Nr. 36 - 1942 |
1. April |
Sozialistische Mitteilungen News for German Socialists in England | |
This newsletter is published for the information of Social Democratic
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Mit dem Einzug des Frühlings hat wieder das Rätselraten um Hitlers nächsten Schlag begonnen: Die grösste Wahrscheinlichkeit haben jene Voraussagen für sich, die von einem neuen Angriff an der Ostfront sprechen, wobei nur die Frage ist, in welche Richtung der Hauptstoss erfolgen wird. Da das Oel des Kaukasus Hitlers lockendstes Ziel ist, da sein russischer Feldzug im Süden am weitesten geführt hat, da ein Durchbruch, der zur Fühlungnahme mit dem japanischen Angreifer führen könnte, wenn überhaupt, dann nur auf dem Wege über Persien und Indien möglich erscheint, spricht sehr viel für die Annahme, dass an den Ufern des Schwarzen Meeres und im östlichen Mittelmeer das Hauptgefahrenfeld der nächsten Wochen liegt. Nicht nur die russische Südfront, auch die Türkei und der Vordere Orient sind bedroht, der bisher dank der deutsch-italienischen Misserfolge in Libyen und der rechtzeitigen Vorkehrungen in Syrien, Irak und Persien gehalten wurde und sich als ein unschätzbares Bollwerk gegen einen neuen Stoss Hitlers nach Südosten erweisen wird.
Dass ein neuer Versuch Hitlers im Osten am wahrscheinlichsten ist, heisst nicht, dass es der einzig mögliche ist. Die Bereitschaftsmassnahmen, die England gegen eine neue Invasions-drohung trifft, sprechen eine deutliche Sprache, und der Einsatz der deutschen Luftwaffe gegen Malta und die Schiffahrt im Mittelmeer deuten darauf hin, dass die Pläne, die durch Rommels Armee in Nordafrika verwirklicht werden sollten, noch immer nicht aufgegeben sind.
Es wäre töricht und gefährlich, die Gefahren zu unterschätzen, die in diesem Frühjahr wieder akut werden.
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Aber diesmal ist die Lage deutlich verschieden von der vor einem und vor zwei Jahren. Hitlers Armee hat im letzten Jahre Verluste erlitten wie nie zuvor. Hilfstruppen in allen unterworfenen Ländern Europas mussten geworben werden, Vasallenheere aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien wurden mobilisiert, und angesichts aller Massnahmen, die jüngst im Dritten Reiche zur Aufbietung der letzten verfügbaren Kriegsmannschaften und Arbeitskräfte und zur Einschränkung des Verbrauchs der letzten vorhandenen Vorräte getroffen wurden, ist tatsächlich die Frage berechtigt, wieviel Reserven Hitler noch in die Schlacht zu werfen hat. Während vor ein und vor zwei Jahren das Rätselraten darum ging, welchen Schlag Hitler wird führen können, geht es diesmal um die Frage, welchen Schlag er wird führen müssen in der Hoffnung, aus der Lage, in der sich seine militärische und politische Macht befindet, einen Ausweg zu finden. Was ihn diesmal treiben wird, wird nicht der Drang des Welteroberers, sondern der Drang sein, an neuen Ufern Vorräte aufzufüllen und dort Fuss zu fassen, wo er Entsatz vom Fernen Osten erhofft.
Und noch ein Unterschied: Zum ersten Male denkt man, wenn man von einer Frühjahrsoffensive spricht, nicht nur an die Offensive Hitlers oder seiner Verbündeten. Zum ersten Male ist eine Offensive gegen Hitler oder seine Verbündeten zu einer Möglichkeit geworden, von der auch solche zu sprechen beginnen, die keine blossen Wunschträumer oder Schlagwortverbreiter sind. Die Ankunft des amerikanischen Generals MacArthur[1] in Australien, die Vorstösse der amerikanischen Flotte in den westlichen Stillen Ozean, der Aufmarsch chinesischer Kämpfer in Burma und die Entscheidungen, die jetzt in Indien fallen, - alles deutet auf Vorbereitungen für eine Gegenoffensive, die der verlustreichen Defensive gegen Japans Vorstösse im Fernen Osten folgen soll; und ebenso deuten die neuen Transporte amerikanischer und kanadischer Truppen, die nach Grossbritannien kamen, auf Vorbereitungen einer Offensive im Westen.
Jeder Denkende ist sich klar über die Schwierigkeiten der Probleme, wie und wo eine neue Front gegen Hitler geschaffen werden kann, die seine Macht auf dem Kontinent bedroht. Aber ebenso klar ist, dass Hitlers entscheidende Niederlage erst auf dem europäischen Kontinent erfolgen kann. Ihre Vorbereitung ist nicht nur eine militärische
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Frage, die engstes Zusammenwirken der gegen Hitler verbündeten Mächte erfordert. Sie ist auch eine politische Frage, die bei diesen Verbündeten Erkenntnis der Möglichkeiten voraussetzt, die für eine Erhebung gegen Hitlers Herrschaft in Europa bestehen. Es scheint uns klar zu sein, dass von der Haltung der arbeitenden Massen Europas und der auf die Stunde der Befreiung hoffenden Gegner des Faschismus in allen faschistisch regierten und beherrschten Ländern das Schicksal eines Vorstosses nach Europa, von wem und von wo er auch kommen möge, entscheidend abhängt.
Den geistigen Kontakt mit diesen Kräften herstellen, ihre durch gemeinsame Not und gemeinsamen Zwang bestärkte Solidarität ermutigen und ihnen Hoffnung auf die Freiheit und die Zukunft geben, die sie ersehnen: - Das sind Erfordernisse politischer Kriegsführung, die immer dringender werden.
Dass die britische Regierung Indien einen Plan zur Lösung innerer Konflikte und zu neuer Freiheit angeboten hat[2], ist ein verheissungsvolles Ereignis für die ganze Welt. Denn es ist ein Beispiel, das Hoffnung gibt. Die Offensiven Hitlers endeten jedesmal mit der Unterjochung neuer Völker. Die Offensive der Demokratie soll im Zeichen der Einigung und Befreiung der Völker stehen.
Sozialdemokraten gegen die deutsche Sozialdemokratie
Fritz Bieligk[3], Curt Geyer, Carl Herz, Walter Loeb, Kurt Lorenz[4] und Bernhard Menne haben Anfang März eine "Erklärung" verschickt, die sich zum Teil mit tatsächlichen, zum Teil konstruierten Meinungsverschiedenheiten in der deutschen sozialdemokratischen Emigration beschäftigt.[5]
Infolge eines Vertrauensbruchs erfolgte der Versand der Erklärung zum Teil unter Verwendung des Adressenmaterials der Bezieher unserer "Sozialistischen Mitteilungen".
Wir haben in der Emigration bisher den Grundsatz befolgt, interne Auseinandersetzungen in unserer Emigration nicht in der Oeffentlichkeit auszutragen. Wir halten diesen Grundsatz auch im vorliegenden Fall aufrecht und stellen lediglich fest, dass wir in der Abfassung und Verbreitung der Erklärung den Beweis erblicken, dass die sechs Unterzeichner der Erklärung sich nicht mehr mit der Gemeinschaft der sozialdemokratischen Emigration verbunden fühlen.
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"Die alte Welt und die neue Gesellschaft"
Unter dem Titel "The old World and the new Society" hat die Labour Party eine Flugschrift herausgegeben[6], die einen für die Pfingstkonferenz der Labour Party vorbereiteten Bericht über die Probleme des Krieges und des friedlichen Wiederaufbaus enthält und den Labour-Organisationen zum Studium vor der Konferenz dienen soll. Da aus diesem Bericht die Stellungnahme der Labour Party zu allen wichtigen Fragen der Kriegs- und Nachkriegspolitik hervorgeht, geben wir nachstehend eine Uebersicht über den Inhalt der Schrift.
