johanngeorgenstadt, Marienberg sind heute nur noch mit Genehmigung der zuständigen Kommandanturen zu erreichen. Wer ohne Genehmigung in das Sperrgebiet hineinzukommen versucht, das sich heute schon in 60 km Breite über das Mittelerzgebirge erstreckt, riskiert, sofort zur Zwangsarbeit in ein Bergwerk abtransportiert zu werden. ..."

(Aus "Die Welt", überparteiliche Zeitung für die britische Zone, Nr. 143, Dezember 1947)

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Auch im November und Dezember hatte die "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien" wieder Gelegenheit, eine Reihe von Genossen aus Deutschland, die in England zu Besuch waren, als Teilnehmer bei ihren Veranstaltungen zu begrüssen. Für vierzehn Genossen und Genossinnen aus der Heimat, die an einem Kursus im Lager Wilton Park teilnahmen, fand in der Londoner "Vega" am 11. November ein Beisammensein mit den Londoner Parteifreunden statt. Unter dem Vorsitz des Genossen Gleissberg entwickelte sich eine Diskussion, in der die Gäste aus Deutschland Fragen aufwarfen, die von den Londoner Genossen beantwortet wurden. Das Verhältnis der "Vereinigung" zur britischen Labour Party und zu anderen sozialistischen Organisationen in England, die Einstellung der britischen Öffentlichkeit zu Wilton Park, den deutschen Kriegsgefangenen und den Besuchen aus Deutschland und die Auffassungen über die politische Entwicklung in England und in Deutschland waren die Hauptgegenstände der für beide Teile anregenden Ausprache, an die sich ein zwangloses Beisammensein der Teilnehmer schloss.


Ein zweites Mal erschienen Gäste aus Wilton Park, besonders die Gewerkschaftsfunktionäre, zu einer Funktionärsitzung der "Vereinigung" im Vienna Restaurant am 14. November. Genosse Hans Gottfurcht gab einen Bericht von der Vierzonen-Gewerkschaftskonferenz in Pyrmont[10], an der er als Beobachter teilgenommen hatte. Er gab eine eingehende Schilderung der Verhandlungen, die sich um die Frage der Einberufung eines gesamtdeutschen Gewerkschaftskongresses drehten, und erklärte die Tendenzen und Motive, die dazu führten, dass sich eine Mehrheit für die Einberufung eines solchen Kongresses aussprach, zeigte die Probleme auf, die zwischen diesem Beschluss und seiner Verwirklichung stehen, und die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung in den deutschen Gewerkschaften und den ungelösten Fragen des Weltgewerkschaftsbundes. Die nach dem Referat gestellten Fragen gaben Genossen Gottfurcht Gelegenheit, auch die Stellungnahme der deutschen Gewerkschaften in den Westzonen zur Demontage und zu anderen aktuellen Fragen des deutschen Wirtschaftslebens zu erläutern.


Am 6. Dezember versammelten sich eine grosse Anzahl Mitglieder und Freunde der "Vereinigung" zu Ehren einiger Gäste aus Deutschland im Vortrags-Saal 1, Broadhurst Gardens. Der Versammlungsleiter, Gen. W. Sander sprach zunächst einen ehrenden Nachruf für den verstorbenen Genossen Siegfried Rosenfeld[11], der im Alter von 73 Jahren plötzlich an den Folgen eines Herzschlages verstorben war und vor seiner Emigration als preussischer Landtagsabgeordneter und Ministerialrat und -dirigent in Berlin tätig war. Dann sprach Regierungsdirektor Ludw. Hamann[12] - Hannover, der verantwortliche Dezernent für die Kommunalverwaltung im Innenministerium des Landes Niedersachsen über seine praktischen Erfahrungen im Aufbau einer neuen Verwaltung am Kriegsende und gab interessante Beobachtungen von seinen kürzlichen Besichtigungen englischer Institutionen und Verwaltungen zum Ausdruck. Nach ihm sprach Dr. Richard Löwenthal über die internationale Sozialisten-Konferenz in Antwerpen[13], wo er als Journalist während der Tagung beschäftigt war. Wegen der Bedeutung dieses Berichtes bringen wir die Gedankengänge des Referenten als besondere Abhandlung auf der nächsten Seite der vorliegenden "SM" etwas ausführlicher wieder. Dr. Antrick[14] von der Technischen Hochschule in Braunschweig, brachte seine besondere Anerkennung über den wertvollen Bericht über die internationale Tagung zum Ausdruck und sprach über die Bedeutung und die Schwierigkeiten in der Arbeit demokratischer Kräfte an den deutschen Hochschulen. H. Horndasch[15] vom Zentralsekretariat der Falken in Hannover gab einen kurzen instruktiven Überblick über die in Deutschland geleistete Arbeit der Falkenbewegung. Als weitere Gäste konnten an diesem Abend begrüsst werden: Rektorin Caracilo[16], Düsseldorf, Anna Kayser[17], Dezernentin der Jugend-Gerichte-Hilfe in Hamburg, Karl Pasche[18], Oberstudiendirektor in Flensburg, M. Wocke[19], Professor an der Pädagogischen Akademie in Celle, Redakteur Kowalzik[20], von der Kieler Volkszeitung, Redakteur F. Wesemann[21] von der Hannoverschen Presse, der Vertreter der SPD-Presse zur Aussenminister-Konferenz in London und schliesslich Frl. Brigitte Krüger[22], Vertreter des Deutschen Presse Dienstes (dpd) in England. Während der Kaffeepause wurden neue Freundschaften geschlossen und alte Freundschaften erneuert und in der Aussprache wurden wertvolle Ergänzungen vorgetragen und "Kommissionsbesprechungen" für den Sonntag vereinbart.




