Sozialistische Mitteilungen NEWS FOR GERMAN SOCIALISTS IN ENGLAND | |
Published for the information of Social Democratic refugees | |
Nr. 85/86 - 1946 |
April - Mai |
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Botschaft der britischen Arbeiterpartei an die SPD
Die britische Labour Party sendet brüderliche Grüsse an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Der Mut und die Entschlossenheit, die Eure Genossen beim Aufbau einer lebenskräftigen und unabhängigen Partei für demokratische Sozialisten bewiesen haben, erfüllt uns mit Bewunderung und hat viel dazu beigetragen, das Vertrauen in die deutsche Arbeiterklasse wieder herzustellen, das durch 14 Jahre Nazismus ernsthaft gelitten hatte.
London, im April 1946 |
Morgan Phil[l]ips, Sekretär[1] |
Nicht nur von der Arbeiterpartei Englands sind der deutschen Sozialdemokratie zu ihrer ersten freien Maifeier nach der Hitlerdiktatur Grüsse und Botschaften der Ermunterung zugegangen, sondern aus allen Teilen der Welt haben Freunde und Genossen an unsere Genossen in der Heimat Worte der Anerkennung und der Freundschaft und Treue gerichtet. Einige der uns bisher bekanntgewordenen
internationalen Grüsse an die SPD
kommen von der German Labor Delegation, New York (Gerhart Seger, Rud. Katz, Friedr. Stampfer usw.); der Partij van de Arbeid[2], Holland; dem German American Congress for Democracy, USA; der Social Democratic Federation, USA (Algernon Lee); dem "NEW LEADER", New York (Bohn[3], Dallin[4]); Relief for the German Victims of Nazism (AWA-New York, M. Juchacz, Wollenberg usw); der Sozialdemokratischen Partei Dänemarks (Hedthoft-Hansen); dem Arbeiter-Wohlfahrts-Ausschuss, Chicago (Snell, Busch); der Socialdemocratic Federation of Illinois (Pesch, Kissling)[5]; der Alberta Federation of Labour, Kanada; der Landesgruppe Bolivien der SPD (Schumacher, Gross); der Sudetendeutschen Kolonie in Tupper, Kanada (Willi Wanka[6], Hans Dill); dem Trades
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and Labor Council[7], Kanada; der islaendischen Sozialdemokratie[8], Reykjavik; vom Führer der Cooperative Commonwealth Federation[9], Goldwell[10], House of Commons, Kanada; der Schwedischen Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei (P. Albin Hansson und Sven Andersson[11]); den Herausgebern der "Deutschen Blätter", Chile, Udo Rukser[12] und Albert Theile[13] und der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien" (Wilh. Sander, Walt[er] Fliess).
Eine Anzahl ehemaliger sozialdemokratischer Reichstags- und Landtagsabgeordneter, Redakteure, Minister und Spitzenfunktionäre der deutschen Arbeiterbewegung haben Maibotschaften an die Genossen in Deutschland gerichtet, die sicher als Zeichen der Verbundenheit und der Ermutigung in der neuen Parteipresse in der Heimat und in den Maifeiern starke Beachtung finden werden. Uns sind bisher die Grüsse von folgenden Genossen bekannt geworden: Siegfried Aufhäuser, New York; William Sollmann, Reed College, USA; Erich Rinner, New York; Albert Grzesinski, New York; Toni Sender, Washington; Karl Raloff, Kopenhagen; Hugo Heimann[14], New York; Friedrich Stampfer, Volkszeitung, New York; Hans Dill, Br. Columbia, Canada; Ernst Reuter, Hochschule für Staatswissenschaften, Ankara; Bertha Jourdan[15], Süd-Rhodesien, und Kurt Heinig, Stockholm.
Entschliessung deutscher Sozialdemokraten in London
In einer sehr gut besuchten Versammlung deutscher Sozialdemokraten in London am 19. April 1946, wurde nach einem eindrucksvollen Vortrage des Genossen Dr. Rich. Löwenthal über "Die Weltmächte und ihr Niemandsland" die Maibotschaft der Leitung der "Vereinigung" mit lebhafter Zustimmung begrüsst. Diese Londoner Botschaft heisst:
"Nach vierzehnjähriger Unterbrechung begeht die deutsche Sozialdemokratie ihre Maifeier in Freiheit und mit eigenen Zielen. Wir von der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten in Grossbritannien" senden Euch aus diesem Anlass brüderliche Grüsse.
Das wirtschaftliche Chaos und der moralische Niedergang haben in Deutschland ihren Tiefstand vielleicht noch nicht erreicht; gewiss ist aber, dass ohne eine starke, von innen heraus freie Sozialdemokratie die Not unserer Zeit nicht gemeistert werden kann.
Ihr habt eine schwere Aufgabe vor Euch: auf dem wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Trümmerfeld ein friedliches, demokratisches, sozialistisches und
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einiges Deutschland zu bauen. Wo Ernst gemacht wird mit der sozialistischen Gestaltung des öffentlichen Lebens im nationalen und internationalen Rahmen, wird auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufleuchten, ohne die Umerziehung und Demokratisierung nur Schlagworte bleiben werden.
Wir verbinden mit unseren Grüssen das Gelübde, nicht nur in innerer Verbundenheit an Eurem Schicksal teilzunehmen, sondern Euch nach Kräften zu helfen und unsere besondere Stellung hier zu nutzen, um mit Euch daran zu arbeiten, dass die deutsche Sozialdemokratie wieder einen Platz in der internationalen Gemeinschaft der Sozialisten erhält. Wir werden helfen, wo immer wir für unsere tapferen Genossen wirken können. Es lebe die deutsche Sozialdemokratie!
Wilhelm Sander, Walter Fliess, Vorsitzende.
Gerhard Gleissberg, Hans Gottfurcht, Paul Heide, Rudolf Möller-Dostali, Heinz Putzrath, Fritz Segall, Heinrich Sorg, Gustav Sprewitz und Kurt Weckel, Mitglieder der Leitung."
Die Parlamentsfraktion der Labour Party
beschloss nach einem Bericht ihres Mitgliedes Gordon Walker, die Exekutive der Labour Party aufzufordern, die deutsche Sozialdemokratie in ihrer Forderung nach völliger Organisations- und Propagandafreiheit zu unterstützen. Ein Reuter-Telegramm[16] erklärt hierzu: "Dies ist ein Wendepunkt in der Entwicklung der Politik der Labour Party gegenüber der deutschen Sozialdemokratie. Es ist seit dem Krieg die erste partei-offizielle Anerkennung der Notwendigkeit, gleichgesinnte Bewegungen in Deutschland zu unterstützen. Es wird angenommen, dass diese Unterstützung verschiedene Formen annehmen wird: Forderung gleicher Wirkungsmöglichkeiten für die Berliner SPD, die sich gegen eine Fusion ausgesprochen hat; Beschleunigung einer konstruktiven Politik wirtschaftlicher Reform und sozialer Gerechtigkeit in der Britischen Zone und engere Verbindung mit den Sozialdemokraten der westlichen Zonen ..."
Mai-Feier 1946
Sonnabend, d. 4. Mai 1946, abends 5.30 Uhr in London, S.W.1, Denison Hall, 296, Vauxhall Bridge Rd. (Victoria Station). Veranstaltet gemeinsam von der AW London, der "Vereinigung deutscher Sozialdemokraten" und der "Treugemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten".
- Musik - Ansprachen - Rezitationen - Programme bei allen Funktionären für sh 1/-.
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Für die unabhängige und selbständige SPD
Unter diesem Titel hat Dr. Kurt Schumacher eine Darstellung verfasst, in der er sich mit der "Sozialistischen Einheitspartei" [SEP] auseinandersetzt, die in den von den Russen besetzten Zonen Deutschlands am 1. Mai als nunmehr geschaffen festlich gefeiert wird.[17] In dieser Darstellung heisst es u.a.:
"... Wenn man jetzt in der Welt soviel von der Demokratisierung Deutschlands redet, dann hätte man das Stärkeverhältnis zwischen KP und SPD in der Ostzone erst einmal durch Wahlen feststellen müssen. Jetzt kommen die Kommunisten mit dem moralischen Anspruch auf Parität und der praktischen Konsequenz der Imparität zu ihren Gunsten an das Ruder. Diese vereinte Partei aber wird nicht funktionieren, denn die sozialdemokratische Arbeiterschaft will nicht kommunistisch geführt werden. Käme es zu einer freien und geheimen Wahl zwischen der neuen SEP und bürgerlichen Gegnern, so würde das an sich bankrotte Bürgertum einen riesigen politischen Sieg erringen und die neue Einheitspartei könnte nur einen Bruchteil der Stimmen mustern, die sonst die SPD für sich allein zählen könnte.
Wir sind aber der Meinung, dass es zu solchen Wahlen nicht kommt. Die Tendenz der jetzigen Entwicklung geht auf die Einheitspartei, vielleicht auf dem vorläufigen Umweg über eine Einheitsliste, bei der dann die Kommunisten der bestimmende Faktor wären.
Das wäre das Ende der Demokratie in der östlichen Besatzungszone. Wählen kann man nur zwischen mehreren, im Prinzip gleichberechtigten Faktoren.