Sie beginnt mit der Feststellung, dass die Labour Party erneut ihren Glauben an die Notwendigkeit des vollkommenen Sieges über die Feinde kundtut. Dieser Sieg darf nicht zu einer Rückkehr zu der planlosen, vom Konkurrenzkampf beherrschten Welt der Zeit zwischen den beiden letzten Weltkriegen führen, in der eine privilegierte Minderheit sich auf Kosten der Allgemeinheit erhalten wollte.
Die Grundlage der künftigen Demokratie muss planmässige Produktion zum Nutzen der Allgemeinheit sein. Es gilt, die - von Roosevelt verkündeten - "vier Freiheiten" zu verwirklichen: Freiheit der Rede, Freiheit der Religion, Freiheit von Not, Freiheit von Furcht; zu diesem Zwecke müssen Vorkehrungen getroffen werden, Beschäftigung für alle zu sichern, Grossbritannien wirtschaftlich und politisch neuzugestalten, eine Sozialpolitik durchzuführen, die für alle Gesundheit, Ernährung, Altersversorgung sichert und jedem die Möglichkeit vollkommener Bildung und Ausbildung gibt.
Eine wichtige Massnahme zur gesellschaftlichen Umbildung nach dem Kriege ist die Aufrechterhaltung der im Kriege eingeführten Kontrolle über Industrie und Landwirtschaft, um die Profitjägerei zu verhindern, die dem letzten Kriege folgte. Schon jetzt sollten Pläne vorbereitet werden, um die rasche Umstellung der Arbeitskräfte und des Materials auf Friedenswirtschaft zu ermöglichen; die Sozialpolitik auf die Notwendigkeit abzustellen, Arbeiter und Arbeiterfamilien nach Kriegsende wieder in die Industrie und Landwirtschaft aufzunehmen und ältere Arbeiter zu pensionieren; das Schulalter sofort auf 15 Jahre und spätestens drei Jahre nach dem Kriege auf 16 Jahre zu erhöhen, wobei den Eltern Unterstützungen für die Kinder während der verlängerten Schulzeit gewährt werden sollen.
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Zur Verwirklichung der Demokratie ist es nötig, dass das alte Konkurrenzsystem durch eine geplante Gesellschaft ersetzt wird. Die Arbeiter müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und an der Festsetzung der Bedingungen, unter denen sie arbeiten, mitzuwirken. Der zukünftige wirtschaftliche und soziale Wohlstand der britischen Bürger ist, so wird betont, nur in Zusammenhang mit dem Wohlstand aller Völker möglich, weshalb versucht werden muss, einen höheren internationalen Lebensstandard herbeizuführen. Der politische Mechanismus der zentralen und lokalen Regierung und Verwaltung muss den Erfordernissen der neuen Gesellschaft angepasst werden, eine Wahlreform ist notwendig, die bisherige Mängel überwindet, ohne Mängel des Verhältniswahlsystems aus kontinentalen Ländern nachzuahmen, und auch das britische Justizsystem bedarf einer Erneuerung.
Die Probleme des britischen Weltreiches werden in einem besonderen Kapitel behandelt. Es wird festgestellt, dass sich die Labour Party jedweder Zurücksetzung der Farbigen widersetzt, ebenso der Ausbeutung kolonialer überseeischer Rohstoffquellen durch weisse Siedler oder Handelsgesellschaften. Sie fordert, dass die Rohstoffe durch Regierungsgesellschaften als Treuhänder für die Eingeborenen des betreffenden Landes verwaltet werden. Der Fonds für die Entwicklung der Kolonien muss stärker als bisher benützt werden, und beim Kolonialamt müsste eine Abteilung für Arbeitsfragen eingesetzt werden, die notwendige Reformen durchführen sollte. 'Die Labour Party gibt zu, dass eine völlige Lösung der schwierigen Probleme der indischen Selbstregierung erst nach Beendigung des Krieges möglich ist, aber sie glaubt, dass die Inder schon jetzt in der Zentralregierung und in den Provinzen volle Verantwortung erhalten sollen und dass Inder bei der Leitung der Kriegsführung gleichberechtigt neben den Staatsmännern der Dominions Platz finden sollten. Das gleiche gilt für Burma und Ceylon.'
Die Probleme des kommenden Friedensschlusses werden im letzten Kapitel behandelt. Der Friede, so wird gesagt, muss zwei Ziele verfolgen: 1. es den Angreifernationen unmöglich machen, in absehbarer Zeit den Krieg als Instrument nationaler Politik zu benutzen oder mit diesem Instrument zu drohen; 2. wenigstens die Grundlagen eines Plans für den dauernden Frieden zu schaffen.
Dazu sind vor allem eine Verständigung mit der Sowjet-
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union und [den] USA und ein Verständnis der Ursachen und Hintergründe dieses Krieges nötig: der durch den Kapitalismus verursachten Wirtschaftskrise, die den Diktatoren zur Macht half, wobei sowohl Mussolini als [auch] Hitler die Unterstützung der rüstungsproduzierenden Industriellen ihrer Nationen und der Offiziersklassen fanden. Der Völkerbund versagte, nicht weil seine Idee falsch war, sondern weil egoistische Nationalinteressen ihre Verwirklichung verhinderten, weil die kleinen Nationen unfähig waren, sich und ihre "Neutralität" zu verteidigen, weil die moderne Diktatur totalitär ist und die Organisationen der Arbeiterschaft nicht duldet, weil auch der moderne Krieg totalitär ist und deshalb revolutionäre Veränderungen des gesellschaftlichen Lebens mit sich bringt, die mit den Methoden des "freien" Kapitalismus für immer Schluss machen.
Die Labour Party fordert angesichts dieser Tatsachen, dass beim kommenden Frieden die Angreifernationen nach ihrer Niederlage entwaffnet werden und entwaffnet bleiben, wozu nötig ist, dass die sozialen und ökonomischen Grundlagen für das Bündnis der Militärkaste mit der wirtschaftlich privilegierten Schicht vernichtet werden.
Für den dauernden Frieden aber ist die Anwendung des Prinzips der kollektiven Sicherheit notwendig. Eine internationale Organisation muss errichtet werden, die Streitigkeiten friedlich schlichten kann, die wirtschaftliche und militärische Sanktionen gegen jeden Staat, der sich friedlicher Regelung widersetzt, verhängen kann, die in der Lage ist, Minderheiten zu schützen, die Massnahmen ergreifen kann, um den Lebensstandard der Nationen in allen Ländern zu heben, die geistige Zusammenarbeit der Nationen fördert und die Anwendung der "Vier Freiheiten" in allen Ländern garantiert.
Die Labour Party betont, dass die Zusammenarbeit der Nationen für diese Zwecke notwendig ist: gegenseitige Sicherheitspakte, Wirtschaftsverträge nach dem Leihpachtprinzip müssen geschlossen werden. Ein dauernder Friede ist unmöglich, wenn nicht das Recht aller Nationen auf Sicherheit und Unabhängigkeit anerkannt wird; aber gerade für diesen Zweck ist es notwendig, dass die Staaten ihre bisherigen Souveränitätsrechte aufgeben. Eine internationale Autorität für die Aufrechterhaltung von Frieden muss geschaffen werden, die sich auf die im Völkerbund und seinen internationalen Einrichtungen gesammelten Erfahrungen
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stützen könnte. Aber auch die im Laufe des Krieges gesammelten Erfahrungen über gemeinsame Verteidigungsmassnahmen, finanzielle und wissenschaftliche Zusammenarbeit, Rohstoffverteilung und Materialbeschaffung müssen genützt werden.
