S O Z I A L I S T I S C H E |
M I T T E I L U N G E N |
der London-Vertretung der SPD |
Nr. 95/96 |
Issued by the London Representative of the German Social Democratic Party,
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Februar |
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Die SPD, Deutschland und der künftige Friede
In zwei grundsätzlichen Entschliessungen hat der Vorstand der SPD in seiner Sitzung am 13. und 14. März in Hannover zur Friedensregelung und zur staatlichen Neugestaltung Deutschlands Stellung genommen.
Zur Friedensfrage wurde folgende Entschliessung angenommen: "Die SPD erkennt die Verpflichtung des deutschen Volkes zur Wiedergutmachung an. Das Dritte Reich hat zuerst für andere europäische Völker und jetzt für die Deutschen selbst die Katastrophe heraufbeschworen. Die SPD ist davon überzeugt, dass Probleme ökonomischer und internationaler Natur nicht mit den Mitteln nationaler Machtentfaltung gelöst werden können. Wenn Deutschland als blosses Objekt der Annexionen und Reparationen behandelt wird, können Wirtschaft, Politik und Kultur in Europa nicht gesunden. Annexionen sind das am wenigsten geeignete Mittel der Reparationen und der Friedenssicherung.
Die SPD hat stets in ihrer langen Geschichte für die Gedanken des Völkerfriedens und der Vermeidung jeder nationalen Ungerechtigkeit gekämpft. Nur wenn der Geist der Atlantik-Charta die kommende Entwicklung bestimmt, kann ein Friede geschaffen werden, den die demokratischen und friedliebenden Kräfte als gerecht empfinden."
Die Neugestaltung Deutschlands. Zu diesem Thema, das in enger Verbindung mit der Friedensregelung steht, wurde folgende Entschliessung gefasst: "Die SPD bekennt sich zur politischen und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands. Die Staatsgewalt in der deutschen Republik geht vom gesamten deutschen Volke aus, das seinen Willen durch einen Reichstag kundtut, der auf Grund des gleichen Wahlrechts und der gleichen politischen Freiheiten in allen Besatzungszonen gewählt wird. Dieser Reichstag hat die zentrale Regierung zu bilden, die ihm verantwortlich ist. Die deutsche Republik ist ein Bundesstaat, in dem sowohl die Einheitlichkeit der Regierungsgewalt als auch die damit vereinbarte Eigenständigkeit der Länder gewährleistet sind.
Preussen ist als Idee und als Tatsache erledigt. Der Zwang zur Neugliederung in Länder ist gegeben, die immer nur Bausteine für die Republik des ganzen Volkes sein können.
Die SPD warnt davor, dem deutschen Volke eine politische Entwicklung aufzuzwingen, die den elementaren nationalen und internationalen Notwendigkeit von heute und morgen widerspricht. Sie wendet sich gegen den Versuch, aus Deutschland einen blossen Staatenbund souveräner Länder zu machen. Mit der gleichen Entschiedenheit lehnt sie das Bestreben des neuen Nationalkommunismus ab, durch Überzentralismus wieder den Weg zu einem totalitären Staate zu gehen und die deutsche Einheit zu gefährden."
Der Sitzung des Parteivorstandes gingen Tagungen des Aussenpolitischen Ausschusses, des Wirtschafts- und des Verfassungsausschusses der Partei voraus, in denen die Beschlüsse vorbereitet wurden. Der Aussenpolitische Ausschuss hatte seine erste und konstituierende Sitzung. Er ist eine beratende Körperschaft des Parteivorstandes und Parteiausschusses, seine Mitglieder sind Vertreter der Gesamtpartei. An den Beratungen nahmen teil: Dr. Kurt Schumacher, Dr. Victor Agartz, Erich Brost, Willi Eichler, Fritz Heine, Paul Löbe, Erich Ollenhauer, Carlo Schmid und Erwin Schoettle.
Soweit sich lokale und bezirkliche Ausschüsse für aussenpolitische Fragen in der SPD gebildet haben, vertritt der Aussenpolitische Ausschuss die Auffassung, dass sie Arbeitsgemeinschaften zum Studium aussenpolitischer Probleme sein sollten. Der Ausschuss befasste sich auch mit dem in Bildung begriffenen Frankfurter Büro für Friedensfragen[1], mit den Fragen der Vertriebenen aus dem deutschen Osten, mit dem Verhältnis zu anderen sozialistischen Parteien und einer Reihe von Berichten über aussenpolit[ische] Themen.
Unbefriedigende Wirtschaftspolitik. In einer ausführlichen Aussprache wurde über die soeben von den Besatzungsmächten verfügten Beschränkungen der Vollmachten der Zweizonenämter gesprochen, ferner über das Ausbleiben der Bodenreform, über die Verzögerung in der Ernennung von Treuhändern für die entkartellisierten Betriebe
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und über die mangelhaften Methoden der Denazifizierung in der britisch besetzten Zone. In einmütiger Aussprache war die Enttäuschung der Mitglieder des Parteivorstandes deutlich festzustellen. Die Verantwortung für die gegenwärtige Wirtschaftspolitik trage praktisch nicht mehr die deutsche Verwaltung, sondern die Besatzungsmacht.
Einheitliches Denazifizierungsverfahren. Ein vom Vorstand eingesetzter Ausschuss hatte einen Entwurf von Richtlinien für die Praxis der Denazifizierung vorgelegt, der Annahme fand. Danach soll in allen deutschen Gebieten ein einheitliches Verfahren Platz greifen. Das Ziel der Säuberungsmassnahmen müsse die Entfernung aller Personen sein, deren Handlung, Haltung, mangelnde Standhaftigkeit und moralische Schwäche das Leid des deutschen Volkes herbeigeführt habe. Die Richtlinien fordern angemessene Sühneleistungen. Sie geben Anregung für das Säuberungsverfahren und verlangen, dass entnazifizierte Personen keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung oder Schadenersatz und dass kein Nazigegner wegen Wiedereinstellung eines Entnazifizierten aus seiner Stellung entfernt oder geschädigt werden dürfe.
Über den Aufbau der deutschen Republik hat der Verfassungspolitische Ausschuss des PV in mehrmonatiger Beratung Richtlinien ausgearbeitet, die in der Sitzung des PV gutgeheissen wurden. Darin wird gefordert, dass die Verfassung der deutschen Republik die Möglichkeit einer künftigen Zugehörigkeit zu einem europäischen Staatenbund berücksichtige. Jeder Politik eines nationalen Egoismus wurde eine klare Absage erteilt. Die Regeln des Völkerrechts sollen bindende Bestandteile der Reichsrechte sein. Die SPD bekennt sich zur politischen und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands und verlangt, dass in den Länderverfassungen ein Vorbehalt enthalten sei, nach dem Reichsrecht Landesrecht brechen müsse. Die deutsche Republik soll ein Bundesstaat sein, in dem sowohl die Einheitlichkeit der Regierungsgewalt als auch die Eigenständigkeit der Länder im Sinne einer gesunden Dezentralisation gewährleistet ist.
Bestrebungen der KPD und SED, in den westlichen Zonen neue Organisationsformen der KPD entstehen zu lassen, werden von der SPD bekämpft. Es wurde an den Beschluss des Parteitages erinnert, wonach sich kein Sozialdemokrat an Bestrebungen dieser Art beteiligen darf. Für die Opfer des Faschismus fordert der PV verstärkte Hilfe, er lehnte jedoch besondere Vereinigungen der KZ-Opfer ab.
Der diesjährige Parteitag der SPD soll in der letzten Woche des Juni stattfinden, und zwar in Nürnberg. In Verbindung mit dem Parteitag sind Sondertagungen vorgesehen, so u.a. für die Frauen und für die Kulturpolitiker.
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3.000 Berliner SPD-Funktionäre
nahmen am 18. März 1947 in der "Neuen Welt", Berlin, zu den aktuellen politischen Tagesfragen Stellung. Der Parteivorsitzende Dr. Kurt Schumacher sagte u. a., dass die SPD die Einladung der CDU zu einem Kongress der vier Parteien (CDU, LDP, SED, SPD) erwogen habe und im Prinzip bereit sei, daran teilzunehmen. Aber es sei "vielleicht einfacher, einen Omnibus von Hannover nach Karlshorst (dem Sowjet-Hauptquartier in Berlin) fahren zu lassen". Schumacher forderte vor allem sechs Punkte von der SED: 1) Grössere Zurückhaltung in der Frage der Unterzeichnung des Friedensvertrages, dessen Inhalt noch niemandem bekannt sei. 2) Aktive Opposition gegen die Demontage und die Zwangsverkäufe in der Sowjet-Zone. 3) Die Wiederherstellung nationaler und persönlicher Freiheit in der Ostzone. 4) Die Rückgabe der im russischen Eigentum befindlichen Industrien an Deutschland (die der Redner etwa 40% der Industrie-Produktion in der Sowjet-Zone schätzt). 5) Die Forderung der Rückgabe von so viel deutschem Gebiet östlich der Oder-Neisse-Linie wie möglich. 6) Eine Untersuchung der Frage der deutschen Kriegsgefangenen in Russland. Dr. Schumacher erklärte eindeutig, dass er mit der SED nur verhandeln könne, wenn die gleichen Bedingungen politischer Freiheit in der Ostzone hergestellt würden, wie sie in den übrigen Zonen bestünden. Er bezeichnete die SED als jene "neuen Nazis", die einen neuen nationalistischen Kommunismus predigen. Er erwähnte die umfassende Demontage der Industrie in der Sowjetzone, die Sowjet-Aktiengesellschaften, die die Früchte des deutschen Schaffens annektieren, und das zusammengeschrumpfte Ueberbleibsel von 1.000.000 Gefangenen in russischen Händen von den unzähligen Legionen, von denen die russischen amtlichen Meldungen gesprochen hatten.
"Es hat nicht nur eine Demontage von Kriegsindustrien gegeben", sagte er, "sondern auch eine Demontage der Vernunft." Er weigerte sich, von einer Diktatur der Rechten oder Linken zu sprechen, sondern von einer Diktatur
(Schluss Seite 12)
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Alliierte Forderungen zum Frieden mit Deutschland
Die am 14. Januar im Londoner Lancaster House eroeffneten Beratungen der Stellvertreter der alliierten Aussenminister ueber Friedensvertraege mit Deutschland und Oesterreich, die als Vorbereitung fuer die im Maerz stattfindende Konferenz der Aussenminister der vier Grossmaechte gedacht waren, haben in grossen Umrissen wenigstens die Grundideen der Siegerstaaten ueber Deutschlands Zukunft und die Forderungen einzelner Laender an Deutschland erkennen lassen.
