FES | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|
TEILDOKUMENT:
Die Lage kompliziert sich, wenn man Geld in die bisher realwirtschaftlich geprägte Betrachtung einführt. Die terms of trade wandeln sich dann von einem Austauschverhältnis zweier Produkte zu einem zweier Preise in unterschiedlichen Währungen, die durch einen Wechselkurs verknüpft sind. Günstigere Austauschverhältnisse entsprechen dann einem höheren Außenwert der Währung. Das Land mit der besseren" Währung hat das höhere Wachstum (Konsum). Im Extremfall findet das gesamte Wachstum im begünstigten Land mit der stärksten Währung statt. Hier ist offensichtlich Stoff für internationale Konflikte gegeben. Im Grunde geht es wie bei jedem Kaufakt um den vorteilhaftesten Preis. Solange beide Länder Vollbeschäftigung haben, kann aber kein Land schlechter gestellt werden als ohne jeden internationalen Handel.
Bei stagnierender Produktion und Nachfrage kompliziert sich die Lage. In dem Maße, wie ein Land die Produktivitätszuwächse in Produktions- und damit Arbeitsrückgang umsetzt, sinkt der Geldwert der Produktion. Dabei bleibt zunächst offen, ob alle Arbeiter weniger arbeiten oder einige voll beschäftigt sind und der Rest arbeitslos. Nach vollzogenem Austausch erreicht der Konsum und damit auch das Realeinkommen aber wieder den Wert vor Spezialisierung. Genauer ist dies so zu erklären: Bei der Produktion in der produktiveren Branche entsteht ein Einkommen, das durch internationalen Handel zum Erwerb eines Güterkorbs ausreicht, dessen Wert zu ursprünglichen Preisen dem Einkommen bei Autarkie entspricht. Die Konsumenten erzielen also eine Konsumentenrente, die sie für den Rückgang des monetären Einkommens entschädigt.
Bis jetzt wurde immer alles konsumiert, was produziert wurde. Unterstellen wir nun, daß in einem Land netto gespart, also mehr gespart als investiert wird. Dann bleiben realwirtschaftlich Güter übrig. Geldwirtschaftlich wird entstandenes Einkommen nicht verausgabt. Damit stehen die Güter zum Export zur Verfügung. In der normalen Saldenmechanik müssen sie sogar per definitionem exportiert werden, da die Lagerung über die laufende Periode hinaus als Investition betrachtet wird. Diesen Exporten stehen erst mal keine Importe gegenüber, da ja die Einkommensbezieher keine zusätzlichen importierten Güter erwerben, sondern das Geld sparen. Im Partnerland wiederum steht eigentlich kein Geld zur Verfügung, um zusätzliche Importe zu erwerben. Sie müssen den Importüberschuß also geschenkt erhalten oder das Spargeld des exportierenden Landes muß an das importierende verliehen werden. Diese Nachfrage nach der Währung des exportierenden Landes müßte in der Regel bald zu einer Aufwertung führen. Letztlich sollte der Zwang zur langfristig ausgeglichenen Zahlungsbilanz (hergestellt durch den Wechselkursmechanismus) eine dauerhafte Unterbietung verhindern. Wenn ein Land durch reale Unterbewertung (durch niedrige Preise/Löhne oder nominale Abwertung der Währung) seine Exporte verbilligt, so kann es einen Überschuß erzielen. Aber das korrespondierende Defizit des Importlandes erzwingt dort dann Anpassungsreaktionen beim Wechselkurs oder bei den Preisen und Löhnen. Diese Anpassung kann aber sehr lang dauern, wenn die Exportüberschußländer die Importeure durch Kredite oder Transferzahlungen alimentieren (z.B. Exportfinanzierung, Entwicklungshilfe, EU-Transfers). Vorstellbar ist auch ein Unterbietungswettlauf von competitive devaluations , bei denen sich die beteiligten Länder durch ständige Abwertungen und Kostensenkungen die Märkte wegnehmen wollen. Dieser Wettlauf ist ein internationaler Konflikt, der aber auch ebenso im nationalen Rahmen vorstellbar ist, wenn bei gleicher Produktivität einzelne Unternehmen etwa durch niedrigere Löhne Kostenvorteile erwerben. Das Verhalten der Abwerter oder Exportfinanzierer ist dabei eigentlich selbstschädigend, wie oben im realwirtschaftlichen Modell schon bei der Verschlechterung der Austauschverhältnisse erläutert wurde. Eigene Arbeit bzw. Produktion wird verschenkt, wenn auch mit dem Ergebnis höherer Beschäftigung. Letztlich geht es um eine Umverteilung im Lande. Die Konsumenten verzichten auf möglichen Konsum zugunsten der Beschäftigten in der Exportbranche. Alle zahlen höhere Preise (bei Abwertung) oder Steuern (bei staatlicher Exportfinanzierung, z.B. durch Hilfe), um den Absatz (und damit die Einkommen) der Exporteure zu erhöhen. Mit dem Dazwischentreten des Geldes verändern sich die Anpassungsprobleme. Reale Anpassungen können verschoben und verzögert werden. Paßt ein Land seine Produktionsstruktur kurzfristigen Währungs- und Preiskonstellationen an, so kann sich das als voreilige Fehlentscheidung herausstellen. Verändern sich die Preise erneut, so wäre die gegebenenfalls gerade eingestellte Produktion wieder rentabel und müßte erneut aufgenommen werden. Hier können Kosten auftreten, die höher liegen als die einer konservativen Strukturpolitik. Beispiel: Erdöl. Bei niedrigen Ölpreisen wird ein Ölimporteur (z.B. Deutschland) seine Kohleproduktion stillegen. Bei hohen Ölpreisen verlieren im Ölexportland (z.B. Norwegen) andere Exporte ihre Wettbewerbsfähigkeit. Verändern sich die Preise, wäre die deutsche Kohle vielleicht wieder eine kostengünstige Alternative oder das norwegische Öl ist zu teuer und auf dem Weltmarkt nicht mehr absetzbar. Dagegen wird z.B. seine Fischerei wieder wettbewerbsfähig. Die unterschiedliche Zeitstruktur von Preis- bzw. Mengenanpassungen und Investitions- oder Desinvestitionsprozessen kann wirtschaftspolitische Eingriffe rechtfertigen, um überflüssige, sozial und politisch disruptive Anpassungen zu vermeiden. Da es dabei um die Bewertung und Einschätzung künftiger Verläufe geht, sind derartige Maßnahmen immer mit Risiko verbunden. Wie lange soll ein Staat z.B. bestimmte mögliche Exporte beschränken oder wie hoch besteuern, um ein dutch disease zu vermeiden (sinkenden Wettbewerbsfähigkeit wegen der Exportstärke eines Industriezweigs, im niederländischen Fall: Erdgas)? Wie lange soll er eine nicht mehr wettbewerbsfähige Industrie subventionieren, um sie für den Fall von Preissteigerungen oder Versorgungsproblemen auf dem Weltmarkt produktionsreif zu erhalten ? Diese Entscheidungen sind schon schwer zu treffen, wenn es nicht um Interessenkonflikte ginge, die durch die Einkommensveränderungen einzelner Gruppen innerhalb des Landes ausgelöst werden. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2001 |