Den Erfolg der internationalen Organisation kann nur die Anwendung demokratischer Grundsätze sichern, betont die Labour Party. Nur wenn die Kontrolle der Völker über ihre Regierungen ausgeübt und politische Fragen öffentlich diskutiert werden können, ist die Gewähr für die Aufrechterhaltung von Frieden und Recht gegeben.
Die Labour Party begrüsst besonders das Versprechen der Atlantic Charter, dass die Völker der feindlichen Länder nach ihrer Niederlage an dem durch die gemeinsamen Bemühungen aller Nationen geschaffenen Wohlstand teilhaben sollen. Die Labour Party erklärt, dass sie "keinen Versuch unterstützen wird, einen Rachefrieden aufzuerlegen oder den Besiegten Bedingungen aufzuerlegen, die ihnen das Recht auf jenes Wohlergehen nehmen, das der verdiente Lohn für Fähigkeiten und Energien ist, die auf friedliche Art für friedliche Ziele verwendet werden".
In der Erwartung, dass beim Beginn des Zusammenbruchs der Achsenregierungen eine ausgedehnte revolutionäre Bewegung in den von ihnen beherrschten Ländern erfolgen wird, erklärt die Labour Party, dass jedes Volk das Recht auf seine eigene Regierungsform haben soll, unter der einzigen Bedingung, dass diese Regierung die "Vier Freiheiten" garantiert. Die Labour Party wird "jedem Versuch der Sieger Widerstand leisten, bei Kriegsende ihre militärische oder wirtschaftliche Macht gegen den Willen der Völker, ihr eigenes Schicksal zu formen, zu benützen".
Schliesslich erklärt die Labour Party, dass die Macht der internationalen Demokratie in hohem Masse von der Weiterentwicklung des öffentlichen Eigentums an den Produktionsmitteln in allen Ländern abhängt.
Am Ende wird erklärt, dass die grossen Veränderungen, welche das Programm der Labour Party fordert, notwendig für eine bessere Zukunft, notwendig aber auch für den Siegeswillen des britischen Volkes und seiner Verbündeten und der unterdrückten Massen Europas und Asiens sind.
Den Abschluss der Schrift - die bei J. S. Middleton[7], Generalsekretär der Labour Party, Transport House, Smith Square, London, SW1, erhältlich ist - bilden der Wortlaut der Botschaft über die "Vier Freiheiten" und der "Atlantic Charta".
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"Eine Antwort auf Vansittart"[8]
nennt Victor Gollancz sein Buch "Shall our children live or die?", das kürzlich im Verlag des Verfassers erschien und inzwischen bereits eine Auflage erreicht hat, die vermuten lässt, dass der Teil des englischen Lesepublikums, der Vansittarts Broschüre "Black Record" las, Gollancz' Antwort mit lebhaftem Interesse aufgenommen hat. Dabei hat Gollancz nicht versucht, Vansittart mit literarischen Stilblüten entgegenzutreten, die den Erfolg des "Black Record" herbeiführten, sondern hat den Versuch einer wirklich grundsätzlichen und historischen Auseinandersetzung mit Erfolg gemacht.
Zu diesem Zwecke geht Gollancz auf die tieferen Ursachen der heutigen Weltkrise zurück und zeigt in einer wirklichen historischen Darstellung die Entstehung des Imperialismus als Folge des kapitalistischen Systems und die aggressive Rolle des japanischen, deutschen und italienischen Imperialismus als Folge der relativen Verspätung dieser Länder im Kampfe um die Rohstoffe und Märkte der Welt. Er zeigt, wie nur einer im sozialistischen Denken geschulten Betrachtung die wahren Ursachen der heutigen Katastrophe (und die wirklichen Gefahren einer künftigen) klarwerden, während die Anklage gegen schuldige Nationalcharakter, die sich im Laufe der letzten hundert Jahre reihum gegen fast alle grösseren Nationen - und ziemlich oft auch gegen die englische - gerichtet hat, nichts erklären und nichts verhindern kann.
Wie wenig sich das "Deutsche Problem" auf eine einfache Formel bringen lässt, wenn man sich an die Tatsachen und an die Forderungen gerechter Beurteilung hält, zeigt Gollancz in einem Rückblick auf die deutsche Geschichte vor und nach dem letzten Weltkrieg, wobei er sich nicht mit willkürlichen Zitaten begnügt, sondern anerkannte Standardwerke der Geschichtsschreibung und Berichte englischer Augenzeugen über die deutsche Republik zitiert, an einer Stelle auch Sätze aus dem hier in Nummer 34 der SM erwähnten Artikel des Genossen Hans Vogel im "[International] Socialist Forum". Sie alle zeigen übereinstimmend, dass nicht die Blutrünstigkeit eines Ausnahme-Volkes die Ursache der beiden letzten Weltkriege war, sondern der imperialistische Kolonialwettkampf vor
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1914 und, nach 1918, die absichtliche und unabsichtliche Stärkung der reaktionären Kräfte in Deutschland durch die Kapitalisten der Siegerstaaten und die durch die kapitalistische Misswirtschaft herbeigeführte Wirtschaftskrise, die in dem wirtschaftlich eingeschnürten Deutschland eine Arbeitslosigkeit zur Folge hatte, welche, wie Gollancz meint, selbst in England zur Gefahr einer faschistischen Massenbewegung hätte führen können.
Auf Grund dieser Analyse erklärt Gollancz den Sinn des Krieges, den kein Sozialist gleichgültig in der Frage des Sieges lassen kann. Denn ein Sieg des Faschismus würde das Ende aller Hoffnungen auf eine Ueberwindung des Imperialismus bedeuten; ein Sieg der Demokratien aber gibt diese Hoffnung, gibt die Möglichkeit einer sozialistischen Neugestaltung. Deshalb ist es wahr, dass die Zukunft der Menschlichkeit auf dem Spiele steht, dass alles für den Sieg der Demokratien eingesetzt werden muss, dass aber alle auf diesen Sieg gesetzten Hoffnungen gefährdet wären, wenn ein Friede der Unvernunft und der Reaktion folgte. Hier liegt, wie G. zeigt, die grosse Gefahr des "Vansittartismus", die sich mehr als bei Vansittart selbst bei den verdächtigen Politikern offenbart, die sich zu seinen Propagandisten gemacht haben. Nur wenn der Krieg zur Vernichtung des Faschismus und der ökonomisch-politischen Voraussetzungen des Imperialismus führt, wird er wirklich für die Menschheit gewonnen sein. -
Es ist nichts in diesem Buche, woran wir Kritik zu üben hätten, ausser an dem, was Gollancz über den Hass gegen Hitler und die Nazis und an dem, was er über die "Atlantic Charter" sagt. So sehr man die an Spinoza erinnernde Ethik bewundert, mit der Gollancz nur den Hass gegen den Faschismus, aber nicht gegen Hitler und die Seinen zulässt, so ehrlich gesteht man, dieser Forderung natürlicherweise nicht folgen zu können. Und so wenig man bestreiten kann, dass Gollancz's Einwände gegen die Formulierungen der Atlantic Charter logisch und wichtig sind, so sehr wünscht man zu wiederholen, dass wir deutschen Sozialdemokraten in der Atlantic Charter vor allem das Positive und Zukunftverheissende sehen: die Verkündung der "Vier Freiheiten", die Garantie wirtschaftlichen Gedeihens für "Sieger und Besiegte", die "Abrüstung aller mit Angriff drohenden Nationen" und die "Erleichterung der Rüstungslast für alle Völker".