Der Grundsatz der Einheitspartei und der Einheitsliste ist der Grundsatz des totalitären und des autoritären Staates. Dieser Grundsatz muss sich durchsetzen, denn die KP ist die getreue Imitation der Bolschewiki. Lenin hat die 'Berufsrevolutionäre oder die revolutionäre Bürokratie' den treibenden Keil der ganzen Bewegung genannt. Das Volk und in diesem Fall die an diesen Grad des Machtwillens und der Unehrlichkeit nicht gewohnte Sozialdemokratische Anhängerschaft ist in den Augen solcher Machtmenschen nichts weiter als eine dumpfe, formlose Masse, die über die Interessen des kleinen täglichen Lebens angeblich nicht hinauskommt.
Die 'bewusste Minderheit' der Kommunistischen Partei führt die absolute Herrschaft über die Masse, auch wenn
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man ihr mehr oder weniger demokratisch auffrisierte Formen zubilligt. Die Optimisten in einer SEP werden sich gegen einen hierarchischen Apparat nicht durchsetzen können, denn dieser Apparat ist bewusst unter Ausschaltung der sozialdemokratischen Elemente geleitet.
Die Kommunistische Partei ist zur Zeit eine Partei der Kader. Ihr Prinzip ist die 'richtige Auswahl der Menschen und die Kontrolle der Durchführung'. Wie Lenin auf dem XI. russischen Parteikongress[18] sagte: "Wir sind in ein Stadium eingetreten, wo der Kernpunkt der Lage in den Menschen, in der Auswahl der Menschen besteht.' Und Stalin sagte auf dem XVII. Parteikongress[19], dass gute Resolutionen und Deklarationen zwar notwendig seien, aber noch nicht den Sieg bedeuten würden:
"Nachdem eine richtige Linie gegeben wurde, hängt der Erfolg der Sache von der organisatorischen Arbeit, von der Organisierung des Kampfes für die Durchführung der Linie der Partei, von der richtigen Auswahl der leitenden Organe ab.
Einer Partei, die die Macht als den eigentlichen Kern und die Substanz der Politik betrachtet, und ihre ganze Kraft auf die Erziehung und den Einsatz der dazu geeigneten Menschen konzentriert, muss sich gegenüber wohlwollenden Optimisten durchsetzen, die mit den Methoden eines demokratischen Vereinslebens ihre Politik machen müssen. Dazu kommt noch, dass hinter dieser zentralistisch organisierten Kaperpolitik die gewaltige Kraft eines siegreichen Volkes mit seinen entsprechenden politischen Apparaten sich befindet, und dass diese Siegermacht im Lande steht. Hier hilft nur der Mut zum politischen Abstand und die Hilfeleistung der internationalen Demokratie.
Die Sozialdemokratische Partei in den drei westlichen Zonen wird von diesen Gefahren nicht ernstlich bedroht werden. Sie ist entschlossen, innenpolitisch ihre Selbständigkeit und aussenpolitisch ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Sie wäre zum Tode verurteilt, wenn sie den Weg der SEP ginge. Wenn sie nämlich mit den Kommunisten zusammen eine solche 'Sozialistische Einheitspartei' aufmachen würde, dann müsste sie sich mit den durch die Besatzungsmächte gleichberechtigten bürgerlichen Faktoren in freien und geheimen Wahlen auseinandersetzen. Das würde bedeuten, dass diese geeinte Partei unendlich viel schwächer wäre als vorher die SPD allein. Die Stellung der Arbeitenden wäre damit ökonomisch, sozial [und] politisch wesentl[ich] verschlechtert.
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Die Sozialistische Einheitspartei in den westlichen Zonen ist nichts als die Fortsetzung der Kommunistischen Partei unter einem anderen Namen[20]. Gewiss sind wir zur sachlichen Zusammenarbeit mit jeder aufbauwilligen Partei bereit. Nach dem Bemühen, die Sozialdemokratie in der Ostzone mit den Mitteln der Unehrlichkeit und des brutalsten Terrors zu erobern, werden wir uns darauf gefasst machen müssen, dass unter unseren anderen Gegebenheiten dieser Versuch mit Mitteln von derselben moralischen und politischen Qualität auch hier gemacht wird.
Darum gibt es keine Kompromisse, sondern Ablehnung der SEP und Entwicklung einer selbständigen und unabhängigen Sozialdemokratischen Partei in den Westzonen, die so gross und stark ist, dass in ihr alle Schaffenden ihre Einheitspartei sehen."
Die Berliner SPD gegen die Gleichschaltung
Die überwiegende Mehrheit der Berliner SPD war auf dem Berliner Bezirksparteitag am 7. April vertreten, der die Gleichschaltung mit der KPD ablehnte und sich vom ZA loslöste. Unter den Delegierten befanden sich auch Delegierte der Kreise im Russischen Sektor. Nicht vertreten waren Köpenick und Treptow. Die Loslösung vom ZA und die Wahl eines neuen Bezirksvorstandes erfolgte einstimmig.
Delegierte aus dem Russischen Sektor wurden nach der Konferenz von den Russen zur Vernehmung geholt, es wurde ein starker Druck auf sie ausgeübt. Man muss auf weitere unangenehme Konsequenzen für die Beteiligten gefasst sein. Der gleichgeschaltete alte Bezirksvorstand stand nach dieser Bezirkskonferenz organisatorisch vor einem Trümmerfeld. Das "Volk" musste am Mittwoch eine neue Adressenliste für die Kreisleiter veröffentlichen, aus der jedermann ersehen konnte, dass der gleichgeschaltete Bezirksvorstand gezwungen war, alle 20 Kreise neu zu besetzen. Die moralische Wirkung der Berliner Aktion unter den SPD-Mitgliedern ist ausserordentlich stark. Die Genossen haben durchweg das Gefühl, als wenn sie jetzt zum ersten Mal seit 13 Jahren die politische Handlungsfreiheit zurückgewonnen haben. Trotzdem hat die SPD in Berlin mit grossen Schwierigkeiten zu rechnen: Das neue Bezirkssekretariat steht noch am Anfang, es fehlt noch an einer eigenen Zeitung. Trotzdem arbeiten alle SPD-Genossen mit grosser Begeisterung und sind sehr optimistisch!
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Das deutsche Problem in der englischen Presse
Mit steigender Aufmerksamkeit und Besorgnis nimmt die englische Presse zu den verschiedensten Problemen in Deutschland Stellung, immer deutlicher erkennend, dass die deutsche Krise auch zur englischen und europäischen Krise anwächst. Einige ernste Stimmen der letzten Zeit wollen wir, zum Teil auszugsweise, unseren Lesern zur Kenntnis bringen. Das grosse liberale Blatt "Manchester Guardian" schreibt im Leitartikel vom 12. April 1946:
"Die deutsche Nahrungskrise ist auch eine politische Krise für England. Es gibt keinen einzigen britischen Verwaltungsmann in Deutschland, ob Militär oder Zivilist, der nicht den Ernst der Situation erkennt, vor der wir in den kommenden Monaten, wenn nicht gar ein Jahr lang, stehen. Denn mit der Besetzung Deutschlands haben wir uns mit einer erschreckend grossen Verantwortung belastet. Es handelt sich nicht lediglich um eine militärische Besetzung, mit einigen Truppen an strategischen Punkten hier und da. Wir sind die Regierung unserer Zone in Deutschland. Wir haben jedes Detail des deutschen Wirtschafts- und Verwaltungslebens zu entscheiden. Wir regulieren die politischen Parteien, Gewerkschaften und die Presse. Wir organisieren die Erziehung. Wir schaffen eine deutsche Bürokratie und Polizei, die unter unserer Befehlsgewalt steht. Wir entscheiden, welche Fabriken geöffnet und wie viel Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden sollen. Uns gehört die riesige Kohlen- und Eisenindustrie. Wir sind noch vollständiger die Beherrscher Deutschlands, als es je die Nazis waren. Wenn Deutschland in die Verzweiflung des Hungers gerät, wenn seine Wirtschaft nicht wieder aufblüht, wenn sein geistiger Nihilismus noch schwärzer wird, dann werden wir in den Augen Deutschlands und der Welt die Verantwortung dafür tragen. Wir können ihr nicht entgehen. Was die Nahrung betrifft, so mag Deutschland ein Opfer der Weltkrise sein, aber während uns der Historiker vielleicht einmal freisprechen wird, wird es die zeitgenössische Geschichte nicht tun. Britannien wird gemäss dem Schicksal seines besiegten Schutzbefohlenen beurteilt werden.
Das britische Volk muss erkennen, dass sein Schicksal nunmehr mit dem Deutschlands verknüpft ist. In einem gewissen Sinne tun wir in Deutschland etwas, was unseren grossen vergangenen Experimenten im britischen Weltreich ähnelt. Wir senden unsere Verwaltungsleute hin (nicht immer in
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sehr glücklicher Weise), wir verkünden Politik (manchmal sehr verwirrt), und zwar für eine Bevölkerung, die an Zahl halb so gross ist wie unsere eigene. Wenn unsere Behandlung Deutschlands zum unerträglichen Durcheinander führt, dann sind es nicht nur die Deutschen, die darunter leiden, sich umdrehen und uns schmähen werden; dann werden wir unser grösstes Versagen als verwaltende Macht zu verzeichnen haben. Es handelt sich um eine politische Prüfung vergleichbar mit der der dreizehn amerikanischen Kolonien und Indiens. Aber mit dem einen Unterschied:
Deutschland ist vor unserer Tür. Das politische und wirtschaftliche Verkommen Europas bedeutet auch unser eigenes Verkommen. Die britische Regierung muss deshalb dem deutschen Problem eine Vorrangstelle einräumen. Sie darf es nicht, wie das gerade jetzt so oft der Fall zu sein scheint, als eine untergeordnete Ressortangelegenheit behandeln, die zwischen dem einen 'Hässlichen-Entlein-Ministerium' und der Armee aufgeteilt ist, sondern als etwas von entscheidender Bedeutung. Der Minister für Deutschland muss einen höheren Status im Kabinettsrat einnehmen. Sein Rat darf nicht von der Stimme des Ernährungsministers oder der mangelnden Anpassungsfähigkeit des Finanzministeriums erdrückt werden. Wir können es uns nicht leisten, hier ein Risiko einzugehen; im Kampf gegen Hunger und Zusammenbruch in Deutschland dürfen wir vor nichts zurückscheuen.