[Veranstaltungshinweis]

Herta Gotthelf, Mitglied des Parteivorstandes, Leiterin des Frauenbüros des PV, Hannover, spricht Freitag, d. 2. Januar 1948, abds. 7 Uhr im Vienna Restaurant in einer Versammlung der "Vereinigung".

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Der Beschluss der Internationalen Sozialistenkonferenz von Antwerpen, die deutsche Sozialdemokratie als vollberechtigtes Mitglied anzuerkennen, war eine der wenigen klaren Entscheidungen dieser Konferenz. Er wurde nach gründlicher Vorbereitung und langer, aber ruhiger Diskussion gefasst. Im Gegensatz zu Zürich gab es diesmal von keiner Seite unoffizielle Warnungen, dass diese oder jene Partei im Falle der Aufnahme der SPD die Konferenz verlassen würde. Angesichts der Stimmung der Mehrheit der westeuropäischen Konferenzteilnehmer hätten solche Warnungen den Ausgang der Abstimmung auch nicht beeinflussen können. Der Eindruck der Lähmung der internationalen sozialistischen Zusammenarbeit durch den Gegensatz zwischen "westlich" und "östlich" orientierten Parteien, der die Atmosphäre der Züricher Konferenz im Juni bestimmte, hatte sich freilich in den ersten Tagen von Antwerpen in noch verstärktem Ausmass wiederholt: Der erste Versuch einer grossen politischen Debatte zeigte, dass die manchen Delegierten vorschwebende einstimmige Prinzipienerklärung nur um den Preis des Ausweichens vor allen entscheidenden konkreten Problemen der Stunde zu erreichen war - und auch dann nur unvollkommen, da die einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten freundlichen Parteien eine eigene Gegenresolution einbrachten und sich nach deren Ablehnung bei der Hauptresolution der Stimme enthielten. Aber gerade das offenkundige Fiasko dieser Bemühungen um Einstimmigkeit um jeden Preis führte gegen Ende der Konferenz bei einer Reihe von westeuropäischen Delegierten zu einer unverblümt geäusserten Entschlossenheit, sich in Zukunft nicht an als notwendig erkannten Schritten durch die Rücksicht auf Parteien hindern zu lassen, die, wie es der holländische Parteivorsitzende Koos Vorrink ausdrückte, unter kommunistischem Terror stünden und nicht freie Herren ihres eigenen Handelns seien. Positiv wurde diese Ungeduld einiger Westparteien nicht in die Forderung nach einem Bruch mit den Osteuropäern, sondern in den - vorerst noch unoffiziellen - Vorschlag einer regionalen Konferenz der Sozialisten der "Marshallländer" - also der Länder, die auf der Pariser Konferenz über einen gemeinsamen Plan zum Wiederaufbau Europas mit amerikanischer Hilfe vertreten waren - kristallisiert: Solche regionale Konferenzen sind unter dem in Antwerpen angenommenen Statut der Zusammenarbeit ohne Bruch mit der Gesamtorganisation zulässig. Falls eine solche Konferenz zustandekommt - in der Praxis dürfte das in erster Linie von der Entscheidung der Labour Party abhängen - kann sie sehr wohl die erste sein, auf der die SPD in ihrer neuen Rolle als Mitglied der Gesamtkonferenz teilnehmen wird. Der Beschluss über ihre Aufnahme erfolgte am letzten Tage von Antwerpen, in einer bereits durch die neue Aktivität einiger Westparteien bestimmten Atmosphäre.