Soweit sich aus den zahlreichen Pressemeldungen ueber diese Beratungen und die dort von den einzelnen Laendern vorgelegten Denkschriften ein Gesamtbild entnehmen laesst, herrscht in der Frage der vollstaendigen Abruestung Deutschlands und der grundsaetzlichen Forderung auf deutsche Reparationsleistungen Einmuetigkeit unter den Alliierten; in einer Reihe anderer Fragen jedoch, so hinsichtlich der kuenftigen Verfassung Deutschlands, der Grenzziehung und der Forderung, dass Vertreter einer deutschen Regierung den Friedensvertrag unterzeichnen sollen, gehen die Ansichten offenbar vorlaeufig auseinander.
Auch die Frage der Teilnahme kleinerer Laender an der Moskauer Konferenz scheint zu Kontroversen gefuehrt zu haben. Zwei britische Dominions, Kanada und Australien, haben eine Hinzuziehung von Vertretern der kleineren Laender zu dieser und fuer die Aussenminister der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Grossbritanniens und Frankreichs vorgesehenen Konferenz vorgeschlagen und damit Unterstuetzung bei einem Teil der anderen Alliierten gefunden. Ein Kompromissvorschlag Frankreichs, dass die 18 nicht zu den Grossmaechten gehoerenden Laender auf der Moskauer Konferenz durch ein "Informations- und Beratungskomitee" vertreten sein sollen und dass auf die Moskauer Konferenz eine allgemeine Friedenskonferenz unter Teilnahme aller alliierten Laender folgen solle, scheint bei den amerikanischen und britischen Vertretern guenstige Aufnahme gefunden zu haben, waehrend die Vertreter der Sowjetunion darauf zu bestehen scheinen, dass die Moskauer Konferenz eine exklusive Angelegenheit der Grossmaechte sein soll. Aber auch die Sowjetunion spricht sich fuer eine der Moskauer Konferenz folgende Vollversammlung aller Alliierten aus, bei der auch Deutschland vertreten sein solle, um den Friedensvertrag zu unterzeichnen.
Ob eine Unterzeichnung des Friedensvertrages durch deutsche Vertreter verlangt werden wird, und ob deutscherseits eine Bereitwilligkeit dazu bestehen wird, ist unter den jetzigen Bedingungen noch voellig ungewiss. Diese Ungewissheit beruht nicht nur auf der Verschiedenheit der alliierten Ansichten darueber, ob man einer deutschen Regierung diese "Buerde" auferlegen solle, und nicht nur auf der sichtlich mangelnden Bereitschaft der meisten Parteien in Deutschland, sondern ebenso auch auf der vorlaeufigen Uneinigkeit der Alliierten ueber die kuenftige Regierungs- und Staatsform Deutschlands.
Die Sowjetunion setzt sich fuer die Schaffung eines deutschen Einheitsstaates mit einer Zentralregierung ein, deren Vertreter den Friedensvertrag unterzeichnen soll[en] und die den Frieden durch ein deutsches Zentralparlament ratifizieren lassen soll[en]. Die Ansicht, dass Deutschland ein Einheitsstaat mit einem Zentralparlament sein soll, wird im wesentlichen von den uebrigen Oststaaten, Polen, Tschechoslowakei, Ukraine, geteilt, und auch Norwegen hat sich ihr angeschlossen. Fuer einen deutschen Bundesstaat mit einer foederativen Verfassung und dezentralisierten Verwaltung[en] treten die Vereinigten Staaten, Grossbritannien und die meisten britischen Dominions ein, waehrend Frankreich den Gedanken der Dezentralisierung Deutschlands noch weiter fuehrt und Deutschland nur als Staatenbund, also als lose Foederation autonomer Laender bestehen lassen moechte. Frankreich scheint dabei auf die Unterstuetzung der meisten wesentlichen Nachbarn Deutschlands rechnen zu koennen, aber auch Jugoslawien und Neuseeland akzeptieren im wesentlichen den franzoesischen Standpunkt in dieser Frage.
Territoriale Forderungen an Deutschland werden von saemtlichen westlichen Nachbarn Deutschlands, also Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland, erhoben, ebenso von der Tschechoslowakei, Polen und der Sowjetunion. Es scheint, dass in der Frage der deutschen Ostgrenzen keine Einigkeit zwischen den Vereinigten Staaten und Grossbritannien einerseits und der Sowjetunion andererseits herrscht, da die Sowjetunion die polnische Forderung auf endgueltige Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze zu decken bereit ist, was bei den Vereinigten Staaten und Grossbritannien vorlaeufig nicht der Fall ist, waehrend [die] USA und Grossbritannien den territorialen Forderungen der westlichen Nachbarn Deutschlands anscheinend wohlwollend gegenueberstehen, was bei der Sowjetunion nicht der Fall ist. Die Forderung Frankreichs jedoch, das Ruhrgebiet von Deutschland abzutrennen, hat weder bei den westlichen noch bei der oestlichen Grossmacht Anklang gefunden, und Frankreich scheint im Verlaufe der Londoner Beratungen diese Forderung zwar nicht aufgegeben, aber durch einen Eventualvorschlag auf internationale Kontrolle der Ruhrwirtschaft ergaenzt zu haben.
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Reparationsforderungen werden im Prinzip von allen alliierten Laender erhoben, aber mit Ausnahme von Luxemburg und Polen scheint bisher kein Staat eine genau bezifferte Summe genannt zu haben. Die meisten Reparationsforderungen schlagen Zahlung in Form von Sachwerten und Arbeitsleistungen vor.
Ein Ueberblick ueber die Gebiets- und Reparationsforderungen der Laender, die den Vertretern der Aussenminister in London ihre Vorschlaege ueberreichten, ergibt folgende Einzelheiten:
Frankreich verlangt, dass das Saargebiet durch Zoll- und Waehrungsunion mit Frankreich verbunden werde und so einen Teil des franzoesischen Wirtschaftsgebietes bilde. Das Gebiet, das sich bis zur luxemburgischen Grenze an der Mosel erstrecken soll, solle zwar politisch ein deutsches Gebiet bleiben, aber als autonomer Staat unter franzoesischer Schutzherrschaft, wahrscheinlich mit einem franzoesischen Hochkommissar und mit besonderen Paessen fuer seine Einwohner. Neben kleinen Grenzberichtigungen fuer Elsass-Lothringen schlaegt Frankreich auch eine dauernde franzoesische oder internationale Besatzung des Rheinlandes vor, das politisch in verschiedene Staaten aufgeteilt werden solle. In einer Anfang Februar an die Regierungen Grossbritanniens, der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion gerichteten Denkschrift hat die franzoesische Regierung auch die Schaffung eines unter besondere Verwaltung zu stellenden Ruhrgebiets vorgeschlagen. Die oertliche Verwaltung dieses Gebietes (das Duisburg, Essen, Dortmund, Bochum, Hamm, Wuppertal und Duesseldorf umfassen soll) koennte in deutschen Haenden verbleiben, aber diese Koerperschaften sollten in keiner deutschen Zentralregierung, falls eine solche gebildet werde, vertreten sein; im uebrigen aber solle es einem "Sonderregime" unterstellt werden. Dieses Gebiet, das vor dem Kriege 90 Prozent der deutschen Kohle und mehr als 70 Prozent seines Eisens und Stahls produziert habe, solle als "Guthaben der Vereinten Nationen" betrachtet und dementsprechend von den Vereinten Nationen kontrolliert werden. Die Industrieproduktion dieses Gebietes solle begrenzt, seine Kohlenfoerderung jedoch auf ein Maximum erhoeht werden, damit diese Kohle den Staaten, die ihrer beduerfen, zugutekommen kann. Die Kohlen- und Stahlproduktion der Ruhr solle hoeher sein als die des uebrigen Deutschland. Die Kohlen- und Stahlproduktion der Ruhr solle von internationalen Koerperschaften der Vereinten Nationen direkt verwaltet werden. Diese Koerperschaften sollten aber nur Vertreter der "direkt interessierten Staaten" angehoerten. Die Maschinenindustrie und die chemische Industrie der Ruhr solle von dort ansaessigen Deutschen unter Aufsicht der Vereinten Nationen geleitet werden. Die Kohlen- und Stahlindustrie der Ruhr solle in 12 Distrikte geteilt werden, an deren Spitze je ein Alliierter mit seinen technischen Beratern stehen soll, waehrend der Direktor ein Deutscher sein koenne. Das gesamte Ruhrgebiet solle einem von den Vereinten Nationen ernannten Hochkommissar unterstehen.
Der britische Aussenminister Bevin und der fruehere amerikanische Aussenminister Byrnes hatten vor einiger Zeit schon erklaert, dass die franzoesischen Ansprueche auf das Saargebiet unter gewissen Bedingungen die Unterstuetzung Grossbritanniens und der USA finden wuerden, dass aber ein entsprechender Ausgleich der Reparationsansprueche Frankreichs notwendig sei.
Belgien verlangt die Eingliederung eines schmalen Gebietsstreifens bei Monschau (Montjoy), damit die Bahnstrecke von Eupen nach St. Vith ganz auf belgisches Gebiet komme. Bei der Reparationsregelung will Belgien ebenso behandelt werden wie die anderen Alliieren. Belgien verlangt ausserdem einen Anteil an der Nutzung der natuerlichen Bodenschaetze (Waelder, Bergwerke, Wasserkraftwerke) in den an Belgien grenzenden Teilen Deutschlands. Auch will Belgien eine Garantie, dass weder eine Besatzungsmacht noch eine kuenftige deutsche Regierung den Verkehr von seinen "natuerlichen Routen" nach belgischen Haefen ablenkt.
Luxemburg beziffert seine Reparationsansprueche auf 600 Millionen Dollar. Es gruendet diesen Anspruch besonders auf die Verheerungen der Rundstedt-Offensive Ende 1944. Weiter verlangt Luxemburg eine Grenzverschiebung an der Ur und der Sauer von 1 bis 5 km, um einen grossen Dammbau an der Ur errichten zu koennen. Weiter suedlich will Luxemburg die Bahnstrecke auf dem deutschen Ufer der Mosel. Diese Gebietsforderung ueberschneidet sich mit der franzoesischen Forderungen auf Ausdehnung des Saargebiets bis zur luxemburgischen Grenze an der Mosel. Es handelt sich um einen Bezirk mit etwa 20.000 Einwohnern. Weiter fordert Luxemburg den Besitz eines Bergwerkes bei Aachen, dessen Aktienmehrheit in luxemburgischen Haenden war.
Holland fordert angrenzendes deutsches Gebiet im Umfang von 1.750 qkm. Es will damit seine Grenze um 185 km verkuerzen und die Oelquellen von Bentheim und die Kohlenlager suedlich von Venlo erwerben. Weiter beanspruchen die Hollaender den Dollart an der Emsmuendung, die Angliederung des noerdlichen Ufers der Bucht und die Insel Borkum. Emden soll deutsch bleiben. Das von Holland geforderte Gebiet hat ueber 100.000 Einwohner, die, soweit sie vor 1940 dort ansaessig waren, die Moeglichkeit haben sollen, weiter
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dort zu wohnen. Holland hat bereits die Trockenlegung des Dollart in Angriff genommen und fordert die Emsmuendung zu Zwecken der Eindeichung. Ausserdem verlangt es Konzessionen fuer eine Anzahl von Kohlen- und Kalibergwerken westlich des Rheins. Gleich Belgien wuenscht Holland Garantien gegen eine Benachteiligung seiner Haefen. Es fordert ausserdem Garantien gegen eine Wiederholung der Schachtschen Waehrungspolitik.
