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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 12]



III. Sozialpolitik




1. Sozial-wirtschaftliches Niveau der Bevölkerung

Das sozial-wirtschaftliche Niveau der Bevölkerung Tschechiens besserte sich 2001 leicht. Die tatsächliche Höhe ist abhängig vom Entwicklungsstand des Landes, der Produktivität, der Höhe des Pro-Kopf-BIP und der Höhe der sog. "Sozialquote", das heißt dem Anteil der Ausgaben für Sozial- und Gesundheitswesen insgesamt am BIP.

Ungefähre Angaben über das sozial-wirtschaftliche Niveau der Tschechischen Republik im Vergleich zu EU-Ländern und der Bundesrepublik Deutschland ergeben das folgende Bild:

Tabelle 1: Stand der Tschechischen Republik im internationalen Vergleich




Tschechische Republik
in den Jahren (in %):


1998

1999

2001

EU 15: BIP/1 EW = 100 (in Kaufkraftparität)

60

60

61,5

BRD: BIP/1 EW = 100 (in Kaufkraftparität)

57

56

58

Sozialquote der Tschechischen Republik
(Anteil der Ausgaben für Sozial-
und Gesundheitswesen am BIP)

20,6

21,8

22,5

Anmerkung: In den EU-Ländern beträgt die Sozialquote ca. 27 %.

Es ist ersichtlich, dass das sozial-wirtschaftliche Niveau der Tschechischen Republik um mehr als ein Drittel niedriger ist als in der EU-Durchschnitt. Auch die "Sozialquote" deutet darauf hin, dass die "soziale Komponente" des tschechischen Staats sehr sparsam ist. Das Problem der Tschechischen Republik besteht nicht in der übermäßigen Höhe von staatlichen Unterstützungen und Leistungen, das Problem entsteht vielmehr in der Zahl der Empfänger dieser Leistungen. Diese steigende Zahl hängt eng mit der steigenden Arbeitslosigkeit in den letzten sechs Jahren zusammen.

Tabelle 2: Struktur der Ausgaben für Sozial- und Gesundheitswesen (in % des BIP)




1995

2001
(vorläufig)

Sozial- und Gesundheitswesen insgesamt

19,7

22,5


davon für:




System der sozialen Sicherheit

12,5

15



davon für:





Renten

7,5

9,6



Kranken- und Mutterschaftsgeld

1,3

1,4



Kindergeld

1,4

1,7



Beschäftigungspolitik

0,2

0,5


Gesundheitswesen

7,3

7,8



Im internationalen Vergleich fallen vor allem die geringen Ausgaben für die Beschäftigungspolitik auf. In den EU-Ländern sind sie drei- bis viermal höher.

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Der Anstieg der Ausgaben für das Gesundheitssystem von 4,8 % 1990 auf 7,8 % im Jahr 2001 half, das traditionell gute Niveau des tschechischen Gesundheitssystems zu halten und zu verbessern. Die Ausgaben für Alters- und Invalidenrenten bildeten 1990 noch 7,3 % des BIP und erhöhten sich 2001 auf 9,6 %. Für den Erhalt der durchschnittlichen realen Rentenhöhen von 1990 reichte das nicht. Die durchschnittliche reale Altersrente ist 2001 etwa um 7 % niedriger als 1990.

Die vom Arbeitnehmer gezahlten Beiträge für die Sozialversicherung sanken ab 1995 leicht von 13,25 % auf 12,5 % vom Bruttolohn, der Arbeitgeber zog 1995 32,25 % vom Lohn ab, jetzt 35 %. Im System der Sozialfürsorge entstand ähnlich wie in anderen Ländern ein Problem mit den Altersrentnern. Die Bevölkerung wird immer älter, die durchschnittliche Lebensdauer verlängert sich, dazu werden immer weniger Kinder geboren. Deshalb ist eine grundlegende Reform des Rentensystems notwendig. Die Kosten des tschechischen "Sozialstaats" und ihre Struktur sind im Vergleich zu den EU- und den OECD-Ländern niedriger bzw. angemessen.

Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation von einem totalitären "sozialistischen" Regime zu einer Demokratie und Marktwirtschaft ist ohne sozialen Schutz und soziale Ausgaben nicht durchführbar. Das Problem der Effektivität der sozialen Ausgaben ist in der Tschechischen Republik auch ein Problem der Zahl der Leistungsempfänger und ein Problem der Geschwindigkeit der Deregulierung der Verbraucherpreise einschließlich der Preise für das Wohnen, wobei neue Sozialleistungen eingeführt werden und das gesamte System immer undurchsichtiger wird.

Während der Transformation setzte die Tschechische Republik eine relativ "harte Sozialpolitik" durch, zur Zeit der wirtschaftlichen Rezession ging diese Härte bis an die Grenze des sozialen Friedens. Die Härte der Sozialpolitik und der damit verbundenen Kosten kommt klar beim Vergleich mit den sozialen Ausgaben in % des BIP bei der Wiedervereinigung Deutschlands zum Ausdruck: in den neuen Bundesländern (der ehemaligen DDR) war die Sozialquote in den Jahren 1991 bis 1993 höher als 60 %, bis 2000 dann 50 %!

In der Tschechischen Republik entstand ein Problem bei der Höhe der Sozialleistungen im Verhältnis zum Arbeitslohn. Hier denken wir an jene soziale Gruppe unserer Mitbürger, die ihre Arbeit verloren haben und keinen neuen Arbeitsplatz finden können, und jene, die eine so schlecht bezahlte Arbeit haben, dass sie selbst nicht viel mehr als das Existenzminimum verdienen. Die Frage lautet, wie ihre wirtschaftlich ungünstige Stellung in Zufriedenheit über das verdiente Geld geändert werden kann, damit aus ihnen Menschen werden, die "Geld verdienen wollen". Wie soll also erreicht werden, dass "sich die Arbeit auszahlt"? Eine Lösung bietet sich dann an, wenn die Arbeitslosigkeit dieser Mitbürger nur eine kurze Episode in ihrem Leben darstellt, die zudem vom Streben nach der Erhöhung ihrer beruflichen Qualifizierung begleitet ist, und nicht eine lange Phase der sozialen Frustration.

Die spezifisch tschechische Note dieses Problems besteht darin, dass es heute eine sehr große Gruppe von Menschen gibt, die "Verlierer" der Transformation ist, während eine sehr kleine Gruppe binnen unglaublich kurzer Zeit einen riesigen Reichtum erwarb. Im "tschechischen realen Sozialismus" erreichten Löhne und Einkommen die höchste Nivellierung im ganzen sozialistischen Lager. Die Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen öffnete sich nach der Wende äußerst weit. Die Menschen störte diese Differenzierung nicht, solange sie die Aussicht auf eine erfolgreiche Zukunft hatten. Die Krisenerscheinungen in den Jahren 1997 bis 1999 und der stärkere ungünstige Einfluss auf den Lebensstandard der Menschen mit geringen Einkommen führten jedoch zum "Verlust der Illusionen". In der Zeit von 1997 bis 1999 erhielten in Tschechien sogar mehr als 100.000 Arbeitnehmer (2 %) nicht einmal regelmäßig ihren Lohn, dabei bekamen sie weder Arbeitslosenunterstützung noch eine andere soziale Hilfe.

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2. Sozialleistungen und ihre Veränderungen

Im Jahr 2001 traten mehrere neue Gesetze und Regierungsverordnungen in Kraft, die Arbeits- und Lebensbedingungen beeinflussen. Die Novelle des Arbeitsgesetzbuchs verlängerte zum Beispiel den Jahresurlaub auf mindestens vier Wochen, was insbesondere für jüngere Arbeitnehmer eine Verlängerung um eine Woche bedeutet. Die Zahl der bezahlten Feiertage erhöhte sich von zehn auf zwölf. Die gewöhnliche Dauer der Arbeitszeit wird neu als Netto-Arbeitswoche von

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37,5 bis 40,0 Stunden definiert, das heißt ohne "große Pause für Essen und Erholung". Die neue gesetzliche Regelung der Arbeitsformen wurde im sozialen Dialog präzisiert. In konkreten Details fand sie Eingang in einen Teil des Inhalts von Betriebs- bzw. Branchentarifverträgen. Die Regelung der Arbeitszeit und ihrer Formen entspricht heute eher der chronologischen als der früher chronometrischen Methode.