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Ueber die Notwendigkeit politischer Kriegsführung
brachte der "Observer"[9] am 15. März einen beachtlichen Leitartikel, der u.a. sagte: "Heute haben wir in London ein freies Europa im Miniaturformat. Wir haben die alliierten Regierungen und wir haben die deutschen Exilierten, die entschlossensten, weil verzweifeltsten Gegner unseres Feindes. Alle Hoffnungen hängen von einem Sieg ab, der sie ihrem Lande und ihnen ihr Land wiedergeben wird. Auch sie sollten zu Rate gezogen worden. Wir wissen, was der Feind anzubieten hat: das lockende und undurchsichtige Versprechen einer neuen Ordnung. Wir wissen, was es bedeutet und wie es in den Ohren der gemarterten Griechen und Norweger klingt. Welches Gegenversprechen können wir machen? - Hier sind drei Tätigkeitsfelder: Aktion zu Hause, Aktion mit den grossen Verbündeten, Aktion mit den freien Resten des unterdrückten Europa." - Wenige Tage später verkündete Mr. Attlee im Unterhaus, dass die Verantwortung für die politische Kriegsführung und für die gesamte Auslandspropaganda einem einzigen Minister übertragen wird. -
Ueber die Zukunft Deutschlands äusserte sich Prof. Joad[10], der bekannte englische Philosoph, im "Sunday Dispatch", der die in Nummer 35 der SM erwähnten Angriffe gegen deutsche sozialistische Organisationen veröffentlicht hatte, am 8. März. Er sagte: "Wie wollen wir eigentlich den Krieg gewinnen, wenn die Deutschen nicht gegen das Naziregime revoltieren, und mit welchem Recht können wir von ihnen erwarten, dass sie revoltieren, wenn wir sie mit Vernichtung bedrohen, wenn der Krieg gewonnen ist und [die] Nazis beseitigt sind? Genauso verloren die deutschen Demokraten die Macht an die Junker infolge der Erniedrigung und der Lasten, die wir dem demokratischen Deutschland auferlegten. Es wurde so von Anfang an diskreditiert, nicht so sehr durch eigene Unfähigkeit als dadurch, dass die Alliierten es nicht richtig behandelten. Daher verband sich fürs deutsche Volk die Demokratie mit Versagen, Verlust, Beleidigung. Auf diese Weise taten wir zweierlei: Wir diskreditierten das demokratische Deutschland, aber beseitigten nicht die Möglichkeit einer Wiederbelebung des Junker-Deutschland. Zweifellos werden wir Deutschland nach dem Kriege eine Zeitlang polizeilich überwachen müssen, und wir täten besser daran, den
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eigentlichen Friedensschluss um zwei oder drei Jahre auf[zu]schieben. Aber wenn wir dann einen grossherzigen Frieden machen, sehe ich keinen Grund, warum eine demokratische deutsche Regierung von diesem Kriege notwendigerweise das Schicksal ihrer Vorgängerin nach dem letzten Kriege teilen sollte. All das bedeutet freilich, dass wir die Lehren der Geschichte lernen müssen ..."
Die Probleme der Zukunft Deutschlands in einem neuen Europa behandelten mehrere englische Redner, darunter Philips Price, M. P. und Richard Crosman am 15. März in London in der Konferenz "After the Nazis", von der Fabian Society veranstaltet. An der Aussprache beteiligten sich auch kontinentale Sozialisten, darunter Hans Vogel und Hans Gottfurcht. Im Rahmen der Konferenz fand ein öffentlicher Lunch statt, bei dem Philip Noel-Baker, M. P., Unterstaatssekretär im Transportministerium, eine Ansprache hielt. Er verwies auf die Fehler des Versailler Vertrages, die vor allem darin beruhten, dass man den wahren Gegner nicht erkannt hatte. Diesmal müsse man erkennen, dass der Feind der internationale Faschismus sei, dürfe nicht der Goebbels-Propaganda glauben, das deutsche Volk als schicksalbestimmend für die Welt zu betrachten, und müsse den Grundsatz befolgen, politisch zu intervenieren, aber nicht ökonomisch zu ruinieren. Noel-Baker legte dar, dass die Atlantic Charter die Grundgedanken einer friedlichen Neuordnung enthält, die zu wirtschaftlicher Sicherheit für alle Völker und zu allgemeiner Abrüstung führt.
Eine internationale Maifeier in London
wird von der West London Labour Party vorbereitet, die sich schon voriges Jahr um das Zustandekommen der Maifeier verdient machte. Diesmal besteht der Plan, Vertreter aller kontinentalen sozialistischen Parteien in England gleichzeitig mit englischen Genossen von zwei Tribünen sprechen zu lassen, jeden drei Minuten in seiner eigenen Sprache und drei Minuten in Englisch. Die Feier soll für den Rundfunk aufgenommen und in den Abendsendungen durchs BBC nach dem Kontinent übertragen werden. Die Feier findet statt:
Sonntag, den 3. Mai, nachm[ittags] 2.30 Uhr im Ravenscourt Park, Hammersmith. (Station: Ravenscourt Park, District Railway).
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Deutschlands Landwirtschaft und Industrie
Das Landwirtschaftsjahr 1940/41 auf dem Kontinent schloss das zweite schlechte Erntejahr seit dem Anfang des Krieges ab. Die Weizenernte des Jahres 1940 wurde auf 37 Millionen Tonnen geschätzt gegen 42,8 im Jahre 1939. Die gesamte Getreideernte des Jahres 1941 war nur um wenige Prozente höher als im Jahre 1940. Deutschlands Kartoffelernte war mit 65 Millionen Tonnen um 7% kleiner als im Rekordjahr 1940. Weder Deutschland noch die anderen kontinentalen Staaten waren fähig, den Viehbestand zu erhalten. Mangel an Futtermitteln wurde allgemein im Jahre 1941. Deutschland und Italien haben sehr wahrscheinlich den grösseren Teil der sorgfältig angesammelten Nahrungsmittelvorräte angreifen müssen. Für die Dauer des Krieges wird der Kontinent auf die eigene landwirtschaftliche Produktion angewiesen sein.
Vor dem Kriege deckte die laufende Produktion rund 80% des Verbrauches in Deutschland, Frankreich und Griechenland, 43% in Norwegen, 67% in Holland und 95% in Italien. Polen und die Donauländer exportierten Lebensmittel, und Dänemark produzierte bedeutende Ausfuhrüberschüsse auf der Grundlage eingeführter Futtermittel.
Die Ernte des Jahres 1941 litt nicht nur unter dem schlechten Wetter. Der Balkankrieg unterbrach die Feldarbeiten in Jugoslawien, Bulgarien und Griechenland. Die Mobilisation in der Slowakei, Ungarn und Rumänien gegen die Sowjetunion entzog der Landwirtschaft Arbeitskräfte in grossem Umfang, und in Deutschland selbst wurden mehr und mehr Bauern und Landarbeiter einberufen. Entlassungen und Sonderurlaub für Landarbeit wurden unmöglich wegen der grossen Verluste und andauernden Kämpfe in der Sowjetunion. Gleichzeitig ist der Nahrungsmittelverbrauch gestiegen. Die Zahl der ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen vergrösserte sich ständig im Verlaufe von 1941, und grössere Armeen verbrauchen entsprechend grössere Mengen an Nahrungsmitteln. Der Reichsnährstand[11] hat unter diesen Umständen die Ausdehnung des Hackfruchtbaues, insbesondere Kartoffeln, angeordnet. Trotzdem ist es nicht möglich, den Schweinebestand zu erhalten.