Polen fordert vor allem die Bestaetigung oder Oder-Neisse-Grenze, die ihm in den Potsdamer Beschluessen vorlaeufig zugebilligt wurde. Am noerdlichen Ende dieser Grenze, die bereits Stettin auf polnische Gebiet gebracht hat, fordert Polen noch ein weiteres Vorruecken um 5 km. Das von Polen geforderte Gebiet hat frueher 8.500.000 Einwohner gehabt, von denen 8.000.000 Deutsche waren und [die] zum grossen Teil geflohen oder ausgetrieben worden sind. Nach polnischen Angaben sind inzwischen 3.000.000 Polen dort angesiedelt worden. Polens territoriale Forderungen werden von der Sowjetunion und auch von Frankreich unterstuetzt, waehrend [die] USA und Grossbritannien den Standpunkt einnehmen, dass diese Forderungen nicht bewilligt werden koennen, wenn sich Polen nicht an die uebrigen Vereinbarungen von Potsdam haelt. Die Frage der "Freiheit" der kuerzlichen polnischen Wahlen spielt in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle. Polen beziffert seine Kriegsverluste mit 11,7 Milliarden Dollar.
Die Tschechoslowakei fordert aus "strategischen Gruenden" die jenseitigen Abhaenge der Sudetenberge, was ein Vorschieben der Grenze bis zu 15 km bedeuten wuerde. Auch fordert die Tschechoslowakei die Grafschaft Glatz und die oberschlesischen Staedte Ratibor und Lobschuetz. Diese Forderungen ueberschneiden sich mit der polnischen Forderung nach der Oder-Neisse-Grenze, und eine direkte Einigung zwischen der Tschechoslowakei und Polen wird in Kreisen der Grossmaechte fuer wuenschenswert gehalten. Die Tschechoslowakei verlangt weiter freie Benuetzung der Elbe, des Hamburger Hafens und der Donau auf deutschem Gebiet. Schliesslich wuenscht die Tschechoslowakei Vorkehrungen gegen einen Zusammenschluss der nach Deutschland vertriebenen Sudetendeutschen.
Daenemark stellt keine territorialen Forderungen, aber tritt fuer die besonderen Rechte der daenischen Minderheit in Suedschleswig ein, wuenscht eine getrennte Verwaltung fuer Schleswig und Holstein und eine Entfernung der Ostfluechtlinge aus dem an Daenemark angrenzenden Gebiet.
Jugoslawien unterstuetzt die territorialen Forderungen Polens und der Tschechoslowakei. Es fordert ausserdem Minderheitsrechte fuer die Lausitzer "Serben"[2] (die sich zum grossen Teil in dem von Polen geforderten Gebiet befinden). Schliesslich verlangt Jugoslawien die Aussiedlung von 100.000 angeblich auf jugoslawischem Gebiet befindlichen Deutschen.
Der Vertreter der Ukraine bei den Beratungen im Lancaster House forderte eine Entschaedigung Deutschlands fuer die Kriegsschaeden in der Ukraine im "hoechstmoeglichen" Umfang. Reparationen sollten zum Teil in der Auslieferung von Industriewerken, auch aus den Westzonen Deutschlands, erfolgen. Ausserdem verlangte er die Aufloesung der Lager fuer "displaced persons" in Deutschland und die Repatriierung ihrer Insassen.
Von den Vertretern der britischen Dominions sind bei den Londoner Beratungen weder territoriale noch spezifizierte Reparationsansprueche gegenueber Deutschland gestellt worden. Neuseelands Vertreter sprach sich fuer eine foederalistische Verfassung Deutschlands, die Zerschlagung Preussens, fuer die Durchfuehrung der Bodenreform und die Aufhebung der Monopole in Deutschland aus. Kanadas Vertreter sprach sich ebenfalls fuer Dezentralisierung der deutschen Verwaltung, fuer die Sicherung der Demokratie in Deutschland und dafuer aus, dass die deutschen Grenzen nach Moeglichkeit ethnologischen Gesichtspunkten Rechnung tragen sollen. Suedafrikas Vertreter nahm zugunsten einer deutschen Zentralregierung Stellung und sprach sich gegen die Oder-Neisse-Grenze aus, ebenso gegen eine franzoesische Annexion des Saargebietes, dessen wirtschaftliche Bedeutung fuer Frankreich aber anerkannt werden muesse. Alle Vertreter der Dominions sprachen sich entschieden gegen eine dauernde wirtschaftliche Verelendung Deutschlands aus und wiesen darauf hin, dass die Reparationen diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen sollten.
Die Vertreter der britischen Dominions sprachen sich auch uebereinstimmend gegen die (besonders von der Sowjetunion erhobene) Forderung aus, dass eine deutsche Zentralregierung den Friedensvertrag unterzeichnen solle. Der Vertreter des amerikanischen Aussenministers bei den Londoner Beratungen, Robert Murphy[3], hatte den Vorschlag gemacht, dass der Frieden als "Statut" Deutschland auferlegt werden solle, ohne einer Unterzeichnung durch eine deutsche Regierung zu beduerfen. Diesem Vorschlag stimmten die Vertreter der britischen Dominions zu; sie wiesen darauf hin, dass es unzweckmaessig sei, uebereilt eine deutsche Zentralregierung zu bilden, nur um einen Unterzeichner des Friedensvertrages zu haben, da eine solche Regierung von vornherein belastet waere.
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Freiwillige Beitraege
zu Gunsten dieser news-letter und unserer Vervielfaeltigungen werden erbeten an: W. Sander, 33, Fernside Ave., London, N.W.7
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Ueber die kuenftige Verfassung Deutschlands wurden im Laufe der Londoner Beratungen Vorschlaege in einer franzoesischen Denkschrift gemacht. Die franzoesische Regierung spricht sich darin fuer die wirtschaftliche Einheit Deutschlands und gegen die Erstarrung der vier Besatzungszonen aus, tritt aber gleichzeitig fuer die Schaffung eines deutschen Staatenbundes ein. Der Grundgedanke dieser Vorschlaege ist, dass es fuer ganz Deutschland zwar wirtschaftliche Zentralorganisationen geben soll (mit deren Gruendung sofort begonnen werden koenne), dass es aber politisch in eine Anzahl nur lose miteinander verbundener Laender zerfallen solle. Die Zentralorganisationen sollen vorwiegend die Aufgabe der "Koordinierung" haben. Der franzoesische Plan sieht vor, dass es kein Zentralparlament in Deutschland nach Art des Reichstages geben solle, sondern nur eine gesetzgebende Versammlung, die aus je vier von jeder Laenderregierung ernannten Vertretern bestehen soll. Zu den Funktionen der Bundesregierung solle Wirtschaft, Finanz[en], Ernaehrung, Transport, Post und Landwirtschaft gehoeren, auch Aussenpolitik; aber die Laenderregierungen sollten das Recht haben, eigene diplomatische Vertreter bei fremden Staaten zu ernennen und eigene Vertraege mit dem Ausland zu schliessen. Jedes der Laender haette das Recht, seine eigene Verfassung zu beschliessen. Fuer Wirtschaft und Landwirtschaft sollte es keine Bundesminister in Deutschland geben, sondern Kommissionen, die aus den zustaendigen Ministern der einzelnen Laender bestehen, sollten diese Ressorts verwalten.
Im Laufe der Londoner Beratungen, die am 25. Februar beendet wurden, ergaben sich schliesslich grundsaetzliche Meinungsverschiedenheiten ueber die Methode der Reparationserhebung. Die Oststaaten fordern Reparationen aus der laufenden deutschen Produktion und fanden fuer diese Forderung die Unterstuetzung Griechenlands und Daenemarks, waehrend die uebrigen Laender, also [die] USA, Grossbritannien, die westlichen Nachbarn Deutschlands, Norwegen und die Dominions, an dem Potsdamer Grundsatz festhalten, dass Reparationen durch Beschlagnahme vorhandener deutscher Anlagen und Guthaben erhoben werden sollen.
Eine Einigung ueber die Meinungsverschiedenheiten erfolgte bei den Londoner Beratungen nicht. Auch eine Regelung der Prozedur der Moskauer Konferenz, deren Beginn fuer den 10. Maerz angesetzt ist, war nicht zu erzielen. Der Vertreter der Sowjetunion zeigte sich zwar geneigt, den nicht zu den vier Grossmaechten gehoerenden Laendern ein Informationskomitee bei der Moskauer Konferenz zuzugestehen, lehnte aber jede Teilnahme der kleineren Laender an den Moskauer Verhandlungen ab.
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Gegen den Nationalismus - fuer die Neuordnung Europas!
Am 16. Februar sprach Dr. Schumacher vor mehr als tausend sozialdemokratischen Funktionaeren im grossen Saal des Kieler Gewerkschaftshauses. Er behandelte dabei auch Fragen, die fuer die Moskauer Tagung von besonderer Bedeutung. Wir bringen einige Stellen aus dem Referat Schumachers.
Ueber die Rolle des deutschen Volkes sagte Dr. Schumacher: "Unser eigenes Volk muss erkennen, dass dieser Krieg Europa aus der fuehrenden Rolle in der Weltpolitik geworfen hat. Adolf Hitler hat nicht nur Deutschland, er hat auch Europa zerstoert. Jedoch sollte die Welt erkennen, dass dieser zerrissene und ausgeblutete Kontinent noch so viel geistige und kulturelle Befaehigung hat, dass er fuer eine gedeihliche Oekonomie und Wirtschaft der Welt unentbehrlich ist. Wir Deutschen sind geneigt, das, was sich jetzt an Weltpolitik auf deutschem Boden abspielt, als Parteinahme der Grossmaechte fuer oder gegen deutsche Interessen zu betrachten. Das ist eine falsche Auffassung. In Wahrheit geht es um den Ausgleich der grossen Interessen in der Welt, der jetzt zufaellig auf deutschem Boden stattfindet. Deutschland ist bei der Bedeutung des europaeischen Kontinents noch immer ein Faktor und wird es bleiben durch die Zahl seiner Menschen, durch die technische und intellektuelle Qualitaet seiner Menschen und dadurch, dass es im Herzen Europas liegt. Wir wollen uns nicht - und auch die Welt sollte es nicht - in dem Gedanken wiegen, als ob man Europa neu bauen koennte, mit einem leeren weissen Fleck in der Mitte. Ein zerrissenes Deutschland ist, international gesehen, ein Umweg. Jede Aktion, die Deutschland zerreisst, ist eine Aktion gegen Europa und gegen den Frieden. Die Welt ist nicht frei von Furcht. Man sollte jedoch den Mut haben zu erkennen, wovor man Furcht hat. Es sind nicht die Deutschen, die eine Gefahr bilden. Gefahr liegt in der Moeglichkeit von Machtballungen, die einmal den Versuch unternehmen koennten, die Deutschen fuer ihre eigenen nationalpolitischen Zwecke gegen die Zwecke anderer Machtballungen zu mobilisieren."