Es gibt noch etwas, worüber sich alle verantwortlichen Verwaltungsleute in Deutschland einig sind - die Torheit des kürzlichen Berliner Abkommens über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands. Es ist undurchführbar, aber, schlimmer als das, es trägt selber unmittelbar zu der deutschen Krise bei. Alles, was wir als Beherrscher unserer Zone zu tun versuchen, wird dadurch unendlich viel schwerer und vielleicht unmöglich gemacht. Deutschland braucht zwei Dinge: Essen und Hoffnung. Nahrung ist die Grundlage, denn ohne einigermassen genügend Nahrung kann es keine Kohle geben, von der Deutschlands Leben abhängt. Aber wenn Nahrung gesichert ist (sie ist noch nicht gesichert), dann muss es auch die Hoffnung geben, mit Selbstachtung und anständigem wirtschaftlichem Wohlbefinden leben zu können. Wir dürfen niemals vergessen, dass Deutschland eine grössere Aufgabe physischen Wiederaufbaus vor sich hat als je ein Land. Kein zivilisiertes Volk hat je vor einer grösseren physischen Wiederaufbauanstrengung gestanden als Deutschland, wenn es weiter zivilisiert sein
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soll. Wir haben keine Hoffnung, es je zu einer friedlichen Demokratie entwickeln zu sehen, wenn wir ihm nicht eine Chance der Erholung geben. Das Berliner Abkommen leugnet all das. Zum mindesten in der Britischen Zone, mit ihren weiten städtischen Gebieten, macht es die Wiederbelebung der Industrie unmöglich, auf denen das deutsche Wirtschaftsleben beruhte; es verurteilt Millionen zu permanenter Arbeitslosigkeit und zum Verlernen ihres Könnens in den Ruinen ihrer Städte. Und das alles wegen mangelnder politischer Courage. Wovor hat man Angst? Davor, dass der deutsche Kapitalismus wiederbelebt werden und seine Kartelle zurückkommen könnten? Aber die Welt hat doch sicherlich genug von der Technik der Kollektivierung gelernt, um das verhindern zu können. Die meisten Menschen sind sich einig, dass das neue Deutschland fast unvermeidlicherweise ein sozialistisches Deutschland sein muss, dass seine Energien zu sehr zerstört sind, um von anderen als dem Staat (oder seinem internationalen Äquivalent) gerettet zu werden. Die britische Regierung sollte auf dieser Grundlage vorwärts gehen. Sie sollte sich weigern, ihr ökonomisches Programm für Deutschland durch das Berliner Abkommen zerschlagen zu lassen. Es sollte sich kühn an die Prinzipien halten, die sie für Britannien als gut genug ansieht, sie sollte die sozialistischen Parteien und die Gewerkschaften direkt ermutigen und die demokratische Verantwortung aktiv auf die Deutschen ausdehnen. Mit anderen Worten, sie sollte in ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland ebenso positiv wie in ihrer unmittelbaren Nahrungsmittelpolitik sein. Die beiden Dinge gehören zusammen. Nichts anderes bietet eine Chance, den Deutschen - und damit uns selbst - zu helfen, den starken politischen Strömungen standzuhalten, die vom Osten über Europa zu fegen drohen. Und Essen steht an erster Stelle."
"Die deutsche Krise". Unter diesem Titel bringt die bedeutendste englische Wirtschaftszeitung "THE ECONOMIST" eine Reihe von Artikeln. Mitglieder der Redaktion, die in Deutschland weilen oder gerade zurückgekehrt sind, versuchen darin die Schlussfolgerung aus der Krise in der Politik zu ziehen, die sich jetzt in Deutschland ihrem Höhepunkt nähert. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der englischen Verwaltung in Deutschland, das zweite mit dem Problem der Kohlen- und Stahlproduktion im Ruhrgebiet.
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Die Kapitel vier und fünf beschäftigen sich mit dem Reparationsplan. Über dies[es] Problem bringen wir folgende Auszüge: "...Am 28. März 1946 verkündete der Alliierte Kontrollrat in Berlin den 'Plan für die Reparationen und das Nachkriegsniveau der deutschen Wirtschaft', auf den sich die vier Besatzungsmächte schliesslich geeinigt hatten. Der Plan ist gedacht als eine Ausführung der Grundzüge der alliierten Wirtschaftspolitik in Deutschland, wie sie auf der Potsdamer Konferenz formuliert wurden. Gemaess den Potsdamer Beschlüssen hätte der Plan bereits bis zum 2. Februar ausgearbeitet sein sollen. Meinungsverschiedenheiten im Alliierten Kontroll-Rat, zuerst über das Niveau der anderen Industrien (insb. der chemischen), haben die Einigung um beinahe zwei Monate verzögert.
Die allgemeine Natur des Planes war festgelegt durch die beabsichtigte Tendenz zur Beschränkung der Potsdamer Beschlüsse. Aber die Verhandlungen nahmen die übliche Form eines 'dialektischen' Zusammenstosses entgegengesetzter Auslegungen eines angenommenen und unantastbaren Textes an. Im Anfang stellte die englische Auslegung das Äusserste an Nachsicht dar, die russischen und französischen Ansichten das Äusserste an schärfster Einschränkungstendenz, während die Amerikaner nach der goldenen Mitte strebten. Im weiteren Verlaufe gingen die Amerikaner oft weiter in ihrer Gegnerschaft zur Drosseltendenz als die Engländer. Der Plan ist ein Mittel dieser entgegengesetzten Tendenzen, ein Halbwegszusammentreffen der ursprünglichen Extreme.
Die leitenden Grundsätze des Planes sind:
a) die Beseitigung des deutschen Kriegspotentials und die industrielle Abrüstung Deutschlands,
b) die Bezahlung von Reparationen,
c) die Entwicklung der Landwirtschaft und friedlicher Industrien,
d) die Zurückführung des deutschen Lebensstandards auf den europäischen Durchschnitt und
e) die Aufrechterhaltung von genügenden Hilfsquellen in Deutschland, um es in die Lage zu versetzen, sich selbst ohne äusseren Beistand zu erhalten.
Noch ehe man an eine tiefergehende Analyse des Planes geht, ist es klar ersichtlich, dass die Hauptprinzipien nicht ganz miteinander übereinstimmen. Die industrielle Abrüstung Deutschlands verringert sowohl seine Fähigkeit, Reparationen zu zahlen, als auch seine Fähigkeit, friedvolle Industrien und seinen Aussenhandel auf ein
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Niveau heraufzubringen, auf dem es ohne äussere Hilfe auskommen könnte.
Der Plan basiert auf den folgenden Voraussetzungen:
a) dass Deutschlands Bevölkerung nicht 66,5 Millionen im Jahre 1949 (dem Jahr, in dem die deutschen Industrien die erlaubte Höchstgrenze erreichen sollen) übersteigt,
b) dass Deutschland als eine einzige Wirtschaftseinheit behandelt wird und
c) dass Deutschland einen Markt für seine Exporte findet.
Die Nichterfüllung dieser Voraussetzungen oder irgendeiner von ihnen kann den Plan unbrauchbar machen oder seine Revision erfordern. Die englischen Unterhändler haben auf einen sehr sorgfältigen Wortlaut dieser Vorbehalte in dem gemeinsamen Plan gesehen. In einer besonderen Erklärung haben sie noch ein paar andere Punkte hinzugefügt, so wie die Voraussetzung, dass Deutschlands Westgrenzen unverändert bleiben und dass eine deutsche Zentralverwaltung eingesetzt wird. Diese Vorbehalte können dem Plan den Charakter der Endgültigkeit nehmen und den Anlass zu einer Reihe neuer Diskussionen über die Auslegung geben. ...
Die augenblickliche praktische Bedeutung des Planes besteht in der Tatsache, dass er die Grundlage zum Herausfinden der sogenannten industriellen Ueberschuss-Kapazität liefert, das ist der Umfang der industriellen Anlagen, die für Reparationszwecke zu erfassen sind. Obgleich das festgesetzte Produktionsniveau in den meisten Industrien wahrscheinlich nicht vor 1949 erreicht wird, wird die Entfernung der 'überschüssigen' Industrieanlagen aus Deutschland ziemlich früh beginnen, wenn der Plan ausgeführt wird.
Man schätzt, dass die allgemeine Wirkung des Planes eine Herabsetzung des Niveaus der Industrie als ganzes genommen auf etwa 50 oder 55% des Vorkriegsniveaus i. J. 1938 (ausgenommen Bau- und Baumaterialien-Industrien) sein wird. Diese Herabsetzung berührt die verschiedenen Industrien in verschiedenem Ausmass...
