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Bei mehreren Ländern kann es zum Verdrängungswettbewerb kommen


Die grundlegenden Argumente dieses Zweiländer-Modells bleiben auch beim Übergang zu mehr Ländern erhalten. Allerdings sind zusätzliche Konfliktlagen vorstellbar. Wenn z.B. zwei Länder die gleichen Produktivitäts- und Kostenstruktur haben, so konkurrieren sie um den für sie ja nützlichen Handel mit einem Drittland, das andere komparative Vorteile hat. Das Drittland kann unter diesen Bedingungen frei zwischen zwei Handelspartnern wählen. Damit treten die beiden strukturgleichen Länder in Konkurrenz und zwingen sich, die Austauschverhältnisse auf den für das Drittland optimalen Wert zu senken. Sind alle übrigen Kosten (z.B. Transport etc.) und somit die Tauschraten (Preise) gleich, so kann das Drittland die Entscheidung nur nach außerökonomischen Kriterien fällen. Die wirtschaftliche Wahlentscheidung transformiert sich dann in einen politischen Konflikt. Auch in diesem Fall wird kein Land schlechter als im Autarkiefall gestellt; ihm entgehen lediglich mögliche Spezialisierungsgewinne.

Sind die Produktivitäts- und Kostenstrukturen ungleich, so ergeben sich für alle Länder neue Spezialisierungsmöglichkeiten, wenn eine weiteres Land hinzukommt. Dabei können sich für einzelne sowohl Wohlfahrtsgewinne als auch -verluste gegenüber dem Zweiländerfall ergeben. Tritt in unserem Beispiel (siehe nächster Kasten) etwa ein weiteres hochentwickeltes Land in den „Weltmarkt" ein, dessen Produktivität bei Computern noch höher liegt, so würde eine optimale Spezialisierung (maximaler Weltoutput) verlangen, daß nur noch dieses Land Computer produziert. Der zweite Computerproduzent müßte ebenfalls auf Fahrradproduktion umstellen. Damit sich diese Spezialisierung ergibt, muß die Austauschrelation Computer zu Fahrräder zugunsten der Fahrräder steigen. Das „arme" Land gewinnt also durch das Auftreten des neuen Computeranbieters. Der schwächere der beiden „reichen" Länder verliert gegenüber dem Zweiländerfall, da er die für ihn günstige Austauschrelation nicht durchsetzen kann, da dann gar nicht genug Fahrräder auf dem Markt wären.

Zahlenbeispiel *

Zu den zwei Regionen, dem produktiveren Westen/Norden und dem weniger produktiven Osten/Süden, in denen je 1000 Arbeiter Fahrräder und Computer produzieren, tritt nun „NIC" hinzu mit ebenfalls 1000 Arbeitern hinzu, das bei Fahrrädern die gleiche, bei Computern aber die doppelte Produktivität hat.



Produktivität pro Region und Produkt

Land Region

Arbeiterjahre/Fahrrad

Arbeiterjahre/Computer

Ost/Süd

4

100

West/Nord

2

10

NIC

2

5

Bei gleicher Verteilung der Arbeiter (also je 500) auf die beiden Produkte im Autarkiefall (vor Aufnahme des Handels) ergibt dies das unten in Spalte 2 und 3 ausgewiesene Produktionsvolumen. Bei der Spezialisierung wechseln nun im Westen und im Osten alle in die Fahrradindustrie. In NIC wechseln 500 Arbeiter aus der Fahrradproduktion in die Computerindustrie. Das Weltprodukt steigt für beide Güter (um 125 Fahrräder und 45 Computer) an. Der unten angegebene Konsum unterstellt eine Austauschrelation von 3 Fahrrädern pro Computer.

Land/Region

Produktion bei Autarkie

Produktion bei
Spezialisierung

Konsum nach Handel

Produkt

Fahrräder

Computer

Fahrräder

Computer

Fahrräder

Computer

Ost/Süd

125

5

250

0

130

40

West/Nord

250

50

500

0

320

60

NIC

250

100

0

200

300

100

Summe

625

155

750

200

750

200

Vergleicht man dies mit dem Zweiländermodell, so stellt sich Ost/Süd besser, West/Nord schlechter. Aber eine Austauschrelation von mehr als 5 Fahrrädern pro Computer würde verhindern, daß sich West/Nord spezialisiert. Damit könnte NIC nur noch Fahrräder von Ost/Süd kaufen, das aber in diesem Beispiel nur maximal 125 Fahrräder exportieren könnte.

Bei Hinzutreten anderer Anbieter mit anderen Kostenstrukturen können sich im Verhältnis zum ursprünglichen Zweiländermodell andere Spezialisierungsmuster und Austauschverhältnisse ergeben, die entsprechend andere Anbieter begünstigen oder schlechter stellen (wenn auch nie schlechter als im Autarkiefall). Aber das globale Optimum wird nur bei bestimmten Austauschverhältnissen erreicht. Wenn das Austauschverhältnis so ist, daß für einzelne Länder die Spezialisierung nicht mehr lohnt, fallen sie aus dem internationalen Austausch heraus und verlieren die damit verbundenen Chancen einer Wohlstandsmehrung.

Das ist besonders schmerzlich im Fall hoher Kostenunterschiede wie im obigen Beispiel (Deutschland-Saudiarabien, Öl für Panzer). Da sich hier die Austauschverhältnisse in einem riesigen Spektrum bewegen können, hängen die realen Verhältnisse von der Konkurrenz anderer Öl- und Panzerproduzenten ab. Ihr Auftreten kann für den bisherigen Monopolisten gewaltige Wohlfahrtsverluste bedeuten, die im Falle gänzlicher Verdrängung vom Markt einer Katastrophe gleich kämen..


    * Hinweis zur Internetausgabe:

    Überarbeitungsdatum für fehlerhafte Angaben im Zahlenbeispiel: 10. Mai 2005.
    Die Druckausgabe sowie die im September 2001 veröffentlichte Online-Version wiesen leider einige fehlerhafte Zahlenangaben auf, die hiermit korrigiert wurden. Vielen Dank an den Hinweisgeber!




© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2001

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