Sozialistische Mitteilungen NEWS FOR GERMAN SOCIALISTS IN ENGLAND | |
Published for the information of Social Democratic refugees | |
Nr. 83/84 - 1946 |
Februar - Maerz |
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(Ein Brief) |
"... Ihr Brief haelt es mir wieder vor Augen: Alles was wir hier tun und lassen, unser ganzes Denken und Leben, wird uns ueberschattet von dem Gedenken an Deutschland. Ich denke oft an den Tag, an dem wir im Jahre 1929 (es war ein herrlicher Sommertag) zusammen nach einer langen erregenden und oft aufruettelnden sechswoechigen Fahrt durch Amerika nach Deutschland zurueckkamen. Mit einer fast gläubigen Inbrunst habe ich damals die Luft der Heimat wieder eingesogen und so voll ich auch noch von den Eindruecken war, die "God's own country" mir mit Gewalt eingepraegt hatte, ich habe wohl an keinem Tage meines Lebens vorher so stark gefuehlt, dass meine Wurzeln nun doch, ob ich will oder nicht, schicksalsbestimmt in dieser heimischen Erde Fuss gefasst haben. Wieder zogen, wie in der Jugend, die segelnden Wolken ueber die gruenen Wiesen des Landes bei Cuxhaven, das meiner engeren Heimat so nahe ist. Schoen und herrlich wie am ersten Tage stand alles vor mir. Es hat wohl keinen Sinn darueber zu rechten, dagegen anzugehen, es ist so, und man kann es auch nicht mehr aendern, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, wenn die Jahre einem bis dahin sinnvoll vergangen sind und wenn man mit innerer Anteilnahme in diesem Lande und an diesem Lande gearbeitet hat. Das ist bei mir kein sentimentales Zuruecksehnen und auch nicht etwa Unvermoegen, anderes Wesen und Sein zu begreifen. Ich glaube nicht, dass es mir daran fehlt. Wenn ich sage, dass ich zurueck will, folge ich nur der inneren Stimme einer Verpflichtung, die ich nicht ablehnen kann, weil sie wirklich hoechst unbequem ist.
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Alles, was Sie darueber sagen, dass es keinen Sinn habe, sich an ein so gut wie aussichtsloses Unternehmen zu wagen, ist natuerlich richtig und berechtigt. Es kann sein, dass die rauhe Wirklichkeit Ihnen noch viel mehr Recht gibt, als wir uns heute denken koennen, weil unsere Vorstellungskraft am Ende nicht ausreichen mag, alle die materiellen und moralischen Verwuestungen ganz zu erfassen. Aber ich weiss doch: Ein Volk wie das deutsche wird nicht untergehen, es wird immer wieder seinen Weg in der Geschichte finden, wenn erst die erste Not und die erste tiefe Laehmung ueberwunden sein wird. In ihm steckt Lebenskraft und Lebenswille genug, um ueber alles hinwegzukommen, was menschliche Torheit und menschliche Kurzsichtigkeit ihm augenblicklich auferlegen mag, und es wird am Ende auch die Schranken ueberwinden, die es sich selber durch eigene Schuld, durch Verblendung und Ueberheblichkeit aufgerichtet hat. Ganz sicher werden wir das alles nicht so schnell sehen und erleben, wie wir wollen und moechten. Wir werden lange Zeit durch unendliche aeussere und innere Not hindurchgehen muessen, und wir werden oft genug voller Verzagen dazu neigen, uns dem Gefuehl hinzugeben, dass fuer unsere Arbeit doch kein Boden zu finden sei. In den Fluten, in die wir uns stuerzen, wird uns oft das Gefuehl ueberwaeltigen, wir schwaemmen gegen einen Strom, der staerker sei als wir und der uns gar verschlingen wird.
Alles das ist richtig, ist richtig vom menschlichen aus gesehen, ist richtig vom politischen aus gesehen, und es mag sein, dass es gegen eine solche Ueberzeugung fuer den kein Argument gibt, der nicht von vornherein vom anderen ueberzeugt ist. In solchen historischen Wendepunkten ueberzeugt man immer nur den, der schon ueberzeugt ist und bekehrt man nur den bereits Bekehrten. Kein noch so mitreissendes Wort, keine noch so grosse Ueberredungskunst kann aus der Ferne kommend wirken. Von so weit weg klingt alles nur matt und unwirklich. Die Wellen des Ozeans zwischen uns verschlucken zu viel.
Und doch muss ich etwas dagegen sagen: Ich glaube nicht, dass man in Deutschland Leute noch sehr rufen und ihrer noch sehr begehren wird, wenn erst ein Fundament gelegt sein wird, auf dem man weiter bauen kann. Wenn erst einmal das Haus, sei es auch noch so notduerftig, wieder gezimmert, wenn die Tueren und Fenster, wenn auch noch so
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provisorisch, geschlossen und zu neuer Arbeit ein Boden bereitet sein wird, dann wird man, fuerchte ich, nicht auf diejenigen noch warten, die in diesen Tagen gewartet haben, weil sie glauben, dann erst seien wir an der Reihe. Gerade das: Die Tueren und Fenster notduerftig zu schliessen, das Haus im allerprimitivsten Sinne wohnlich zu machen, die ersten Arbeitskolonnen zum Schuttaufraeumen zu sammeln, Platz fuer Neues zu schaffen, im woertlichen und uebertragenen Sinne, gerade diese Arbeit, diese erste Anstrengung ist die wichtigste von allen. Ich bin sicher: In der tiefsten Erschuetterung und Not brauchen die Menschen der Heimat Hilfe, auch Fuehrung und Leitung von solchen, die nicht geschwankt haben, die in sich (ich hoffe, ich darf das sagen) etwas von dem moralischen Fundament mitbringen, auf dem allein aufgebaut werden kann.
Dass wir politisch und oekonomisch vor fast unmoeglichen Problemen stehen, weiss ich. Aber ich weiss auch ganz genau, nie habe ich daran gezweifelt, dass wir in all der materiellen und moralischen Verwuestung, die uns umgibt, [...] die Menschen finden werden, die in dieser Wueste der Verwilderung eine Oase bilden werden, aus deren steinigem Boden die Quellen eines neuen Lebens fliessen werden. Ich bin meiner sicher und weiss, dass ich die Gabe und die Ausdauer haben werde, solche Menschen zu sammeln und mit ihnen zusammen die innere Begeisterung zu erwecken, die ohne grosse Propagandaposaunen, ohne grosse, im Grunde nur allzu leere Worte die Kraft erwecken wird, mit der der erste Grundstein zu einem neuen Gebaeude errichtet werden kann. Wenn wir alle sagen wuerden: Nein, heute noch nicht, noch abwarten, lass erst mal andere sich abwirtschaften, erst sollen sie sehen, wie weit sie ohne uns kommen, wenn wir alle diesen rationellen Ueberlegungen folgen wuerden, fuer die sich tausend gute 'Gruende' vorbringen lassen, dann stehen wir vor der Frage: Wie soll denn dann der Beginn gemacht, der Boden bereitet werden, damit dann nachher diejenigen kommen koennten, die glauben sich aufheben zu muessen?
Nein, ich glaube nicht an die Richtigkeit dieses 'Sichaufhebens'. Ich glaube nur an das eine: an die Pflicht, unsere Freunde aufzusuchen und mit ihnen zusammen das neue Werk zu beginnen, heute, morgen, ehe es zu spät ist.