... Um zusammenzufassen, kann ohne Uebertreibung gesagt werden, dass die Vereinbarung über das Niveau der deutschen Industrie ein Plan zur Lahmlegung und zur Verarmung ist. Er ist negativ, einengend und grundsätzlich undurchführbar. Man kann nur hoffen, dass er schnell seinen Platz dort findet, wohin er gehört: in die Archive des Alliierten Kontroll-Rats ..." Das letzte Kapitel zieht aus der vorstehenden Analyse der deutschen Situation praktische Schlussfolgerungen, die wir in den nächsten SM bringen.
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Ein deutsches Tagebuch[21]
Kingsley Martin, der Herausgeber von "STATESMAN AND NATION", schreibt am 20. April u.a.: "Der unbedeutende Zwischenfall meiner kurzen Verhaftung durch die Polizei im Russischen Sektor Berlins (über die in der englischen Presse verschieden berichtet wurde) ist lediglich deshalb wert, geschildert zu werden, weil sie ein Licht auf die augenblicklichen Verhältnisse der vierteiligen Besatzung Berlins wirft. Da ich mehr über die Art wissen wollte, wie die Leute in der Schale Berlins weiter leben, wanderte ich hinunter in den Bezirk Alexanderplatz, begleitet von Herrn Kurtz[22], dem Herausgeber einer der deutschen Zeitungen in der Russischen Zone, und Heinrich Fränkel, der sich mit dem Studium der Erziehung in Deutschland beschäftigt hatte. Wir gingen in ein Café und bestellten etwas, was um alter Zeiten willen Bier genannt wird - das einzige, was man in einem deutschen Café kaufen kann. Fränkel und ich waren in der Uniform von Kriegskorrespondenten. Russische Soldaten sassen da mit ihren Mädchen, einen von ihnen sah ich ein Glas aus einer Schnapsflasche füllen, die er in seiner Manteltasche verborgen hatte. Kurz darauf kam dieser Soldat oder Polizist - es ist mir nicht gelungen, seinen Rang oder sein Amt festzustellen - an unseren Tisch und begrüsste uns. Wir gaben einander die Hand; Engländer und Russen gute Kameraden usw. Als wir gehen wollten, verlangte er unsere Papiere, und da er nicht in der Lage war, sie zu lesen, führte er uns ab zu einem deutschen Polizeirevier. Da er ein Schnellfeuer-Gewehr auf dem Rücken hatte und da es die Russische Zone war, war es wenig angebracht, darüber zu streiten. Ausserdem hatte Fränkel seine Papiere zu Hause gelassen. Die nächsten zwei Stunden waren schwierig. Die Untersuchungen wurden einmal durch die Ankunft eines aufgeregten Mannes unterbrochen, der wegen Schleichhandels mit vielen anderen verhaftet worden war. Die Polizei war deutsch, ausserordentlich höflich und bestrebt, uns beim Telefonieren mit unseren Freunden behilflich zu sein. Der Russe war dadurch gehemmt, dass er weder Englisch noch Deutsch verstand, und war dauernd bestrebt, seine Autorität geltend zu machen. Die deutsche Polizei überzeugte den Russen, das Kurtz' und meine Papiere in Ordnung seien. Kurtz wurde entlassen und ging fort, um Hilfe für uns zu organisieren.
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Ich weigerte mich selbstverständlich zu gehen, ehe Fränkels Fall auch klar gestellt war. Der Russe bestand darauf, dass Fränkel mit ihm zur russischen Polizei gehen müsse, schien aber über meine Hartnäckigkeit bekümmert, mit der ich versicherte, dass Fränkel mein Kamerad sei und dass ich auch gehen müsste. Ich hatte ihm ein Paket Zigaretten gegeben, das für mich ein oder zwei Shilling wert war, aber das auf der augenblicklichen Berliner Börse £ 6 oder ein halbes Pfund Schleichhandel-Butter notierte. Die Diskussion in deutschem Kauderwelsch setzte sich auf der Strasse fort. Ich war bemüht, Fränkel nicht ohne Papiere auf einer russischen Polizeiwache zu verlieren, von der ich nicht einmal die Adresse wusste. Ich machte es dem Russen eindrücklich klar, dass er Unannehmlichkeiten haben würde, wenn der englische Offizier, [mit] dem ich telefoniert hatte, kommen würde, um uns nach Hause zu bringen. Bei einer Gelegenheit fasste er dies als eine Beleidigung auf, wies auf sein Schnellfeuer-Gewehr, das er vor sich hinhielt, und erklärte, dass es sechs Millionen russischer Soldaten gäbe usw. Schliesslich ging er davon, und Fränkel und ich kehrten zurück zu einer Unterhaltung mit der deutschen Polizei über ihre Schwierigkeiten. Eine halbe Stunde später kam eine eindrucksvolle englische Rettungsmannschaft, geführt von einem Brigadeführer, und es war für sie vielleicht etwas wie eine unerwartete Ueberraschung, uns frei und auf gutem Fusse mit der deutschen Polizei zu finden.
An sich ist dieser Zwischenfall ganz unbedeutend. Die Beschwerde des Russen war, soweit ich nach seinen wenigen abgerissenen Worten in Deutsch urteilen kann, dass wir uns 'zuviel umschauten'. Ich denke, das bedeutet, dass wir ihn beobachtet hatten, als er Schnaps aus einer Schleichhandelsflasche goss. Fast jeder ist im Schleichhandel, einschl[iesslich] natürlich der russischen Soldaten. (Der englische Anteil am Schleichhandel ist andersartig. Mit Zigaretten von diesem phantastischen Wert verkaufen viele englische Soldaten ihre Zigarettenration gegen Mark und sparen ihren Sold und senden einige Sachen, die sie illegal erwerben, nach Haus.) Der russische Polizist hatte ein Recht, sich unsere Papiere anzusehen und Fränkels Identität sicherzustellen, als seine Papiere nicht vorgezeigt wurden. Zwischenfälle dieser Art würden überhaupt nichts ausmachen, wenn nicht die Tatsache wäre, dass der russische Menschenraub noch immer weiter geht und dass Leute, die zwecks Verhör verhaftet werden, von ihren Freunden mög-
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licherweise niemals wieder gesehen werden. Nicht jeder, der von der Polizei verhaftet wird, ist in der glücklichen Lage, einen englischen Brigadegeneral anzurufen.
Was das russische Verhalten im allgemeinen anbelangt, so wird da zweifellos übertrieben, ein Ueberbleibsel aus den ersten Tagen des unterschiedslosen Raubes und der Vergewaltigung. Wenn man die Methoden untersucht, die angewandt werden, um die Verschmelzung der Kommunisten und Sozialdemokraten in Berlin zu erreichen, muss man folgende Faktoren anführen:
Zuerst viele deutsche Sozialisten, obgleich sie vor den Russen Angst haben, wollen eine einzige Partei. Sie erinnern sich, wie die frühere Spaltung zwischen Kommunisten und Sozialisten Hitler half, die Macht zu erlangen. Zweitens, sie sind an ein totalitäres System gewöhnt, und sind nicht überrascht zu finden, dass Rationen und Anstellungen manchmal davon abhängen, ob man in die richtige Partei eingetreten ist. Drittens, die Russen haben zweifelsohne einige der sozialdemokratischen Führer so weit eingeschüchtert, dass sie die Vereinigung angenommen haben. Sie schmeicheln und drohen abwechselnd, und man hat mir mitgeteilt, dass die sozialdemokratischen Führer, die der Fusion zustimmen, nachher Autos und besondere Lebensmittelpakete bekamen ..."
(aus einem Briefe Erich Ollenhauers)
"... Unser Flug von Bückeburg nach Gatow bei Berlin dauerte nur 70 Minuten. Nachmittags um 4 Uhr kamen Fritz Heine und ich in Wilmersdorf an ... Wir haben in den 5 Tagen unseres Aufenthalts mit den Berlinern und wie die Berliner gelebt. Wir bekamen unsere Rationskarten für 6 Tage, wir froren wie die Berliner in ihren Wohnungen, denn es war ein saumässiges Aprilwetter, wir wuschen und rasierten uns kalt, wir freuten uns über jede Zigarette, die wir noch auftreiben konnten und waren froh, als wir gestern Nacht um 1 Uhr bei dünnem Tee von Frau S. noch jeder 2 Zigaretten gedreht bekamen, die sie mit den sorgfältig aufgewahrten Zigarettenenden füllte. Wir fanden, dass es ein Festmahl ist, als wir gestern mittag bei Fr. G. einen Kartoffelsalat von richtigen Kartoffeln erhielten, genug zum Sattessen und mit einem halben Hering für jeden, der die Fleischration für die Woche ausmachte. Wir fanden es nicht aufregend, wenn wieder einmal Strom-
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sperre war, [wir] kein Radio hatten oder plötzlich wieder einmal im Dunkeln sassen. Wir haben mit Freunden in Britz und Tempelhof an zwei Abenden zusammen gesessen, die allen ihren Gästen sogar eine Tasse Tee geben konnten und die in einem Fall sogar in der Lage waren, ein Stück trockenes Weissbrot herumzureichen. Wir haben festgestellt, dass getrocknete Kartoffeln, die jetzt als Ersatz für frische geliefert werden, sehr gut schmecken, wenn sie nur gedämpft und nicht gekocht werden. Wenn die Unterhaltungen zu lange dauerten und es zu kalt wurde, dann zog man seinen Mantel an und tat, als wenn gar nichts dabei wäre. Die obenerwähnten Kartoffeln waren eine Spende der Mutter, die auf einer 3tägigen Fahrt mit langen Fussmärschen 65 Pfund zusammenbrachte und glücklich einer Kontrolle der Russen entging, die die gehamsterten Kartoffeln einsammeln, weil sie sie für die Herstellung von Sprit gebrauchen. Man muss jetzt das Risiko eingehen, denn auf dem Schwarzen Markt kostet ein Zentner bis zu 1.000 Mark.