Organisation und Funktionen des Systems der sozialen Sicherheit erfahren seit 2001 eine Änderung, da 14 höhere Gebietskörperschaften eingerichtet, 76 (Land-)Kreise aufgelöst und so genannte beauftragte Gemeinden entstehen, die in Fragen des sozialen Systems Anlaufstellen für die Bürger sein sollen.

Um eine konkrete Vorstellung vom System der Struktur der verschiedenen Sozialleistungen und ihren Zusammenhängen mit dem Existenzminimum und dem Mindestlohn zu erhalten, werden im Folgenden jene Leistungen angeführt, die 2001 verändert bzw. an die Preisentwicklung angepasst wurden:

Tabelle 3: Lohn und Sozialleistungen im Jahr 2001



1. Durchschnittlicher Bruttomonatslohn

14 500 CZK

2. Mindestlohn (ab dem 1. 1. 2002)

5 700 CZK


- Anteil am durchschnittlichen Bruttolohn

40 %

3. Existenzminimum (monatlich)



- Einpersonenhaushalt

4 100 CZK


- Vierpersonenhaushalt (2 Kinder von 10 – 15 Jahren)

11 980 CZK

4. Arbeitslosenunterstützung



- in den ersten drei Monaten 50 % des (letzten) Lohns

max. 10 250 CZK


- in den folgenden drei Monaten 40 % des Lohns

max. 10 250 CZK


- bei einer Requalifizierung 60 % des Lohns

max. 11 480 CZK

5. Kindergeld je Kind

720 CZK

6. Durchschnittliche Altersrente monatlich

6 450 CZK




Anmerkung: ungefähre Kaufkraftparität: 1 EUR = 13 CZK



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3. Zur Problematik der Rentenreform

Die Regierung präsentierte 2001 ihre Konzeption für eine Rentenreform zur Debatte im Parlament (und auch im Rat für das Wirtschafts- und Sozialbündnis). Diese Konzeption enthält Grundprinzipien, so genannte Pfeiler:

  • Erhalt des Umlageverfahrens der Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der gegenwärtigen Höhe (die Rente beträgt 44 % des Bruttolohns),

  • Stärkung und steuerliche Begünstigung freiwilliger Zusatzversicherung (verwirklicht),

  • Einführung von Arbeitgeber-Pensionsversicherungen.

Voraussetzung für die Funktion dieser Konzeption ist die Abtrennung der Beiträge für die Rentenversicherung vom Staatshaushalt und die Einrichtung einer Sozialversicherungsanstalt.

  • Das Parlament lehnte den Gesetzesentwurf zur Einrichtung der Sozialversicherungsanstalt im November mit einer knappen Stimmenmehrheit ab. Die Debatte über diese Konzeption wird dadurch aufgeschoben und wird vom Ergebnis der Wahlen im Juni 2002 abhängen.

Eine zweite Konzeption von der Opposition besteht noch nicht in Form eines Gesetzesentwurfs, sie entscheidet sich vor allem durch

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  • Geringerer Anteil des Umlageverfahrens, die durchschnittliche Altersrente sollte niedriger sein, etwa auf der Höhe des Existenzminimums,

  • Einführung von Pflichtbeiträgen für private Rentenversicherungen,

  • Erhalt der heutigen freiwilligen Rentenzusatzversicherung.

Die vorgeschlagene Konzeption wird in groben Zügen von konservativen Politikern durchgesetzt. Die Rentenreform wird ein Wahlkampfthema werden.

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4. Sozialer Dialog

Eine Steigerung der Repräsentativität – der Legitimität der Organisationen der Sozialpartner und ihrer Strukturen – ist Aufgabe der nächsten Jahre nicht nur in der EU, sondern auch für Tschechien. Der in den letzten zwei Jahren auf diesem Gebiet erreichte Fortschritt wird von Fachleuten als "Renaissance der Sozialpartnerschaft" bezeichnet. Trotz großer und noch zu überwindender Probleme wird die Sozialpartnerschaft heute schon als eine Eigenschaft eines modernen europäischen Staats eingeschätzt.

