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I. DIE FUNKTIONEN DER GEWERKSCHAFTEN



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1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinen

Jede Gewerkschaft ist ein Zusammenschluss von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, eine aus unterschiedlichen Gründen frei gewählte Vereinigung.

Zusammenschluss und Solidarität sind die geeigneten Antworten auf die schwache Stellung vereinzelter Lohnverdienerinnen und Lohnverdiener und auf ihr Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Unternehmer. Die Qualität von Gesamtarbeitsverträgen hängt ab vom Organisationsgrad des davon betroffenen Personals und von der Stärke der Gewerkschaften. Der Kampf für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann nur kollektiv geführt werden. Die Gewerkschaftswüsten sind Zonen, in denen Willkür herrscht. Die Gewerkschaften kämpfen für die Emanzipation von Mann und Frau.

Im Verlaufe der Neunzigerjahre ist den folgenden Zielen Priorität einzuräumen:

1.1
Die Gewerkschaften bilden eine Gemeinschaft, die Einfluss nehmen will auf die Gestaltung des Arbeitsalltags, der Gesellschaft, Politik; die sich gegenseitig solidarisch unterstützt und den Mitgliedern Dienstleistungen anbietet.

1.2
Die Gewerkschaftsgruppen und -sektionen müssen die "hölzerne Sprache" und ausgeleierte Rituale bekämpfen, damit die Versammlungen lebendig werden und menschliche Wärme ausstrahlen. Ganz besonders müssen wir uns bemühen, auch die Minderheiten unter den Mitgliedern anzusprechen. Ihre Integration in die Gruppe und die Uebernahme von Verantwortung soll erleichtert werden. Ablauf und Dauer der Gewerkschaftsversammlungen müssen auf die Zeitprobleme insbesondere jener Personen, Frauen und Männer, Rücksicht nehmen, die einen "doppelten Arbeitstag" bewältigen müssen.

1.3
Die Frauen sind in der Gewerkschaftsbewegung nicht genügend vertreten, und die verantwor¬
tungsvollen Posten sind grösstenteils von Männern besetzt. Es sind auf allen Ebenen positive Aktionen durchzufahren, damit den Frauen die Mitgestaltung der Gewerkschaften ermöglicht und erleichtert wird.

1.4
Die Gruppe und die Sektion sollen sich interessierten Personen, die (noch) nicht angeschlossen sind, soweit wie möglich öffnen, um die Gewerkschaft bekannt zu machen und mögliche Missverständnisse zwischen Gewerkschaften und Unorganisierten zu überwinden. Personen, die ihre berufliche Tätigkeit unterbrechen, um ihre familiären Verpflichtungen wahrzunehmen, sind willkommen zu heissen.

1.5
Der Gewerkschaftsbund und die angeschlossenen Verbände müssen die Mitwirkung und Selbstbestimmung der gewerkschaftlichen Basis auf allen Ebenen anstreben. Die Statuten haben die Mitgliederrechte sowie die Transparenz des gewerkschaftlichen Funktionierens zu garantieren. Bewegungen, die eine breite Mobilisierung der Mitglieder notwendig machen (Initiativen oder Referenden, Aktionen oder Streik), setzen eine Verstärkung der Information von oben nach unten und von unten nach oben voraus: Die internen Kommunikationskanäle müssen entschlackt werden.

1.6
Der SGB und seine Verbände verpflichten sich, den besonderen Verhältnissen in den wirtschaftlich schwachen Regionen Rechnung zu tragen. Sie bemühen sich, die Gewerkschaften in diesen Regionen durch gezielte Massnahmen im personellen und organisatorischen Bereich zu unterstützen und zu fördern. Die Konzentration gewerkschaftlicher Infrastruktur auf einige wenige Zentren ist durch möglichst dezentrale Strukturen abzulösen.

1.7
Der SGB strebt eine Vereinigung aller Gewerkschaften in der Schweiz an.


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2. Die individuellen Interessen der Mitglieder verteidigen

Personen, die sich einer Gewerkschaft angeschlossen haben, erwarten von dieser Hilfe und Schutz. Wenn sie sich am Arbeitsplatz oder in bezug auf die Arbeitsbedingungen mit Schwierigkeiten konfrontiert sehen, muss sich die Gewerkschaft mit ihnen solidarisieren. Je nach Fall müssen die Gruppe oder die Sektion, die Vertrauensperson der Gewerkschaft, die in die Betriebskommission gewählten Gewerkschaftskollegen und -kolleginnen oder das Gewerkschaftssekretariat sich einsetzen.

Um die Interessen der Mitglieder verteidigen zu können, reichen ein Ratschlag, eine Vorsprache, eine Begleitung nicht immer aus. Man muss eine Beratung mit einem Spezialisten anbieten können oder einen Rechtsschutz, wenn sich eine Klage vor dem Gericht als notwendig erweist.

