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[Seite der Druckausgabe: 36 / Fortsetzung]


3. Vergleich der Verkehrsträger

3.1 Zuständigkeiten für die Verkehrswege

Beim Verkehrsträger Straße liegen nur die Bundesautobahnen und die Bundesfernstraßen, nicht aber Landes-, Kreis- und kommunale Straßen in der Zuständigkeit des Bundes. Die Schnittstellen der verschiedenen Straßenkategorien sind aber in den Städten und Regionen häufig problematisch. Es gibt Beispiele, wo vor Städten eine Autobahn gut ausgebaut ist, sich stadteinwärts an bestimmten Stellen aber regelmäßig Staus bilden. In diesem Fall ist die Schnittstelle zwischen kommunalem Straßennetz und der vom Bund zur Verfügung gestellten Infrastruktur nicht angemessen vernetzt. Umgekehrt ist die Situation, wenn eine Autobahn stadtauswärts sehr schwach frequentiert wird. Hier liegt das tatsächliche Verkehrs-aufkommen unter dem prognostizierten. Dies kann aber auch auf eine unzureichende Anbindung zurückzuführen sein.

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Insgesamt steht - gemessen an der Streckenlänge - weniger als ein Viertel der Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundesfernstraßen, Landes- und Kreisstraßen) in der Baulast des Bundes. Unberücksichtigt sind dabei die Gemeindestraßen, die insgesamt fast doppelt so lang wie alle Straßen des überörtlichen Verkehrs zusammen sind. Auf den Bundesfernstraßen wird aber mehr als ein Drittel der gesamten Straßenverkehrsleistung erbracht. Die Bundesfernstraßen sollen dem weiträumigen Verkehr dienen. Dabei werden aber keine Abstufungen von Bundes- zu Landesstraßen vorgenommen, wenn sich der Verkehrsschwerpunkt in den regionalen Bereich verschiebt.

Bei den Wasserstraßen ist der Bund praktisch für den gesamten Bestand verantwortlich. Bei den Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes - das sind über 90% der für den öffentlichen Verkehr genutzten Schienenwege - finanziert der Bund Bau, Ausbau sowie Ersatzinvestitionen gemäß § 8 Bundesschienenwegeausbaugesetz. Diese Konstellation bei den Zuständigkeiten hat zur Konsequenz, daß selbst dann, wenn der Bund - wie in der Koalitionsvereinbarung angekündigt - gleichviel Geld in den Bau von Schienen und Straßen steckt, wegen der anderen Verteilung in den Verkehrshaushalten der Länder und Kommunen nach wie vor weit mehr Geld für Straßen insgesamt als für Schienen ausgegeben wird.

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3.2 Preise im Verkehr

Der Einfluß der Benutzerpreise auf die Verkehrsnachfrage ist umstritten. Führt eine Erhöhung dieser Preise zu einem Rückgang des Verkehrsaufkommens oder zu Verkehrsverlagerungen? Wirken Preissenkungen in die Gegenrichtung?

3.2.1 Preispolitische Instrumente

Der Einfluß des Staates auf die Preise im Verkehr geht über die Preisgestaltung bei der DB und die Festlegung der Mineralölsteuer hinaus. Vielmehr steht der öffentlichen Hand auch im Verkehrsbereich eine ganze Reihe von Steuern und Abgaben auf der einen Seite bzw. Subventionen und Steuerbefreiungen auf der anderen Seite als Aktionsparameter zur Beeinflussung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zur Verfügung. Zu den verkehrsbezogenen staatlichen Einnahmen gehören in Deutschland neben der Mineralölsteuer die Kfz-Steuer, indirekt auch Teile der Mehrwertsteuer sowie die neu eingeführte Eurovignette für Lkw. Subventionen sind u.a. die Mineralölsteuerbefreiung für Luftverkehr und Binnenschiff, der ermäßigte Mineralölsteuersatz bei Diesel, die Umsatz

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steuerbefreiung im internationalen Luftverkehr und die Kilometerpauschale für die Pkw-Benutzung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Indirekt hat beispielsweise auch der Verkehrswegebau selber preispolitische Steuerungseffekte, indem er über Zeitersparnisse zu Kostenreduktionen führt.

3.2.2 Bedeutung von Transportkosten

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind die Transportkosten für Unternehmen verschiedener Branchen von unterschiedlich starker Bedeutung. Während dieser Kostenblock in vielen Industriebetrieben zwischen 10 und 30 % der Gesamtkosten ausmacht, hat er in den meisten Dienstleistungsbereichen ein erheblich geringeres Gewicht. Der BDI stellt fest, daß in den letzten Jahrzehnten durch gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft und Verkehrsgewerbe die Transportkosten erheblich verringert werden konnten. Nach Auffassung des Verbandes wäre es ein Fehler, wenn diese ökonomischen Fortschritte, die sich auch ökologisch positiv auswirken, durch staatliche Verteuerungen der Gütertransporte wieder zunichte gemacht würden.