Wir hatten für die 5 Tage unseres Aufenthaltes einen Wagen zur Verfügung, weil wir nur so unser Programm erledigen konnten. Strassenbahnen, U-Bahnen und S-Bahnen fahren, aber sie sind überfüllt, man muss sehr oft umsteigen und braucht Stunden, um von einem Ende zum anderen zu kommen. Wir haben so sehr viel von Berlin gesehen.
Vieles ist schrecklich traurig. Die Zerstörungen sind das Schlimmste, was ich bisher sah. Nichts in London ist damit zu vergleichen. Wir waren nicht im Russischen Sektor, vor allem nicht in Friedrichshain, in Lichtenberg und im ganzen Osten. Aber es genügt auch so.
Wir sind wie gelähmt durch die Gegend am Halleschen Tor gegangen. Das Hallesche Tor ist nicht mehr da. Von der Gitschiner Strasse bis zur Ecke Lindenstrasse steht nicht ein einziges Haus. Die Lindenstrasse ist eine tote Strasse. Das Vorwärts-Haus steht noch, aber es ist ausgebrannt und liegt in einer Welt des tödlichen Schweigens. Belle Alliance Platz 6/8 ist einfach nicht mehr da. Die Friedrichstr[asse] ist ein einziges Trümmerfeld, die noch heute für jeden Verkehr gesperrt ist. Die Stresemannstrasse vom Halleschen Tor bis zum Potsdamer Platz ist wie eine verlassene Dorfstrasse, und die Häuser, die sie begrenzen, sind nichts als Ruinen. Zwischen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Bahnhof gibt es nicht ein einziges unbeschädigtes Haus. Alles atmet Schrecken und Tod. Die Friedrich-Ebertstrasse vom Potsdamer Platz bis zum Brandenburger Tor liegt in Schutt.
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Da, wo früher der Tiergarten war, liegt eine weite Ebene, ohne Baum und Strauch, nur besät mit Trümmern, aus denen hier und da wie ein Phantom ein Reiterstandbild der Siegesallee herausragt. Soweit der Blick reicht, bis weit hinter dem grossen Stern, nur Leere und Spuren des Kampfes. Auf dem Platz der Republik, vor dem Reichstag, der nur noch eine leere Hülle ist, waren die Berliner gerade dabei, ihre Schrebergärten zurecht zu machen ...
Nun, in dieser Stadt, die einfach nicht mehr da ist, leben 3 Millionen Berliner, und diese Stadt ist heute die lebhafteste und aufregendste Stadt in ganz Mitteleuropa. Alles ist in Bewegung, und man fühlt buchstäblich die grosse Spannung, die diese Menschen erfüllt. Es ist der unglaubliche Lebenswille der Berliner und der internationale Charakter, den die Stadt angenommen hat, die alles beherrschen. Man muss da gewesen sein, um zu verstehen, warum die Menschen, die Kontakt mit dem Weltgeschehen behalten wollen, sich nicht trennen können und lieber die ganze Misere der Not in Kauf nehmen. Man ist traurig, wenn man die Stadt wieder sieht und erlebt, und man ist noch trauriger, wenn man sie wieder verlassen soll. Man geht mit Wehmut und Schuldgefühl, dass man nicht dabei ist und dass man sie gerade jetzt allein lässt. Vielleicht sind das alles nur unsere subjektiven Eindrücke, hervorgerufen durch den plötzlichen und unerwarteten Kontakt mit so vielen Menschen, die einem nahe stehen und einem so viel sind! ...
Nie werde ich die Funktionärsversammlung am Donnerstag (11. April) abend in der Hasenheide vergessen. Nur 48 Stunden Zeit waren für die Vorbereitung und Einladung geblieben, und im Saal drängten sich mehr als 1.500 Menschen. Es war die erste Konferenz seit der Befreiung der Berliner Partei von dem Albdruck der erzwungenen Vereinigung. Alle waren noch voll von der Freude über den Sieg über den geistigen Terror. Es war wie ein Fest. Ich sprach als Dritter, immer wieder gab es stürmischen Beifall und zum Schluss toste der Saal. Ich hatte gar nichts Aufregendes gesagt, nur was wir dachten, aber hinterher kamen sie und sagten, es sei wie Musik gewesen. Wie schrecklich müssen sich diese Menschen einsam gefühlt haben ... Es war das Zusammentreffen des grossen politischen Ereignisses einer wirklichen Freiheitsbewegung der Berliner Sozialdemokraten und des unerhörten persönlichen Erlebnisses des 'Nachhausekommens', das kaum zu ertragen war ..."
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Nach Deutschland zurück
sind auf Einladung des Gen. Hoegner, Waldemar und Julie von Knoeringen[23]. Ferner gehen nach Bayern zurück die Gen. Walter Fischer[24], Leopold Goldschmidt[25], Karl Höltermann und Max Hoffmann[26], um dort Redakteurposten zu übernehmen. Grete Hermann[27] geht von London nach Bremen, um dort in den Schuldienst zu treten.
Aus der Schweiz ist der sozialdemokratische Journalist Karl Gerold[28] nach Frankfurt a. M. gegangen, wo er als vierter Lizenzträger und Redakteur in die
Frankfurter Rundschau eintritt. Seit vielen Wochen wurde immer stärker eine einseitige kommunistische Tendenz der "Frankfurter Rundschau" beobachtet. Auch in den Beratungen der Frankfurter Bürgerschaft wurde darüber Befremden ausgedrückt. Die Redakteure Arno Rudert[29], Wilhelm Karl Gerst[30] und Emil Carlebach[31] haben dem ursprünglich überparteilich geleiteten Blatt eine so starke kommunistische Tendenz gegeben, dass diese Einseitigkeit auch im Auslande Verwunderung erregte. Nun soll demnächst noch ein weiterer sozialdemokratischer Redakteur in die Redaktion [ein]treten.
Der "Vorwärts" in Berlin,
das ursprüngliche Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, ist von den Berlinern nicht vergessen worden und wird als ein wichtiges Bindeglied zur alten Tradition der Berliner Arbeiter sehr geachtet. Nun ist ein Kampf um diesen Namen ausgebrochen. Die Berliner Sozialdemokraten, die gegen die Zwangsvereinigung sind, planten, ihre Zeitung "VORWAERTS" zu nennen. Darauf haben schnell die Kommunisten ihre Zeitschrift "EINHEIT" umgetauft in "Vorwärts"[32].
Neuer Berliner SPD-Bezirksvorstand.
Die Berliner Sozialdemokraten hielten am 7. April eine Bezirkskonferenz ab, auf der alle 20 Bezirke der nichtrussischen Bezirke vertreten waren. Es wurde beschlossen, einen vom Zentralausschuss unabhängigen Bezirksvorstand zu wählen, dem Franz Neumann[33], Karl Germer[34] und Kurt Swolinzki[35] angehören. Dr. Rudolf Wissell hielt die Begrüssungsansprache. Paul Löbe hat sich inzwischen ebenfalls gegen die Zwangs[ver]einigung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten ausgesprochen. Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Högner hat sich gegen die Zwangsvereinigung ausgesprochen. Auch der Landesparteitag der SP in Bayern hat eine Entschliessung gegen die Fusion angenommen.
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Minister Hynd stellte (am 8. April) fest, dass über 200 Entnazifizierungskammern in der Britischen Zone gebildet seien oder in Bildung begriffen seien. Diese Kammern beständen aus Deutschen und zeigten ein wohlangebrachtes Verantwortungsbewusstsein und lebhaftes Interesse an ihrer Arbeit. In ungefähr einem Monat werde er eher in der Lage sein, über den Fortschritt dieser Einrichtungen zu berichten.
Nach dem jüngsten Stand der Entwicklung der freien Gewerkschaften in Deutschland befragt, stellte Minister Hynd u.a. fest, dass die gewerkschaftliche Entwicklung auf vom Alliierten Control Council anerkannten Prinzipien beruhe. In der Britischen Zone habe am 12. und 13. März die erste gewerkschaftliche Zonenkonferenz in Hannover stattgefunden, wo beschlossen worden sei, vier Provinz-Organisationsausschüsse und einen Zonen-Organisationsausschuss zu bilden, die sich mit den verschiedenen aus der Entstehung nun zahlreich in Erscheinung tretender Gewerkschaften ergebenden Problemen auseinandersetzen sollen[36].
In Beantwortung einer von Sir Arthur Salter[37] gestellten Frage stellte Minister Hynd (am 1. April) fest, dass 10 Millionen Menschen in der Britischen Zone einen 1014 Kalorien nicht überschreitenden Lebensmittelverbrauch hätten.