Der Gemüseanbau soll noch einmal um 21% erhöht werden. Arbeitskräfte und Maschinen fehlen jedoch. Die Zahl der Traktoren soll auf rund 100.000 gestiegen sein. Die Um-
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stellung der Traktoren von Benzin auf Holzgas zeigt aber, dass die vorhandenen Traktoren nicht einmal voll ausgenutzt werden können.
Im Verlaufe der letzten Monate wurden in allen Donauländern Brotkarten eingeführt. Die Rationen sind im Durchschnitt geringer als in Deutschland. Ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung wird unter deutscher Kontrolle versucht, den Anbau von Oelsaaten für die Fettproduktion auszudehnen. Die Westeuropäische Landwirtschaft, besonders in Frankreich, leidet unter dem Mangel an Arbeitern, Maschinen und Zugtieren. Die Ernte in Frankreich blieb weit hinter dem Durchschnitt der Vorkriegsjahre zurück. Die hochentwickelte Agrarproduktion Dänemarks verlor seit Kriegsbeginn bis zum Herbst 1941 37% des Schweinebestandes, 7% der Rinderherden und 68% des Hühnerbestandes. Der Plan, die Getreide- und Oelsaatenproduktion zu vergrössern, hatte bisher noch keinen Erfolg. Seit dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion hat sich die allgemeine landwirtschaftliche Situation auf dem Kontinent bedeutend verschlechtert.
Die sogenannte Neue Agrar-Ordnung für die besetzten Gebiete der Sowjetunion, die nur formell die Kolchosen aufhebt, wird nicht einmal nach Nazi-Auffassung die Landwirtschaft wieder in Bewegung setzen können. Maschinen, Saatgut und Arbeitskräfte sind vollkommen unzureichend für die Frühjahrsbestellung.
Die Schwerindustrie des Kontinents ist nun nahezu vollständig in Deutschland konzentriert. Zwei Drittel der augenblicklichen Stahlproduktion und drei Viertel der Europäischen Kohlenproduktion liegen in den Grenzen Gross-Deutschlands. Die verarbeitende Industrie der besetzten Länder ist deshalb von den Lieferungen der deutschen Schwerindustrie abhängig. Die Jahresberichte der deutschen Grosskonzerne zeigen, dass die Kohlenproduktion nur mühsam aufrecht erhalten werden konnte.
Die Eisen- und Stahlproduktion war ausreichend, aber bedeutend teurer, das heisst, [sie] erforderte mehr Arbeiter. Fast alle Konzerne berichten, dass der Anteil heimischer Eisenerze noch gestiegen ist. Der geringe Eisengehalt der deutschen Erze verlangt kostspielige Aufbereitung und grössere Mengen Koks in der Verhüttung. Trotzdem mussten diese Erze verbraucht werden, weil die neu errichteten Hüttenwerke benutzt werden müssen.
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Der normale Ersatz der Werkseinrichtungen und Maschinen ist fast völlig zum Stillstand gekommen. Es steht jedoch ausser Zweifel, dass die Produktion synthetischer Materialien, insbesondere Oel und Gummi, noch weiter zugenommen hat. Inzwischen scheint aber der Ausbau der Kraftwerke hinter den Plänen zurückgeblieben zu sein. Die Ersatz-Industrien sind gewaltige Stromverbraucher.
Die grossartigen Pläne für den Ausbau der Zellwolle und Bunaproduktion in besetzten Ländern stehen mehr oder weniger auf dem Papier. Der Mangel an Arbeitern ist allgemein geworden auf dem Kontinent. Das allgemeine Bild der europäischen Industrieproduktion hat sich ohne Zweifel in den letzten Monaten wesentlich geändert.
In den Sommermonaten des vergangenen Jahres vergab die deutsche Industrie Unteraufträge an die Industrie der besetzten Länder. In Deutschland selbst konnte deshalb die Produktion mehr und mehr auf die leistungsfähigsten Betriebe konzentriert werden. Der unerwartete Materialverbrauch im Kriege gegen die Sowjetunion verlangte jedoch eine fast unmittelbare Ausdehnung der Kriegsproduktion.
Die zivile Produktion wurde deshalb noch weiter eingeschränkt. Die arbeitslos gewordenen Fabriken werden jetzt auf Kriegsproduktion umgestellt. Es war nicht mehr möglich, die Arbeiter zu verpflanzen. Wohnungen und Unterkünfte in den Orten der grössten Industriekonzentration sind völlig unzureichend geworden.
Das allgemeine Bild der deutschen und europäischen Produktion zeigt, dass die deutsche Kriegsführung vor einem Dilemma steht. Die Armeen verschlingen eine ständig steigende Zahl von Arbeitern. Die industrielle Produktion verlangt gleichzeitig mehr Arbeiter, lediglich um den bisherigen Produktionsumfang aufrecht erhalten zu können.
Rein zahlenmässig sind heute innerhalb der Grenzen Grossdeutschlands genauso viel Arbeiter beschäftigt wie im Juni 1939. Die Produktivität dieser Arbeiter ist aber gesunken trotz forcierter Rationalisierung. Die besetzten Länder dagegen produzieren nur einen Bruchteil der Vorkriegsproduktion. Höchstleistungen, wie sie jetzt zweifellos noch einmal in Deutschland erzeugt werden, sind deshalb ausgesprochener Raubbau an Menschen und Produktions-Einrichtungen.
[Hinweis]
Gebt diese "Sozialistischen Mitteilungen" an interessierte Genossen weiter oder sendet uns Adressen zur Belieferung.
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Das Grausen Europas spielt im Film und Theater der USA eine keineswegs geringe Rolle. Es war im Sommer, als einige isolationistische Senatoren die Hollywooder Filmproduktion angriffen, weil sie eine Reihe nazifeindlicher Filme herausgebracht hatte, die Naziverschwörung und antifaschistischen Untergrundkampf abrollen liessen. Die Isolationisten warfen den Filmleuten vor, sie trieben Kriegspropaganda. Vor einem Senatsausschuss verteidigte Wendell Willkie diese Antinazi-Filme. Vor einigen Tagen konnte derselbe Willkie anlässlich einer Tagung der Filmakademie den Schlusspunkt seiner Verteidigung setzen und sagen, dass diese Filme den "gemeinsamen Charakter der Naziverschwörung" beizeiten blossgelegt und das Volk gewarnt hätten. Und diesmal erhob sich keine Stimme dagegen. So rasch hat die Entwicklung ihr Urteil gesprochen.
Auch im Theater der USA spiegelten sich die politischen Zeitprobleme lebhaft und mannigfaltig. Man muss dabei in New York bleiben, denn die übrigen Grosstädte zeigen ein nur schwach entwickeltes Theaterleben und behelfen sich meist mit Gastspielen. Stadttheater nach europäischen Begriffen gibt es hier nicht, auch New York hat keins.
Die private Spekulation beherrscht das Feld, und sie spekulierte mit den politischen Zeitstücken von heute meist daneben. Eine Theatersaison geht zu Ende und lässt ein Urteil zu. Nur ein antifaschistisches Stück wurde zum unzweideutigen Erfolg: Lilian Hellmans[12] "Watch on the Rhine". Das Drama einer deutsch-amerikanischen Familie, deren Oberhaupt ins Dritte Reich zurück geht, um einen Freund zu retten. Es kam als eins der ersten Antinazistücke; vielleicht hält es sich deshalb seit einem reichlichen Jahr auf der Bühne, während andere politische Europadramen des letzten Jahres vergeblich um ein längeres Dasein kämpften.