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Ich glaube nicht, dass irgend eine Arbeit so wichtig sein kann wie die, die gerade in dieser ersten Zeit geleistet werden wird. Ich fuerchte mich darum auch nicht vor den politischen Problemen. Ich habe gewiss nicht die Absicht, fuer Fremde, fuer Russen, Amerikaner, Franzosen oder Englaender irgendwelche Geschaefte zu besorgen, und ich glaube auch, man wird durchkommen koennen, ohne das zu tun. Ich habe immer nur die Absicht gehabt, im guten Sinne deutsche Interessen zu vertreten, aber sie so zu vertreten, dass der Friede und die Zukunft Europas, von dem wir ein unloesbarer Teil sind, so weit es an uns nur liegen mag, am besten gewahrt wird. Das Recht auf unsere geistige Unabhaengigkeit kann uns niemand nehmen, wenn wir es uns nicht selber nehmen. Die Phantasien, die augenblicklich, wie nach jedem Kriege, im Schwange sind, vergehen, und bestehen bleibt die Notwendigkeit des Zusammenlebens der Voelker.
Nur eines muessen die Menschen, zu denen wir nach so langen Jahren zurueckkehren werden, erkennen koennen, dass wir fuer unser Land und nicht fuer uns arbeiten, dass wir ohne Praetentionen kommen und nichts anderes im Sinne haben, als mit ihnen zusammen und unter den gleichen schweren Bedingungen den Neubau zu beginnen.
Das alles ist schwer. Sicherlich. Das erfordert Opfer. Sicherlich, aber am Ende werden wir auch so leben und brauchen dann wenigstens das eine Opfer nicht zu bringen, das Opfer, sich in dem Gedanken verzehren zu muessen, sich der wirklichen Aufgabe entzogen zu haben; mit guten Gruenden, mit schlechten Gruenden, gleichviel, sich entzogen zu haben, und das in einer Zeit, in der man uns am dringendsten gebraucht hat. Dieses ist mein Credo in dieser Zeit. Ich gebe ihm absichtlich keine politischen oder ökonomischen Zugaben. Auch sie wären möglich. Ich bin auch da meiner selbst sicher. Aber wichtig und wirksam ist allein das moralische Fundament, auf dem wir bauen, und darum steht fuer mich im Vordergrunde aller Erwägungen nur das eine: Wir müssen tun, was unsere Pflicht ist. Wir gingen aus Deutschland fort, weil wir unser nacktes Leben vor der Bestie retten mussten. Aber als mir das gelungen, waren meine Gedanken immer dort in der Heimat bei den Kameraden, die, wie ich wusste, die Fackel weiter trugen ..."[1]
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Nach Deutschland zurueckgekehrt
sind in den letzten Wochen eine Anzahl sozialdemokratischer Emigranten aus Frankreich, England, Belgien, der Schweiz und Schweden. In mehreren Briefen schildern diese Genossen ihre ersten Eindruecke aus der Heimat. Wir koennen leider nur einige dieser Briefe und auch diese nur auszugsweise bringen.
Aus Hamburg schreibt uns Fritz Heine: "Weniger als 3 Stunden Flugdauer schlossen fuer Erich Ollenhauer und mich eine fast 13jaehrige Emigration ab, als wir am 8. Februar auf dem Hamburger Flughafen landeten. Wir haben uns 3 Tage in Hamburg aufgehalten, ausgefuellt mit Wiedersehenstreffen, mit Meinungsaustausch und Informationen. Eingeleitet wurden die Besprechungen durch einen Besuch bei Buergermeister Schoenfelder, der uns im Beisein der sozialdemokratischen Senatoren Eisenbarth[2], Landahl[3] und Nevermann empfing. Genosse Schoenfelder, der in einigen Wochen 71 Jahre alt wird, war trotz eines am Vortage erlittenen gefaehrlichen Autounfalls im Amt und frisch am Werk.
Die Büros der SPD Hamburg befinden sich wieder, wie vor 1933, in der Gr. Theaterstrasse. Genosse Meitmann[4] und sein Kreis von Mitarbeitern haben die Arbeit von diesem grössten Ortsverein der Partei in der Britischen Zone übernommen, eine Arbeit, die weit in die Nachbarprovinzen hinauswirkt. Am Sonnabendnachmittag nahmen wir an einer erweiterten Vorstandssitzung der Hamburger teil, bei der Erich Ollenhauer in einem kurzen Referat einige Informationen aus internationaler Arbeiterbewegung und internationaler Politik gab und die schriftlichen Gruesse der britischen Arbeiterpartei an die deutsche Sozialdemokratie übermittelte, die uns vor unserer Abreise von London vom neuen Sekretaer des Internationalen Departments der Labour Party, Gen. Healey[5], ueberreicht worden waren. - Den dritten der wichtigen Besuche neben Verwaltung und Partei statteten wir den Hamburger Gewerkschaften ab, wo wir eine mehrstuendige Unterredung u.a. mit dem Genossen Spliedt[6] hatten. Ich hatte Gelegenheit, mit leitenden Beamten des Norddeutschen Rundfunks und des deutschen Nachrichtendienstes zu sprechen und verschiedene Anlagen zu besichtigen. - Das Bild, das uns durch die zahlreichen Gespraeche mit fuehrenden Sozialdemokra-
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ten und Gewerkschaftern vermittelt wurde, ist noch betraechtlich dunkler, als es dem Beobachter im Ausland erscheint. Zu den nun schon bekannten Dauer-Erscheinungen. Lebensmittelmangel, Wohnungsnot, Transportschwierigkeiten, die sich staendig verschaerfen, kamen in diesen Tagen die schweren Hochwassernöte, das Darniederliegen der Wirtschaft, das Zuendegehen der Vorräte bei wichtigen Lebensmitteln und die Unmöglichkeit, auch nur Reparaturarbeiten durchzufuehren, um die Wohnungsnot zu mildern, schaffen im Verein mit anderen, kaum minder wichtigen Faktoren den Eindruck, dass wir einer hoechst kritischen Situation entgegengehen, zu deren Ueberwindung Anspannung aller Kraefte und Verstaendnis und Hilfe von draussen erforderlich sind.
Bei unseren Gespraechen mit den Hamburger Freunden haben wir aber das Gefuehl mitbekommen, dass sie sich nicht nur der Schwierigkeiten bewusst sind, sondern auch genuegend klare Vorstellungen und den Willen haben, diese Schwierigkeiten zu ueberwinden. Ihre Hoffnung ist, dass ihnen die Besatzungsbehoerden die Moeglichkeiten und die Bevoelkerung das Vertrauen gewaehrt, um die Loesung in Angriff zu nehmen."
Aus Koeln schreibt Willi Eichler: "... Eine Wohnung war fuer mich beschlagnahmt worden. Unter Haengen und Wuergen ist sie jetzt fertig, und seit gestern wohnen A. K.[7] und ich schon drin. Die Wohnung sieht gut aus, auch der Ausblick auf die Strasse ist nicht schlecht. Wenn das Wetter gut ist, sieht man sogar den Dom. Am 1. Februar ging natuerlich die Zeitung noch nicht los, aber wir trafen uns alle, Verkäufer, Anzeigenwerber, Abonnentenwerber usw., auch die Redakteure, deren es nun etwa 10 gibt, da die Zeitung ja nur zweimal woechentlich herauskommen soll (Mittwoch und Sonnabend). Einer der aussenpolitischen Redakteure war Kriegsgefangener in Ascot, hat am Radio gesprochen und kam vor einigen Monaten aus England nach Koeln. Dann haben wir jetzt dienstags und freitags von 10-12 oeffentliche Sprechstunden. Am 2. Maerz wird also die erste Nummer der "Rheinischen Zeitung"[8] wieder erscheinen.
Donnerstag habe ich meine erste Rede gehalten, vor Studenten und jungen Arbeitern gemeinsam. Manche Studenten sind wuest. In X haben die Englaender die Studenten gefragt, was diese von dem Nuernberger Prozess daechten. Viele antworteten: Darueber sprechen wir mit Englaendern nicht,
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solange dort unsere Kameraden sitzen und Sieger und Anklaeger nicht verschiedene Personen sind. Ich weiss nicht, wieviele Studenten solche Antworten gegeben haben, ... aber Du siehst den Geist. - Mein Buero ist Breitestr. 70, in einem Teil von Koeln, der etwa wie der schlimmste Teil der Londoner City aussieht. Es ist erstaunlich, wie man sich an solche Anblicke gewoehnt. Vielleicht gewoehnt man sich auch nicht daran und hat bloss keine Zeit, immerzu an die Idiotie unserer Zeitgenossen zu denken ..."