Ueber die Moskauer Konferenz sagte Dr. Schumacher: "In Moskau steht nicht die Frage Deutschlands zur Verhandlung, sondern letzten Endes die Frage der Neuordnung Europas. Man kann Europa nicht neu ordnen, wenn man Deutschland als blosses Objekt von Annexionen und Reparationen im Herzen eines Kontinents liegen laesst. Damit schafft man nur neue Unordnung und Gefahr. Deswegen, meine ich, wird das Tempo der Moskauer Verhandlungen
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nicht schnell sein, sondern Rueckschlaegen ausgesetzt sein. Man wird sich in Moskau nicht so sehr mit der materiellen Frage der Deutschen beschaeftigen, als vielmehr mit der Art des Vorgehens gegen Deutschland. Ich glaube, man wird in Moskau in der ersten Periode eine doppelte Bestandsaufnahme vornehmen muessen, eine Bestandsaufnahme ueber das, was von Deutschland oekonomisch und politisch uebergeben wurde, und eine Bestandsaufnahme ueber die Ansprueche, die als Reflex des Hitler-Nationalismus heute von nationalpolitischer Bedeutung sind. Man wird also auch eine Bestandsaufnahme der Unvernunft in Europa vor sich gehen lassen. Und selbst die kleinen Maechte, die in die Situation von Siegerstaaten gekommen sind, werden in ihrer Mehrheit soviel Unvernunft produzieren, dass man ein gesundes Gesamteuropa haben muesste, um alle Forderungen befriedigen zu koennen."
Ueber die deutsche Industriekapazitaet sagte Dr. Schumacher: "Man hat im englischen Unterhaus kuerzlich eine sehr genaue materielle Unterrichtung ueber unsere Verhaeltnisse nachgewiesen. Das ist zu begruessen. Wir wissen auch, dass Herr Hynd ein Freund des deutschen Volkes ist. Aber von gewissen Illusionen ist er nicht frei. Wenn er erklaert, die deutsche Stahlkapazitaet betrage heute noch etwa 19 Millionen t jaehrlich, dann moechte ich ihm widersprechen. Wenn man meint, die deutsche Eisen- und Stahlkapazitaet sei zu gross, dann soll man sie beschneiden, wenn sie diese Groesse erreicht hat. Erreicht ist aber nicht einmal die in Potsdam zugestandene Kapazitaet. Die Kapazitaet von 19 Millionen t ist ein fiktiver Wert. Sie koennte vielleicht erreicht werden, wenn die Werke auch arbeiten koennten. Die deutsche Industrie ist aber nicht abgewogen. Das ist entscheidend. Wir wissen von Spezialfabriken und Spezialmaschinen, die demontiert wurden oder demontiert werden sollen und ohne die andere Fabriken nicht arbeiten koennen. Es ist Tatsache, dass im Bergbau sich mehr Arbeiter anbieten, als verwendet werden koennen, weil die Zubringerindustrien unvollstaendig arbeiten. Im Bergbau fehlt es an der maschinellen Ausruestung.
Wenn es mit der Demontage so weiter geht, dann wird dies zur Notwendigkeit der Remontage fuehren. Die Sozialdemokratie erkennt die Verpflichtung zur Reparationsleistung an, aber vor den Reparationen kommen erst die Reparaturen."
Kriegsgefangene sind nicht Reparationsobjekt. Ueber den Anspruch, Kriegsgefangene zu Reparationsleistungen zurueckzuhalten, sagte Dr. Schumacher:
"Wenn man jetzt Kriegsgefangenenarbeit fuer Reparationen beansprucht, dann widersprechen wir dem Grundsatz. Reparationen sind eine Last, die man nur kollektiv dem ganzen Volke auferlegen kann und nicht den ungluecklichen Einzelwesen, die das Pech gehabt haben, in Gefangenschaft zu geraten."
Zur Frage der franzoesischen Forderungen auf das Ruhrgebiet sagte Dr. Schumacher, diese Forderungen seien nur moeglich gewesen dadurch, dass die franzoesischen Kommunisten eine solche Aussenpolitik unterstuetzt haben. "Ein Deutschland ohne Rhein und Ruhr ist aber kein Deutschland mehr, genau so wenig, wie ein Deutschland, das an der Oder/Neisse seine oestliche Grenzlinie finden sollte, lebensfähig ist. Eine politische Losloesung des Ruhrgebiets, eine Losloesung, die zur Folge hat, dass auch das Eigentum ueber dieses Gebiet fremd ist, einem solchen Plan stimmen wir nicht zu. Was die internationale Verteilung der Produktion des Ruhrgebietes anbelangt, so stimmen wir einer Sozialisierung der deutschen Wirtschaft zu. Aber eine politische Losloesung, eine Internationalisierung in der auch das Eigentum oder die ganze Grenzziehung fremd sein wuerde, einem solchen Plan stimmen wir nicht zu. Die Produktionsmittel der grossen Schluesselindustrien gehoeren in das Obereigentum des deutschen Volkes. Wir wollen jedoch nicht die eigenen Kapitalisten loswerden, um dafuer fremde aufzunehmen. Wir weisen in diesem Zusammenhang auf die heuchlerischen Phrasen aus der CDU hin, die mit der Hereinnahme auslaendischen privaten Kapitals den Privatcharakter unserer Wirtschaft erhalten will. Der linke Fluegel der CDU macht zwar die Agitation, aber der rechte macht die Politik. Und der rechte Fluegel heisst Industrie- und Grossgrundbesitz."
Zur parteitaktischen Situation fuehrte Dr. Schumacher u. a. aus, dass man in den letzten Wochen davon gesprochen habe, eine SPD in der Ostzone eventuell zuzulassen. Tatsache sei, dass die SPD in der Ostzone bisher unter Ausnahmerecht stehe. Man werde sich jedoch nicht dazu verleiten lassen, einer Parteigruendung zuzustimmen, die den politischen Bedingungen einer Besatzungsmacht unterstehe und deren Fuehrer durch eine solche Macht ernannt seien. Jedes Prinzip der Ernennung und Bevormundung waere unvereinbar mit dem Begriff Sozialdemokratie ... Die deutsche Arbeiterklasse hat die Arbeiterpartei, die sie braucht, und das ist, wegen ihrer nationalen, internationalen und sozialoekonomischen Funktion, die Sozialdemokratische Partei.
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In einem Brief hat Dr. Kurt Schumacher zu der im Entstehen begriffenen "Gesellschaft der Freunde Coventrys" in Kiel in folgender Weise Stellung genommen:
"Ich begruesste jede menschliche und politisch Fuehlungnahme. Es ist ergreifend und die Hoffnung fuer eine bessere Zukunft, wenn sich zwei so schwer getroffene Staedte wie Coventry und Kiel zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfinden. - Die Deutschen, die in der Gesellschaft der Freunde Coventrys mitarbeiten, tun dies bestimmt nicht deswegen, um Vorteile zu erlangen oder Mitleid zu erregen. Ihre Haltung ist bestimmt von dem Willen zu einem internationalen Sozialismus, der seine Quelle im Menschlichen sieht. - Dieser Zusammenarbeit wuensche ich von Herzen alles Gute."
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Die naechste internationale sozialistische Konferenz wird am 7. und 8. Juni d. Js. in Zuerich stattfinden. Die Vertreter der deutschen Sozialdemokratie werden, gemaess dem Beschluss der Konferenz von Bournemouth, eingeladen, zur Konferenz zu sprechen und Fragen zu beantworten, um eine Entscheidung ueber ihre kuenftige vollberechtigte Teilnahme zu ermoeglichen. Sie sollen zu diesem Zwecke am Sonntag, den 8. Juni, d. h. nach Erledigung der anderen Tagesordnungspunkte, in der Konferenz erscheinen.
Der Beschluss, die deutsche Delegation erst fuer den Sonntag einzuladen, wurde auf der letzten Sitzung des Konsultativen Komitees des Sozialistischen Informations- und Liaison-Bueros gefasst, das die Konferenz vorbereitet. Die Begruendung war die, dass auf alle Faelle eine Situation vermieden werden solle, wo die Deutschen in Ermangelung einer sofortigen Entscheidung fuer ihre Zulassung die Konferenz vor ihrem Ende verlassen muessten.
Mittlerweile gab der rumaenische Vertreter bekannt, dass seine Partei, die sich in Bournemouth in der prinzipiellen Frage der Stimme enthielt, sich inzwischen fuer die Zulassung der SPD entschieden hat, ohne die weitere Diskussion abzuwarten.
Auf der Zuericher Konferenz soll neben den Berichten der angeschlossenen Parteien und der deutschen Frage auch die Stellung der Parteien zur Arbeit in den Vereinten Nationen diskutiert werden. Ein Bericht von der Prager Konferenz der sozialistischen Parteien Mittel- und Osteuropas[4], die im Dezember stattfand, und moeglicherweise von der Konferenz der osteuropaeischen Sozialisten, die die ungarische Partei fuer das Fruehjahr nach Budapest eingeladen hat, wird ebenfalls erwartet. Die Prager Konferenz, an der neben einer Reihe von Parteien aus der russischen Einflusssphaere auch die oesterreichischen Genossen teilnahmen, beschaeftigte sich neben Berichten hauptsaechlich mit Problemen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa. Die ungarische Initiative wurde auf dem kuerzlichen Parteitag der ungarischen Sozialisten vom Justizminister Riese[5] damit begruendet, dass die politischen Bedingungen in den osteuropaeischen Laendern von denen des Westens so verschieden und untereinander so aehnlich seien, dass sie eine engere Zusammenarbeit der osteuropaeischen Sozialisten untereinander bei aller Aufrechterhaltung der Bindungen mit den westlichen Parteien zur Pflicht machten. Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass die ungarischen Sozialisten, ebenso wie die offiziellen sozialistischen Parteien Polens, Rumaeniens und Bulgariens in enger Zusammenarbeit mit den Kommunisten ihrer Laender an "Blockregierungen" teilnehmen, und die tschechoslowakische Sozialdemokratie ebenfalls in einer Koalitionsregierung unter kommunistischer Fuehrung sitzt.