Die täglichen Rationen für Displaced Persons[38] in UNRRA-Lagern in Deutschland sind (Sitzung vom 19.3.46): 1.850 (plus Rote-Kreuz-Pakete) für normale DP's; 2.400 Kalorien für solche, die mittelschwere Arbeit verrichten, und 2.600 Kalorien für solche, die schwere Handarbeit verrichten.
Ob die früheren Konzentrationslager Sachsenhausen und Buchenwald geschlossen worden sind, konnte die Regierung (am 27.3.46) nicht sagen, da die beiden Orte sich nicht in der Britischen Zone befinden ...
Aussenminister Bevin stellte (am 13.3.46) fest, dass es nicht möglich gewesen sei, die Genfer Konvention im Falle der deutschen Kriegsgefangenen in jeder Beziehung zu befolgen, da es sich um eine Situation handele, die niemals vorher bedacht worden sei. Die Regierung bemühe sich jedoch, dem Geist der Konvention zu folgen. Es gibt keine Schutzmacht mehr für deutsche Kriegsgefangene.
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Adressen der SPD Bezirks-Parteisekretariate
1 Bezirk Schleswig-Holstein: |
Wilhelm Kuklinski[39], Kiel,
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2 Bezirk Hamburg: |
Karl Meitmann, Hamburg 36
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3 Bezirk Bremen-Nordwest: |
Walter Rother-Romberg[40],
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4 Bezirk Hannover: |
Egon Franke, Hannover-Linden,
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5 Bezirk Braunschweig: |
Ewald Gerrich[41], Braunschweig,
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6 Bezirk Östliches Westfalen: |
Emil Gross[42], Bielefeld,
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7 Bezirk Westliches Westfalen: |
Heinrich Wenke[43],
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8 Bezirk Niederrhein: |
Ernst Gnoss[44], Düsseldorf,
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9 Bezirk Oberrhein: |
Robert Görlinger, Köln-Sülz,
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10 Bezirk Hessen-Kassel: |
Hans Braunholz[45], Kassel
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11 Bezirk Hessen-Frankfurt: |
Willi Knothe, Frankfurt a.M.
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12 Bezirk Württemberg-Baden: |
Max Denker, Stuttgart-W.,
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13 Bezirk Oberpfalz-Niederbayern: |
Höhne[46], Regensburg
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14 Bezirk Ober- und Mittelfranken: |
Julius Lossmann[47],
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15 Bezirk Unterfranken: |
Keller[48], Würzburg,
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16 Bezirk Schwaben: |
Augsburg (keine Adresse eingegangen). |
17 Bezirk Oberbayern: |
Hans Roith[49], München (13b),
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18 Bezirk Rheinland-Koblenz-Trier: |
Emil Bettgenhäuser[50],
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19 Bezirk Rheinland-Mainz: |
Freitag[51], Mainz, Kreyssigstr. 4 |
20 Bezirk Pfalz: |
Franz Bögler, Neustadt a.d. Haardt,
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21 Bezirk Saar: |
Franz Glauben[52], Saarbrücken,
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Die Rückwanderung nach Deutschland
kann nur sehr langsam erfolgen, die Einreisebewilligungen werden von den zuständigen Militärbehörden nur individuell erteilt. Hoffnungen mancher Illusionisten auf Erteilung von Sonderzügen oder -schiffen, haben sich als unsinnig erwiesen. Unsere bisherige Einstellung, dass die entscheidenden Massnahmen von innen zu erfolgen haben, hat sich als absolut richtig erwiesen.
Hans Gottfurcht, der gegenwärtig in Deutschland weilt und im Auftrag des TUC mit den zuständigen Behörden und Gewerkschaftsstellen die Frage der Rückkehr unserer Kollegen bespricht, teilte bisher mit, dass über die Repatriierung nach Deutschland grosse Bereitschaft besteht, emigrierte Kollegen wieder aufzunehmen und sie angemessen unterzubringen, dass sich dies auch auf Kollegen bezieht, die in ihre ursprüngliche Heimat nicht zurückkehren können oder wollen. Es wurde jedoch mit Recht geltend gemacht, dass der Stand des Gewerkschaftslebens, die räumlichen und sonstigen Arbeitsbedingungen es unmöglich machen, aus der Ferne endgültige Garantien zu übernehmen oder gar schon genau zu sagen, in welchen Funktionen der Einzelne verwendet werden kann. dass für jeden mehr Funktionen verfügbar sind, als ein Mensch zu leisten vermag, bedarf keiner Erwähnung. Es ist der Wunsch der Gewerkschaftsstellen usw. in Deutschland, dass alle Rückwanderer eine ausführliche Darstellung ihres Lebensganges und ihrer Qualifikationen schreiben, die an die zuständigen Stellen in Deutschland einzureichen sind. Da die Verwendung in Deutschland nicht mit Sicherheit in der Gewerkschaftsarbeit liegt (viele Rückwanderer wollen in die politische Parteiarbeit, in den Schul-, Gesundheits-, Fürsorgedienst, in die Gemeinde- oder Staatsverwaltung), ist auch Angabe der Parteizugehörigkeit nötig.
Genosse Wilh. Sander wird voraussichtlich während des Parteitages der SPD vom 8.-11. Mai in Hannover sein und während dieser Zeit mit den verschiedenen Stellen die Frage der Rückkehrmöglichkeiten mit unseren Parteifreunden in den verschiedenen Stellen beraten und danach weitere Mitteilungen an unsere Parteigenossen in der Emigration ergehen lassen. Die bisher eingeleiteten Arbeiten nehmen ihren Fortgang.
Issued by the London Representative of the SPD,
33, Fernside Avenue, London N.W.7. Tel: MIL1 Hill 3915
Editorische Anmerkungen 1 - Morgan W. Phillips (1902 - 1963), Bergarbeiter, 1944-1961 Generalsekretär der Labour Party (Nachfolger von J.S. Middleton), 1951-1957 Präsident der Sozialistischen Internationale. 2 - Die Partei der Arbeit (PvdA) war am 9.2.1946 durch den Zusammenschluss der früheren SDAP mit Teilen christlicher Parteien und einer katholischen Widerstandsgruppe entstanden. 3 - William E. Bohn war Direktor der Rand School und Herausgeber des zeitweiligen Zentralorgans der amerikanischen Socialist Party ("The New Leader", siehe SM 8, 18. Apr. 1940, Anm. 17), dessen Redaktionssitz zeitweise die Rand School war. W. Bohn gehörte - neben Thomas Mann u.a. - einem Komitee für die politische Erziehung der deutschen Kriegsgefangenen in den USA an. 4 - David Dallin (1889 - 1962), Politologe, Publizist und Schriftsteller russischer Herkunft, unter dem Zaren als Student verhaftet, 1911-1917 Exil, 1917 Rückkehr nach Russland, oppositionelles Mitglied des Moskauer Sowjets, 1921 erneutes Exil: Deutschland, Polen und Frankreich, ab 1940 in den USA, schrieb jahrelang eine wöchentliche Kolumne für "The New Leader". 5 - Zu Busch, Pesch und Kissling konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. 6 - Willi Wanka (geb. 1910), Konsumangestellter, seit 1929 Mitglied der DSAP in der CSR, 1935-1938 im DSAP-Vorstand, 1938 Exil in Großbritannien, ab 1939-1955 Arbeit als Farmer in Kanada, 1956-1975 Verwaltungsdirektor eines Krankenhauses bzw. einer Klinik. 7 - Verwechslung? Ein überregionaler Gewerkschaftsbund mit diesem Namen konnte nicht nachgewiesen werden. In Kanada gab es 1946 zwei große Gewerkschaftsbünde: den Trades and Labor Congress (TLC) und den Canadian Congress of Labor (CCL). 8 - Wahrscheinlich handelt es sich um die 1916 gegründete Sozialdemokratische Partei (Albyduflokkur). 9 - Gegründet 1932 als Co-operative Commonwealth Federation (Farmer Labour Socialist), ein Zusammenschluss westkanadischer Gewerkschafter, Farmer und Sozialisten, der von Ideen des Fabianismus und eines christlichen Sozialismus geprägt war. 10 - "Goldwell": Major James Coldwell (geb. 1888), gebürtiger Kanadier, 1934-1937 Generalsekretär der Co-operative Commonwealth Federation, 1938-1942 Vorsitzender der CCF, ab 1935 Mitglied des kanadischen Parlaments (House of Commons). 11 - Sven Andersson (geb. 1910), Bautischler, 1933-1935 Lehrer beim Arbeiterbildungsverband in Göteborg, ab 1935 sozialdemokratischer Sekretär für den Bezirk Göteborg, 1948-1951 Sekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, 4 Jahre Reichstagsabgeordneter, 1948-1971 Mitglied in der I. Kammer (Staatsrat), 1948-1976 Minister mit verschiedenen Geschäftsbereichen, darunter 1973-1976 Außenpolitik. 