Aus Duesseldorf schreibt der Genosse Richter[9]:
"... Am schlechtesten ist die Lebensmittellage wohl im Industriegebiet. In Duesseldorf hat die Bevoelkerung beispielsweise seit Oktober nur 2 kg Kartoffeln im Monat, in Dortmund nur 1 kg pro Woche erhalten. Demgegenueber gab es in der Amerikanischen Zone Ende Oktober pro Kopf der Bevoelkerung 3-4 Zentner Einkellerungskartoffeln, von denen man in der Engl[ischen] Zone ueberhaupt nichts gesehen hat. Die Hauptnahrung in der Engl[ischen] Zone sind Steckrueben, die es taeglich gibt und als Ersatz fuer Kartoffeln ein dunkles Schrotmehl, allerdings nur wenig. Die Folge davon ist Hunger! Es fehlt heute an allem, angefangen bei der Stecknadel, dem Streichholz, Rauchwaren usw. Dementsprechend ist auch die Stimmung, und dementsprechend ist auch das politische Interesse. Dazu das Wohnungselend, denn bis heute ist in Bezug auf Wiederaufbau noch nicht das Geringste geschehen ...Von Koeln nach Mainz geht taeglich ein Schnellzug, der ebenfalls fuer heutige Verhaeltnisse als gut bezeichnet werden muss. Und von Karlsruhe zur Schweizer Grenze geht wieder ein Schnellzug, der sogar das Praedikat 'gut' verdient. Ueberhaupt macht die Französische Zone im allgemeinen einen guten Eindruck .. es ist nicht so viel zerstört, und dann hat sie viel Landwirtschaft. Es scheint, dass die Verkehrsverhältnisse am schlechtesten im Industriegebiet sind. Bei uns fahren zwar die Strassenbahnen wieder, aber vielfach als Sommerwagen, d. h. ohne Fenster, und dies bei der schlimmsten Kaelte. Aber darueber kommt man weg, wie ueber so vieles, an das man sich erstaunlich schnell gewoehnt. Man gewoehnt sich auch an die Trümmer, und doch muessen wir wieder heraus aus diesen Trümmern, heraus aus dem wirtschaftlichen, politischen und geistigen Trümmerfeld ..."
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Aus der Russischen Zone schreibt ein aus Skandinavien zurueckgekehrter Genosse[10]: "... Aufreizend wirkt hier das Fuenf-Klassen-System in der Ernaehrung. In Klasse V, "Sonstige", werden die Arbeitsunfaehigen und die Hausfrauen einbezogen. Die Klasse V ist im allgemeinen ohne Fett und Fleisch, und man kann sich vorstellen, wie die Einschaetzung der Hausfrauentaetigkeit in der Russischen Zone wirken muss. Angeblich beabsichtigt man mit diesem System, die Leute zur Arbeit zu zwingen. Die Sterblichkeit ist hier ziemlich hoch. Die Menschen sterben nicht Hungers, aber die vom Hunger geschwaechten Koerper vermoegen auch der einfachsten Krankheit keinen Widerstand entgegenzusetzen. Die Kinder ueber 6 Jahre in Berlin erhalten nur selten einen Tropfen Milch. Auf den Ernaehrungskarten war bisher als sichere Ration nur die Brotration, die Abgabe der uebrigen Lebensmittel erfolgte nur auf Abruf.
Unsere Verwandten in Dresden, 2 Personen, holten sich am 2. Januar 1946 gerade ihre Fettration fuer November, ein Flaeschchen Rapsoel. Ein Genosse, der selbstaendiger Schuhmacher ist, versicherte uns, dass weite Kreise der Bevoelkerung so apathisch seien, weil sie vor Hunger nicht anders sein koennten. Die Menschen ausserhalb Berlins sehen noch abgezehrter und hungriger aus als in der Reichshauptstadt. Kaffee und Tee kommen nur in Berlin zur Verteilung. Erwaehnenswert ist der Schwarze Markt, den wir in Berlin beobachten konnten. Er hat seinen Stand am ausgebrannten Reichstagsgebäude. Die Strasse ist dort stets voll von Menschen. Nachstehend einige Preise:
Amerikanische Zigaretten 12 Mark das Stueck, deutsche 8 Mk., 500 Gramm Butter 500 Mk., amerikanische Schokolade 80 Mk. eine Tafel, ein Glas Schnaps 30 Mk., eine Flasche Schnaps 700 Mk., ein Glas Bier 3 Mk., ein Herrenanzug 1.500 Mk., ein Rasiermesser 1 Mk. usw. usw.
Die Verhaeltnisse in der Russischen Zone machen es verstaendlich, warum es die Kommunisten so schrecklich eilig haben, die Arbeiterparteien zu verschmelzen, denn bei einer wirklich freien Wahl muessten sie hoffnungslos durchfallen ...
Die Zuege sind selbstverstaendlich ueberfuellt und bei doppeltem Fahrpreis (nur in der Sowjet-Zone) benoetigt man fuer jede Reise die doppelte bis dreifache Fahrzeit. Jeder Zug hat fuer die Angehoerigen der Roten Armee besondere Wagen und Abteile. Es kann einem jederzeit passieren,
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dass man drei Minuten vor Abgang des Zuges wegen Ueberfuellung des Zuges zurueckbleiben muss bis zum naechsten Tage. Die Fahrten sind entsetzlich langwierig. Die Ursachen brauchen nicht immer technische Störungen zu sein. Auf der Fahrt von Leipzig nach Dresden z. B. wurde die Lokomotive in Coswig abgehaengt, weil der Kommandant sie benötigte. Wir bekamen eine 'Bilderbuchlokomotive', die immer wieder stehen bleiben musste, um den nötigen Druck auf den Kessel zu bekommen...
Politisch sind in Sachsen die Kommunisten jetzt besonders aktiv, um die Verschmelzung der KPD mit der SPD baldigst durchfuehren zu können. Von seiten unserer Partei ist die Frage der Fusion zwischen KPD und SPD bisher weder in Mitgliederversammlungen noch in Funktionaerkonferenzen diskutiert, geschweige denn darueber abgestimmt worden. Der Grund hierfuer ist darin zu suchen, dass die Parteigenossen genau wissen, dass jede unvorsichtige Aeusserung oder kritische Stellungnahme zu einer evtl. Fusion beider Parteien von seiten der Besatzungsbehörden - nach Informierung durch örtliche Kommunisten - mit Amtsentsetzung oder Verhaftung derjenigen Personen beantwortet wird, die nicht bedingungslos den kommunistischen Standpunkt vertreten. Die Fusion der beiden Parteien soll am 1. Mai 1946 oeffentlich proklamiert werden. Es besteht kaum eine Moeglichkeit, diese Proklamation zu verhindern. Es besteht die Gefahr, dass bei dieser Entwicklung der groesste Teil der sozialdemokratischen Arbeiterschaft immer mehr aus der politischen Arbeit ausscheidet. Unter diesen Umstaenden wird sich ungefaehr das gleiche Bild erheben wie unter den Nazis, d. h. eine grosse Masse politisch nach aussenhin indifferenter Menschen werden gefuehrt von einer kleinen Schicht Parteifunktionaere, die ihre Machtposition aus der Anwesenheit der russischen Besatzungsmacht herleiten ..."