Im Verlaufe ihrer Geschichte hat die Gewerkschaftsbewegung Vorsorgeeinrichtungen ins Leben gerufen, die noch daran erinnern, wie selbst geringfügige Missgeschicke Elend hervorzurufen vermochten: Unterstützungskassen, aber auch Sterbekassen und andere Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung der Mitglieder. Heute sind andere Dienstleistungen stärker gefragt.

Die vorrangigen Ziele der Gruppen, Sektionen und Gewerkschaftsverbände sind die folgenden:

2.1
Die Fähigkeit der Gewerkschaften fördern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Opfer besonderer Diskriminierungen sind, erfolgreich zu schützen und vor den Gerichten zu ihren Gunsten zu intervenieren und grundlegende Rechte voranzutreiben (zum Beispiel den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit für Mann und Frau, die Gleichbehandlung der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Festhalten am Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit usw.).

2.2
Die bestehenden gewerkschaftlichen Versicherungen konsolidieren, sie auf mehrere Verbände erweitern. Beim Uebertritt von einer Gewerkschaft zu einer andern ist die Freizügigkeit ohne weiteres zu gewähren.

2.3
Das Vertrauensleutenetz aufrechterhalten und aushauen, so dass es allen Mitgliedern und interessierten Personen möglich wird, leicht mit der Gewerkschaft Kontakt aufzunehmen.

2.4
Die Dienstleistungen, welche die Gewerkschaften anbieten, periodisch überprüfen und anpassen. Die neue Palette der Dienstleistungen wird zweifellos je nach Gewerkschaft verschieden sein. Sie muss neuen Bedürfnissen im Freizeitbereich Rechnung tragen und insbesondere auf jene Mitgliederkategorien oder Tätigkeitsgebiete Rücksicht nehmen, die über keine gewerkschaftliche Tradition verfügen (dies gilt etwa für die berufliche Wiedereingliederung der Frauen oder für die Karriereplanung, für die Plazierung von Temporär- Arbeitskräften. usw.).


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3. Den betrieblichen Alltag mitgestalten

Der Betrieb ist der Ort, wo die wirtschaftliche Produktion stattfindet; es gibt hier Mitwirkung, aber auch Ausbeutung. Die gewerkschaftlichen Rechte verlangen jedoch vom Arbeitgeber, dass er die Arbeitnehmer konsultiert. Zwar sind Anregungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer manchmal willkommen, mindestens dann, wenn sie zur Verbesserung der Produktion beitragen. Die Organisation der Arbeit und der Hierarchie jedoch werden in der Regel diktiert. Zahlreiche Betriebe sind von einem militärischen oder paternalistischen Modell der menschlichen Beziehungen inspiriert und fordern von ihrem Personal Disziplin und Gehorsam. Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird entmutigt oder gar bekämpft. Die Präsenz der Gewerkschaft im Betrieb ist ungenügend und schwierig. Der Zugang zur Information über Beschlüsse und Projekte, von denen nichts weniger als die Zukunft des Betriebes abhängt, bleibt gesperrt.

Die Präsenz der Gewerkschaft im Betrieb sollte über die Mitsprache/Mitbestimmung hinausgehen und sich auch auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes und den Schutz der Würde der Arbeitenden ausweiten. Dies ist vor allem durch die aktive Präsenz der Vertrauensleute am Arbeitsplatz zu erreichen.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund will die Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördern und die gewerkschaftlichen Rechte im Betrieb gewährleisten. Die Gesamtarbeitsverträge sind geeignete Instrumente für die Festlegung der gewerkschaftlichen Rechte und die Formen der Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Gesetz hat die Pflichten der Betriebe in bezug auf die Information, die Mitsprache und die Mitbestimmung festzulegen:

3.1
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Vertreterinnen und Vertreter sowie die Gewerkschaften müssen das Recht auf eine frühzeitige und vollständige Information über alle wichtigen Beschlüsse haben, welche die Zukunft des Betriebes beeinflussen und die Arbeitsbedingungen und die Beschäftigung fühlbar verändern können: über bedeutende Investitionen, technische Neuerungen, Betriebszusammenschlüsse, Verlegung der Produktion ins Ausland usw. Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter im Verwaltungsrat dürfen nicht durch Schweigepflicht daran gehindert werden, sich abzeichnende schwerwiegende Personalprobleme mit der Belegschaft und der Gewerkschaft rechtzeitig zu besprechen.

3.2
Die Vertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Gewerkschaften müssen bei allen Entscheidungen mitwirken können, welche die Arbeitsbedingungen unmittelbar betreffen: bei Arbeitszeiteinteilung, bei der Organisation der Arbeit, Lohnsystemen, Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt, der kontinuierlichen Weiterbildung, Massnahmen im Falle technologischer Aenderungen, Infrastrukturen zur Deckung ihrer Bedürfnisse (zum Beispiel Kantine) .