Auf der Züricher Konferenz hatten, nach Anhörung der deutschen Delegation unter Führung den Gen. Dr. Kurt Schumacher, neun Parteien für die Aufnahme der SPD, fünf dagegen gestimmt und fünf sich enthalten. Die notwendige 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen war damit nicht erreicht. Die Konferenz hatte dann, bei nur einer Enthaltung, die Einsetzung einer Neun-Parteien-Kommission beschlossen, die mit der SPD Fühlung halten, ihr ihre guten Dienste zur Verfügung stellen und der nächsten Konferenz über sie berichten sollte. Diese Konferenz bestand aus fünf der Jasager von Zürich, zwei der Neinsager - Polen und die Tschechoslowakei - und zwei der Parteien, die sich enthalten hatten, den Belgiern und Schweizern, unter Vorsitz des belgischen Genossen Louis de Brouckère. Sie wurde kollektiv zum Nürnberger Parteitag der SPD eingeladen, und benutzte die Gelegenheit, sich nicht nur ein anschauliches Bild vom Funktionieren der SPD zu machen, sondern auch der Parteiführung alle die Fragen zu stellen, zu deren Beantwortung in Zürich die Zeit fehlte, und sich mit der notwendigen Dokumentierung über die SPD zu versehen. Es kann wohl mit als ein Resultat dieses Besuches angesehen werden, dass die beiden in der Kommission vertretenen "Abstinenten" von Zürich, die belgischen und Schweizer Sozialisten, sich inzwischen für die Aufnahme der SPD entschieden haben, die Belgier erst einen Monat vor Antwerpen auf ihrem Parteitag.[23]

Zur Ausarbeitung eines detaillierten gemeinsamen Berichts gelangte die Kommission vor Antwerpen nicht mehr, zumal die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihrer Mehrheit und den beiden osteuropäischen Teilnehmern nicht überbrückt wurden. Am Tage vor Eröffnung der Hauptkonferenz trat sie[24] in Antwerpen selbst noch einmal zusammen und beschloss mit fünf Stimmen gegen die eine des Tschechen, der Konferenz die Aufnahme der SPD als vollberechtigtes Mitglied zu empfehlen. Die anderen drei Kommissionsmitglieder - Polen, Franzosen und Holländer - waren noch nicht eingetroffen, als dieser Beschluss gefasst wurde.

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Die Deutschlanddiskussion im Konferenzplenum wurde mit einem günstigen Bericht des Vorsitzenden de Brouckère eröffnet. Die Hauptreden gegen die Aufnahme der SPD hielten Jarblum[25] von der jüdischen Arbeiterpartei Palästinas[26] und Rûsinek[27], der polnische Arbeitsminister und Vorsitzende der PPS. Beide wiederholten die Argumente von Zürich in ruhigerem Tone. Jarblum zweifelte am Widerstand der SPD gegen Hitlers Verbrechen und an ihrer Entschlossenheit, selbst heute gegen eine Wiederbelebung von Antisemitismus und Nationalismus zu kämpfen. Rûsinek beschuldigte die SPD nicht nur einer nationalistischen Haltung in den Grenzfragen und einer Antisowjetpolitik, sondern behauptete, sie führe keinen Kampf um die Sozialisierung, Landreform und Entnazifizierung und sei diesbezüglichen Fragen ausgewichen. Dies gab dem französischen Vertreter Salomon Grumbach Gelegenheit, die sozialistische Politik der SPD an Hand der Parteitagsbeschlüsse, der Propaganda der Partei und der Reden Dr. Schumachers ausführlich zu dokumentieren: Der polnische Vorwurf, so erklärte er, stehe einfach im Widerspruch zu den von der Kommission gemeinsam ermittelten Tatsachen. Natürlich stimme auch er nicht mit allem überein, was Schumacher in seinen Reden sage. Aber die Konferenz habe nicht die Aufgabe, zu beurteilen, ob sie die Politik Schumachers im einzelnen für richtig halte, sondern zu entscheiden, ob der Friede ohne die Wiedereingliederung der deutschen Arbeiterklasse in die Internationale gesichert werden könne. Die Kommunisten aller Länder helfen den deutschen Kommunisten, die reaktionären Katholiken der Welt den deutschen Rechtskatholiken - sollen wir nicht den deutschen Sozialdemokraten im Kampf für ein friedliches und demokratisches Deutschland helfen?