Aus Koeln berichtet der aus Belgien zurueckgekehrte Gen. Kuehn[11]: "... Ueber die innere Bilanz nach acht Tagen zu sprechen, waere zu frueh. Das seelische Bild der Bevoelkerung repraesentiert sich als relativ erfreulich. Die Moral scheint sehr gut zu sein. Alles Gerede von Prostitution und Demoralisation scheint masslos uebertrieben. Die Jugend wirkt gar nicht demoralisiert, und viele junge Leute, die ich bisher sprach, zeigen ein tiefes und ehrliches Ringen um neue Ideen. Hier ist sehr, sehr
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vieles fuer uns zu tun! ... Ein massloser Hunger nach guten Buechern besteht ueberall. Der politische Horizont der Leute ist stark verengt. Vieles, was fuer uns selbstverstaendliche Voraussetzung jeder politischen Diskussion ist, muss hier auch bei geschulten und informierten Leuten erst ganz neu entwickelt werden. Wir haben damit eine grosse Ueberlegenheit. ...
Uebrigens funktionier[en] Elektrizitaet und Wasser vollstaendig. Der Elektrizitaetsverbrauch ist beschraenkt, aber man kann mindestens 5 Stunden pro Tag eine 100kerzige Lampe brennen und dazu auch elektrisch buegeln. Wasserversorgung ist voellig normal, Gas allerdings soll es nicht vor Juni geben. Ich bin froh, dass die Emigration zu Ende ist, auch die zertruemmerte Heimat ist schoener als die beste Fremde."
Aus Hannover berichtet Erich Ollenhauer in mehreren Briefen. Wir entnehmen einem der Briefe folgende Stelle: "...Die Verpflegung ist noch schmaler, als wir sie uns vorgestellt haben. Heute gab es Kartoffeln mit Kohlrueben und ein Stueck Wurst und hinterher eine rosane Sache, die Pudding hiess. Fuer diese Wochen haben wir vom Lebensmittelamt noch eine Reisekarte fuer drei Tage bekommen. Darauf gibt es: 2 Pfd. Brot, 50 gr. Fleisch, 40 gr. Butter, 75 gr. Nährmittel, 50 gr. Zucker, 25 gr. Marmelade und 750 gr. Kartoffeln. Dann gibt es noch Gemuese auf besondere Marken, jedenfalls erhielten die Frauen in dem Geschaeft, in dem ich meine 40 gr. Butter fuer 15 Pfennig kaufte, auf jede Lebensmittelkarte eine Zweipfundbuechse Gemuese. Auf bestimmte Kundennummern gab es Fisch, der aber auf die Fleischration angerechnet wird. Seife und Waschmittel sind sehr knapp, ebenso Zahncreme und aehnliche Luxusdinge. Man muss sich ueberhaupt vorstellen, dass das Leben von einer Primitivitaet ist, wie etwa 1919, aber infolge der Zerstörungen und des voellig[en] Darniederliegens der Produktion noch aermlicher. Gestern haben wir vom Ausschuss fuer die Opfer des Faschismus einige Zusatzlebensmittelkarten bekommen, sie gelten fuer Fett, Fleisch und Brot. Es ist moeglich, dass wir sie auch fuer die naechste Rationierungsperiode bekommen, die morgen beginnt ... Die vom Wohnungsamt erhaltene Wohnung besteht aus Schlaf- und Wohnzimmer, Bad und Kueche und geht nach einem geraeumigen Grünplatz inmitten des Häuserblocks. Das Problem der Möbelbeschaffung wollen die Hauswirtin und die Mitmieterin helfen zu lösen. Am schwierigsten ist die Sache mit Bettzeug [und] Küchengeraet ..."
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SPD - Konferenz der Britischen Zone
Mitte Februar fand in Hannover eine Konferenz der leitenden sozialdemokratischen Vertreter aus den 10 Bezirken der Britischen Zone statt[12]. Das einleitende, sehr ausfuehrliche Referat hielt Ministerialdirektor Weisser[13], ein bekannter sozialdemokratischer Wirtschaftspolitiker, ueber Wirtschafts- und Finanzfragen. In einer Uebersicht ueber die Kriegsschaeden kam er zu der Feststellung, dass der Verlust an Häusern 60%, an landwirtschaftlicher Nutzflaeche 30%, an Vieh- und Forstwirtschaft je 25% betrage. - Eine mehrstuendige Diskussion endete mit dem Entschluss, Dr. Weisser und 4 andere sozialdemokratische Wirtschaftssachverstaendige mit der Ausarbeitung von Richtlinien auf der Basis der Weisserschen Ausfuehrungen zu beauftragen.
Am 2. Konferenztag gab Dr. Kurt Schumacher, der auch die Gesamtverhandlungen leitete, den Konferenzteilnehmern Kenntnis von dem Stand der "Fusions"-Verhandlungen zwischen SPD und KPD in der Russischen Zone. Vorher schon hatte er die Genossen Ollenhauer und Heine als neue Mitglieder des Bueros der Westzonen begrüsst und mitgeteilt, dass Gen. Ollenhauer organisatorische und politische und Gen. Heine Presse- und Propaganda-Aufgaben uebernommen hätten.
Es wurde beschlossen, fuer den 9. - 11. Mai einen Zonenparteitag nach Hannover einzuberufen, fuer den ca. 600 Delegierte erwartet werden. Gen. Ollenhauer schilderte in einem kurzen Referat die Situation in der internationalen Arbeiterbewegung und brachte unter Beifall den Brief der Britischen Arbeiterpartei zur Verlesung, der der SPD die guten Wuensche der britischen Bruderpartei uebermittelte und in dem es heisst:
"Die britische Arbeiterpartei betrachtet die Existenz einer starken demokratisch-sozialistischen Partei in Deutschland als lebenswichtig fuer den Frieden Europas. Die Britische Arbeiterpartei betrachtet mit Interesse und Befriedigung die Bemuehungen der SPD um den Wiederaufbau eines fortschrittlichen demokratischen Deutschland aus den Truemmern des Nazi-Wahnsinns. Nur die Existenz einer solchen Partei wird den deutschen Arbeitern ermöglichen, ihren Teil beizutragen und am Aufbau eines freien Lebens in der ganzen Welt mitzuwirken."
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In einer abschliessenden Diskussion ueber Pressefragen berichtete Gen. Heine kurz ueber den gegenwaertigen Stand und die Informationen, die Ollenhauer und er in London erhalten hatten. - Da das Problem der
organisatorischen Einheit von SPD und KPD
gegenwaertig in Deutschland stark umstritten ist, bringen wir Ausfuehrungen den Gen. Dr. Kurt Schumacher ueber dieses Thema zur Orientierung unserer Leser etwas ausfuehrlicher.
Dr. Schumacher fuehrte etwa folgendes aus:
"Wir hoeren aus der oestlichen Zone, dass sich dort eine organisatorische Einheit der SPD und der KPD angebahnt hat. Mit dieser Situation haben wir uns auseinanderzusetzen. Die Periode der taktischen Nuancierung ist vorueber. Wir sind in das Stadium der Dinge eingetreten, wo sich die Verhaeltnisse auf ein klares Ja oder Nein hinausdrängen. Wenn die KPD die Politik haette machen wollen, die sie jetzt als notwendig proklamiert, und wenn sie all die Dinge verwirft, die sie vor 1933 falsch gemacht hat, dann ist uns unter den heutigen Verhaeltnissen damit nicht mehr gedient. Sie haette vor 1933 sozialdemokratische Politik machen muessen und nicht Obstruktionspolitik gemeinsam mit den Buergerlichen und den Nationalsozialisten gegen die Sozialdemokratie. Unter den gegebenen Machtverhaeltnissen der oestlichen Zone ist unsere Partei in diesem Gebiet vor eine besondere Situation gestellt, der sie auf irgendeine Weise gerecht werden muss. In der westlichen Zone liegen die Dinge ganz anders. Hier kann und will die SPD auf die Freiheit ihrer Entschluesse nicht verzichten ... Wenn wir die organisatorische Einheit mit den Kommunisten ablehnen, dann duerfen wir nicht vergessen, dass zur Einigung der beiden Arbeiterparteien die ideologische Einheit und die Einheit in der Stellungnahme zu den Problemen der grossen Tagespolitik notwendig sind. Zu diesen aktuellen Problemen gehoeren heute die Frage der Grenzziehung im Osten, die systematische Ausraubung unseres Industriepotentials im Osten, die unbarmherzige Vertreibung von 6½ Millionen deutschen Fluechtlingen. Zu diesen drei grossen Problemen ist die Stellung der Kommunistischen Partei zumindest unklar. Die KP Frankreichs hat eine wueste Hetzkampagne gegen Deutschland entfaltet. Die KPD schweigt dazu. Ausserdem stellt sich die KPD auf den Standpunkt, dass die Initiative fuer den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft dem Privatunternehmertum ueber-
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tragen werden muesse. Sie stellt sich damit so weit rechts von uns, dass sie mit dem blossen Auge ueberhaupt nicht mehr zu erkennen ist.