Welche Konsequenzen hätten aber höhere Preise im Verkehr? Nach Befragungsergebnissen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist nicht damit zu rechnen, daß höhere Preise das Verkehrswachstums dämpfen. Vielmehr hat die Höhe der Transportpreise kaum einen Einfluß auf die Höhe des Verkehrsaufkommens. Das liegt auch daran, daß der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten in der Regel sehr niedrig ist. Beispielsweise wird der Verkauf von Joghurt aus dem Allgäu nach NRW wohl kaum dadurch beeinträchtigt, daß die Kosten für den Transport eines Joghurtbechers von 0,1 auf 0,2 Pfennig verdoppelt werden.

Außerdem ist kaum zu erwarten, daß sich starke Anhebungen der Transportkosten, die auch den Produktpreis spürbar erhöhen, politisch durchsetzen lassen, denn schon bei vergleichsweise geringen Preiserhöhungen ist der öffentliche Protest sehr groß. Außerdem ist zu vermuten, daß öffentliche Kampagnen, bestimmte Produkte - z.B. Nahrungsmittel - nicht bei weit entfernten Herstellern, sondern aus Region zu kaufen, oder ein geschicktes Marketing wesentlich mehr Einfluß auf deren Absatz als staatliche Verteuerungen der Transporte haben. In diesem Zusammenhang sind die bestehenden Interdependenzen bislang nicht ausreichend geklärt. Auf die Frage der Preiselastizität im Verkehr gibt es noch keine eindeutige Antwort. Hier muß zwischen kurz- und langfristigen Wirkungen

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unterschieden werden. Bei Preissignalen von kurzer Dauer wird sich nicht viel ändern. Unternehmen mit einem eigenen Fuhrpark werden ihre Bezugs- und Absatzstrategien nicht umstellen, wenn sich z.B. die Preise der Schiene gegenüber der Straße für ein oder zwei Jahre verbilligen. Wenn aber die Preise für Energie oder für die Inanspruchnahme von Infrastruktur absehbar und regelmäßig über längere Zeit erhöht werden, dann gelten langfristige, wesentlich höhere Elastizitäten, die nach Einschätzungen von Verkehrswissenschaftlern teilweise den dreifachen Wert von Kurz-fristelastizitäten erreichen. Dann ist aber auch mit Umstellungen im Investitionsbereich der Unternehmen zu rechnen (z.B. Bau eines Gleisanschlusses oder Verkleinerung des Fuhrparks).

Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung/Berlin betont, daß die Transportpreise durchaus eine wesentliche Rolle spielen. Beispielsweise förderten niedrige Güterverkehrskosten unsinnige Transporte. Der Druck der Konkurrenz zwinge die Großhändler, ihren Kunden auch kleinste Mengen zu liefern. Dies vermögen die Transportkosten wegen ihrer geringen Höhe kaum zu verhindern. Bei dieser Sachlage besteht für die Kunden keine Notwendigkeit, sich Gedanken über gebündelte Bestellungen zu machen. Wären die Transportkosten höher, dann ließen sich mit größeren Bestellungen Skaleneffekte erzielen. Dann wäre auch eher mit einem Rückgang der Transportvorgänge zu rechnen. Hierdurch würden zugleich die Umweltbelastungen reduziert. Es kommt auch nicht zwangsläufig zu Erhöhungen der Gesamtkosten, denn die Verteuerungen des einzelnen Transports können durch Kosteneinsparungen durch weniger Fahrten ausgeglichen werden.

Wichtiger sind die Transportkosten aber im Wettbewerb der Verkehrsmittel. Hier wurden in den letzten Jahrzehnten deutlicher Preissignale zugunsten des Lkw-Verkehrs gesetzt. Während der Güterverkehr auf der Straße - auch im Rahmen der Deregulierung - deutlich billiger geworden ist, hat sich die Schiene verteuert. Auch der Pkw-Verkehr schneidet günstig ab. Die Benzinpreise sind im Verhältnis zur Nettolohnentwicklung real nicht gestiegen, sondern eher gefallen. Ebenso hat die Kfz-Steuer das Autofahren nicht verteuert. Dagegen werden die Fahrpreise im ÖPNV Jahr für Jahr angehoben - und nicht nur nominell, sondern real. Der Preis ist zwar nur einer der Bestimmungsfaktoren des Modal Split. Aber die skizzierten Preisrelationen sind schon eine Erklärungskomponente für die zu beobachtende Verkehrsentwicklung mit sinkenden Marktanteilen des öffentlichen Verkehrs und wachsenden Anteilen des privaten Verkehrs - und zwar sowohl beim Güter- als auch beim Personenverkehr. Soll hier gegengesteuert werden, dann reicht es nicht aus, wenn man im BVWP Umschichtungen zugunsten der Schiene vornimmt. Vielmehr ist nach

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Auffassung des DIW für einen Trendwechsel auch eine Neuordnung der Rahmenbedingungen notwendig, zu der auch ein veränderter Einsatz der preispolitischen Instrumente gehört.