3.3
In allen Betrieben müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht haben, Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter zu ernennen. Diese Delegierten müssen frei über die Zeit verfügen können, die notwendig ist, um sich mit allen Fragen betreffend die Arbeitsbedingungen, die Gesundheit, die Sicherheit und Hygiene sowie den Problemen aller Angestellten zu befassen. In Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten wird der oder die Delegierte für die Erledigung seiner/ihrer Aufgaben vom Betrieb bezahlt (je nach Betriebsgrösse teilzeitig oder voll beschäftigt).

3.4
Die Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Vertrauensleute und die Beauftragten der Gewerkschaften müssen die betriebliche Infrastruktur benützen können, um ihre Mitglieder oder das gesamte Personal zu versammeln, zu informieren, zu konsultieren. Dies schliesst den freien Zugang zum Betrieb, die freie Benützung von Anschlagbrettern, die Freiheit, das Personal zu einer Versammlung einzuladen, mit ein. Die Mitglieder der Betriebskommissionen sind für ihre Arbeit freizustellen. In den Betriebskommissionen müssen Frauen und Ausländerinnen und Ausländer anteilig vertreten sein.

3.5
Der Schutz der Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss gewährleistet sein. Vertrauensleuten der Gewerkschaften und Mitgliedern der Betriebskommissionen sowie Stiftungsräten betrieblicher Personalvorsorgeeinrichtungen darf wegen ihrer ordnungsgemässen Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter weder gekündigt werden, noch dürfen ihnen andere Nachteile erwachsen.

3.6
Die Gewerkschaftsfreiheit ist ein Grundrecht, das von den Arbeitgebern anerkannt werden muss. Jeder Druck mit dem Ziel, den Beitritt zu einer freiwillig gewählten Gewerkschaft zu entmutigen, hat auszubleiben. Diese freie Wahl muss ohne jede Einschränkung möglich sein, etwa auch für Lehrlinge oder Angestellte.


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4. Die Unternehmensführung demokratisieren

Das Unternehmen ist die produktive Zelle der Volkswirtschaft. Es ist ein Treffpunkt verschiedener Anspruchsgruppen. In ihm haben sich zur Wertschöpfung die Kapitalgeber und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusammengefunden. Die Oeffentlichkeit stellt Erwartungen an das Unternehmen. Die Umweltanliegen verlangen eine ressourcenschonende Produktion. Die öffentlichen Interessen und die Umweltanliegen werden im wesentlichen durch rahmensetzende Gesetze eingebracht. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zwar der zentrale Faktor, wenn das Unternehmen kreativ neue Märkte öffnen will. Sie haben die Mitbestimmung auf allen Ebenen des Unternehmens und seiner Führung aber noch zu erringen.

Unsere Reformvorschläge bringen den Erfahrungsschatz und die Motivation der Belegschaften in die Leistungsfähigkeit der Unternehmen ein. Voraussetzung für eine Mitbestimmung ist ein Unternehmensrecht, das Transparenz auf Betriebs- und Unternehmensebene schafft.

4.1
Die Beschäftigten sollen auf allen Ebenen der Unternehmen durch die von ihrer Organisation gewählten Vertreterinnen und Vertreter mitbestimmen können. Die Mitbestimmung hat sich auch auf unternehmensstrategische Fragen zu erstrecken: Investitionen (Wahl der Technologien), Personalpolitik, Fusionen, Verlagerung der Produktion sowie auf Umweltschutz-Massnahmen. Das Personal kann sich jederzeit von Personen seiner Wahl begleiten und beraten lassen.

4.2
Ein modernes Unternehmensrecht soll die Rollen der am Unternehmen beteiligten Anspruchsgruppen festlegen. Es soll Transparenz über das Unternehmen nach innen und nach aussen sichern und eine Vertretung der Gewerkschaften und der Beschäftigten in den Entscheidungszentren der Betriebe gewährleisten. Diese gesetzliche Regelung muss dazu führen, die Kapitalbeschaffung zu erleichtern und die Rechte der Kapitaleigner besonders dort zu sichern, wo heute kleinere Anleger noch ungeschützt sind.

4.3
Die Uebernahme von Unternehmen durch die Belegschaften und die dazu notwendige Kapitalbeschaffung sind zu fördern. Sie sollen erfolgen, wenn geeignete Unternehmen auf dem Markt angeboten werden, nicht nur bei Konkursen. Die Gewerkschaften werden auf diesem Gebiet eine wichtige Beratungs- und Unterstützungsfunktion erfüllen.

4.4
Genossenschaften im produzierenden und dienstleistenden Bereich sind zu fördern. Die Initiantinnen und Initianten neuer solcher Betriebe sind durch die Gewerkschaften zu ermuntern.