Der Internationale Sekretaer der Labour Party, Genosse Healey, hat nach seiner Rueckkehr vom ungarischen Parteitag bereits erklaert, dass die Labour Party gegen eine solche engere Zusammenarbeit der osteuropaeischen Parteien nichts einzuwenden hat. Die Labour Party erkennt alle genannten Parteien mit Ausnahme der bulgarischen Regierungssozialisten als bona fide demokratisch-sozialistische Parteien an und unterhaelt mit keiner der abgesplitterten Oppositionsgruppen in Polen, Rumaenien oder Bulgarien offiziellen Kontakt. Die offiziellen Parteifuehrungen in Polen, Ungarn und Rumaenien sind nach dem Eindruck der Labour Party ueberzeugt, dass die Anwendung revolutionaerer und unparlamentarischer Methoden in ihren Laendern zur Durchfuehrung von Landreform und Nationalisierung und zur Brechung reaktionaerer Widerstaende notwendig war und noch ist, dass sie aber durch aktive Teilnahme an den Blockregierungen deren Entwicklung zur Einparteidiktatur, wie sie in Jugoslawien schon vollzogen ist, verhindern und die schliessliche Wiederherstellung einer parlamentarischen Demokratie auf neuer sozialer Grundlage, etwa nach dem Vorbild der tschechoslowakischen Entwicklung, erreichen koennen.
Nach den bisherigen Plaenen wird die Zuericher Konferenz wesentlich umfassender sein als die von Clacton und Bournemouth. Die Konferenz von Bournemouth hatte bereits die Einladung der griechischen ELD-Sozialisten[6], gefuehrt von Professor Svolos[7], sowie einer spanischen sozialistischen Partei vorgesehen, und die naechste Sitzung des Konsultativen Komitees wird vermutlich beschliessen, die spanische Einladung an die Mehrheitsgruppe des sozialistischen Vorsitzenden der neuen Exilregierung, Rodolfo Llopis[8], und nicht an die linke Minderheitsgruppe des ehemaligen Ministerpraesidenten Negrin[9] zu senden. Infolge der Spaltung der italienischen Sozialisten werden vermutlich beide Parteien, die von Nenni und die von Saragat[10] gefuehrte, am Kongress teilnehmen. Bemerkenswert war in der letzten Komiteesitzung, dass die Labour Party die Einladung indischer Sozialisten und die hollaendische Arbeiterpartei die der indonesischen Sozialisten vorschlug. Die indischen Kongress-Sozialisten, gefuehrt von dem extrem antibritischen Jai Prakash Narain[11], und die indonesischen Sozialisten unter Fuehrung von Dr. Sjarihr[12] sind zunaechst aufgefordert worden, dem Londoner Bureau Daten ueber Politik und Staerke ihrer Parteien einzusenden.
Die Sitzung des Konsultativen Komitees hat ausserdem die Anstellung des notwendigen Personals fuer die regelmaessige Herausgabe eines internationalen Informationsbulletins und die gelegentliche Herausgabe eines Nachrichtenblattes bewilligt und einen Beitragsschluessel fuer die angeschlossenen Parteien aufgestellt.
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Die Kundgebung der 10 ehemaligen deutschen Reichstagsabgeordneten, die wir in der letzten SM brachten, wurde von uns in englischer Sprache vervielfaeltigt und kann von Interessenten bei uns angefordert werden.
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Noch 5 Millionen deutsche Kriegsgefangene
Die Regierung der Vereinigten Staaten wird auf der Moskauer Konferenz Auskunft darueber verlangen, wann die Alliierten Regierungen die vielen Hunderttausende von Kriegsgefangenen, die noch fuer sie arbeiten, nach Hause schicken werden. Die Amerikaner beabsichtigen, alle ihre Gefangenen bis zum kommenden Oktober heimzusenden. Im jetzigen Tempo wird die Heimsendung aus England ungefaehr zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Belgier beginnen ihren Plan im kommenden Mai. Die Franzosen wollen nicht vor kommenden Oktober die Heimsendung von 470.000 von den 620.000 Gefangenen beginnen, die ihnen zu Reparationsarbeiten von der amerikanischen Armee, die sie gefangennahm, geliehen wurden.
Eine ungefaehre Schaetzung ergibt 4,5 Millionen Deutsche in kampffaehigem Alter, die ausserhalb ihres Landes festgehalten werden - ein Sechstel seiner gesamten arbeitsfaehigen Bevoelkerung. Es scheinen 2 oder 3 Millionen in der Sowjetunion zu sein, einige [!] 900.000 in Frankreich und 480.000 in England, den Dominions und dem Mittelosten [!]. In den Balkanlaendern und Italien sind 300.000 bis 400.000, in Belgien 70.000 und in den Vereinigten Staaten einige wenige 10.000. Diese Zahlen koennen dazu benutzt werden, um die englische Regierung fuer ihr geplantes Heimsendungsschema zu loben, nachdem 60.668 Mann seit dem September zurueckgekehrt sind. Aber die Rate des englischen Schemas - 15.000 monatlich von England und 2.500 monatlich aus dem Mittelosten [!] - ist noch immer eine bedauerlich niedrige, obgleich das Fehlen von Transportmoeglichkeiten noch immer die Hauptschwierigkeit ist. Deutschland braucht diese juengeren Maenner dringend, sowohl seiner sozialen Stabilitaet wegen als auch fuer den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Der Krieg hat zwei deutsche Frauen auf jeden Mann im mittleren Lebensalter uebriggelassen. Produktive Arbeiter sind knapp und Wirtschaftsabhaengige ueberreichlich. Unter diesen Verhaeltnissen werden die Deutschen mit Argwohn den Vorschlag der franzoesischen Regierung betrachten - der in Umrissen von den Amerikanern angenommen wurde -, dass ihren Gefangenen die Wahl gegeben werden soll als freie Arbeiter in Frankreich zu bleiben. Zugegebenermassen fordert der Monnet-Plan[13] ein zusaetzliches Arbeitsheer von 1.000.000 Mann in den naechsten 4 Jahren, und die Franzosen haben damit gerechnet, solange wie moeglich die Deutschen zu behalten, die im Bergbau, in der Landwirtschaft und beim Wiederaufbau beschaeftigt sind. Aber der Typ von Einwanderung, den die Franzosen vorschlagen, ist hoechst schaedlich fuer Deutschland, da er - wie es den Anschein hat - jede Familieneinheit, Frauen und Kinder ausschliesst. Darueber hinaus muss man zu der Zahl derjenigen, die von den Amerikanern "geborgt" wurden und die die Wahl haben sollen, in Frankreich zu bleiben, noch weitere 450.000 Gefangene zaehlen, die von den Franzosen selbst gefangengenommen wurden und fuer die es ueberhaupt keinen Heimsendungsplan zu geben scheint. Trotz der Tatsache, dass es keine souveraene deutsche Regierung gibt, existieren keinerlei stichhaltige gesetzliche Gruende zur Zurueckhaltung dieser Maenner, selbst dann nicht, wenn der Potsdamer Vertrag ihre Beschaeftigung auf Reparationsrechnung erlaubt.
(Entnommen dem "ECONOMIST" vom 8. Febr. 1947)
1.500 deutsche Kriegsgefangene und Zivilinternierte aus Australien
trafen nach 37taegiger Reise aus Melbourne (Australien) am 27. Februar in Cuxhaven, voller Hoffnung und hochbeladen mit Gepaeck, ein. Die meisten von ihnen haben mehr als 6 Jahre hinter Stacheldraht verbracht. An Verpflegung und Behandlung hatten die POW's nichts auszusetzen; sie hatten bei ihrer Ankunft in Cuxhaven alle ein gutes Aussehen. Mit 90 kg Gepaeck traten die meisten die Heimreise nach Deutschland an. Von den jetzigen Verhaeltnissen in Deutschland koennen sich diese Heimkehrer heute noch kein richtiges Bild machen. Zeitungen aus Deutschland sind nur selten und erst vor einigen Monaten zum ersten Male in ihren Camps eingetroffen.
Neuwahlen in der SPD und dem AWA London
In der Jahreshauptversammlung der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien" wurden in die Leitung gewaehlt:
Wilhelm Sander (Vorsitzender), Dr. Gerhard Gleissberg (stellvertr. Vorsitzender), Fritz Segall (zweiter stellvertr. Vorsitzender), Paul Heide (Kassierer), Hans Lewin[14] (stellvertr. Kassierer), Gustav Sprewitz (Revisor), Hans Fink[15], Gudula Kall[16], Karl Pringsheim[17], Nora Walter[18] und Jenny Fliess als Vorsitzende des AWA London.
In den Londoner Arbeiterwohlfahrts-Ausschuss wurden gewaehlt:
Jenny Fliess (Vorsitzende), Wilhelm Sander (stellvertr. Vorsitzender), Else Rosenfeld[19] (Kassierer), Lotte Olbricht[20] (Sekretaerin), Dora Segall (Schriftfuehrerin), Berta Fryd[21], Herbert George, Herta Gottfurcht[22], Paul Heide, Nelly Janovski, Wolf Nelki[23], Fritz Segall, Gustav Sprewitz, Heidi Sprewitz[24] und Nora Walter.
Genosse Richard Reitzner (frueher Bodenbach, spaeter London) wurde zum Stellvertreter des Staatssekretaers fuer das Fluechtlingswesen im Geschaeftsbereich des bayerischen Innenministeriums ernannt. Er ist dem Staatssekretaer Wolfgang Jaenicke[25] als Vertrauensmann aus Fluechtlingskreisen beigegeben, der andere Vertrauensmann ist Dr. Franz Ziegler[26] (CDU).
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Gaeste aus Deutschland in London
Zehn deutsche Sozialdemokraten befanden sich unter den ersten 23 aus Berlin und der Britischen Besatzungszone Deutschlands zu einem sechs Wochen dauernden Kurs in Wilton Park bei Beaconsfield gekommenen Kursteilnehmern. Es ist zu erwarten, dass auch an den weiteren Kursen in Wilton Park - einem fuer die politische Schulung deutscher Kriegsgefangener in England bestimmten Lager - Gaeste aus Deutschland teilnehmen werden.
Die zehn deutschen Sozialdemokraten, unter denen sich der Chefredakteur des Berliner "Sozialdemokrat", Dr. Klaus Peter Schulz[27], und Hans Hermsdorf[28], der fruehere Chemnitzer Buergermeister und jetzige Vorsitzende der Jungsozialisten Deutschlands, befanden, hatten waehrend ihres Aufenthaltes Gelegenheit, auch ausserhalb des Lagers Wilton Park Fuehlung mit politischen und kulturellen Einrichtungen und Persoenlichkeiten Englands zu nehmen; sie besuchten u. a. das Parlament, die Universitaet Oxford, die Fleetstreet mit dem Reuter-House und dem "News Chronicle", das Transport-House, wo sie von Vertretern des TUC begruesst wurden. Auch mit Vertretern der Labour Party, internationalen Journalisten, deutschen Parteifreunden usw. traten sie wiederholt in persoenlichen Kontakt. Die "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien" lud sie zu einer Funktionaerssitzung in der "VEGA" ein, zu der auch der erste deutsche Gewerkschaftsvertreter zu einer internationalen Gewerkschaftstagung nach diesem Kriege, Kollege W. Doerr[29], Hamburg, erscheinen konnte. Der Versammlungsleiter, Gen. W. Sander, gab den Gaesten einen kurzen Ueberblick ueber die Aktivitaeten der deutschen Sozialdemokraten in London, Dr. Richard Loewenthal sprach ueber die politische Situation, und die Genossen Doerr, Hamburg, und Dr. Schulz, Berlin, eroeffneten die Aussprache mit ihren Eindruecken ueber England und ihre bisherigen Besprechungen.