Grumbachs zentrale Argumente wurden von anderen Delegierten unterstrichen. Der norwegische Parteisekretär Hakon Lie erklärte im Namen der skandinavischen Parteien, sie hätten mit der SPD mehr gemeinsam als mit Parteien, die Artikel zur Verteidigung des Kominform-Manifestes[28] veröffentlichten. Ein anderer Genosse meinte, Hitler sei kein Einzelfall gewesen, wie die Diktaturen in Italien und Polen vor der Machtergreifung der Nazis bewiesen hätten; der Unterschied sei nur, dass Hitler, im Gegensatz zu Mussolini und Pilsudski[29] nie der Sozialdemokratie angehört habe.

Die Abstimmung ergab die Aufnahme der SPD mit 12 gegen 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Verschiebung der Stimmen zwischen der Konferenz in Zürich und Antwerpen.

Land

Züricher Konferenz

Antwerpener Konferenz

Grossbritannien

ja

ja

Frankreich

ja

ja

Norwegen

ja

ja

Schweden

ja

ja

Dänemark

ja

ja

Finnland

ja

ja

Holland

ja

ja

Luxemburg

ja

ja

Österreich

ja

ja

Belgien

enthalten

ja

Schweiz

enthalten

ja

Kanada

abwesend

ja

Griechenland

enthalten

abwesend

Südafrika

enthalten

abwesend

Italien

enthalten

enthalten

Bund

kein Stimmrecht

enthalten

Palästina

nein

nein

Polen

nein

nein

Tschechoslowakei

nein

nein

Ungarn

nein

nein

Rumänien

nein

fusioniert mit KP



Alle in dieser Tabelle nicht aufgeführten Parteien haben entweder an keiner von beiden Konferenzen teilgenommen, wie die Australier, Neuseeländer und die meisten südamerikanischen Sozialisten, oder sie konnten nur als Beobachter ohne Stimmrecht teilnehmen, wie die spanischen, amerikanischen, indischen und brasilianischen Sozialisten. Der internationale Bund - die Partei der nichtzionistischen jüdischen Arbeiter in Polen, deren überlebende Mitglieder jetzt teilweise über die Welt zerstreut sind, ist seit Zürich zum stimmberechtigten Mitglied befördert worden. Die oppositionellen oder exilierten Sozialisten Osteuropas und die antikommunistische Minderheit der italienischen Sozialisten waren nicht zugelassen. Die bulgarischen Regierungssozialisten waren nur als Beobachter vertreten.






Editorische Anmerkungen


1 - Die Außenministerkonferenz in London fand vom 25. November bis zum 15. Dezember 1947 statt und wurde dann auf unbestimmte Zeit vertagt, da über keines der wichtigsten Themen (Grenzen Deutschlands, Friedensvertrag, Reparationen) Einigung erzielt werden konnte. Vgl. u.a. SM 107, Jan. 1948, S._5ff.
Der hier zitierte "SPD-Pressedienst" ist vom 17.11.1947 datiert. Die Bremer Tagung (s. Text der SM.) fand vom 14. bis l5. November 1947 statt.

2 - Norman Thomas (1884 - 1968), ursprünglich Pfarrer, sozialistischer Publizist, seit 1926 Führer der Socialist Party in the United States, trat mehrmals als Kandidat bei Präsidentschaftswahlen auf.

3 - Adolf Augustus Berle (1895 - 1971), Jurist und Diplomat, Mitglied der Democratic Party, US-Unterstaatssekretär im Außenministerium 1938-1944.

