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TEILDOKUMENT:
Im folgenden sollen die Fragen betrachtet werden, die sich ergeben, wenn Geld zwischen Ländern transferiert wird, ohne daß es unmittelbar der Bezahlung von Importen oder Faktorleistungen dient. Geld dient auch innerhalb der geschlossenen nationalen Volkswirtschaft nicht nur als Tauschmedium, sondern auch der Wertaufbewahrung. Es berechtigt immer zum unmittelbaren oder künftigen Bezug einer Ware oder Dienstleistung. Im internationalen Bereich geht es zunächst vor allem um den Bezug einer anderen Währung, wenn man von den Situationen absieht, in denen eine fremde Währung unmittelbar gültiges Zahlungsmittel in einem Land ist. Damit tritt als erste Preisfrage der Wechselkurs auf. Wenn er nicht fest ist, so kann jede doppelte Tauschaktion (Hin- und Rücktausch) zwischen Währungen schon Gewinne oder Verluste mit sich bringen. Die Wertaufbewahrungsfunktion kommt zum Tragen, wenn ein Land weniger oder mehr konsumiert als es produziert. Die Differenz muß importiert bzw. exportiert werden. Der realen Ersparnis bzw. Entsparnis stehen Finanzströme gegenüber. Nehmen wir an, Land A spare und exportiere den Überschuß ins Land B, das mehr konsumiert als es produziert. Wird dieser Überschuß nicht verschenkt, so muß Land B zahlen. Wenn Land B keine Vorräte an der Währung des Landes A aus eigener früherer Ersparnis hat, so kann es entweder eigene Währung anbieten oder eine Verbindlichkeit in eigener oder der anderen Währung eingehen. Den letzten Fall kann man sich so vorstellen, daß das in Land A gesparte Geld an Land B geliehen wird und dazu dient, die überschüssigen Importe zu bezahlen. Für die beteiligten Länder stellen Wechselkursänderungen mögliche Konflikte dar. Ist Land A in der Gläubigerposition und besitzt es einen Vorrat an Währung des anderen Landes, dann verschlechtert sich die eigene Vermögenslage, d.h. der Anspruch auf eine bestimmte Menge von Gütern und Dienstleistungen des anderen Landes, wenn sich die Währung des anderen Landes inflationiert, also real aufwertet. Denn dann nimmt die Gütermenge ab, die für einen bestimmten Währungsbetrag zu erhalten ist. Eine rein nominale Wechselkursänderung ohne Inflation hat dagegen keine Auswirkung. Nur beim Rücktausch in die eigene Währung verändern sich die Forderungen. Da der Rücktausch innerhalb des Landes erfolgt (das andere Land sei erst mal ohne Fremdwährungsvorräte), so macht der Verkäufer der inzwischen aufgewerteten Währung einen Gewinn zulasten des Käufers. Das gleiche gilt bei Verbindlichkeit in der Schuldnerwährung. Auch sie verliert bei Inflation an Kaufkraft. Verpflichtet sich das Schuldnerland zur späteren Zahlung in der Gläubigerwährung, so kann es durch eigene Inflation die Forderung nicht entwerten. Es muß dann durch Exportüberschüsse gegenüber dem Gläubigerland entsprechende Mengen von dessen Währung erwerben. Hat inzwischen eine Aufwertung der Gläubigerwährung (oder Abwertung der Schuldnerwährung) stattgefunden, so sind mehr Güter und Dienstleistungen notwendig, um die Schuld zu begleichen. Betrachtet man diese Dynamik von Ersparnis und Entsparnis, so geht es im Kern um eine intertemporale Konsumverteilung. Selbst bei zwei Ländern, die beide nur ein Gut herstellen, ist dabei ein Positivsummenspiel vorstellbar, wenn Land A in Periode 1 gerne mehr von dem Einheitsgut verbrauchen will als es selbst produziert und dafür in Periode 2 weniger und Land B umgekehrt. Die zeitlichen Konsumpräferenzen ergänzen sich in diesem Fall. Da Land B den zukünftigen Konsum höher bewertet als den gegenwärtigen, muß es für den Aufschub eigentlich auch nicht durch Zinsen entschädigt werden. Real wäre so eine Konstellation z.B. bei unterschiedlicher, aber komplementärer demographischer Entwicklung vorstellbar, wenn Land A in der Periode 2 eine Rentnerschwemme erwartet, während Land B sich in Periode 1 mit hohen Ausgaben für Kinderbetreuuung und Ausbildung konfrontiert sieht, aber in Periode 2 einen Outputanstieg aufgrund einer gewachsenen Arbeiterschaft erwartet. Dieses harmonische Bild verändert sich eventuell, wenn die Präferenzen weniger ausgeprägt sind und das zunächst sparende Land eine Verzinsung dafür verlangt, daß es seine Ersparnis zur Verfügung stellt. Die Höhe der Zinsen ist dann sicher ein offensichtlicher Konfliktanlaß. Noch problematischer wird die Lage im Falle einer Präferenzänderung in der Zukunft, wenn das verschuldete Land keine ausreichende Ersparnis erwirtschaftet, das Gläubigerland aber entsparen will oder umgekehrt der Schuldner zwar einen Exportüberschuß produziert, der Gläubiger aber eine geringere Konsumneigung als erwartet zeigt. Der erste Fall stellt sich in der Regel als Zahlungsunfähigkeit dar und ruft den IWF auf den Plan, der einerseits Überbrückungskredite gibt, andererseits per Auflagen die Konsumpräferenzen reduziert. Der zweite Fall ist weniger offensichtlich, aber auch nicht abwegig. Denn der Importüberschuß des Gläubigerlandes verdrängt bei gleich bleibender Konsumneigung einheimische Produktion und führt dort zu Arbeitslosigkeit (die im Beispiel der Rentnerwelle gewünscht, aber ansonsten eher unerwünscht ist). Auf diesem realwirtschaflichen Hintergrund sind drei Formen von internationalen Finanzströmen sind zu unterscheiden:
Als internationale Beziehung betrachtet, ist ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis immer konfliktträchtig. Zwar mag der ursprüngliche Kreditvertrag in beiderseitigem Interesse sein (interne Verteilungskonflikte mal beiseite gelassen), aber angesichts der Risiken, mit denen die Zukunft immer behaftet ist, gibt es naturgemäße Unterschiede in den Erwartungen sowie zwischen den Erwartungen und den sich später einstellenden Realitäten. Die einen äußern sich primär im Konflikt um das anzusetzende Zinsniveau, die anderen eventuell in Zahlungsunfähigkeit. Letzteres könnte schon ein Problem werden, wenn die Kapitalexporteure von heute morgen nicht bereit sind, Kapital und Güter und Dienstleistungen im Umfang der Rückzahlverpflichtungen zu importieren. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2001 |