Am 8. Februar kamen die Genossen Schulz und Hermsdorf als Redner in einer Mitgliederversammlung der "Vereinigung" zu Wort. - Die gut besuchte Versammlung ehrte zunaechst die hohen internationalen Verdienste des verstorbenen englischen Kabinettsmitgliedes Ellen Wilkinson. In knappen Worten gab der Versammlungsleiter ein Bild des Wirkens der grossen Verstorbenen, die als Sozialistin auch den politischen Fluechtlingen ihre Hilfe jederzeit erteilte. - In dieser Versammlung sprachen Klaus-Peter Schulz ueber die politischen Probleme und Hans Hermsdorf ueber die Lage der deutschen Jugendbewegung. Dr. Schulz wies in seinem Vortrag besonders auf die Gefahren einer neuen nationalistischen Bewegung in Deutschland, auf die hemmenden Wirkungen der geistigen Abschnuerung Deutschlands und auf den Wunsch der juengeren Kraefte der deutschen Sozialdemokratie hin, das demokratische Bekenntnis der Partei mit aller Entschiedenheit den totalitaeren Tendenzen der Kommunisten entgegenzusetzen und ein neues, den Erkenntnissen der juengsten Vergangenheit Rechnung tragendes Parteiprogramm zu erarbeiten. Hans Hermsdorf sprach von den tiefen Eindruecken, die ihm sein Besuch in England nach den Erfahrungen, die er in Russland in der Kriegsgefangenschaft und in der Russischen Besatzungszone gemacht hatte, vermittelt habe und gab einen Ueberblick ueber die vielen, bereits wieder in Deutschland bestehenden Jugendbuende und die Schwierigkeiten, mit denen die Sozialistische Jugend unter den gegenwaertigen Verhaeltnissen zu ringen habe. Seine Ausfuehrungen ueber die Entwicklung, den Geist und die Zukunft der sozialistischen Jugendbewegung in Deutschland waren jedoch von starker Zuversicht getragen. - Beide Vortraege fanden lebhaften Beifall. Eine laengere Aussprache - und eine erfolgreiche Sammlung fuer die Gaeste aus Deutschland - folgten.
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An die London-Vertretung der SPD eingehende Zeitungen aus Deutschland:
Aachen: Aachener Nachrichten
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Ingolstadt: Donau-Kurier[36]
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Auf Einladung der ILP sind aus Hamburg unsere Genossen Grete Meitmann[49], Heinz Heydorn[50] und Wilh. Dittmer[51] in London eingetroffen. - Zum März-April-Kursus nach Wilton Park sind diesmal 12 SPD-Genossen erschienen: Günter Bartsch[52] aus Peine, K. Boljahn[53] aus Bremen, Dr. Jos. Grunner[54] aus Berlin, Adolf Heidorn[55] und Heinz Kerneck[56] aus Hannover, Dr. jur. Wolfg. Krüger-Sitta[57] und Carl Schietzel[58] aus Hamburg, Alexander Kus[59] aus Kiel, Herb. Meier[60] aus Düsseldorf, Willy Thiele[61] aus Alfeld, Horst Wetterlin[62] aus Celle und Erwin Wichert[63] aus Bielefeld.
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Die sozialdemokratische Kulturzentrale
beim Parteivorstand der SPD[64]
hatte am 4. und 5. Februar die kulturpolitische Funktionaere der Bezirke der drei Westzonen und Berlins zur ersten Tagung fuer Kulturpolitik nach Bad Gandersheim eingeladen. Durch die Anwesenheit des Ersten Vorsitzenden der Partei, Dr. Kurt Schumacher, wurde die besondere Bedeutung der Tagung unterstrichen.
Der Kulturreferent des Parteivorstandes, Arno Hennig (frueher Freital b. Dresden), hielt ein Referat ueber die Kulturkrise. Auszugsweise seien einige Ausfuehrungen wiedergegeben:
"Der mechanisch summierende Kulturbegriff ist fuer Besinnung und Neubegriff nicht verwendbar. Kultur ist kein Zustand, sondern ein lebendiger Gestaltungsprozess. Kultur entsteht durch Gestaltung und Umgestaltung der Umwelt. Im Mittelpunkt steht der lebendige Mensch. Ohne die Kraft der lebendigen Gemeinschaft keine Kulturwerte.
Die letzte Kulturphase auf unserem Boden war der Barock. Seither ist das deutsche Kulturleben trotz einer Ueberfuelle des Grossartigen im einzelnen zunehmender Versklavung anheimgefallen. Die Gemeinschaft loeste sich auf.
Sind die bisher tragenden Kraefte des Kulturlebens in Verfall geraten, oder ist eine neue Kraft entstanden, die nicht verarbeitet wurde? Die Antike und das Christentum haben die Kultur Mitteleuropas ein Jahrtausend lang befruchtet und getragen. Aber schon seit dem Mittelalter waechst erst langsam und dann stuermisch eine neue Macht heran: Naturwissenschaftliche Forschung, Technik, Entdeckungen, Organisationskunst. Von der Erfindung des Kompasses ueber die Elektrizitaet bis zur Radioaktivitaet laeuft eine grosse Linie.
Mit dieser einseitigen (intoleristischen) Entwicklung auf dem Gebiete des Intellektes hielt die Entwicklung der menschlichen Innenkraft nicht mit. Es entstand ein immer groesser werdendes Missverhaeltnis durch die Maschinenwelt. Die Maschinenwelt, erfunden, um vom Menschen Arbeitsfron abzuwenden und die Fuelle der Gueter zu vermehren, wird nicht mehr vom Menschen beherrscht, sondern beherrscht den Menschen und schleift ihn fort.
Der wissenschaftliche Sozialismus hat schon zur Zeit seiner Entstehung diesen bedrohlichen Tatbestand erkannt: Karl Marx bezeichnet es als die Schuld des Kapitalismus, den Menschen sich selbst entfremdet zu haben, und als die Aufgabe des Sozialismus, die Selbstwiederfindung des Menschen zu ermoeglichen.
Wer heute den Neubau - aus dem Truemmerhaufen heraus - in Angriff nimmt, muss sich darueber klar sein, dass nur der Sozialismus eine neue Gemeinschaft ermoeglicht und diese durch die Weckung menschlicher Innenkraefte mit lebendigem Inhalt erfuellt werden kann. Ethische Orientierung und Verantwortungsgefuehl muessen in der Wirtschaft und in der Politik unersetzliche Geltung erlangen.
Der demokratische Sozialismus darf darauf stolz sein, dass er die einzige Bewegung ist, die als oekonomische und grosse politische Vereinigung seit fast einem Jahrhundert ungetruebt in Zielsetzung und Methode dieses hohe Ziel angestrebt hat und daher in der Nazizeit den grossen Golgathaweg gehen musste.
Der demokratische Sozialismus lehnt jeden despotischen Fuehrungsanspruch ab und ist sich bewusst, dass auch das politische Leben nicht mehr aus dem Geiste der Furcht, sondern aus dem Geist der Ehrfurcht vor dem Leben - vor dem Menschen als Sinn und Zweck jeder Politik - schoepfen kann."
Dr. Schumacher, einer der vielen Diskussionsredner, erklaerte, dass das Haus des Sozialismus hoch und weit sein muss, damit alle ideellen Kraefte die Moeglichkeit haben, sich zu entfalten und ihren guten Willen verwirklichen koennen. Diese Neugestaltung wird dereinst einmuenden in die grosse Konzeption einer solidarischen Menschheit, die die Gewalt als Kampfmittel der politischen Konstruktion verwirft und alle Politik und Oekonomie als das begreift, was sie einzig sein kann: Dienst am Menschen.
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"Deutsches Buchschaffen", Buecherausstellung in Bielefeld
Am 7. Februar wurde in Bielefeld eine repraesentative Ausstellung deutscher Verleger von dem englischen Minister John Hynd feierlich eroeffnet. In ihr sind die Zonenschranken gefallen; zum ersten Mal nach Kriegsende hat man die Moeglichkeit, sich ueber das neueste Buchschaffen aus ganz Deutschland zu orientieren. 320 Verleger haben Tausende von neuen Buechern hier ausgelegt. Man ist erstaunt, was in den beiden letzten Jahren auf dem Buchmarkt wieder erschienen ist; gewiss sind die Auflagen gering, auch so gut wie keine stattlichen bibliophilen Baende anzutreffen; aber was macht das? Wir sind froh, endlich wieder Werke unserer grossen Geister in die Hand nehmen zu koennen, nachdem der Krieg so manchen seines ganzen Buecherschatzes beraubte.
Im schoengeistigen Schrifttum nehmen die grossen Dichter der Vergangenheit den groessten Raum ein. Daneben aber sind aus der Gegenwart auch schon wieder neue Buecher
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erschienen; der Gedichtband und das Essay sind vorherrschend. Daneben ist alles anzutreffen, was man sich ueberhaupt nur gedruckt vorstellen kann. Zu allem ist zu sagen, dass die Verleger, die mit so vielen Schwierigkeiten zu kaempfen hatten, auf die Ausstattung ihrer Veroeffentlichung besonderen Wert legten.
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Sozialistische Verlegertagung in Bielefeld.
Die Bielefelder Buchausstellung war der aeussere Anlass zu der ersten Tagung sozialistischer Verleger, zu der sich ungefaehr 30 Teilnehmer zusammengefunden hatten. dass aber die Konferenz auch einer inneren Notwendigkeit folgte, ging schon aus den Worten hervor, mit denen Fritz Heine vom Parteivorstand der SPD die Tagung einleitete. Er fuehrte als wesentliche Aufgaben das gegenseitige Kennenlernen, den Erfahrungsaustausch, die Foerderung des sozialistischen Ideengutes und den Zusammenschluss sozialistischer Verleger zur Loesung gemeinsamer Arbeit an.
Nach den Begruessungsworten von Oberbuergermeister Ladebeck[65], sprach der Leiter der Kulturzentrale im Parteivorstand, Arno Hennig, ueber das sozialistische Schrifttum unserer Zeit. Es sei fuer die Verlage gute Konjunktur, fuehrte er aus. Diese Konjunktur muesse genutzt werden im Rahmen dessen, was vom sozialistischen Standpunkt aus gefordert werden muss. Vom Qualitaetsstandpunkt duerfte dabei nicht abgegangen werden. Auf Niveau muesse nicht nur in Inhalt, sondern auch bei der sprachlichen Form geachtet werden. Gerade bei der politischen Literatur. Nicht nur das "Kapital", sondern auch die Jugendschriften von Marx seien wesentlich. Lassalles Geist muesse wieder erweckt werden. Dazu muessen Werke kommen, die ein neues Geschichtsbild formen. Bei dieser grossen Aufgabe, die die Kraefte eines Verlages uebersteige, koenne durch genossenschaftliche Zusammenarbeit viel erreicht werden.