Wir dagegen stehen auf dem Standpunkt, dass gerade in der jetzigen Periode die Machtstellung des Kapitals gebrochen werden muss. Wenn wir unter den gegenwaertigen Verhaeltnissen dem Unternehmertum die geringste Chance geben, wuerden sie es geschickt auszunutzen verstehen, und seine Machtposition wird in absehbarer Zeit wieder ebenso stark sein wie in der Periode nach der Inflation.
Die KPD bekennt sich heute zur Demokratie, zum Parlamentarismus, zur Republik. Wenn sie diese politische Stellung ehrlich meint, ist sie als politische Partei in Deutschland ueberfluessig. Wir haben aber in der Periode nach dem VI. Weltkongress[14] gesehen, dass die KPD oder vielmehr die Komintern sich in der Analyse der politischen Situation grundlegend geirrt hat, als sie die Sozialdemokratie deswegen zum Hauptfeind erklaerte, weil erst die Uebernahme der politischen Macht durch den Nationalsozialismus die Vorbedingung fuer eine revolutionaere Situation in Deutschland waere. Es war dies eine Wiederholung des Fehlers, den sie bereits in den Jahren 1918-1920, als die Revolutionskaempfe zum Ausdruck [!] kamen, zum ersten Mal beging, indem die KPD erklaerte, sie wolle erst einmal abwarten, ob der neue Staat ein reiner Arbeiterstaat wuerde.
Dem gruendlichen Verkennen der politischen Situation ist die deutsche Arbeiterklasse zweimal geopfert worden. Zum drittenmal wollen und werden wir sie nicht opfern lassen. Erstens, weil die deutsche Arbeiterklasse ein Bestandteil der internationalen Arbeiterklasse ist, und zweitens, weil sie ein Bestandteil der deutschen Nation ist.
Wenn auch die Solidaritaet der internationalen Arbeiterklasse des sozialistischen Sektors sich im Augenblick in Bezug auf die deutschen Verhaeltnisse nicht zeigt oder erst sehr unklar und verschwommen zu erkennen ist (Intervention Léon Blums fuer Deutschland im französischen Parlament am 20. Dezember 1945), so gehoert sie doch in die Reihen des internationalen Sozialismus und muss sich zum mindesten nach den Verhaeltnissen in den anderen Laendern richten, in denen die Spannung zwischen Kommunisten und Sozialisten viel geringer war, die Konsequenzen weniger katastrophal, wo aber trotzdem die
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Einigung der beiden Parteien im Augenblick kein Diskussionsobjekt ist. Nach den neuesten Meldungen hat die Sozialistische Partei Frankreichs die Wiederaufnahme der Beziehungen zu der Kommunistischen Partei von der sofortigen Einstellung der antisozialistischen Kampagne in den Reihen der KPF abhaengig gemacht.
Eine andere Frage ist die Stellung der Sowjetunion selber und das Anhaengigkeitsverhaeltnis der Kommunistischen Partei zu ihr. Weite Kreise der deutschen Arbeiterschaft haben vor dem Machtantritt Hitlers in der Sowjetunion das Vaterland der Arbeiter gesehen. Diese Situation hat sich vollkommen geaendert. Durch die oekonomische Entwicklung des sowjetischen Staatskapitalismus, denen sich die staatspolitische Entwicklung anzupassen hatte, ist die Sowjetunion ein Staat wie jeder andere geworden, der seine eigenen nationalen Interessen verteidigen und erhalten muss. Diese Interessen der internationalen Arbeiterklasse und der Kommunistischen Partei sind aber seit langem schon nicht mehr identisch mit den Interessen der Sowjetunion. - Wie wir bereits vorher erwaehnten, ist die deutsche Arbeiterklasse ein Bestandteil der deutschen Nation. Wir haben die Aufgabe, ihr im Rahmen der nationalen Interessen die Lebensbasis zu verschaffen, die sie braucht, und muessen gegen jede Verschmaelerung dieser Lebensbasis Stellung nehmen. Wir koennen uns dabei weder von Gefühlen fuer oder gegen eine bestimmte Besatzungsmacht leiten lassen, sondern gehen mit allen zusammen, die uns helfen und muessen gegen alle opponieren, die die nationalen Interessen beeintraechtigen. Ausserdem aber wuerde durch ein Verschmelzen mit der Kommunistischen Partei eine einseitige Stellungnahme unsererseits fuer die Sowjetunion und gegen alle anderen Maechte klar zum Ausdruck kommen, waere also eine Stoerung des Gleichgewichts unter diesen Maechten von unserer Seite aus. Und das muessen wir unter allen Umstaenden vermeiden. Wir koennen einen Versuch der KPD, sich der Arbeiterklasse als eines Instruments der Aussenpolitik einer Besatzungsmacht zu bedienen, nicht dulden. Aus diesem Grunde und von der Verantwortung gegenueber der Arbeiterklasse Deutschlands getragen, haben die Funktionaere der deutschen Sozialdemokratie die organisatorische Einigung mit der KPD einstimmig abgelehnt." (Die Entschliessung der Westzonen hatten wir bereits in Nr. 82 der SM gebracht.)
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Die zehn Punkte des Zentralausschusses der SPD[15]
Alle Informationen aus der Russischen Zone machen es von Tag zu Tag deutlicher, dass eine staerkere Verminderung der politischen Betaetigungsmoeglichkeit besonders fuer die SPD eingetreten ist. Nur in Berlin schein es noch moeglich, dass SPD-Funktionaere klar und eindeutig, z. T. mit Vierfuenftel-Mehrheit in Parteiveranstaltungen, gegen diese Art der "Fusion", wie sie gegenwaertig in der Ostzone erzwungen wird, Stellung nehmen, sodass auch neutrale Berichterstatter in englischen Zeitungen wie "Manchester Guardian", "News Chronicle", Daily Herald", "Times" ausfuehrliche Berichte bringen. Nunmehr ist der Wortlaut jener 10 Punkte des ZA der SPD bekannt geworden, der eine Art Verhandlungsprogramm des ZA bilden sollte. Diese 10 Punkte geben eine anschauliche Darstellung der gesamten Situation, in der diese Verhandlungen erfolgten und noch erfolgen. Da diese Feststellungen des ZA von historischer Bedeutung sein werden, bringen wir sie unseren Lesern als Dokument zur Kenntnis.
"Nach sechs Monaten der Zusammenarbeit beim Aufbau eines neuen Deutschland stellt der ZA der SPD fuer die Sowjetrussische Besatzungszone einschliesslich Berlin folgendes fest:
1. Die KPD erfaehrt durch die sowjetrussische Besatzungsmacht eine wesentlich weitergehende und nachdruecklichere Foerderung als die SPD. Das drueckt sich aus in einer schnelleren und weitergehenden tatsaechlichen Hilfsbereitschaft und Erleichterung beim organisatorischen Aufbau der KPD, ihrer Presse und sonstigen Publikationen. Das aeussert sich vor allem auch in der Einraeumung eines wesentlich staerkeren zahlenmaessigen und auch sonstigen Einflusses der KPD in allen Organen der Sowjetrussischen Besatzungszone, wie z. B. in den Zentralverwaltungen, den Laender- und Provinzverwaltungen der Kreise und Gemeinden.