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5. Die Prioritäten von Forderungen festlegen

Die Prioritäten der gewerkschaftlichen Mitglieder sind je nach beruflicher oder familiärer Situation, Alter usw. verschieden. Die gewerkschaftlichen Prioritäten sind deshalb gemeinsam zu bestimmen. Den Arbeitgebern, aber auch den politischen Gesprächspartnern gegenüber ist es wichtig, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Forderungen präsentieren. Das "Arbeitsprogramm des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes für die Neunzigerjahre" kann und will diesen notwendigen Entscheidungen nicht vorgreifen. Diese können nur aufgrund interner Auseinandersetzungen und mit Rücksicht auf Dringlichkeiten getroffen werden, die nicht vorauszusehen sind. Immerhin drängen sich für die nächsten Jahre vier Schlussfolgerungen auf:

5.1
Die Demokratie in der Gewerkschaft muss vermehrt gelebt werden.

5.2
Der riesige Erfolg des Frauenstreiks vom 14. Juni 1991, die Tatsache, dass hunderttausende von Frauen dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt sind und gezeigt haben, dass sie bereit sind, für Gleichstellung und Chancengleichheit zu kämpfen, verpflichtet die Gewerkschaften. Die Realisierung der Chancengleichheit von Frau und Mann in Betrieben und Verwaltungen, in Familie und Gesellschaft, sowie innerhalb der Gewerkschaften ist eine prioritäre Aufgabe der Verbände und des SGB. Nur durch eine aktive Chancengleichheitspolitik wird es uns gelingen, den niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Frauen zu erhöhen.

5.3
Die schwache gewerkschaftliche Verankerung im privaten Dienstleistungssektor und auf Kaderebene schwächt die gewerkschaftliche Repräsentativität. Eine besondere Anstrengung wird nötig sein, um diese Defizite zu überwinden. Die Anstrengungen für die gewerkschaftliche Organisation der Angestellten von Banken und Versicherungen müssen intensiviert werden.

5.4
Der Rechtsgleichheit und dem Recht auf gleiche Behandlung muss unter allen Umständen höchste Priorität eingeräumt werden. Dies gilt besonders für folgende Postulate: Frau und Mann haben Anspruch auf gleiche Entlöhnung für gleichwertige Arbeit_(Artikel 4 der Bundesverfassung). Familien ausländischer Arbeitnehmer sind zusammenzuführen.


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6. Forderungen und kollektive Vereinbarungen durchsetzen

Zur Durchsetzung der Forderungen braucht es eine breite Palette von gewerkschaftlichen Aktionsformen, von Versammlungen, Petitionen, über Flugblattaktionen, Medienkampagnen, Dienst nach Vorschrift, Bummelstreiks bis hin zur Arbeitsniederlegungen, von Protestpausen bis zu eigentlichen Streiks. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, als Einzelne schwach gegenüber dem Arbeitgeber, gewinnen durch gewerkschaftliche Organisierung und gewerkschaftliche Aktion an Stärke in der Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberseite. Gewerkschaftliche Aktionen haben zum Ziel, die Position der Arbeitnehmerseite in den Verhandlungen gegenüber den Arbeitgebern zu stärken.

Die gesamtarbeitsvertraglichen Verhandlungen setzen die Unabhängigkeit der Arbeitnehmerorganisationen gegenüber den Arbeitgebern voraus, die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht. Sie erfordern ein günstiges Klima sowie Treu und Glauben seitens aller Vertragspartner.

Von der Bereitschaft der Arbeitgeber, die Vorteile des Gesamtarbeitsvertrages durch materielle und immaterielle Leistungen zu honorieren, hängt auch ab, ob und in welcher Form ein Arbeitsfriede vereinbart werden kann. Dazu gibt es in der Gewerkschaftsbewegung unterschiedliche Konzepte, die auch in Zukunft Gegenstand der Diskussion bleiben werden.

Für die Verhandlung und den Abschluss der Gesamtarbeitsverträge sind ausschliesslich die Gewerkschaftsverbände zuständig. Die Verbände koordinieren die gemeinsamen Schwerpunktforderungen auf der Grundlage von wirtschaftlichen und sozialen Analysen, die der SGB erarbeitet hat.

Gegenwärtig werden die Gesamtarbeitsverträge durch viele Arbeitgeber in Frage gestellt. Verschiedene Arbeitgeberverbände werden geschwächt. Eine neue Kategorie von Managern ohne Verhandlungstradition will "Hausgewerkschaften" begünstigen und die Inhalte der Gesamtarbeitsverträge begrenzen.

Die Spaltung und die Konkurrenz unter den Gewerkschaften sowie der schwache Organisationsgrad in gewissen Branchen oder Berufen erschweren den Abschluss guter Gesamtarbeitsverträge. Darüber hinaus hat die traditionelle Verwurzelung der Gewerkschaften in der industriellen Produktion zur Folge, dass der Anwendungsbereich der Gesamtarbeitsverträge zu oft auf die vollzeitbeschäftigten Industriearbeiter beschränkt bleibt.