  • Der soziale Dialog wird als Schlüsselthema der modernen Gesellschaft betrachtet, da sie ohne das Entstehen von Konflikten und ihre Lösung undenkbar ist,

  • Konflikte müssen unermüdlich und kompetent überwunden werden, das kann nur in einem günstigen sozialen Verhandlungsklima und unter Kenntnis der Argumente von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erreicht werden,

  • Beim Blick auf erfolgreiche Länder mit einer leistungskräftigen Wirtschaft ist zu erkennen, dass ein hohes Niveau des sozialen Konsenses ein Faktor dieses Erfolgs ist,

  • Die Gesellschaft verändert sich schnell infolge technologischer Veränderungen, der Globalisierung von wirtschaftlichen und technologischen Prozessen. Täglich entstehen neue Herausforderungen für die Konkurrenzkraft, der Einzelne bekommt das Gefühl, nicht mehr frei zu sein. Für flexible Arbeitsformen wird eine neue Vorbereitung benötigt, die mithilfe von Methoden der sozialen Verhandlungen durchgesetzt werden muss.

  • Durch die Entfaltung der Bildung und Informationsgesellschaft wächst das allgemeine kulturelle Niveau der Menschen. Diesem Niveau müssen auch Formen und Inhalte der Sozialverhandlungen entsprechen.

Die tschechoslowakischen triparitätischen Verhandlungen auf höchster Ebene begannen schon 1990, gleich nachdem neue Organisationen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die neuen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände entstanden waren. Die Vertreter dieser neuen Sozialpartner und Vertreter der Regierung bildeten einen gemeinsamen Rat, der ein Übereinkommen über die wichtigsten Probleme der Wirtschafts- und Sozialpolitik anstrebte. Allen gemeinsam war das Ziel, die Umwandlung in eine Demokratie auf marktwirtschaftlicher Grundlage zu fördern und zu beschleunigen. Es gab keine ausführliche Anleitung, keine Erfahrungen oder Modelle. Dazu mussten die Methoden der Sozialverhandlungen in anderen Ländern studiert werden – "kapiert" werden, nicht "kopiert" werden, denn in der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik gab es spezifische politische, soziale und wirtschaftliche Umstände. Die Entwicklung des sozialen Dialogs und des Sozialabkommens verlief nicht auf geradem Wege, sondern mit mehreren Änderungen, Pausen und Umwegen.

Am 10. Oktober 1990 wurde für die Tschechischen Republik als ein triparitätisches Organ von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern der Rat des Sozialabkommens gegründet, der 1991 in Rat für das Wirtschafts- und Sozialabkommen der Tschechischen Republik umgenannt wurde. Ein entsprechender Rat wurde auch in der Slowakischen Republik gegründet. Die Initiative für die Bildung dieses Rates ging gemeinsam von den neuen Arbeitsministern und den neuen Vorsitzenden der großen Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften aus.

Die föderalen Räte für das Wirtschafts- und Sozialabkommen und die einzelnen Räte in den Republiken entstanden nicht aufgrund einer Rechtsvorschrift; es war ein Gentlemen Agreement,

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das dann durch Beschluss der zuständigen Regierungen gebilligt wurde. Die einzelnen Räte verabschiedeten für ihre Tätigkeit Statute und Geschäftsordnungen.

Laut Statut war jeder Rat ein gemeinsames Verhandlungs- und Initiativorgan von drei Parteien, das heißt der zuständigen Regierung, den Gewerkschaften und Arbeitgebern, das nach dem Dreisäulenprinzip eine Übereinstimmung in grundlegenden Fragen der Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitik erzielen sollte oder dazu Stellung nehmen sollte.

Der Rat des Sozialabkommens der Tschechischen Republik (im Weiteren nur Rat) setzte bestand nach dem ersten Statut aus 18 Mitgliedern: sechs Regierungsvertreter, sechs Vertreter der Gewerkschaften, davon fünf Vertreter der Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftskammer, und sechs Mitglieder für die Arbeitgebervertretung. Im Statut vom April 1991 erhöhte sich die Zahl der Mitglieder der einzelnen Parteien auf sieben, insgesamt also auf 21 Mitglieder.