Dabei fehlte es in der Stoffwahl durchaus nicht an Abwechslung: "Candle in the Wind" hatte Paris zum Schauplatz, zeigte den Kampf einer französischen Schauspielerin gegen deutsche Besatzungsbehörden, wobei es um einen gefangenen französischen Flieger geht. In "Hope for Harvest" flüchtet eine Frau vor dem Terror Europas in ihre kalifornische Heimat. In "Golden Wings" stand der burschikose Humor britischer Kampfflieger im Mittelpunkt. In "Letters to Lucerne" - mit Grete Mosheim - geraten fünf Pensionsgirls bei Kriegs-
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ausbruch mit ihrer deutschen Kameradin in dramatischen Zwist.[13] Zwei andere Stücke brachten die Schrecken höllischer Londoner Bombardements auf die Bühne. Beide sind noch neu, über ihr Bühnenschicksal ist noch nichts auszusagen. Die Lebensdauer der Anderen zählte nur nach Wochen oder Tagen. Wenn in dieser 7 Millionenstadt mit [ihren] relativ kleinen Theaterräumen ein Stück nicht mehrere Monate läuft, gilt es als Misserfolg.
Alle diese Aufführungen waren gut inszeniert und gut besetzt. Bedeutet ihre Ablehnung etwa Gleichgültigkeit des hiesigen Publikums gegen europäische Vorgänge? Wohl kaum. Politisches Zeittheater hat auch in Europa nur selten breite Massen erfasst. Seit langem aber schlägt in der Presse, im Radio, in Büchern und Kino über den Amerikanern soviel Terrorbericht und Kampflärm zusammen, dass er [!] an europäischen Auseinandersetzungen auf der Bühne kein besonderes Interesse hat.
Keins der genannten Stücke stammte aus der Feder eines emigrierten Autors; der muss erst völlig auf amerikanisches Denken und amerikanischen Dialog umlernen. Ein deutsches Theater aber gibt es nicht einmal in New York. Das Deutschtum ist hier politisch so zerrissen, dass jedes Theater auf ein deutsches Stück drauf zahlen müsste. So bleibt es bei gelegentlichen Vereinsaufführungen oder Studio-Experimenten, die zwar mit guten Kräften, aber im übrigen nur mit unzureichendem Behelf möglich sind. - Das amerikanische Volk ist daran unschuldig. Die geistig-künstlerische Toleranz Amerikas bleibt für das Dritte Reich tief beschämend. In den meist braun angehauchten deutschen Kinos können hier noch immer deutsche Filme gespielt werden, Filme der Naziproduktion. Und als dieser Tage Erika Mann[14] sich in einem Eingesandt [Leserbrief] an die "New York Times" darüber beschwerte, dass noch immer Richard Strauss' Werke gespielt würden, erteilten ihr amerikanische Publizisten folgende Abfuhr: "Wir kämpfen nicht gegen Musik, wir kämpfen gegen Deutschland, Italien, Japan ... Wir müssen die militärische Strategie des Feindes nachahmen, wenn wir ihn besiegen sollen; aber wenn wir seine Denkungsart nachahmen, hat er uns besiegt, gleichgültig, wer die Schlachten gewinnt ..." Eine Lektion, die der internationalen Geistigkeit dieser amerikanischen Intelligenz alle Ehre macht.
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Russische Realität, gestern und heute
Ueber dies Thema sprach Walter Kolarz-Prag kürzlich in einer SPD-Versammlung in London. Der Vortragende behandelte das Entstehen von Bolschewismus und Sowjetregime aus den besonderen sozialen und politischen Erlebnissen des russischen Volkes. "Es gehört zur Charakteristik des Stalinschen Kurses, den russischen Zügen im Bolschewismus im vollen Masse Rechnung zu tragen und sich zu ihnen zu bekennen. Das bedeutet nicht Rückkehr zum alten russischen Chauvinismus der Zarenzeit, der neue russische Nationalismus bezieht alle Völker des grossen eurasischen Raumes in sich ein, in welchem die Russen allerdings das vorherrschende Element, das Bindeglied und einen bedeutenden Kulturfaktor darstellen. Russland hat schon im 19. Jahrhundert dem Marxismus eine eigentümliche russische Färbung gegeben, in den letzten Jahren aber hat die geistige und politische Entwicklung im Sowjetstaate auf fast allen Gebieten die Bahnen der ursprünglichen Doktrin verlassen und die grossen nationalen Traditionen des russischen Volkes in den Vordergrund gestellt." Dies zeigte der Redner an zahlreichen Beispielen.
"Dieser Umschwung der ideologischen Haltung zusammen mit der sowjetischen Nationalitätenpolitik trägt seine Früchte in der ausnahmslos heroischen Haltung der Sowjetvölker auf den Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges.
Die scharfe Ablehnung des westeuropäischen Kommunismus bei gleichzeitiger sympathischer Einstellung gegenüber der Sowjetunion ist nicht nur eine mögliche, sondern auch eine logische Haltung, denn gerade die sowjetische Politik mit ihrer Verwurzelung in der Heimat und in der Tradition gibt jenen recht, die im Westen den Sozialismus nach eigenen Grundsätzen und ohne fremde Vorbilder anstreben."
Der Vortrag des Gen. Kolarz erscheint demnächst in bedeutend erweiterter Form als Broschüre unter dem Titel "Stalin und das ewige Russland"[15] im Lincoln-Prager Verlag, London.
Wie wir der "Volkszeitung", New York, entnehmen, ist der ehemalige thüringische Landtagsabgeordnete Dr. Paul Kiess[16] im Alter von 47 Jahren in Philadelphia plötzlich verstorben. Seine Frau lebt als Aerztin in USA. Wir werden das Andenken dieses aktiven Sozialdemokraten in Ehren halten.
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Am 6. März ist in New York die Witwe des Gen. Otto Wels im Alter von 68 Jahren gestorben. Sie hat nur zweieinhalb Jahre den Tod ihres Mannes überlebt. Mit Toni Wels ist eine tapfere Frau und eine gute Kameradin aus dem Leben geschieden. Mehr als vierzig Jahre hindurch war sie ihrem Mann eine treue Gefährtin und hat mit ihm Freude und Leid eines [an] wechselvollem Schicksal so reichen Lebens geteilt. Mit ihm erlebte sie Kampf und Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung und mit ihm teilte sie das harte Los der Emigration bis zum bitteren Ende seines frühen Todes. Für den Parteivorstand - von dem ein Kranz roter Nelken niedergelegt wurde - sprach Friedrich Stampfer herzliche Worte unter dem Motto des Verses von David [Friedrich] Strauss[17], den dieser in seiner Totenstunde verfasste. Luise Pringsheim[18] zeichnete in schlichten Worten die kluge und warmherzige liebe Kameradin, Pfarrer Forell[19] sprach für die Christian Fellowship for Newcomers. Emigrantenschicksal! Von diesen beiden unzertrennlichen Kameraden liegt nun der eine in Frankreich, der andere in der fremden Erde eines anderen Kontinents, und die Kinder wissen nichts von dem Schicksal ihrer Mutter.
In unserer Erinnerung wird Toni Wels als die gute Kameradin in hellen und dunklen Tagen fortleben.