2. Die KPD handelt vielfach nicht im Geiste der von ihr selbst bekundeten demokratischen Grundsaetze und der vereinbarten guten Zusammenarbeit. Es mehren sich die Zeugnisse eines undemokratischen Drucks auf SPD-Genossen.
3. Durch die unter 1 und 2 festgestellten Abweichungen vom Geist und Buchstaben der Bekundungen der KPD
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und der gemeinsamen Vereinbarungen ist die vorbehaltlose Bereitschaft grosser Teile der Funktionaere und Anhaenger der SPD einem zunehmenden Zweifel an der Ehrlichkeit des Bekenntnisses der KPD zur Demokratie und des Willens zur Zusammenarbeit und zur Einheit ohne betonten Fuehrungsanspruch der KPD gewichen.
4. Der ZA der SPD erklaert danach, dass erst nach voller Beseitigung der Vorzugsstellung der KPD und nach vorbehaltloser Aufgabe aller unzulaessigen Einflussnahme auf die SPD und auf einzelne Sozialdemokraten eine gute Zusammenarbeit und die Vorbereitung der Einheit beider Parteien moeglich sind.
5. Der ZA der SPD erklaert weiter, dass er entschlossen ist, die Vertreter der SPD aus allen verantwortlichen Stellen in den Organen der Selbstverwaltung zurueckzuziehen, wenn nicht alsbald die unter 4 bezeichneten Voraussetzungen erfuellt werden.
6. Der ZA der SPD ist erst nach Erfuellung der genannten Voraussetzungen in der Lage, zu der Frage eines gemeinsamen Wahlprogramms und gemeinsamer Listen bei etwaigen Wahlen Stellung zu nehmen.
7. Schon jetzt macht der ZA darauf aufmerksam, dass die SPD vor der Bildung der SPD im gesamten Reich und ihrer ungehinderten Entfaltung und vor der ordnungsgemaessen Wahl ihrer Instanzen durch eine Reichskonferenz bezw. einen Reichsparteitag keine verbindlichen Erklaerungen ueber die Zusammenarbeit, die Herausgabe gemeinsamer Wahlprogramme und die Aufstellung gemeinsamer Wahllisten in der Englischen, Amerikanischen und Franzoesischen Besatzungszone abgeben kann und will.
8. Zur Frage eines gemeinsamen Wahlprogramms und gemeinsamer Wahllisten in der Russischen Besatzungszone einschl. Berlin erklaert der ZA folgendes: Ohne seiner endgueltigen Entscheidung vorzugreifen, die erst nach Erfuellung der dargelegten Voraussetzungen moeglich ist, ist der ZA der Auffassung, dass es sich aus gewichtigen Gruenden verbietet, fuer etwaige Wahlen gemeinsame Listen aufzustellen. Diese Frage kann ebenso wenig zonenmaessig entschieden werden wie die Herstellung der organisatorischen Einheit der beiden Parteien, ohne dass die politische Einheit Deutschlands und damit zugleich die Einheit der SPD im gesamten Reiche gefaehrdet wuerde. Ueberdies sprechen auch
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wesentliche taktische Gruende gegen die Aufstellung gemeinsamer Wahllisten.
9. Der ZA der SPD drueckt erneut seinen Willen aus, auf der Basis absoluter Gleichberechtigung mit der KPD beim Aufbau einer parlamentarisch-demokratischen Republik auf das engste zusammenzuarbeiten. Er ist dabei vorbehaltlos zu einer Politik entschlossen, die die Fehler und Schwaechen der Vergangenheit vermeidet. Er verspricht und erwartet, dass die SPD und die KPD in ihrer oeffentlichen Wirksamkeit, also auch bei der Vorbereitung von Wahlen, jede gegenseitige Bekaempfung unterlassen, insbes. auf alle Angriffe und Auseinandersetzungen, die auf Differenzen der Vergangenheit beruhen, verzichten.
10. Der ZA wird sich bei allen seinen Beschluessen und Massnahmen von der Ueberzeugung leiten lassen, dass die Einheit der deutschen Arbeiterbewegung eine geschichtliche Notwendigkeit ist. Sie vorbereiten zu helfen, betrachtet er als seine besondere Verpflichtung. Er ist der Auffassung, dass die SPD und die KPD unablaessig das Ziel verfolgen muessen, zum geeigneten Zeitpunkt sich selbst zugunsten einer neuen und geeinten, unabhaengigen deutschen Arbeiterpartei, die auf dem Grundsatz der inneren Parteidemokratie beruht, aufzuloesen."
SPD-Sonderparteitag fuer die Russische Zone
Der bisherige Standpunkt des ZA, "dass der Reichszusammenhang der Arbeiterparteien hergestellt sein muss, ehe eine organisatorische Verschmelzung moeglich ist und dass sie nur aus einer Entscheidung der Vertretungsorgane der Gesamtpartei hervorgehen kann",
wurde Mitte Februar fallen gelassen, als Genosse Grotewohl in Thueringen und in Berlin auf Gewerkschaftskonferenzen mitteilte, der Zentralausschuss der SPD werde die Fusion mit der KP einem Parteitag vorschlagen, der bald fuer die Sowjetzone, einschliesslich Berlin, einberufen werden soll. Grotewohl fuegte hinzu: "Bisher haben wir verlangt, dass ein Reichsparteitag ueber die Fusionsfrage entscheiden soll. Jetzt wird es ein Zonenkongress tun. Meine Reise in die westlichen Zonen fuehrte zu einer Situation, die eine Aenderung der Ansichten des Zentral-Ausschusses noetig machte."[16] Der Kongress soll am 20. und 21. April in Berlin stattfinden.
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Schumachers Verhandlungen in Berlin
Nach seiner Rueckkehr von Verhandlungen mit den Mitgliedern des Zentral-Ausschusses der SPD in Berlin Ende Februar sagte Dr. Schumacher, dass er den Eindruck hatte, dass die ueberwaeltigende Mehrheit der Berliner Sozialdemokraten gegen eine Verschmelzung mit der KPD sind, da sie darin nicht eine wirkliche Vereinigung sehen, sondern den Sieg der KP-Fuehrung ueber die SPD.
Schumacher bedauerte, dass er nicht, wie urspruenglich geplant war, zu einer Berliner Funktionaersversammlung sprechen konnte, da diese Versammlung im letzten Augenblick abgesagt wurde. Es war ihm moeglich, mit den Mitgliedern des ZA zu sprechen.[17] Darueber hinaus konnte er auf privatem Wege einige Informationen einholen. Er ist der Meinung, dass nach der Fusion die KPD bald die Fuehrung an sich reissen und dass eine "Einheitsliste" aller Parteien sehr schnell folgen wuerde. Eine solche Einheitsliste wuerde das Ende der Demokratie bedeuten. Schumacher betonte, dass er grundsaetzlich fuer eine einige Arbeiterbewegung sei, aber "fuer die europaeische Arbeiterklasse ist die Idee des Sozialismus unloeslich verknuepft mit der Idee geistiger Freiheit und freier Kritik".
Sozialdemokratische Stellungnahme zur Rationskürzung
In der Britischen Besatzungszone sind erhebliche Kürzungen der Lebensmittelrationen angezeigt worden, die zu einer tiefen Beunruhigung der gesamten Bevölkerung geführt haben. Die sich bisher versteckt gehaltenen Nazis versuchen bereits, durch Ausstreuung von Geruechten politische Geschaefte zu machen.