Die Verhandlungen über den Gesamtarbeitsvertrag und die Schlichtung der Arbeitskonflikte werden von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberorganisationen selbständig übernommen. Der Staat hat nicht einzugreifen, es sei denn, er wolle die Verhandlungen erleichtern. Dagegen hat er ein gesetzliches Minimum zu gewährleisten, das nicht unterschritten werden darf. Er hat Vorschriften zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erlassen, insbesondere zum Schutz der Gesundheit und der Freiheitsrechte. Indem sie auf diesem gesetzlichen Sockel aufbauen, ermöglichen die Verhandlungen über den Gesamtarbeitsvertrag eine soziale Entwicklung.

Im öffentlichen Dienst ist die gewerkschaftliche Verhandlungsautonomie zu respektieren und darf nicht von den Parlamenten zensuriert werden. Es ist ein System der kollektiven Vereinbarung zwischen den beiden Parteien einzuführen, um die Arbeitsbedingungen festzulegen und sie periodisch anzupassen.

6.1
Verlangen repräsentative Gewerkschaften im Namen ihrer Mitglieder Verhandlungen über den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung eines Gesamtarbeitsvertrages, haben die Arbeitgeber dieser Aufforderung Folge zu leisten. Den Gewerkschaften müssen bessere Bedingungen gewährt werden, damit sie die Anwendung der Gesamtarbeitsverträge überwachen können. Die öffentlichen Behörden führen bei der Prozedur der Arbeitsvergabe das Kriterium der Respektierung der Gesamtarbeitsverträge ein, damit jene Betriebe, die sich nicht an die geltenden Bestimmungen der Gesamtarbeitsverträge halten, von den öffentlichen Märkten ausgeschlossen bleiben.

6.2
Die Gewerkschaftsverbände bemühen sich, den Anwendungsbereich der Gesamtarbeitsverträge auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer Branche oder eines Betriebes auszudehnen: seien diese nun in einer Werkstatt, in einem Büro oder einem Labor beschäftigt, arbeiteten sie nun voll- oder teilzeitig, seien sie in der Ausbildung oder bekleideten sie Kaderfunktionen. Dieses Ziel setzt voraus, dass die Verbände in den verschiedenen Personalkategorien repräsentativ sind oder dass mit anderen repräsentativen Verbänden zusammengearbeitet wird. Die Bedingungen für die Erweiterung des Anwendungsbereiches der Gesamtarbeitsverträge müssen gelockert werden, und die Kontrolle über ihre Anwendung, insbesondere in Bezug auf die Kompetenzen der paritätischen Organe, muss gewährleistet sein.

6.3
Die Gewerkschaftsbewegung widersetzt sich jeder Beeinträchtigung der Vertragsautonomie und dem Eingriff des Staates in die Verhandlungen. Sie bekämpft den Abbau des Sockels der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gesamtarbeitsverträge müssen die Rechte der Arbeitnehmer erweitern und nicht einschränken.

6.4
Das Streikrecht ist ein grundlegendes Recht. Es ist allen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Privatwirtschaft und jenen der öffentlichen Dienste zu gewährleisten. Für den Betrieb muss jede Form von Repressalien im Zusammenhang mit einem Streik strafbar sein.


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7. Eine politische Rolle wahrnehmen

Die Gewerkschaftsbewegung ist politisch unabhängig. Sie folgt keiner Parteiparole. Sie finanziert die Aktivitäten keiner politischen Partei und will keine politische Partei ersetzen. Sie übernimmt jedoch eine eigene politische Funktion. Sie vertritt die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Gebiete der gesetzlichen und administrativen Rahmenbedingungen, im Arbeitsmarkt, im betrieblichen Leben, in den wirtschaftlichen und sozialen Regelungen. Diese Rolle hat der Dachverband zu spielen: der Schweizerische Gewerkschaftsbund auf der Bundesebene und für die interkantonale Koordination und die kantonalen Gewerkschaftsbünde für kantonale Fragen.

Der Inhalt dieser Bemühungen wird in späteren Kapiteln dieses Arbeitsprogramms beschrieben. Hier begnügen wir uns damit, die Mittel aufzuzeigen, mit denen die Wirksamkeit der Gewerkschaften verstärkt werden kann:

7.1
Mit anderen Arbeitnehmerorganisationen ist intensiver zusammenzuarbeiten, um die gemeinsamen Forderungen durchsetzen zu können. Volksinitiativen sollen gemeinsam lanciert und die Stellungnahmen koordiniert veröffentlicht werden. Für die Erarbeitung gemeinsamer politischer Standpunkte sollen ständige Plattformen eingerichtet werden.

7.2 Anderen sozialen Bewegungen, deren Ziele mindestens teilweise mit jenen der Gewerkschaftsbewegung übereinstimmen, etwa der Frauen- und Friedensbewegung, den Umweltvereinigungen, Kirchen, Organisationen für die Verteidigung der Menschenrechte, Vereinigungen der Ausländer, der Konsumentinnen, der Mieter und Rentner bieten wir Zusammenarbeit an. Informationen und Erfahrungen sind auszutauschen, gemeinsam sind punktuell Aktionen durchzuführen.