4 - Die "Deutsche Vereinigung von 1945" (DV 45) war im Januar 1945 in Schweden an die Öffentlichkeit getreten; ihre Gründung ging wahrscheinlich auf die Initiative Kurt Heinigs (s. d.) zurück, der ein Gegengewicht zum kommunistisch beeinflussten Freien Deutschen Kulturbund schaffen wollte. Die DV 45 nannte sich in ihrem Gründungsaufruf einen "Zusammenschluss freier, in Schweden lebender Deutscher, die aus verschiedenen weltanschaulichen Lagern stammen und sich zunächst die Aufgabe stellen, in offener Aussprache Fühlung miteinander zu gewinnen, indem sie das Gemeinsame vor das Trennende stellen..." Zit. n. Helmut Müssener (Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration nach 1933, München 1974, S.220), der auf die eher konservative Haltung der DV 45 und ihre geringe Akzeptanz beim Gros der deutschen Emigranten in Schweden verweist.

5 - August Gallinger (1871 - 1959), Mediziner und Philosoph, bis 1936 Prof. in München, 1939 nach Schweden emigriert, 1948-1952 Ordinarius für Philosophie an der Universität in München.

6 - = Oslo Arbeidersamfund (Osloer Arbeitergesellschaft), eine Organisation der norwegischen Arbeiterbewegung.

7 - Zu Kati Heil konnten keine weiteren biographischen Angaben ermittelt werden.

8 - "Paul Sering": Pseudonym für Richard Löwenthal (vgl. SM 45, Anf. Jan. 1943, Anm._8)

9 - Lauf bei Nürnberg 1947. Die erste Auflage war in Nürnberg 1946 erschienen.

10 - Die sog. gewerkschaftliche Interzonenkonferenz fand vom 21. - 23. Oktober 1947 in Bad Pyrmont statt. Im Mittelpunkt der Beratungen stand u. a. der Bericht eines Arbeitsausschusses zur Vorbereitung eines Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes.

11 - Siegfried Rosenfeld (1874 - 1947), Rechtsanwalt und Notar, seit 1905 Mitglied der SPD, 1921-1933 SPD-MdL Preußen, 1923 ff. Beamter im Preußischen Justizministerium, 1939 nach GB emigriert, 1940 einige Monate interniert.
Seine Frau Else, geb. Behrend (1891 - 1970), hatte in Deutschland bleiben müssen; ihr gelang 1944 die Flucht in die Schweiz und 1946 die Emigration nach GB. (Siehe SM 96/97, Febr./März 1947, Anm. 19).
Vgl. Else R. Behrend-Rosenfeld: Ich stand nicht allein. Erlebnisse einer Jüdin in Deutschland 1933-1944, Köln / Frankfurt a. M. 1979 (3. Aufl.).

12 - Zu Ludw. Hamann konnten keine weiteren biographischen Angaben ermittelt werden.

13 - Die Internationale Sozialistische Konferenz in Antwerpen hatte vom 28. November - 2. Dezember 1947 getagt.

14 - Otto Antrick (1909 - 1984), 1938 an der TH Braunschweig promoviert, 1945 - 1955 Assistent und Privatdozent für Neuere Geschichte an der TH Braunschweig, später Prof. für Politische Wissenschaften in Weilburg und Gießen. Sein Vater war Otto Antrick (1858-1924), der langjährige SPD-MdR (1898-1903 u. 1912-1918) und braunschweigische Ernährungsminister (1918-1923).

15 - Heinz Horndasch (geb. 1920), bis 1945 Wehrmachtsangehöriger, Jugendsekretär bei den Falken, zuerst Offenbach a. M., dann Hannover.

16 - "Caracilo": Herta Caracciola (1894 - 1967), 1930 - 1960 als Lehrerin, später als Rektorin an Düsseldorfer Volksschulen tätig.

17 - Anna Kayser (1895 - 1980), Oberinspektorin bei der Hamburger Jugendbehörde (Amt für Jugendfürsorge).

18 - Carl Pasche (1889 - 1964), Lehrer, 1933 als Oberstudiendirektor in Frankfurt/Oder entlassen, nach Studium von Philosophie und Psychologie Privatpraxis als Psychotherapeut und Dozent am Reichsinstitut für psychologische Forschung (Berlin). 1946-1955 als Oberstudiendirektor u. a. Leiter der Staatl. Oberschule für Mädchen in Flensburg.