Zum Gedächtnis Filippo Turatis[20]
veranstalteten die italienischen Sozialisten am 10. Jahrestages seines Todes im Exil eine äusserst eindrucksvolle Feier. Fast alle in England lebenden sozialistischen Parteien waren der Einladung gefolgt, die englische Labour Party war durch ihren Generalsekretär Middleton vertreten. Lord Wedgwood erinnerte in seiner Ansprache daran, dass dieser Weltkrieg auch für England nicht im September 1939, sondern mit dem Marsch der Faschisten auf Rom[21] begonnen habe. Capt[ain] Ivor Thomas[22], M. P., sprach für die Labour Party in italienischer Sprache zur Versammlung, Dr. A. Magri[23] (Präsident der Freien Italiener) zeichnete die besonderen menschlichen Züge der Persönlichkeit Turatis, Louis Lévy sprach mit temperamentvollen Worten von Begegnungen mit Turati, dem Zentrum der italienischen sozialistischen Bewegung, und Paolo Treves (Italien) und Camille Huysmans (Präsident der SAI) erweckten persönliche und geschicht-
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liche Begebnisse um die Person des im Exil in Paris Verstorbenen. Für die SPD sprach Victor Schiff, der den Eindruck seiner Begegnungen mit Turati in die Worte kleidete: "Mut, gepaart mit Güte". Schiff verwies dann darauf, dass die italienischen und deutschen Sozialisten die Opfer der gleichen Bande von Abenteuerern geworden seien und dass beide Parteien, wenigstens technisch, zu "enemy aliens" geworden seien. Der Redner dankte Lord Wedgwood, auf den alle Flüchtlinge mit Dankbarkeit blicken, und jenen prachtvollen britischen Massen, den Arbeitern von London, Liverpool und Coventry[24], die durch ihre aufrechte Haltung im mörderischen Blitzwinter [1940-41] nicht nur die Freiheit der Welt retteten, sondern auch jenen wunderbaren Geist, der schutzsuchenden Flüchtlingen Asyl bot, obwohl ihr Englisch einen italienischen und deutschen Akzent hatte. "Italienische Genossen!", so schloss Schiff, "Ihr habt den Glauben an eure Arbeiterklasse nicht verloren - und auch wir nicht! Wir beiden werden recht behalten! Wir wissen, dass die Fackel der Freiheit, die Männer wie Turati, Matteotti, Treves[25] und Roselli[26] einst getragen haben, niemals ganz erloschen ist!"
Unseren italienischen Genossen sei für diese Feier herzlich gedankt, die aufs neue zeigte, dass die Internationale des Geistes und der Gesinnung noch lebendig ist.
im Mary Ward Settlement, London, am 29. März, war ein voller Erfolg. Ein grosser Erfolg für den Vortragskünstler, für die Zuhörerschaft und die Unterstützungskasse der Veranstalter. Der Vortragende hat seine alten Freunde wieder begeistert und hat viele neue Freunde gewonnen.
Diese Veranstaltung zeigte erneut, wie gross das Bedürfnis nach künstlerischen und gesellschaftlichen Zusammenkünften unserer Freunde ist, und würde einen Versuch zur Veranstaltung von "Volksvorstellungen" für Theateraufführungen rechtfertigen.
Oesterreichische Bühne, 33 Seymour Place, London
Die letzten Aufführungen von "Professor Mamlock" von Friedrich Wolf erfolgen am 5. April um 3.00 und 6.00 Uhr. Am 12. April und jeden folgenden Sonntag (3 und 6 Uhr) "Die unentschuldigte Stunde"[27], ein Lustspiel.
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im April und Mai in London
sollen nunmehr regelmässig jeden Freitag für unsere Freunde und Genossen im Austrian Labour Club House, 31 Broadhurst Gardens (Nähe Untergrund Station Finchley Road) erfolgen. Kaffee, Tee und Kuchen sind jederzeit erhältlich. Durch Genossen eingeführte Gäste sind willkommen.
Freitag, den 3. April (Good Friday), 7 Uhr: Geschlossene Versammlung. Zutritt nur mit besonderer Einladung. Vortrag und Aussprache. Erich Ollenhauer hält das einleitende Referat über das Thema: "Wer ist die Partei, wo ist die Partei, was ist die Partei ..."
Freitag, den 10. April, 7 Uhr: Genossin Middleton[28] erzählt in englischer Sprache über: "Erlebtes in der englischen Arbeiterbewegung". Nach dem Vortrag ein Auszug in deutscher Fragebeantwortung.
Freitag, den 17. April, 7 Uhr: Zu Charles Darwins, des bedeutenden englischen Naturforschers, 60. Todestag am 19. April. Vortrag über: "Darwin und seine Lehre". Referent wird später bekanntgegeben.
Freitag, den 24. April, 7 Uhr: Gen. Gerhard Gleissberg spricht über ein literarisches Thema, u[nd] z[war] voraussichtlich über das im Mai auf dem Spielplan stehende Stück der österreichischen Bühne.
Freitag, den 1. Mai, 6.45 Uhr: Gemeinsame Mai-Feier der sozialistischen Union und der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in der Saxton Hall, London, SW1 (Westminster). Darbietungen: Rezitationen, Musik, Ansprache und ein Zeitstück. Karten für sh 1/- und sh -/6 bei den Vertrauensleuten erhältlich.
Sonntag, den 3. Mai, 2.30 Uhr: Internationale Kundgebung, Ravenscourt Park, Hammersmith.
Freitag, den 8. Mai, 7 Uhr: Zu Karl Marx' Geburtstag am 5. Mai 1818. Gen. Sternfeld[29]: "Karl Marx als politischer Flüchtling in London".
Issued by the London Representative of the German Social
Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London NW7.
[Beilage zu SM, Nr. 36, 1942] |
[Beilage, Seite: - 1 -]
In the March issue of "Left News", a German Communist, Heinz Schmidt, dated in an article, that he read in the February issue of the "Sozialistische Mitteilungen" the following "surprising statements": that the Red Army is only taking advantage of the winter retreat of the attackers to make counter-attacks, second that only simpletons regard the Russian front as the most important and third that the Soviet Union should give up its role of the waiting onlooker in the Far East too.
Those who have read the leading article in the February-issue of "S.M." will be aware that Herr Schmidt "statements" are misrepresentations. For those who have not read the article concerned, we repeat in English what we wrote:
"Because Hitler's armies failed to capture Leningrad, Moscow, and the Caucasus before winter started; because the determined support from Britain and the USA saved the Soviet Union from material exhaustion; because the vast human reserves of the Soviet peoples gave the lie to all claims of having "finished" the Red Army, thus making it possible to use the winter retreat of the attackers for successful counter-attacks, millions of Hitlers soldiers from the Gulf of Finland to the Black Sea turned from advancing conquerors into harassed defenders of positions which have to be evacuated, step by step."
"The events in the Far East are a bitter lesson for those who argued that the war could be restricted to a fight against Germany alone or, for reason of simplification, did not want to think of any other front but the Russian."
"Some time will pass before the USA will throw the full weight of their men and weapons to the battlefield, and the Soviet Union will abandon the part of the waiting onlooker in the Far East too."
Herr Schmidt complains of "harmful intrigues". He should not exclude his own misquotations.
Socialdemocrats against German Social Democracy
Fritz Bieligk, Curt Geyer, Carl Herz, Walter Loeb, Kurt Lorenz and Bernhard Menne have circulated at the beginning of March a "Declaration" which deals with - partly real,
[Beilage, Seite: - 2 -]
partly fictitious - divergencies within the German emigration.
Through a breach of trust our files of addresses were also used for forwarding that "Declaration" to the readers of the "Sozialistische Mitteilungen". We have hitherto maintained the principle not to fight out publicly internal divergences of the Socialist emigration. We stick to that principle also in the present case.
We merely state that we regard the drafting and the circulating of that "Declaration" as a proof that its signers do not consider themselves any longer as linked with the community of the Socialdemocratic emigration.