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8. An der gesellschaftlichen Auseinandersetzung teilnehmen

Die Gewerkschaftsbewegung beteiligt sich an der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Sie muss die Bedürfnisse der am meisten Benachteiligten aussprechen. Die Demokratie braucht Anlaufstationen, Orte zum Nachdenken. Dies ist eine der Funktionen der Gewerkschaftsbewegung. Drei vorrangige Ziele zeichnen sich ab:

8.1
Die Gewerkschaftsbewegung muss auf allen Ebenen gemeinsam und vertieft die Gleichberechtigung von Mann und Frau, den Kampf gegen den Sexismus und gegen jede Form der Diskriminierung, die Verteilung der Wirtschaftserträge national sowie international, den Kampf gegen Armut, die Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden, den Kampf gegen den Rassismus, die Beziehungen zwischen dem Wachstum der Wirtschaft und der Oekologie überdenken.

8.2
Die Qualität der Gewerkschaftspresse ist zu verbessern. Die Redaktionen der Verbandszeitungen arbeiten intensiver zusammen und greifen vermehrt auf Fachleute des Journalismus zurück. Ziel der publizistischen Bemühungen ist es, mehr Gemeinsamkeiten in der Informations- und Meinungsbildungstätigkeit zu erreichen. Dieses Ziel kann durch poolartige Zusammenarbeit im Publikationsbereich von Verbänden und/oder Gewerkschaftsbünden und durch weitere Bemühungen in Richtung einer einheitlichen SGB-Presse angestrebt werden.

8.3
Die Gewerkschaften müssen vermehrt in allen Medien präsent sein. Zu diesem Zweck erarbeiten der SGB und seine Verbände ein der heutigen Informationsgesellschaft gerecht werdendes Informationskonzept. Die durch die angestrebte Aufhebung von Doppelspurigkeiten im gewerkschaftseigenen Pressewesen frei werdenden Mittel werden zur Entwicklung moderner, effizienter Informationsträger genutzt.


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9. Die Interessen von Rentnerinnen und Rentnern verteidigen

Von der Schweizer Wohnbevölkerung sind rund 15 Prozent oder über eine Million Rentnerinnen und Rentner. Sie stellen einen wichtigen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Faktor unseres Lebens dar.

Rund 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder zählen ebenfalls zu den Rentnerinnen und Rentnern. Die Gewerkschaften bieten ihnen für ihre Aktivitäten aber unterschiedliche und zum Teil nur rudimentäre Strukturen an. Insbesondere nützen die Gewerkschaften die politische Kraft der Rentnerinnen und Rentner für die gemeinsamen Interessen zwischen Aktiv-Tätigen und sich im Ruhestand Befindlichen zu wenig aus.

Ebenso müssten die spezifischen Interessen der Rentnerinnen und Rentner verstärkt berücksichtigt werden. Es gilt, das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit, nach Geselligkeit ebenso zu pflegen, wie bessere Strukturen zu schaffen, damit die Rentnerinnen und Rentner ihre Interessen im gewerkschaftlich-politischen Raum unmittelbar vertreten können.

9.1
Der SGB verlangt deshalb von all seinen Verbänden, dass sie ihre Pensionierten als Mitglieder behalten und ihnen einen automatischen Lebertritt in eine besondere Mitgliederkategorie verschaffen.

9.2
Die Betreuung der Mitgliederkategorie "Rentnerinnen und Rentner" ist von den Einzelgewerkschaften zu intensivieren. Die Einzelgewerkschaften haben sich des Geselligkeitsbedürfnisses anzunehmen und den Rentnerinnen und Rentnern dort Schutz und Hilfe anzubieten, wo ihnen Leistungen aus früheren Arbeitsverhältnissen zustehen (z.B. Teuerungsausgleich auf Pensionskassenrenten) .

9.3
Die lokalen und kantonalen Gewerkschaftsbünde vereinigen die Rentnerinnen- und Rentnerkategorien der Einzelgewerkschaften, damit diese insbesondere im politischen Interessenbereich auf lokaler und kantonaler Ebene tätig werden können (Wohnbereich, Alters- und Pflegeheime, Steuerfragen).

9.4
Die ständige Rentnerkommission des SGB, in der alle Einzelgewerkschaften mit Rentnerinnen- und Rentnergruppen vertreten sind, und welche ein Antragsrecht an die SGB-Organe hat, ist um eine alle vier Jahre (zwischen den SGB - Kongressen) stattfindende Tagung zu erweitern, die nach Delegiertenprinzip zusammengesetzt wird. Sie hat zu Fragen von allgemeinem Interesse für die Rentnerinnen und Rentner Stellung zu nehmen. Sie kann ihre Forderungen an den SGB leiten oder -sofern diese im Einklang mit dem SGB - Programm stehen direkt in der Oeffentlichkeit geltend machen.