Aus der Praxis eines freien sozialistischen Verlegers in der Amerikanischen Zone berichtete temperamentvoll Karl Drott, Offenbach, und gab aus seiner Erfahrung wertvolle Vergleichsmoeglichkeiten und Anregungen.
August Albrecht[66] gab einen Ueberblick ueber die naheliegenden Aufgaben eines sozialistischen Verlages. Viele Menschen kommen heute aus geistigen und religioesen Ueberlegungen zum Sozialismus. Das Band des geistigen Deutschland mit dem Sozialismus muesse wesentlich mit durch die Arbeit der Verleger geknuepft werden. Nicht nur politische Arbeit sei zu leisten. In planvoller Zusammenarbeit muessen die guten Manuskripte nutzbar gemacht werden.
In einer lebhaften Aussprache wurden die vorgetragenen Gedanken diskutiert. Am Vorabend der Tagung gab der Phoenix-Verlag, Bielefeld[67], den Verlegern einen Begruessungsabend, auf dem Staatsminister a. D. Carl Severing eine Ansprache hielt.
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(Schluss von Seite 2)
überhaupt. Dr. Schumacher schonte auch die Rechte nicht. Er griff die CDU an, weil sie gegen die Sozialisierung im Rheinland Stellung genommen hatte, denn Sozialisierung sei politisch, wirtschaftlich und vor allem aus moralischen Gründen notwendig.
Die Zulassung der SPD in der Sowjet-Zone
bildete auch das Thema, das nach einem Bericht des "Manchester Guardian" vom 21. März 1947, ihr Sonderberichterstatter in Berlin mit Dr. Schumacher besprach. Schumacher machte es noch einmal klar, dass die SPD mit Vertretern der SED nur verhandeln könne, wenn die in seiner Berliner Rede erwähnten 6 Punkte erfüllt würden. Es handele sich nicht um engen Parteiegoismus, sondern um tiefgreifende Unterschiede von politischen Gedanken und politischer Praxis. Vor allem müsse die SPD in der Sowjetzone wieder zugelassen werden - und das nicht nur auf dem Papier. Das bedeute, dass Rede- und Gedankenfreiheit hergestellt würden, und damit Demokratie im ursprünglichen Sinne des Wortes erzielt würde. Die SPD könne in der Ostzone mit einem Federstrich wieder zugelassen werden, aber es müsse ihr ausserdem erlaubt werden, frei unter fairen Bedingungen sich voll zu entfalten.
Ausserdem verlangte Schumacher ein Ende der Verleumdungskampagne seitens der SED. Es mache ihm persönlich nichts aus; aber die Politiker der SED wandten sich in ihren Attacken immer gegen Personen und niemals gegen Ideen. Aus ihm selber habe man in der Propaganda eine Karikatur gemacht und diese als Waffe gegen ihn benutzt. Unter diesen Umständen sei es doch absurd, einer Konferenz zum Zwecke "eines freundlichen Meinungsaustausches" beizuwohnen. Als "Bremse gegen das Anwachsen der Demoralisierung in Deutschland" würde es sich unter den gegenwärtigen Umständen nur um den Schatten einer Konferenz handeln und schnell zu einem Beispiel der Uneinigkeit werden, das genaue Gegenteil von dem, was die CDU mit ihrer Einladung beabsichtigt hatte.
Editorische Anmerkungen 1 - Im Januar und Februar 1947 hatten die Länderchefs der Bi-Zone die Bildung einer "Leitstelle für deutsche Vorbereitungsarbeiten zum Friedensvertrag" beschlossen. Diese Leitstelle (später "Büro für Friedensfragen" genannt) sollte in Frankfurt a. M. entstehen. Über die genaueren Aufgaben dieses "Friedensbüros" und seine Verantwortungsbereiche kam es zu Kontroversen zwischen den Ministerpräsidenten und den beiden Besatzungsmächten. Vor allem die Amerikaner vermuteten in dem geplanten bi-zonalen Friedensbüro die Keimzelle eines neuen Auswärtigen Amtes. Das "Deutsche Büro für Friedensfragen" (letztendliche Bezeichnung) wurde schließlich nur für die Länder der US-Zone errichtet (April 1947) und hatte seinen Sitz in Stuttgart. 2 - "Serben": Gemeint sind die Sorben (sorbisch: Serbia, deutsch: Wenden), eine nationale Minderheit mit eigener Sprache, die vor allem in der Lausitz - zwischen Dresden und Cottbus - leben. 3 - Robert Daniel Murphy (1894 - 1978), amerikanischer Berufsdiplomat, 1945-1949 politischer Berater der US-Militärregierung in Deutschland. 5 - "Riese": Stefan Riesz (1885 - 1955 ?), ungarischer Sozialist, von 1945-1950 Justizminister, vermutlich Selbstmord im Gefängnis. 6 - Vollständige griechische Abkürzung: SKELD; deutsch: Sozialistische Partei/Union der Volksdemokratie - eine aus sozialistischen Splittergruppen 1946 entstandene Sammelpartei nichtkommunistischer Linker. 7 - Alexandros Svólos (1891 - 1956), schon in jungen Jahren Prof. für Verfassungsrecht an der Universität Athen, ab 1941 in der Widerstandsbewegung gegen die deutschen und italienischen Besatzer, 1944 nach der Befreiung griechischer Finanzminister, 1946 SKELD-Vorsitzender. 8 - Rodolfo Llopis (1895 - 1983), Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), seit 1931 Parlamentsabgeordneter, nach Sieg der Faschisten 1939 im französischen Exil, Generalsekretär der Exil-PSOE, 1974 Rücktritt von dieser Funktion aus Altersgründen. 9 - Juan Negrin (1889 - 1956), Mediziner, Prof. an der Universität Madrid, seit 1931 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), ab 1937 Ministerpräsident der Volksfrontregierung, 1939 Flucht nach Frankreich, Mitglied der spanischen Exilregierung, 1940 über Großbritannien nach Mexiko, 1946 wieder nach Paris. 10 - Guiseppe Saragat (1898 - 1988), seit 1922 Mitglied der Vereinigten Sozialistischen Partei Italiens (PSU), 1926-1943 im österreichischen und französischen Exil, 1945-1946 italienischer Botschafter in Frankreich, trennte sich 1947 von den Sozialisten wegen deren angeblicher Volksfrontpolitik, später Generalsekretär der von ihm mitbegründeten Sozialdemokratischen Partei Italiens (PSDI), 1964-1971 italienischer Staatspräsident. 11 - "Prakash Narain": Jaya Prakash Narayan (1902 - 1979), 1922-1928 Studium der Politischen und Wirtschaftswissenschaften in den USA, 1931-1932 stellv. Generalsekretär des Nationalkongressess (Gandhi-Bewegung), 1934 Gründer der Congress Socialist Party als Gruppe innerhalb der Kongress-Partei, 1942 ff. Organisator von Streiks und Sabotageakten gegen die britischen Kolonialmacht, 1946 aus dem Gefängnis entlassen, 1946-1952 Vorsitzender der indischen Eisenbahner- und Postangestelltengewerkschaft, 1947 Austritt mit seiner Gruppe aus der Kongress-Partei und 1948 Gründung einer unabhängigen Sozialistischen Partei, in späteren Jahren Eintreten für eine Landreform und für eine Aussöhnung zwischen Moslems und Hindus, Gegner von Indira Gandhi, die ihn 1975 nach Verhängung des Ausnahmezustandes verhaften ließ. 12 - "Sjarihr": Soetan Sjahrir (1909 - 1966), 1945-1947 indonesischer Ministerpräsident und Außenminister, auch 1947 Vertreter der Republik Indonesien bei der UNO. 13 - Benannt nach seinem Autor Jean Monnet (1888 - 1979), französischer Diplomat und Wirtschaftspolitiker, 1919-1923 stellv. Generalsekretär des Völkerbundes, 1943 Mitbegründer des französischen Befreiungskomitees in Algerien, 1946-1950 in Frankreich Leiter des Amts für wirtschaftliche Planung, 1952-1955 Vorsitzender der Hohen Behörde der Montanunion. Der Monnet-Plan sah ein großes Modernisierungsprogramm für die Wirtschaft Frankreichs vor. 14 - Hans Lewin (geb. 1907), Kaufmann, seit 1925 SPD-Mitglied, 1933 über die CSR nach Dänemark emigriert, 1939 nach Großbritannien, 1940-1941 interniert. 15 - "Hans Fink": Heinz Fink (geb. 1914), Chemiker, ab 1931 SAP-Mitglied, 1934 nach Großbritannien emigriert, 1940-1941 interniert, 1941 ausgebürgert, seit 1946 SPD-Mitglied. 16 - Gudula Kall (1890 - 1949), Studium von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Jura, 1924-1933 Regierungsrätin beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf, 1933 entlassen, 1934 in die Schweiz emigriert, 1936 nach Großbritannien. 1947 nach Deutschland zurückgekehrt, seit diesem Jahr u. a. Beauftragte für das Flüchtlingswesen im NRW-Sozialministerium. 17 - Karl Pringsheim (1907 - 1956), Jurist, seit 1925 SPD-Mitglied, vor 1933 Sekretär der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, 1933 in die CSR emigriert, 1938 nach Großbritannien, u. a. als Holzarbeiter tätig. 1953 Rückkehr nach Deutschland und Eintritt in das hessische Kultusministerium als Ministerialbeamter.
18 - Nora Walter (geb. 1923), 1934 mit den Eltern nach Frankreich, 1938 nach Großbritannien emigriert, ISK-Mitglied, zeitweise als Köchin tätig, 1945 SPD-Mitglied. In der weiteren Nachkriegszeit bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn tätig. 19 - Else Rosenfeld, geb. Behrend (1891 - 1970), Fürsorgerin, vor 1933 SPD-Mitglied, ab 1942 im Untergrund in Deutschland, 1944 Flucht in die Schweiz, 1946 nach Großbritannien, 1953 Rückkehr nach Deutschland. Verheiratet mit Siegfried Rosenfeld (siehe SM 106, Dez. 1947, Anm. 11).