12 - Udo Rukser (1892 - 1971), Rechtsanwalt, in der Weimarer Republik publizistische Tätigkeit, nach 1933 Landwirt, 1938 Emigration nach Chile, 1943-1946 mit Albert Theile (s. d.) Herausgeber der in Chile erschienenen "Deutschen Blätter" (Untertitel: für ein europäisches Deutschland - gegen ein deutsches Europa), die in der Literatur als bürgerlich-konservative Kulturzeitschrift beschrieben werden. Unter dem Namen Eduard Udo Ruckser im März 1944 ausgebürgert, politische Kontakte des Kreises um die "Deutschen Blätter" u. a. zur Sopade in London, nach Kriegsende Organisierung von Hilfsaktionen für Deutschland, ab 1946 schriftstellerisch und als Landwirt in Chile tätig. 13 - Albert Theile (geb. 1904), Kunsthistoriker und Zeitungswissenschaftler, Hochschullehrer und Publizist, Rundfunkmitarbeiter, 1933 Emigration aus Deutschland: Norwegen, Frankreich, Indien, China, Japan, USA, Norwegen, ab 1940 in Chile, 1952 in die Schweiz. 14 - Hugo Heimann (1859 - 1951), Verlagsbuchhändler und Verleger, mit August Bebel gut bekannt, 1908-1910 SPD-Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, 1919-1932 SPD-Mitglied der Nationalversammlung bzw. des Reichstags, emigrierte 1939 über GB in die USA. 15 - Bertha Jourdan (1892 - 1981), ab 1913 Sonderschullehrerin in Frankfurt a. M., 1917 Beitritt zur SPD, 1924-1928 Stadtverordnete in Frankfurt, 1928-1933 SPD-MdL Preußen, 1933-1939 Leiterin einer Privatschule für jüdische Kinder, 1939 Emigration nach Rhodesien, dort 1942-1963 als Sonderschulpädagogin tätig, 1969 Rückkehr nach Frankfurt, wieder in der SPD aktiv. 16 - Also ein Kommentar der britischen Nachrichtenagentur Reuters Ltd. 17 - Bibliographisch weder als eigenständige Veröffentlichung (Broschüre) noch als Artikel ermittelt. Auch ein Manuskript zu der hier wiedergegebenen Darstellung fand sich nicht im AdsD-Bestand Kurt Schumacher. 20 - Sozialistische Einheitspartei / SED: Siehe auch SM 82, Jan. 1946, Anm. 3. 21 - Im englischen Original: (Titel: A German Diary) "in the shell of Berlin". 22 - Rudolf Kurtz (geb. 1884), Journalist und Schriftsteller, bis 1933 Direktor bei der UfA, 1945-1953 Chefredakteur des "Nacht-Expreß" (Illustrierte Berliner Abendzeitung), einer sechsmal wöchentlich erschienenen Zeitung, die 1953 eingestellt wurde. 23 - Waldemar Freiherr von Knoeringen (1906 - 1971), Verwaltungsangestellter, seit 1926 Mitglied der SPD, Bibliothekar im Volksbüchereiwesen, 1933 Emigration nach Österreich, 1934 in die CSR, Sopade-Grenzsekretär für Südbayern, später Anschluss an die Gruppe Neu Beginnen und die mit dieser Gruppe zusammen arbeitenden österreichischen und deutschen Sozialisten, 1938 Emigration nach Frankreich, ausgebürgert, 1939 nach London, bei Kriegsausbruch interniert, 1940 ff Mitarbeiter an Rundfunksendungen für Deutschland (Sender europäische Revolution, BBC), gab diese Position auf, als die Alliierten in Casablanca die bedingungslose Kapitulation Deutschlands gefordert hatten, trat in London für die Einigung der verschiedenen deutschen sozialistischen Exilgruppen ein ("Union"); von Knoeringen gehörte zum Lehrkörper für deutsche Kriegsgefangene im Lager Wilton Park bei London. Ab 1946 maßgeblich beim Wiederaufbau der SPD beteiligt, 1946-1970 SPD-MdL Bayern (1950-1958 Fraktionsvorsitzender), 1947-1963 Landesvorsitzender der bayerischen SPD, 1949-1951 MdB, 1958-1962 stellvertretender SPD-Vorsitzender, einer der Verfasser des Godesberger Programms der SPD (1959), Experte für sozialdemokratische Kultur- und Bildungspolitik.
24 - Walter Fischer (1905 - 1982), Schlosser und Elektriker, 1922 Beitritt zur SPD, 1931 zur SAP, nach der NS-Machtübernahme illegale Tätigkeit, nach Entdeckung durch die Gestapo 1935 Flucht in die CSR, 1937 ausgebürgert, Mitarbeit an tschechischen deutschsprachigen Zeitungen, 1938 nach Norwegen, dort auch journalistisch tätig, innerhalb der Exil-SAP Zusammenarbeit mit Willy Brandt, 1940 nach dem deutschen Überfall auf Norwegen Flucht nach Großbritannien, 1940-1941 in Kanada interniert, Mitglied des politischen Büros der Exil-SAP und Befürworter der "Union". Mai 1946 Rückkehr nach Deutschland, SPD-Mitglied, Lizenzträger, Verleger und Chefredakteur SPD-naher Zeitungen in Bayreuth. 25 - Leopold Goldschmidt (1896 - 1991), Journalist und Rundfunkmitarbeiter, DSAP-Mitglied, 1938 Leiter des DSAP-Büros in Paris, 1940 nach Großbritannien, 1943-1945 Mitarbeit beim London Representative of the Sudeten German Refugees, zeitweise Sekretär von Wenzel Jaksch. Mai 1946 Übersiedlung nach Deutschland, redaktionelle und Herausgeber-Tätigkeit an verschiedenen Zeitungen (Passau, München, Frankfurt a. M.), 1950-1953 führendes Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, 1952-1960 Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt a. M. 26 - "Hoffmann": Max Moritz Hofmann (1891 - 1951), Buchdrucker, 1909 Gewerkschafts-, 1911 SPD-Mitglied, ab 1919 Beamter im sächsischen Arbeitsministerium, ab 1924 Gauvorsitzender im Reichsbanner Chemnitz, ab 1932 Mitglied in der RB-Bundesführung, 1933 Emigration über Dänemark nach Frankreich, 1934/35 Geschäftsführer des sozialdemokratischen Verlags Volksstimme in Saarbrücken, ab 1935 wieder Frankreich, dort journalistische Mitarbeit an verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen in Europa, Vertreter einer sozialdemokratischen Volksfrontpolitik, 1937 ausgebürgert, ab 1941 in Portugal, dort Mitarbeit bei einem Hilfskomitee, im Oktober 1944 nach Großbritannien. 1946 Rückkehr nach Deutschland, Lizenzträger und Verlagsleiter einer Zeitung in Schweinfurt. 27 - "Grete Hermann": d. i. Grete Henry, geb. Hermann (geb. 1901), Pädagogin und Hochschullehrerin, Mitglied des ISK und Mitarbeit an dessen Presseorgan, nach der NS-Machtübernahme illegale Kaderschulungsarbeit, 1936 Emigration nach Dänemark, von dort 1938 nach Großbritannien, führendes Mitglied der ISK-Gruppe London und im Vorstand der "Union". Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland (1946) wesentlicher Anteil am Aufbau der Pädagogischen Hochschule Bremen, 1950-1966 Professorin, ab 1947 Mitglied des Kulturpolitischen Ausschusses der SPD, 1954-1966 Mitglied des Deutschen Ausschusses für Erziehungs- und Bildungswesen. 28 - Karl Gerold (1906 - 1973), Schlosser, in der Weimarer Republik Mitglied von SAJ, SPD und DMV, Mitarbeit an verschiedenen sozialdemokratischen Zeitungen, 1933 kurzfristig "Schutzhaft", dann illegale politische Tätigkeit, Herbst 1935 Flucht nach Basel, im Exil auch schriftstellerisch und journalistisch tätig, Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg, anschließend in der Schweiz interniert, im April 1940 von den Deutschen ausgebürgert, 1942 Gründer des Bundes Deutscher Revolutionärer Sozialisten, im Januar 1945 von einem Schweizer Militärgericht wegen "Neutralitätsbruch" und "nachrichtendienstlicher Tätigkeit" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. 1946 Rückkehr nach Deutschland, 1946-1973 Lizenzträger, Mitherausgeber und Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau", 1952 SPD-Austritt. 29 - Arno Rudert (1891 - 1954), Buchhändler und Journalist, in der Weimarer Republik KPD-Mitglied, gegen Ende des Krieges Zwangsarbeiter. 1945 ff Lizenzträger, Verleger und Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau", 1947 aus der KPD ausgeschlossen, stand später den Sozialdemokraten nahe. 30 - Wilhelm Karl Gerst (1887 - 1968), Architekt, in der Weimarer Republik Chefredakteur des Zentrumsblatts "Hildesheimer Zeitung", nach 1933 in der katholischen Widerstandsbewegung und deswegen zu 1 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1945-1946 Lizenzträger und Herausgeber der "Frankfurter Rundschau", nach Lizenzentzug durch die amerikanische Militärregierung später Bonner Mitarbeiter von DDR-Zeitungen und ADN sowie Herausgeber einer eigenen Pressekorrespondenz ("WKG-Dienst"), musste sich mehrfach gegen die Behauptung, kommunistischer Agent zu sein, zur Wehr setzen. 31 - Emil Carlebach (geb. 1914), 1932 Abitur, Mitglied des Sozialistischen Schülerbundes, dann des KJVD, nach der NS-Machtübernahme gewerkschaftlich illegal tätig, Verlust seiner Stellung als kaufmännischer Lehrling, 1933 verhaftet, 1934 erneut verhaftet und wegen Herstellung von Gewerkschaftszeitungen zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, 1937-1945 im KZ (Dachau und Buchenwald). 1945-1947 Lizenzträger und Mitherausgeber der "Frankfurter Rundschau", 1946-1950 KPD-MdL Hessen, später langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitung "die tat", Funktionen im Internationalen Buchenwald-Komitee und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). 32 - Die Entwicklung war anders. Zur "Einheit" siehe SM 82, Jan. 1946, Anm. 3.