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10. Aus- und weiterbilden

Die Gewerkschaftsbildung fördert und unterstützt politisches Bewusstsein, gewerkschaftliches Handeln, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Sie trägt dazu bei, dass die Mitglieder bewusst an Entscheidungsprozessen innerhalb der Gewerkschaften teilnehmen und aktiv die Interessen der Lohnabhängigen in den Betrieben, Verwaltungen und in der Gesellschaft vertreten und durchsetzen.

Für die gewerkschaftliche Tätigkeit wird ein zunehmend spezialisiertes Wissen in verschiedenen Fachbereichen benötigt. Vielfältige neue Anforderungen werden an die politischen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen gestellt. Aus- und Weiterbildungsangebote, die von den wachsenden Anforderungen ausgehen, sollen entwickelt und ausgebaut werden.

Die Gewerkschaften sind mit tiefgreifenden Veränderungen im Beschäftigungsbereich konfrontiert. Die traditionelle Rekrutierungsbasis schrumpft, neue Beschäftigungsgruppen entstehen. Sie müssen für den gewerkschaftlichen Gedanken gewonnen werden. Ausgehend von der Analyse ihrer Arbeitssituation und Lebenslagen sind spezielle Bildungskonzeptionen und Bildungsangebote auszuarbeiten.

Eine zunehmende Individualisierung verändert das Verhältnis der Lohnabhängigen zu gewerkschaftlichen und politischen Organisationen. Diese Entwicklung wird durch die verstärkte Kommerzialisierung der Medien noch gefördert. Die Gewerkschaften haben gesellschaftspolitische Orientierungen und Perspektiven gegenüberzustellen und kollektive Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die gewerkschaftliche Bildung soll dabei ein Ort innergewerkschaftlicher Kommunikation sein, wo ein offener Diskurs geführt, lebendige Diskussionskultur gelernt und gelebt wird und politische Orientierungen und Modelle zukünftiger Entwicklungen diskutiert werden.

Die gesellschaftliche Arbeitsteilung charakterisiert das heutige System. Die Diskriminierung der Frau in den verschiedenen Lebensbereichen bleibt beträchtlich. Auch die Teilung in manuelle und geistige Arbeit bleibt; sie verschärft oft die geschlechtsbedingte Diskriminierung. Frauen sind daher in untergeordeten, schlecht bezahlten Funktionen besonders häufig anzutreffen.

Die Gewerkschaften haben das Problem allzu lange nicht in seiner ganzen Bedeutung erkannt; seinen Konsequenzen aber sind sie nicht entgangen: Die Frauen sind schlechter organisiert und sind in den leitenden Gremien wenig vertreten. Die Gewerkschaften müssen diesen Zustand entschieden bekämpfen und ihre Strukturen entsprechend verändern.

In der gewerkschaftlichen Bildung muss die latente und offene Benachteiligung von Frauen zum Thema gemacht und die Wahrnehmungsfähigkeit für Diskriminierungen geschärft werden. Die Gewerkschaften, die Schweizerische Arbeiterinnen- und Arbeiterbildungszentrale (SABZ) sowie die Schweizer Arbeiterinnen- und Arbeiterschule (SAS) setzen sich für die Neunzigerjahre die folgenden Ziele:

10.1
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist politische Bewusstseinsbildung in einem sehr umfassenden Sinn und muss individuelle und kollektive Entwicklungsprozesse unterstützen.

10.2
Gewerkschaftsbildung soll die Fähigkeit zur Analyse der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Zusammenhänge fördern. Funktionärinnen, Funktionäre und Mitglieder sollen so vermehrt befähigt werden, an öffentlichen Auseinandersetzungen teilzunehmen und gezieltes politisches Handeln zu entwickeln. Die Unabhängigkeit ihres Urteils gegenüber herrschender Ideologie und Kultur sowie die eigene Kreativität müssen gestärkt werden.

10.3
Die Trennung zwischen dem Berufs-, Familien - und dem sozialen Leben muss überwunden werden. Gewerkschaftliche Bildung hat deshalb die Rollenteilung zwischen den Geschlechtern, den Nationalitäten, dem Alter sowie den Kampf gegen alle Diskriminierungen in ihren Kursangeboten vermehrt zu thematisieren.

10.4
Der SGB führt in Zusammenarbeit mit der SABZ Kurse für Gewerkschaftskader über aktuelle Themen und für eine periodische Leberprüfung der gewerkschaftspolitischen Situation durch.

10.5
Permanente Aus- und Weiterbildungsangebote für gewerkschaftliche Funktionsträgerinnen und -träger sind auszubauen. Bildungskurse sind durch Beratungsangebote (Fach -, Projektberatung, Supervision und Organisationsberatung) für Funktionärinnen und Funktionäre zu ergänzen. Der Lehrgang der Schweizer Arbeiterinnen- und Arbeiterschule soll durch eine vertiefende Weiterbildung erweitert werden. Die Bildungskurse dürfen sich nicht auf technische oder Organisationsfragen beschränken, sondern sollen auch die Vertiefung der Allgemeinbildung ermöglichen.