Es ist klar, dass die SPD in dieser Frage keine Entscheidungs- oder Mitbestimmungsmoeglichkeit hat. Das entbindet aber nicht die Partei zur [!] Stellungnahme. Ihr Interesse ist, die Ursachen der Kuerzung - Hitlerkriegsfolge, Weltmangellage, Transport - klarzustellen, die Debatten in richtige Bahnen zu lenken und Massnahmen zur Linderung und Ueberwindung der Not vorzuschlagen. Bauern und Handelstreibende duerfen nicht mehr ein Sonderleben fuehren, sondern muessen den anderen gleichgestellt werden. Im Duesseldorfer Kreis hat die SPD Ausschüsse gebildet, die die Ablieferungsmöglichkeiten kontrollieren.
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Die Erklaerungen britischer Staatsmaenner ueber die Gefahr einer Welthungersnot haben den universellen Charakter der Probleme unterstrichen, mit denen heute ganz Europa zu ringen hat. Sieger und Besiegte stehen vor der Tatsache groesserer oder kleinerer Defizite im Haushalt ihrer Volksernaehrung. Die Zerstoerungen des Krieges, welche weite Landstriche des europaeischen Festlandes verwuestet haben, liessen eine geschwaechte Produktionskraft und eine verarmte Bevoelkerung zurueck. Es wuerde einer grossen gemeinsamen Anstrengung im Dienste eines gesamteuropaeischen Wiederaufbaus beduerfen, um diesen Notstand in absehbarer Zeit zu ueberwinden; aber auch in diesem guenstigen Falle bleibe zunaechst die Tatsache bestehen, dass im Austauschverkehr der Welt alle europaeischen Laender zusammen nicht genuegend Gegenwerte fuer ihren Importbedarf an Lebensmitteln zu bieten haben, und dass in den Speichern der Ueberschusslaender nicht genug Vorraete vorhanden sind, um diesen Importbedarf zu befriedigen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese wahrhaft internationalen Probleme im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit einer Loesung naehergebracht werden koennen. Bis dahin wird aber im Rahmen der gemeinsamen europäischen Notstandsprobleme ein besonderes Hilfsprogramm Deutschland existieren, welches genau so der vereinten Anstrengungen aller Menschenfreunde bedarf, wie jeder grosse Notstand in jedem Teil unseres Planeten.
Die Dringlichkeit dieses speziellen deutschen Hilfsproblems wird auch von jenen Deutschen betont, die in unversoehnlicher Opposition zum Nationalsozialismus gestanden sind und die einig sind in der Verurteilung der Verbrechen, welche die Kriegspolitik Hitlerdeutschlands an den uebrigen Voelkern Europas begangen hat.
In London ist seit einiger Zeit ein Ausschuss demokratischer Deutscher am Werke, um die Probleme einer wirksamen Hilfeleistung fuer die Notleidenden in Deutschland (Vertriebene, Hungernde, Obdachlose, Opfer des Nazismus) klaeren zu helfen. Es ist hier bekannt, dass in einer ganzen Anzahl aussereuropaeischer Laender, besonders in Nord- und Suedamerika, von karitativen Organisationen
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und edlen Menschenfreunden aller Richtungen hart gearbeitet wird, um den Notleidenden in Deutschland Hilfe zu bringen. Bemuehungen dieser Art beschraenken sich zum Glueck nicht allein auf die deutschstaemmigen Buerger dieser Laender oder auf den kleinen Kreis der unentwegten Freunde des deutschen Volkes in der Welt. In Grossbritannien und in den Vereinigten Staaten sind Maenner und Frauen von hoher Gesinnung hervorgetreten, welche es mit ihrer eigenen christlichen oder aktiv humanitaeren Weltanschauung unvereinbar finden, dass man Muetter und Saeuglinge, Krueppel, Kranke und Greise in Deutschland fuer die Verbrechen Hitlers und seiner Partei buessen lassen soll. Trotz all dieser Bemuehungen, die ihren beredten Ausdruck auf der Tribuene des amerikanischen Senats, in beiden Haeusern des englischen Parlaments, im Empfangssalon des britischen Ministerpraesidenten Attlee und bei der Massenkundgebung in der Londoner Albert Hall gefunden haben, sind aber die Ergebnisse durchaus unbefriedigend. Die Tatsache bleibt bestehen, dass Millionen Menschen in den verschiedensten Teilen der Welt bereit sind, von ihrem Wohlstand ein Scherflein fuer Hilfsbeduerftige ohne Unterschied der Rasse oder Sprache abzugeben, waehrend in Deutschland Kinder, Kranke und Alte sterben muessen, die durch dieses Scherflein gerettet werden koennten. Es gibt unsichtbare Schranken zwischen der Hilfsbereitschaft auf der einen und der Hilfsbeduerftigkeit auf der anderen Seite.
Der Arbeitsausschuss in London, der aus Mitgliedern der "Arbeiterwohlfahrt", aus Katholiken und Protestanten usw. zusammengesetzt ist, hat sich mit allen Problemen einer wirksamen Hilfeleistung in mehreren Besprechungen beschaeftigt und das Ergebnis seiner Erhebungen in einem Bericht zusammengestellt, den wir leider wegen Platzmangel hier nicht bringen koennen.[18]
Das Hindernis Potsdam und seine Beschluesse zwingen zunaechst, besonders in England, zum Umweg ueber eine Europahilfe. Deutschland ist als einziges Notstandsgebiet von der UNRRA-Hilfe ausgeschlossen. Das Prinzip "Europa als Ganzes" muss sich als Benachteiligung deutscher Notleidender auswirken. Die "Kalorienschranke" als Hindernis einer Hilfe fuer Deutschland wird ausfuehrlich in dem Bericht dargestellt und bekaempft, und dann wird ueber eine Aktion in England folgendes berichtet:
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"Es war vor allem die 'Save Europe Now'-Aktion unter Fuehrung von Victor Gollancz, R.R. Stokes, M.P., Eleanor Rathbone, M.P., dem Bischof von Chichester, Prof. Gilb. Murray, Earl Russell[19] u. a., die eine einseitige Ausschliessung Deutschlands aus den privaten europaeischen Hilfsaktionen ueberwunden hat. Die Regierung gab insofern dem Draengen britischer Hilfsaktionen nach, die in zweimaligen Vorsprachen fuehrender Persoenlichkeiten in No. 10, Downing Street, gipfelten, dass sie die Transferierung von £ 150.000 zum Ankauf von Lebensmitteln fuer Hilfszwecke im Ausland bewilligte. Fuer diese £ 150.000 sollen hauptsaechlich Einkaeufe in Daenemark getaetigt werden, was wieder einen Ueberschuss an Lebensmitteln verzeichnet. Zur Durchfuehrung der ganzen Aktion wurde eine Dachorganisation geschaffen, genannt 'Council of British Societies for Relief Abroad', abgekuerzt COBSRA (75 Victoria Street, London, S.W.1)"
Die Zweckbestimmung der Spenden, um die 'Save Europe Now' ersucht, wird dahin umschrieben, dass die davon angekauften Lebensmittel "zur Aufbesserung der Minimumrationen von Gruppen in spezieller Notlage, Saeuglingen und Kindern, werdenden Muettern, kranken und alten Menschen" verwendet werden sollen. Die Verteilung wird "ohne Ruecksicht auf Rasse, Nationalitaet oder Bekenntnis" erfolgen. In diesem Aufruf des 'Save Europe Now'-Komitees wird speziell darauf hingewiesen, dass die COBSRA ihre Aktivitaet auch auf die Zivilbevoelkerung in Deutschland und Oesterreich ausgedehnt hat.
Wer in ueberseeischen Laendern fuer diesen Zweck helfen will, der adressiere Geldspenden an 'Save Europe Now' (Food Relief Fund), 14 Henrietta Street, London, W.C.2.
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Die "Arbeiterwohlfahrt" in Grossbritannien
hat unter der Redaktionsfuehrung ihrer Sekretaerin Gen. Herta Gotthelf erstmalig ein Mitteilungsblatt herausgegeben, das der von der AW betriebenen Sammelaktion an Geld, Lebensmitteln, Medikamenten, Buechern und Kleidungsstuecken zugunsten der aus den Konzentrationslagern und Gefaengnissen entlassenen deutschen Genossen und deren Familienangehoerigen und elternlosen Kindern usw. dienen soll und unseren Lesern in England mit den "SM" zugeht.