Nach dem Statut von Oktober 1991 sollte der Rat die Generalabkommen aushandeln, Stellungnahmen zum Vorgehen und zu Maßnahmen im Bereich Beschäftigung, Arbeitsvergütung, Arbeits- und Sozialbedingungen und zur Ausrichtung des Inhalts der Kollektivverhandlungen und zum Abschluss von Manteltarifverträgen treffen.

Er sollte ferner die Standpunkte zu Entwürfen für grundsätzliche rechtliche Regelungen der arbeitsrechtlichen Beziehungen, der sozialen Sicherheit und über die materielle Unterstützung der Bürger im Fall von Arbeitslosigkeit vereinheitlichen und zu Maßnahmen der Arbeitsmarktsteuerung und zu den Programmen der Nutzung von Mitteln aus dem Beschäftigungsfonds und zu Entwürfen internationaler Abkommen im Bereich Beschäftigung und Sozialpolitik Stellung nehmen. Er sollte auch Empfehlungen zur Lösung von Kollektivstreitigkeiten großen Ausmaßes aussprechen, sofern diese bei der Aushandlung und Durchführung von Kollektivverträgen entstanden waren.

Da die Sozialpartner, vor allem die Arbeitgeber, verlangten, dass sich der Rat auch mit breiteren Fragen und Vorschlägen für Maßnahmen wirtschaftlichen Charakters befassen sollte, wurde die Tätigkeit des Rats in diesem Statut ausgeweitet: Zusammen mit der veränderten Bezeichnung Rat für das Wirtschafts- und Sozialabkommen (im Weiteren nur Rat) sollte er auch Grundsätze und Konzepte für eine Wirtschafts- und Strukturpolitik, wirtschaftliche Maßnahmen mit wesentlichen Auswirkungen auf den Lebensstandard, die Beschäftigung und Lohn- und Sozialpolitik, zu Gesetzesentwürfen im Bereich Steuern, Preise, Finanzen, Zölle u. Ä. erörtern und dazu Stellung ergreifen. Im Rahmen seiner Ermächtigung zu Initiativen konnte der Rat auch Interpellationen und Lösungsvorschläge einreichen.

Bei den weiteren Änderungen des Statuts (20. Januar 1994) wurde die Tätigkeit des Rats schrittweise eingeschränkt auf Arbeitsbeziehungen und Kollektivverhandlungen, wirtschaftliches Umfeld, Beschäftigungslage und soziale Sicherheit. Der soziale Frieden wurde im Dezember 1994 durch einen so genannten Warnstreik der Gewerkschaften aus Protest gegen den Regierungsentwurf des Rentenversicherungsgesetzes unterbrochen. Die Regierung reagierte durch ihre Absicht, sich aus den tripartistischen Verhandlungen zurückzuziehen und den sozialen Dialog nur zweiseitigen Verhandlungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu überlassen.

Auf der Vorstandssitzung des Rats im Februar 1995 legten die Regierungsvertreter deshalb den Entwurf eines neuen Statuts für dreiseitige Kontakte der Regierung und der Sozialpartner vor. Nach weiteren Verhandlungen, als auch die Arbeitgeber schon vor einem Zurückzug der Regierung gewarnt hatten, und nach Änderungen wurde das Statut vorläufig auf der erweiterten Vorstandssitzung vom 18. Mai 1995 vereinbart und am 7. Juni 1995 durch Regierungsbeschluss Nr. 337 als Statut des Rats für den Dialog der Sozialpartner verabschiedet. Die Sozialpartner nahmen das Statut auf der Ratsvorstandssitzung vom 26. Juni 1995 an. Damit wurde der bisherige Rat für das Wirtschafts- und Sozialabkommen der Tschechischen Republik in den Rat für den Dialog der Sozialpartner der Tschechischen Republik geändert (im Weiteren nur RDSP).