10.6
Eine gezielte Bildungsarbeit für Vertrauensleute soll intensiviert werden und so zum Ausbau eines Vertrauensleutenetzes und zur Stärkung der gewerkschaftlichen Präsenz in den Betrieben beitragen.

10.7
Im Sinne einer zielgruppenorientierten Bildung müssen für Angestellte und Jugendliche gezielte Kurse angeboten werden.

10.8
Spezielle Bildungsangebote für Gewerkschafterinnen sind auszubauen. Es sind dafür Bildungskonzeptionen zu erarbeiten, die von der Stellung der Frauen in Gesellschaft, Gewerkschaft, Beruf und Familie ausgehen. Die verstärkte Integration von Frauen auf allen Ebenen der Gewerkschaften ist durch spezielle Kursangebote für haupt- und nebenamtliche sowie angehende Funktionärinnen zu unterstützen.

10.9
Sogenannte Frauenanliegen und die Thematik „Frauen in den Gewerkschaften" sollen in den Bildungsangeboten vermehrt behandelt werden. Dazu müssen Bildungsbausteine zu verschiedenen Themen (z.B. Rollenteilung, Rollenverständnis, gleicher Lohn, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz) erarbeitet und den verschiedenen Gewerkschaften zur Verfügung gestellt werden.

10.10
Das Angebot von SABZ und Verbänden zur Ausbildung und permanenten Weiterbildung ihrer eigenen Angestellten ist auszubauen. Es sollen spezielle Kursprogramme zur Aufstiegsqualifizierung angeboten werden.

10.11
Für mögliche zukünftige Mitglieder (Nichtorganisierte) sind Bildungsangebote zugänglich zu machen.

10.12
Die gewerkschaftlichen Bildungsangebote sind so zu organisieren, dass Frauen und Männern mit Betreuungspflichten die Teilnahme an gewerkschaftlichen Kursen und Tagungen ermöglicht wird. Es sind mehr dezentrale Kurse sowie Kinderbetreuungsangebote vorzusehen.

10.13
Eine optimale Koordination und Ergänzung der Bildungsangebote der Einzelverbände und der SABZ sowie der SAS soll angestrebt und in gemeinsamen Bekanntmachungen gegenseitig für die Mitgliedschaft zugänglich gemacht werden.


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11. Die internationale Solidarität verstärken

Die Gewerkschaftsbewegung ist Teil einer internationalen Bewegung. Die Solidarität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein Beitrag für die Entwicklung und für den Frieden. Die Interessen der Völker sind nicht gegensätzlich. Alle streben nach Sicherheit, nach Befreiung aus der Armut, nach einer gesunden Umwelt. Ueber die Aenderungen hinaus, welche die schweizerische Gewerkschaftsbewegung in bezug auf die Aussenpolitik der Schweiz, ihre Ausländer- und Asylpolitik, ihren Beitrag für die Entwicklungshilfe (wovon weiter hinten die Rede sein wird) bewirken möchte, setzt sie sich mittelfristig die folgenden Ziele:

11.1
Die europäische Gewerkschaftsbewegung soll als Gegengewicht zu den politischen und wirtschaftlichen Mächten in Europa gestärkt werden. Der SGB wird sich die Mittel beschaffen, um die Interessen aller schweizerischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den europäischen Institutionen vertreten zu können. Als Mitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes will der SGB eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit und eine so abgestimmte nationale Gewerkschaftspolitik fördern. Er kann dies in bestimmten Fällen auch den Gewerkschaftsbünden übertragen.

11.2
Die freie Gewerkschaftsbewegung in Ost- und Zentraleuropa ist zu unterstützen. Informationen und Erfahrungen sind vermehrt auszutauschen. Die schweizerischen Gewerkschaften sollen sich an der Ausbildung der Vertrauensleute und Funktionäre beteiligen.

11.3
Die Solidarität mit den Gewerkschaften und anderen Volksbefreiungsbewegungen der Dritten Welt ist durch direkte Unterstützungsaktionen zu entwickeln. Für die materielle Hilfe ist der Weg über den Sollfonds und das Schweizerische Arbeiterhilfswerk zu wählen.

11.4
Internationale Branchengewerkschaften sind zu stärken, so dass sie gemeinsame Aktionen, besonders in den Zweigstellen eines multinationalen Unternehmens, führen können. Die Koordination der gewerkschaftlichen Politik in den industrialisierten Ländern ist zu verbesssern.

11.5
Bestrebungen zur Schaffung eines einzigen, die ganze Welt umfassenden Gewerkschaftsbundes sind zu unterstützen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1999

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