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Die Muenchener Post ist wieder erschienen[20], deren Betrieb am 8.3.1933 von den Nazis vandalisch zerstoert wurde. Sie ist nun am 15. Jan. 1946 unter dem alten Namen wieder erschienen. Dr. Hoegner bringt in einem Artikel "Das Muenchener Programm der Sozialdemokratie" einen Beitrag zum Problem der foederalistischen Gliederung des Reiches und bemerkt dazu: "Man musste zunaechst daran denken, die Glieder eines kuenftigen deutschen Bundesstaates, naemlich die einzelnen Laender, zu staerken, um aus ihnen spaeter wieder einen deutschen Bund hervorwachsen zu lassen ..."
"Volksstimme" nennt sich das neue Mitteilungsblatt der SPD Gross-Hessen, das seit dem 16. Februar 1946 erscheint[21]. Im Geleitwort der ersten Nummer heisst es: "Dieses Mitteilungsblatt ist ein erster Anfang - mit der frueheren 'Volksstimme' hat es nur den Namen gemeinsam. Und doch - es ist ein Anfang! Die leidige Papierfrage laesst sich nicht von heute auf morgen loesen. Um eine Tonne Papier herzustellen, wird eine Tonne Kohle benoetigt ..." Die Nummer berichtet ueber allgemeine Organisationsfragen, gibt politische Entschliessungen bekannt, berichtet ueber Frauen- und Jugendarbeit und ueber das Anwachsen der Arbeiterwohlfahrt.
Die "Rheinische Zeitung" ist in Koeln wieder erschienen. Der leitende Redakteur ist Willi Eichler. In der Britischen Zone werden im Laufe der kommenden Monate etwa 36 Parteizeitungen erscheinen, davon etwa 12 der SPD. Die naechsten Parteizeitungen werden voraussichtlich in Duesseldorf und Essen erscheinen, und es wird erwartet, dass einige parteigenoessische Redakteure aus der Emigration heimkehren werden.
Die SPD-Presse in der gesamten Russischen Zone hat eine Auflage von etwa 1,2 Millionen, die kommunistische Presse erhaelt Papier fuer eine Auflage von ca. 3,5 bis 4 Millionen. Der "Tagesspiegel" in Berlin hat eine Auflage von 300.000, die jedoch auf 500.000 erhöht werden soll. Das "Volk" (Berliner SPD-Zeitung) hat eine theoretische Auflage von 400.000 Exemplaren, tatsaechlich aber erscheinen nur 250.000 Exemplare.
Die Leser dieser "SM" werden gebeten, gelesene Nummern an Interessierte weiterzugeben !
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Die Fackeltraeger - Unter diesem Titel hat der Genosse Wenzel Jaksch unserem verstorbenen Hans Vogel eine Gedenkschrift gewidmet, die jetzt zum Verkauf steht. Die drei Abschnitte "Lehr- und Aufstiegsjahre", "Kampf- und Leidensjahre" und "Bewährungszeit" geben nicht nur ein anschauliches Bild eines der Fackeltraeger der deutschen Arbeiterbewegung, Jaksch hat uns mit diesen Gedenkblaettern auch eines der interessantesten Kapitel deutscher Parteigeschichte und ein Stück Geschichte der deutschen Emigration geschrieben. Zwei Kunstdrucke, Hans Vogel und Otto Wels in ihren besten Jahren darstellend, erhoehen den Wert der Schrift. Die Schrift kann bei uns gegen Einsendung von sh 2/2 (einschl. Porto) entnommen werden, ausserdem geht sie an unsere Vertrauensmaenner der verschiedenen Laender. In den Vereinigten Staaten kann die Schrift bei dem Gen. Rudi Leeb, 48 W. 94th Street, New York 24, N.Y., USA, und in Deutschland bei dem Gen. Fritz Heine[22], Hannover, Jakobstrasse 10, bestellt werden.
Totenliste |
Verspaetet erfahren wir, dass Gen. Adolf Geck[23], Gruender des Volksfreund in Karlsruhe und Reichstagsabgeordneter fuer Baden, 1942 im 89 Lebensjahr in Offenburg gestorben ist. - Fritz Stahl, der aelteste Sohn von Emil Stahl und von 1922 bis 1927 Vorsitzender der SAJ Spandau, ist in russischer Kriegsgefangenschaft in Litauen gestorben[24]. Fr. St. stand s. Zt. wegen illegaler Taetigkeit vor dem Volksgericht in Berlin und war eine Zeitlang im KZ. -
Beim Schreiben dieser Zeilen erreicht uns ein Telegramm aus New York mit der schmerzlichen Mitteilung, dass am 6. Maerz 1946 Robert Groetzsch an den Folgen einer Operation wegen Lungenkrebs verstorben ist. Robert Groetzsch war viele Jahre Chefredakteur der "Dresdner Volkszeitung" und nach seiner Emigration nach Prag Mitarbeiter am "Neuen Vorwaerts", am "Sozialdemokrat" und in New York an der "Volkszeitung". Er hat sich selbst ein Denkmal gesetzt durch seinen Emigrantenroman "Wir suchen ein Land", und durch seine erfolgreichen Kinderbuecher und die Maerchen fuer die arbeitende Jugend, die hoffentlich recht bald als Neudrucke in der befreiten Heimat erscheinen werden. - Wir werden all unseren toten Genossen ein ehrendes Andenken bewahren.
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Wiederaufbau der Sozialistischen Internationale
Die naechsten Schritte zum Wiederaufbau der Sozialistischen Arbeiter-Internationale waren eines der Themen, die gelegentlich des Besuches der italienischen Sozialistenfuehrer Pietro Nenni (Generalsekretaer und gegenwärtig stellvertretender Ministerpraesident) und Ignazio Silone[25] in London zwischen ihnen und Vertretern der englischen Labour Party diskutiert wurden.
Gegenwaertig besteht ein vorbereitendes Komitee fuer den Wiederaufbau der Internationale, dessen Vorsitzender Camille Huysmans ist und dem fast nur europaeische Parteien angehoeren, abgesehen von der juedischen Arbeiterpartei Palaestinas[26]. In diesem Komitee sind die Italiener die einzige Partei eines ehemaligen Achsenlandes.
Dieses vorbereitende Komitee hat seit dem letzten Fruehjahr nicht mehr getagt, und die schriftliche Diskussion ueber den Neuaufbau der Internationale zwischen den interessierten Parteien hat auch keinen nennenswerten Fortschritt gemacht. Die Labour Party hat es im vergangenen halben Jahr bewusst vorgezogen, zunaechst ihre direkten Kontakte mit den einzelnen sozialistischen Parteien des Kontinents zu entwickeln und sich ein gruendliches Bild von den Veraenderungen zu schaffen, die Kriegsbesetzung und die Bedingungen der Befreiung in ihrer Zusammensetzung, Staerke und Orientierung hervorgebracht haben.
Nun haben die Italiener den Stein erneut ins Rollen gebracht. Die Labour Party hat sich bereit erklaert, das vorbereitende Komitee fuer den kommenden April erneut nach London einzuladen und ihm die Schaffung eines permanenten Bureaus zur Aufrechterhaltung der Verbindung in London vorzuschlagen. Fuer 1947 ist die Einberufung des ersten Nachkriegskongresses der SAI vorgesehen.
Vertreter der Labour Party und der franzoesischen sozialistischen Partei arbeiten bereits seit einiger Zeit an einem neuen Statutenentwurf. Es ist vorgesehen, dass zu dem kuenftigen Kongress auch Parteien der ehemaligen Achsenlaender eingeladen werden sollen - mit vorlaeufiger Ausnahme der deutschen Sozialdemokratie.
(Entnommen der "AUSLANDS-RUNDSCHAU der SPD")[27]
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