Die Registrierung der SPD-Mitglieder in London
hat bei unseren Freunden auch ausserhalb Englands Interesse und Zustimmung gefunden. So schreibt uns ein Gen. aus Suedafrika: "Warum erstreckt Ihr die Registrierung nicht auf alle Parteigenossen im britischen Empire? Ich meine, fast alle Genossen, die frueher in der CSR lebten und die ihr fast alle persoenlich seit langer Zeit kennt, waren doch zuverlaessige SPDler! Koennt Ihr sie nicht in die Registrierung einbeziehen?" Aehnlich haben auch Freunde aus Palaestina, Rhodesien und Suedamerika geschrieben. -
[Freiwillige Beiträge]
Für die SM gingen folgende freiwilligen Beitraege ein: K. Windsor, sh 1/-; Pionier H., Cape Pr., sh 18/8; Ma sh 2/-; E.Bl. sh 1/-; XYZ sh 5/-; MD 2/-; E.Sch. 5/-; O.B. 3/-; V. Sch. 4/-; E.A.T., New York, (3 Dollar) 14/10; Gr. 2/-; Fr.S. 10/-; O.Sch. 3/-; R., Oxford, 2/8; K.u. ID. 5/-; E.Schn. 4/-; Ludwig 2/-; B.H., South Rhodesia 5/-; H. W., Sidney, sh 2/-; M.O., Gr., LP Br., 2/-; Th.K.; Sheffield, sh 5/-; G.K., Glos., 1/-; Dr. H. K., Washington, £ 2/-/-; A.P. -/6; Pte M. 1/6; R.K., Guildford, 2/-; E.Gr. sh 2/-; K.Sch., New York, Money Order £ 2.19.3; R.Br. sh 1/6.
Allein Freunden, Lesern und Genossen danken wir auf diesem Weg herzlich fuer die eingegangenen Betraege.
Freiwillige Beitraege, die uns die weitere Herausgabe dieser "Sozialistischen Mitteilungen" ermoeglichen, und deren Empfang in den SM quittiert wird, koennen per Postal Order an folgende Adresse geschickt werden:
Wilh. Sander, 33, Fernside Ave, London, London, NW7.
Editorische Anmerkungen 1 - Douglas MacArthur (1880 - 1964), 1941-1942 Oberkommandierender der US-Streitkräfte auf den Philippinen, 1950-1951 Oberkommandierender der US-Streitkräfte in Korea. 2 - U. a. wurde Indien für die Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten eine demokratische Verfassung und die Wahl eines Parlaments in Aussicht gestellt. 3 - Fritz Bieligk (1893 - 1967), Journalist, Mitglied der USPD, dann der SPD (auf dem linken Parteiflügel), 1933/34 KZ, dann Emigration in die CSR, 1937 Schweden, 1940 über Norwegen nach Großbritannien, Vansittartist; Ende der 50er Jahre Rückkehr nach Deutschland. 4 - Kurt Lorenz (1903 - 1947), vor 1933 SPD-Parteiangestellter, ab März 1933 in der CSR, 1937 über Paris nach London, 1938 ausgebürgert, zeitweise Vansittartist. 5 - Die Erklärung datiert vom 2.3.1942. Einer der Kernsätze: "Die Unterzeichner sind ... folgender Anschauung: dass der deutsche aggressive Nationalismus die mächtigste politische Kraft im deutschen Volke darstellt, dass er schon 1914 und heute erst recht alle gesellschaftlichen Klassen und politischen Parteien erfasst hat..." 6 - The Labour Party (Hrsg.): The old world and the new society. A report on the problems of war and peace reconstruction, London o. J. 7 - James Middleton (1878 - 1962), Labour-Politiker, 1903-1934 stellvertretender Generalsekretär und 1934-1944 Generalsekretär der Labour Party. 8 - Victor Gollancz: Shall our children live or die? A reply to Lord Vansittart on the German problem, London 1942. 9 - "Observer", konservative Sonntagszeitung, erscheint seit 1791 in London. 10 - Cyrill Edwin Joad (1891 - 1953), britischer Schriftsteller und Philosoph, 1914-1930 Beamter im Arbeitsministerium. 11 - Aufgrund eines NS-Gesetzes von 1933 errichtete öffentlich-rechtliche Gesamtkörperschaft, die zwangsweise alle auf dem Gebiet der Ernährungswirtschaft tätigen Personen und Betriebe erfasste. 12 - Lillian Hellman (1905 - 1984), amerikanische Schriftstellerin. "Watch on the Rhine" wurde 1941 zum ersten Mal aufgeführt. Hellman schrieb neben bekannt gewordenen Theaterstücken ebenfalls eine Reihe von Filmdrehbüchern, so u.a. für den Film "Watch on the Rhine", der 1943 Premiere hatte. Erst 1977 kam eine synchronisierte Fassung in die deutschen Kinos (Titel: "Die Wacht am Rhein"), die dann auch mehrfach im Fernsehen gezeigt wurde. 13 - Das Stück "Letters to Lucerne" stammt von dem emigrierten österreichischen Schriftsteller Fritz Rotter. 14 - Erika Mann (1905 - 1969), Schauspielerin und Schriftstellerin, Tochter von Thomas Mann, ab 1933 Exil in der Schweiz, dann USA, 1935 ausgebürgert. 15 - Walter Kolarz: Stalin und das ewige Rußland, London 1942. 16 - Paul Kieß (1894 - 1942), 1938 ausgebürgert. 17 - David Friedrich Strauß (1808 - 1874), deutscher theologischer und philosophischer Schriftsteller. 18 - Lily (Louise) Pringsheim, geb. Chun (1887 - 1954), deutsche Journalistin, 1931-1933 SPD-MdL Hessen, ab 1933 Exil in der CSR, Großbritannien, Peru, USA. 1950 Rückkehr nach Deutschland.
19 - Friedrich Joachim Forell (1888 - 1968), 1933 als Pfarrer amtsenthoben, Exil in der CSR, 1934 Österreich, 1938 Frankreich, 1940 USA, in New York Flüchtlingsseelsorger. 20 - Filippo Turati (1857 - 1932), italienischer Sozialist, Mitgründer und einer der Führer der PSI, ab 1927 im französischen Exil. 21 - Der faschistische "Marsch auf Rom" (Oktober 1922) stellt den Beginn der Machtergreifung Mussolinis dar. 22 - Ivor Thomas (geb. 1905), britischer Schriftsteller und Politiker, 1939-1942 Soldat, 1942-1948 Labour-MP, 1949-1950 konservatives MP. 23 - Über A. Magri konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. 24 - Im November 1940 hatten mehrere hundert deutsche Flugzeuge die mittelenglische Stadt Coventry ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in Schutt und Asche gelegt. Fortan sprach die NS-Propaganda von "coventrieren". 25 - Claudio Treves (1869 - 1933), italienischer Sozialist, wie Turati Mitbegründer des späteren Partito Socialista Unitario (PSU). 26 - Carlo Rosselli / Roselli (1899 - 1937), italienischer Nationalökonom und Politiker, Teilnehmer auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg, in Frankreich auf Befehl Mussolinis ermordet. 27 - Ein Stück der ungarischen Autoren Bekeffi und Stella, wurde in Berlin in der Vorkriegszeit unter dem Titel "Primarin" aufgeführt. 28 - Lucy Middleton (geb. 1894), Ehefrau von Jim Middleton (siehe Anm. 7), Labour-MP 1945-1951. 29 - Wilhelm Sternfeld (1888 - 1973), deutscher Journalist und Schriftsteller, SPD-Mitglied, ab 1933 Exil in Frankreich, 1935 CSR, 1937 ausgebürgert, 1939 Großbritannien. |