Nach dem verabschiedeten Statut sollte der Rat für den Dialog der Sozialpartner der Tschechischen Republik die Funktion eines freiwilligen tripartistischen Organs der Gewerkschaften und Arbeitgeber unter Beteiligung von Regierungsvertretern sein, um ausgewählte Fragen gemeinsamen Interesses mit dem Ziel einer Vereinbarung oder machbaren Lösung im Interesse der Einhaltung des sozialen Friedens zu konsultieren. Gleichzeitig hatte der RDSP die Aufgabe, das Ge-

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neralabkommen von Regierung, Arbeitgebervertretern und Gewerkschaften vorzubereiten und seine Erfüllung auszuwerten.

Nach Artikel 2 des Statuts sollte der RDSP im Rahmen seiner Tätigkeit ausgewählte Probleme gemeinsamen Interesses erörtern, vor allem im Bereich arbeitsrechtlicher Beziehungen, der Kollektivverhandlungen und Beschäftigung, von Löhnen, Gehältern und damit zusammenhängenden Fragen, dem Arbeitsschutz und sozialen Fragen.

Die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 1997, der Eisenbahnerstreik im Februar desselben Jahres und zunehmende soziale Spannungen führten in der rechtsgerichteten Regierung zu einer Änderung ihres Standpunkts zur Führung des sozialen Dialogs im Rahmen des Rats für den Dialog der Sozialpartner und zum Vorschlag, zum früheren System zurückzukehren. Die Regierung legte diesen Vorschlag auf der Tagung des Ratsvorstandes vom 16. Juni 1997 vor. Aufgrund einer Ermächtigung im Regierungsbeschluss Nr. 417 von Juli 1997 wurde auf der Vorstandssitzung des Rats der Wortlaut des Statuts und der Geschäftsordnung des erneuerten Rats für das Wirtschafts- und Sozialabkommen der Tschechischen Republik beschlossen.

Die Eingangsbestimmungen des erneuerten Rats für das Wirtschafts- und Sozialabkommen der Tschechischen Republik bezeichnen den Rat als ein gemeinsames Verhandlungs- und Initiativorgan der Gewerkschaften, Arbeitgeber und der Regierung der Tschechischen Republik für tripartistische Verhandlungen mit dem Ziel, in grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eine Übereinstimmung zu erreichen. Ferner wird festgehalten, dass der Rat durch die gegenseitig respektierte Form des Dialogs den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten hilft, der eine grundlegende Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Wirtschaft und des Lebensstandards der Bevölkerung ist. Es handelt sich um ein Organ von drei Parteien, auch wenn die Partei der Gewerkschaften von zwei selbstständigen Subjekten vertreten ist, ebenso wie die Seite der Arbeitgeber.

Laut Artikel 2 des Status ist Gegenstand der Tätigkeit des Rats die Erörterung von Problemen, vor allem in sieben Bereichen:

  • Wirtschaftspolitik,

  • arbeitsrechtliche Beziehungen, Kollektivverhandlungen und Beschäftigung,

  • soziale Fragen,

  • Löhne und Gehälter,

  • tertiärer Sektor,

  • Arbeitsschutz und

  • EU-Beitritt der Tschechischen Republik.

Die Tätigkeit des Rats wurde de facto Ende 1998 voll wieder aufgenommen. Bis auf Ausnahmen (z. B. Termin zur Anhebung der Gehälter im öffentlichen Dienst) erörterten und präsentierten Regierung und Sozialpartner ihre Positionen zu allen Dokumenten und Gesetzesentwürfen, die das im Statut des Rats abgegrenzte Thema betrafen.

In den Jahren 2000 und 2001 wurde nach oft schwierigen Verhandlungen Einvernehmen über die Novellierung des Arbeitsgesetzbuchs und anderer Gesetze erreicht, ebenso wie beim Entwurf des Nationalen Beschäftigungsprogramms, bei Dokumenten zu den EU-Beitrittsverhandlungen u. v. m.

Tätigkeit und Ergebnisse der Verhandlungen des Rats werden auf entsprechende Weise in Presse, Fernsehen und Rundfunk veröffentlicht. Der Rat für das Wirtschafts- und Sozialabkommen steigerte so seine Autorität und wurde zu einem gewürdigten Teil des gesellschaftlichen Lebens.


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