19 - Max Wocke (1895 - 1985), 1930 - 1933 Dozent (Didaktik der Geographie) an den Pädagogischen Akademien Frankfurt/Oder und Elbing, 1946-1948 Prof. in Celle, 1953- 1963 Prof. an der Pädagogischen Hochschule Lüneburg und zeitweise Direktor der PH.

20 - "Kowalzik": Erwin Kowalzig (1911 -1994), Versicherungsangestellter, während des Krieges Nachrichtensoldat in Frankreich und Russland, 1946 ff. Journalist bei der sozialdemokratischen "Kieler Volkszeitung", nebenbei Korrespondent für Reuters, 1967 - 1975 Pressereferent der Stadtwerke Kiel.

21 - Fried Wesemann (geb. 1915), Juni 1948 - Juni 1949 Leiter des Pressebüros der SPD-Fraktion im Frankfurter Wirtschaftsrat und Frankfurter Korrespondent von SPD-Organen, in den 50er Jahren Chefredakteur der "Hannoverschen Presse" und 1967/1968 zuständig für Informationspolitik bei der SPD-Zentrale in Bonn, Autor einer Schumacher - Biographie (Kurt Schumacher. Ein Leben für Deutschland, Frankfurt a. M. 1952).

22 - Aus einer Londoner Pressemeldung vom Oktober 1947: "Als erster in England beglaubigter deutscher Pressevertreter in England nach dem Kriege ist die Korrespondentin des Deutschen Pressedienstes, Fräulein Brigitte Krüger, hier eingetroffen. Fräulein Krüger studierte in Oxford und war zuletzt 1938 in England." Weitere biographische Angaben zu B. Krüger konnten nicht ermittelt werden. Nach Mitteilung von dpa (Hamburg) schied Frau Krüger "1952 aus den Diensten unserer Agentur aus ".

23 - Vom 6. bis 9. Juni 1947. Zum gesamten Themenkomplex (Wiederaufnahme der SPD in die Internationale) vgl. Rolf Steininger: Deutschland und die Sozialistische Internationale nach dem Zweiten Weltkrieg. Darstellung und Dokumentation, Bonn 1979.

24 - Gemeint: d ie Kommission.

25 - Marc Jarblum (geb. 1887), polnischer sozialistischer Zionist, in der Zwischenkriegszeit führende Rolle in jüdischen und zionistischen Organisationen in Frankreich, Vertreter bei der Sozialistischen Arbeiter-Internationale, während des II. Weltkrieges im unbesetzten Frankreich im Untergrund, ab 1943 in der Schweiz. Nach dem Krieg Rückkehr nach Frankreich, ab 1955 in Israel, dort in der Gewerkschaftsbewegung tätig.

26 - Jüdische Arbeiterpartei Palästinas = MAPAI.

27 - Kazimierz Rûsinek (1905 - 1984), polnischer Journalist, sozialistischer Politiker und Gewerkschafter (ab 1939 in Danzig), während des Krieges im KZ Mauthausen. Ab 1945 führende Rolle bei der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), 1947 ff. Arbeits- und Sozialminister.

28 - Auf einer Konferenz im September 1947 hatten Vertreter von kommunistischen Parteien aus 9 Ländern (SU, Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Jugoslawien, CSR, Italien, Frankreich) die Gründung eines Kommunistischen Informationsbüros (Abk.: Kominform) beschlossen. In der Öffentlichkeit wurde das als Versuch angesehen, die 1943 aufgelöste Kommunistische Internationale (Komintern) wiederzubeleben. Das Kominform-Manifest teilt die Welt in zwei feindliche Lager: Dem antiimperialistischen und demokratischen Lager (lies: SU) steht das imperialistische, antidemokratische Lager (lies: USA) gegenüber. Sozialisten, die mit den Kommunisten zusammengingen, seien die wahren Verteidiger der Demokratie, "rechte" Sozialisten bzw. Sozialdemokraten Helfershelfer der Imperialisten und Verräter an der Demokratie. Das Kominform bestand bis April 1956.

29 - Józef Pilsudski (1867 - 1935), polnischer Marschall und Staatsmann, Mitbegründer der polnischen sozialistischen Partei, führte den Angriff der Polen auf Kiew 1920 (was zum Frieden von Riga führte.
Siehe auch SM 63/64, Juni/Juli 1944 (Beil._"Germany and Europe_/_H._Vogel"), Anm. 2.




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