20 - "Olbricht": Charlotte Olbrisch (geb. 1910), Stenotypistin, ab 1926 Mitglied des KJVD und 1928-1936 der KPD, 1933-1936 KZ und Gefängnis, 1937 Flucht in die CSR, 1939 nach Großbritannien, dort 17 Monate interniert, seit 1946 SPD-Mitglied. 21 - Berta Fryd, geb. Thams (geb. 1906), Köchin, ISK-Mitglied, 1935 nach Großbritannien emigriert, später mit einem Engländer verheiratet, seit 1945 SPD-Mitglied. 22 - Herta Gottfurcht, geb. Blendinger (geb. 1902), Ehefrau von Hans Gottfurcht (s. d.), Sekretärin, seit 1920 SPD-Mitglied, 1938 nach Großbritannien emigriert. 23 - Wolfgang Nelki (geb. 1911), Zahntechniker, 1927-1933 Mitglied (u. a. der Reichsleitung) des Sozialistischen Schülerbundes (SSB), 1933 Flucht vor Gestapo nach Belgien, 1939 ausgebürgert, 1939 nach Großbritannien, dort 7 Monate interniert, seit 1946 SPD-Mitglied. 24 - "Sprewitz": Heidi Spreewitz, geb. Friedrich (geb. 1917), Tochter des pazifistischen Schriftstellers Ernst Friedrich (1894 - 1967) und Ehefrau von Gustav Spreewitz (s. d.), Kinderpflegerin, 1933 mit ihrem Vater in die CSR emigriert, seit 1935 SAP-Mitglied, 1937 zusammen mit ihrem Vater und ihrer Mutter Charlotte, geb. Meier, 1939 nach Großbritannien, seit 1945 SPD-Mitglied. 25 - Wolfgang Jaenicke (1881 - 1968), Jurist, 1913 Bürgermeister von Elbing, 1918 Oberbürgermeister von Zeitz, 1919-1930 Regierungspräsident von Breslau, 1919-1926 Reichs- und Staatskommissar für die Überleitung der an Polen abzutretenden Gebiete, 1930-1933 Regierungspräsident in Potsdam, 1930-1932 MdR der Deutschen Staatspartei, 1933-1935 Völkerbunds-Berater für die chinesischen Regierung in Nanking, 1935 Rückkehr nach Deutschland. 1945-1950 Staatssekretär für das Flüchtlingswesen in Bayern, ab 1952 deutscher Botschafter in Pakistan und später beim Vatikan. 26 - Franz Ziegler (1899 - 1949), Sudetendeutscher, Rechtsanwalt. Nach 1945 Mitglied der Bayern-Partei [nicht CDU], 1948-1949 MdL Bayern, 1949 MdB. 27 - Klaus-Peter Schulz (geb. 1915), urspr. Journalist, 1931 SPD-Mitglied, in der NS-Zeit Medizin-Studium, als Soldat während des Krieges zeitweilig Studienurlaub, 1945 Dr. med. Ab 1946 wieder politischer Publizist bei versch. Zeitungen und Rundfunksendern, 1952-1956 SPD-MdL Baden-Württemberg, 1963-1965 SPD-Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, 1965-1976 Berliner MdB (bis 1971 SPD, dann Übertritt zur CDU), später auch Austritt aus der CDU, Tätigkeit als freier Schriftsteller. Vgl. u. a. K.-P. Schulz: Auftakt zum Kalten Krieg. Der Freiheitskampf der SPD in Berlin 1945-1946, Berlin 1965. Vom selben Autor: Authentische Spuren. Begegnungen mit Personen der Zeitgeschichte, Boppard a. Rh. 1993. 28 - Hans Hermsdorf (geb. 1914), kaufmännischer Angestellter, seit 1932 SPD-Mitglied, 1935 wegen illegaler politischer Betätigung zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, 1944 sowjetische Gefangenschaft. 1945 SPD-Bürgermeister von Chemnitz, 1946 als Gegner der Zwangsvereinigung der SED nach Westdeutschland, 1946-1949 Zentralsekretär der Jungsozialisten, enger Mitarbeiter von Erich Ollenhauer, 1953-1974 SPD-MdB, 1974-1982 Präsident der Landeszentralbank in Hamburg. 29 - Wilhelm Dörr (1894 - 1949), Handlungsgehilfe, seit 1920 Gewerkschaftsangestellter (ZdA) in Hamburg. Ab 1947 Vorsitzender der DAG. 30 - Die "Fränkische Landeszeitung" erschien ab 1946 in Ansbach, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig und überparteilich. 31 - Die "Schwäbische Landeszeitung" erschien ab 1945 in Augsburg, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig und überparteilich. 32 - Der "Südost-Kurier" erschien ab 1946 in Bad Reichenhall, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. Angegebene Tendenz: unabhängig. 33 - Der "Fränkische Tag" erschien ab 1946 in Bamberg, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. Angegebene Tendenz: unabhängig. 34 - Die "Hannoversche Presse" erschien ab 1946 als SPD-Zeitung, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. 35 - Die "Frankenpost" erschien ab 1945 in Hof, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche; SPD-nahe. 36 - Der Ingoldstädter "Donau-Kurier" (angegebene Tendenz: unabhängig) erschien in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. 37 - Die sozialdemokratische "Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung" (Kiel) erschien ab 1946, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. 38 - "Der Allgäuer" (Kempten) erschien ab 1945, in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig (CSU-nahe). 39 - Die "Isar-Post" (Landshut) erschien ab 1946, zunächst zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. Angegebene Tendenz: unabhängig. 40 - Die sozialdemokratische "Lübecker Freie Presse" erschien ab 1946, zunächst zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. 41 - Die "Nürnberger Nachrichten" erschienen ab 1945, zunächst zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Tendenz: unabhängig. 42 - Die "Passauer Neue Presse" erschien ab 1946, zunächst zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. Angegebene Tendenz: unabhängig (CSU-nahe). 43 - Die "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) erschien ab 1945, zunächst zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig. 44 - Das "Oberbayerische Volksblatt" (Rosenheim) erschien in der Anfangszeit zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: überparteilich. 45 - "Der Volkswille" (Schweinfurt) erschien ab 1946, zunächst zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig. 46 - Das "Spandauer Volksblatt" (Berlin) erschien ab 1946 als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: unabhängig (SPD-nahe]. 47 - "Der Neue Tag" (Weiden) erschien ab 1946, zunächst zweimal wöchentlich, später vier Mal in der Woche. Angegebene Tendenz: unabhängig. 48 - Die "Main-Post" (Würzburg) erschien ab 1945, zunächst zweimal wöchentlich, später als Tageszeitung. Angegebene Tendenz: überparteilich. 49 - Grete Meitmann = Tochter von Karl Meitmann (siehe SM 83/84, Febr./März 1946, Anm._4). 50 - Heinz-Joachim Heydorn (1916 - 1974), Lehrer, 1938/39 - während seines Studiums (Philosophie, Englisch und ostasiatische Sprachen) - Lehrer an einer englischen Public School, ab 1934 Kontakte mit sozialistischen Emigranten, 1939-1945 Soldat (Diplomexamen in chinesischer Sprache während eines Fronturlaubs 1942). 1945 SPD-Mitglied, 1946-1947 Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), 1946-1953 SPD-Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, ab 1959 Prof. für Erziehungs- und Bildungswesen an der Universität Frankfurt a. M. 51 - Wilhelm Dittmer, Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden 52 - Günter Bartsch (geb. 1927), Journalist und Publizist, 1947 Eintritt in die KPD, 1953 Austritt aus der KP. 53 - "K. Boljahn": Es muss sich um Richard Boljahn (1912 - 1992) handeln, Klempner und Installateur, 1946-1971 SPD-Mitglied der Bremer Bügerschaft (1951-1968 Fraktionsvorsitzender), 1953 ff. Vorsitzender des DGB-Bezirks Bremen. 54 - Josef Grunner (1904 - 1984), Elektromechaniker und kaufmännischer Angestellter, 1927 externe Reifeprüfung an einem Wiener Realgymnasium, SPÖ-Mitglied, 1934 Promotion in Wien zum Dr. jur., 1940 Übersiedlung nach Berlin, 1944 ein halbes Jahr Arbeitslager für "jüdisch Versippte" in Sachsen. Ab 1946 Redakteur beim "Telegraf", 1953 deutsche Staatsbürgerschaft, 1955 SPD-Bezirksstadtrat für Wirtschaft in Berlin-Schöneberg, ab 1964 Bürgermeister dieses Bezirks. 55 - Adolf Heidorn (geb. 1908), Mechaniker, vor 1933 Mitglied des ISK und des DMV. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1946 Mitglied und Funktionär der SPD, später Bildungssekretär des DGB. 56 - Heinz Kerneck (1912 - 1968), Kaufmann und Journalist, vor 1933 SAJ-Mitglied, während des Krieges Soldat. Ab 1946 Sozialdemokrat und Redakteur des "SPD-Pressedienstes" in Hannover, später bei dpa in Bonn, 1957 bis zu seinem Tod Intendant von Radio Bremen. 57 - Zu Wolfgang Krüger-Spitta konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. 58 - Carl Schietzel (geb. 1908), Lehrer, nach 1945 SPD-Mitglied, 1946 in dem von der britischen Militärregierung angeregten Hauptausschuss für Volksbildung, 1964 Prof. für Erziehungswissenschaften. 59 - Alexander Kus (geb. 1911), Studium von Musik und Theaterwissenschaft, nach 1945 SPD-Mitglied, später Feuilleton-Redakteur bei der "Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung". 60 - Zu Herbert Meier konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. 61 - Willy Thiele (geb. 1911), seit 1930 SPD-Mitglied, 1940-1945 Soldat, ab 1946 wieder SPD-Mitglied und Geschäftsführer in einer Konsumgenossenschaft. Die Ortsangabe ist wahrscheinlich nicht richtig. 62 - "Horst Wetterlin": Es handelt sich wahrscheinlich um Horst Wetterling (geb. 1915), Lehrer, seit 1952 Prof. für Pädagogik. 63 - Zu Erwin Wichert konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. 64 [] - Die parteioffizielle Bezeichnung lautete zu dieser Zeit "Sozialistische Kulturzentrale". Diese hatte im November 1946 in Hannover ihre Arbeit aufgenommen. 65 - Artur Ladebeck (1891 - 1963), Lehrer, seit 1919 SPD-Mitglied, 1928-1933 Vorsitzender der SPD Bielefeld und Stadtverordneter, 1933 aus politischen Gründen aus dem Schuldienst entlassen, in der NS-Zeit mit Unterbrechungen mehrere Jahre im Gefängnis. Nach dem Krieg Rektor und Landrat, 1946-1952 und 1954 ff. Oberbürgermeister von Bielefeld, 1953-1957 SPD-MdB. 66 - August Albrecht (1890 - 1982), Expedient, ab 1908 in Funktionen bei SPD und Parteijugend, seit 1914 Angestellter der Volksfürsorge, 1919-1929 Jugendsekretär beim Vorstand der SAJ und der SPD (Berlin), 1929-1933 Tätigkeit in der sozialistischen Buchgemeinschaft "Der Bücherkreis", während der NS-Zeit Buchhändler und Antiquar in Berlin. Nach Kriegsende stellv. Vorsitzender des Deutschen Jugendherbergswerks und im Verlagswesen tätig, Ehemann von Lisa Albrecht (s. d.). 67 - Im Phönix-Verlag erschien u. a. die sozialdemokratische "Freie Presse" (s. d.). |