33 - Franz Neumann (1904 - 1974), Schlosser, 1919 Eintritt in den DMV, 1920 SAJ- und später SPD-Mitglied, 1926-1933 Jugendfürsorger beim Magistrat von Berlin, nach 1933 illegale Betätigung für die SPD, 1934 wegen "Hochverrat" zu 1 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach dem Krieg zuerst Vorsitzender der SPD-Reinickendorf, entschiedener und prominenter Gegner der Fusion von SPD und KPD, 1946-1958 Landesvorsitzender der SPD (West-)Berlin, 1949-1969 SPD-MdB. 34 - Karl J. Germer, nicht zu verwechseln mit Karl Germer (geb. 1886), dem Vater von Karl J. Germer. Beide waren Mitglieder des Zentralausschusses der SPD gewesen. - Karl Johann Germer (geb. 1913), kaufmännischer Angestellter (Ausbildung im Verlagswesen 1933 abgebrochen), 1932 SPD-Mitglied. Im März 1946 als Gegner der geplanten SPD-KPD-Fusion zur SED: Trennung vom ZA der SPD, 1952 Leiter der Westberliner Abteilung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen, 1970 Austritt aus der SPD. 35 - "Kurt Swolinzki": Curt Swolinzky (1887 - 1967), Handlungsgehilfe, seit 1919 Mitglied der SPD und Geschäftsführer der AfA, SPD-Funktionen in Pommern und Schlesien, nach "Schutzhaft" ab 1933 selbständiger Kaufmann in Berlin. Seit 1946 SPD-Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung und des Abgeordnetenhauses. 36 - Die Konferenz fand vom 12.-14. März 1946 in Hannover statt. 37 - James Arthur Salter (geb. 1881), britischer Politiker, Wirtschafts- und Finanzfachmann, verschiedene Regierungsämter, 1920-1931 Direktor der Wirtschafts- und Finanzabteilung des Völkerbundes, 1937-1950 Unabhängiges MP, 1951-1953 konservatives MP, 1944 stellvertretender Generaldirektor der UNRRA, 1951-1953 Minister im 2. Kabinett Winston Churchills. 38 - Displaced Persons (verschleppte Personen); Bezeichnung für Menschen fremder Staats- oder Volkszugehörigkeit, die während des II. Weltkrieges von Deutschen oder ihren Verbündeten aus ihrer Heimat verschleppt wurden, bzw. Flüchtlinge, die sich bei Kriegsende im ehemaligen deutschen Reichsgebiet aufhielten.
39 - Wilhelm Kuklinski (1892 - 1963), Schriftsetzer, 1921-1925 SPD-Parteisekretär in Schleswig-Holstein, 1927-1933 preußischer Staatsbeamter, aus politischen Gründen entlassen. 1945-1947 Bezirksvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein, 1946-1950 MdL, 1946-1949 Volksbildungsminister in Schleswig-Holstein. 40 - Walter Rother-Romberg (1906 - 1950), kaufmännischer Angestellter, ab 1922 SAJ-, ab 1927 SPD-Mitglied, 1933 illegale politische Betätigung, im Dezember d. J. verhaftet und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, 1936 Flucht über Prag nach Frankreich, dort Sekretär des SPD-Landesverbandes in Frankreich, aktive Hilfe für die republikanische Seite im Spanischen Bürgerkrieg, 1939 zuerst in Frankreich interniert, dann in den Arbeitskompanien der Französischen Armee mobilisiert, 1941 mehrfach verhaftet und wieder freigelassen, 1942 ff im französischen Widerstand. Juni 1945 Rückkehr nach Deutschland (Bremen), 1945-1947 Bezirkssekretär des SPD-Bezirksverbandes Nordwest. 41 - Ewald Gerrich (1901 - 1985), Schlosser, später technischer Angestellter, seit 1918 DMV-Mitglied, seit 1924 SPD-, dann ISK-Mitglied. 1945-1963 Bezirkssekretär der SPD Braunschweig, SPD-MdL Niedersachsen 1963-1970. 42 - Emil Gross (1904 - 1967), kaufmännischer Angestellter (später Studium der Staatswissenschaft als Hochbegabter ohne Reifezeugnis), seit 1924 hauptamtlicher SPD-Angestellter, 1933-1941 Emigrant in den Niederlanden (Amsterdam), dort Mitherausgeber der sozialdemokratischen Exilzeitung "Freie Presse", 1937 ausgebürgert, 1941 verhaftet und in Dortmund zu 2 1/4 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1945 vorläufiger SPD-Bezirkssekretär in Ostwestfalen-Lippe, ab 1946 Mitglied des entsprechenden Bezirksvorstandes und des Gesamt-PV, Verlagsleiter und Lizenzträger der "Freien Presse" (Bielefeld), 1946-1967 SPD-MdL NRW. 43 - Heinrich Wenke (1888 - 1961), Modellschreiner, seit 1906 Mitglied der SPD, ab 1919 Redakteur der sozialdemokratischen "Westfälischen Allgemeinen Volkszeitung" (Dortmund). Nach Kriegsende ÖTV-Mitglied und Bezirkssekretär der SPD Westliches Westfalen, SPD-MdL NRW 1946-1947, 1949-1954 und 1957-1958. 44 - Ernst Gnoß (1900 - 1949), Schriftsetzer, seit 1918 Mitglied der SPD, ab 1924 Jugend- und Bildungssekretär der SAJ und der SPD am Niederrhein, 1933 Parteisekretär in Essen, wegen illegaler politischer Betätigung 1935 verhaftet und zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt, 1939 wieder Tätigkeit als Schriftsetzer, 1944 in einer Arbeitskompanie dienstverpflichtet. 1945 wesentliche Beteiligung am Aufbau der SPD im Bezirk Niederrhein, 1946-1949 SPD-MdL NRW, 1948-1949 Minister für Wiederaufbau in NRW. 45 - Hans Braunholz (geb. 1884), Stukkateur, ab 1919 bei der SPD angestellt, 1921 ff. verschiedene kommunale Funktionen in Stadt und Kreis Eschwege, ab 1934 selbständiger Kaufmann, 1945/46 SPD-Bezirksparteisekretär. 46 - Franz Höhne (1904 - 1980), Maschinenschlosser, seit 1922 SPD- und Gewerkschaftsmitglied, 1934 wegen illegaler politischer Betätigung zu 2 1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, nach Gefängnishaft bis 1938 KZ Dachau, nach dem 20. Juli 1944 drei Wochen KZ Flossenbürg. 1945 ff. SPD-Bezirkssekretär Niederbayern-Oberpfalz, 1955-1968 Vorsitzender dieses Bezirks, 1949-1969 SPD-MdB. 47 - Julius Loßmann: Siehe SM 79/80, Okt./Nov. 1945, Anm. 10. 48 - Es handelt sich um Wilhelm Keller, der in einer Veröffentlichung über die Würzburger SPD nach dem II. Weltkrieg als "Alt-Parteisekretär" bezeichnet wird. Mehr konnte nicht ermittelt werden. 49 - Zu Hans Roith konnten keine biographischen Angaben ermittelt werden. (Evtl. handelt es sich um : Christian Roith (1905 - 1969), vgl. "Bayr. Landtag - Chronik" von J. P. Koch oder um Friedrich Roith (1893-1976), ein Altsozialdemokrat, der 1933 ins NS-Konzentrationslager Dachau eingeliefert wurde, 1945 von den Amerikanern zum Landrat von Miesbach ernannt wurde und sich später als "Vater der verfolgten Sozialdemokraten" den Interessen tausender Leidens- und Schicksalsgenossen widmete.) 50 - Emil Bettgenhäuser (1906 - 1982), Bergmann, ab 1921 Mitglied im Bergarbeiter-Verband, ab 1927 in der SPD, 1930-1934 arbeitslos, 1940-1945 Soldat. 1945 Direktor des Koblenzer Arbeitsamtes, ab 1946 Bezirkssekretär Rheinland/Hessen-Nassau, Mitglied der Beratenden Landesversammlung Rheinland-Pfalz 1946/1947, SPD-MdL Rheinland-Pfalz 1947-1949, 1949-1961 MdB, 1959-1972 Erster Bürgermeister (d.h. OB-Stellvertreter) in Koblenz. 51 - Alfred Freitag (gest. 1995), Schreiner, seit der Jahrhundertwende SPD- und Gewerkschaftsmitglied, seit 1920 und dann wieder nach 1945 Bezirkssekretär der SPD Rheinhessen. 1945 ff. SPD-Mitglied des Mainzer Stadtparlaments. 52 - Franz Glauben (geb. 1895), vor 1935 Expedient der sozialdemokratischen Zeitung "Volksstimme" (Saarbrücken), Mitglied des letzten Unterbezirksvorstandes Saarbrücken der SPD/Saar, 1935 Emigration nach Frankreich, 1939/1940 interniert, danach Anschluss an die Résistance in Südfrankreich. 1946 Rückkehr ins Saargebiet, dort sozialdemokratischer Bezirkssekretär (SPS), wegen Kontroversen über den außenpolitischen Kurs der SPS 1946 aus dieser Funktion entlassen, später Verwaltungsdirektor eines Krankenhauses in Völklingen. |