3.2.3 Das Konzept der Ökosteuer

Die absolute und relative Verteuerung des öffentlichen Verkehrs vollzog sich bei gleichbleibenden bzw. sinkenden realen Kosten der Straße über Jahrzehnte hinweg. Will man diesen Trend umkehren, muß man sich nach Einschätzung des Wuppertal Instituts auf langfristige Prozesse einstellen. Die Vorteilsstruktur, in die das Auto - Pkw und Lkw - in den letzten 30 bis 40 Jahren hineingewachsen sei, könne wohl auch nur in einem ebenso langen Zeitraum wieder relativiert werden. Dem versucht das Konzept der Ökosteuer mit einer langfristigen, aber vorhersehbaren Verteuerung der Energiekosten zu entsprechen, die zu einer Kostenentlastung des Faktors Arbeit verwendet wird. Diese Strategie begünstigt auch den öffentlichen Verkehr, denn dieser ist nicht zuletzt wegen seiner hohen Personalintensität relativ teuer. Sein Vorteil des geringeren Energieverbrauchs pro Personen- bzw. Tonnenkilometer kann hingegen aufgrund der relativ niedrigen Energiekosten kaum wirksam werden.

Ein Blick auf Großbritannien zeigt, daß solche langfristigen Konzepte auch keine negativen Arbeitsplatzeffekte haben müssen. Dort wurden in den letzten Jahren die Benzinkosten deutlich erhöht. Hierdurch ergaben sich für den Kapitalzufluß und die Investitionsneigung der Wirtschaft aber keine Beeinträchtigungen. Das zeigt, daß langfristige, berechenbare Preissignale von der Wirtschaft akzeptiert werden und auch verkraftet werden können, da der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten relativ gering ist. Aus dieser Perspektive erscheint auch in Deutschland eine Erhöhung der Mineralölsteuer für die Wirtschaft durchaus tragbar, zumal dem Senkungen der Lohnnebenkosten gegenüberstehen.

3.2.4 Zweckbindung oder Lenkungsfunktion?

Umstritten ist die Frage, inwieweit Verkehrseinnahmen allgemein für Haushaltsaufgaben des Staates oder zweckgebunden verwendet werden sollen. So wurde die Mineralölsteuer früher nicht als eine Steuer, sondern als eine Art Gebühr angesehen, deren Einnahmen in die Straßeninfrastruktur reinvestiert wurden. Diese enge Zweckbindung wurde aufgegeben. Mittlerweile fließen z. B. 20 Pfennig von jedem getankten Liter in den ÖPNV. Dies wird auch vom VDA unterstützt, denn hierbei dienen die Einnahmen aus dem Straßenverkehr ja der notwendigen Verbesserung des

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integrierten Verkehrssystems. Dementsprechend plädiert der Verband für einen Selbstfinanzierungsmechanismus für den gesamten Verkehrsbereich, der verhindert, daß es zu einer völligen Ablösung der Einnahmen von den Ausgaben im Verkehr kommt.

Eine andere Auffassung vertritt das UBA, indem es die Zweckbindung staatlicher Einnahmen grundsätzlich in Frage stellt und darauf verweist, daß Steuern auch lenken, also durch steuerliche Be- oder Entlastungen unerwünschte politische Prozesse behindert und erwünschte Entwicklungen unterstützt werden sollen. So wird z. B. die Mineralölsteuerbefreiung des Luftverkehrs explizit zur Förderung dieses Verkehrsträgers eingesetzt. Auch wenn bei den Steuern, Gebühren und Abgaben überwiegend die Einnahmenerzielung im Vordergrund der Erhebung steht, wird de facto zugleich immer auch eine Lenkungsfunktion ausgeübt.

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3.3 Kostendeckung im Verkehr

Während feststeht, daß Steuereinnahmen generell nicht zweckgebunden erhoben werden, und daß damit auch die Einnahmen aus der Mineralöl- und Kfz-Steuer nicht zwangsläufig und in voller Höhe in den Verkehr allgemein oder nur in die Straße investiert werden müssen, wird kontrovers über die Frage diskutiert, inwieweit die Ausgaben im Verkehrsbereich durch Einnahmen gedeckt sind.

3.3.1 Kosten der Verkehrswegenutzung

Die DB Netz ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, die Kosten für den Unterhalt der Schienenwege über Einnahmen aus der Nutzung der Verkehrswege auszugleichen. Das hat bei der DB zu einer Disziplinierung des Investitionsverhaltens geführt, die sie auch in Konfliktsituationen mit ihrem Eigentümer bringt: Manche Investitionsvorhaben, die der Bund für richtig hält, werden von der DB aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt.

Im Gegensatz zu diesem Kostendeckungszwang bei der Schiene werden Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen vom Bund unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Für die Inanspruchnahme der Kapazität müssen die Benutzer also keine anteiligen Abgaben entrichten. Konsequenz ist, daß immer mehr Straßen gefordert werden, weil man glaubt, daß die öffentliche Hand diese quasi verschenkt. Auch durch die Einführung der Eurovignette für Lkw hat sich diese Situation praktisch nicht geändert. Diese

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Vignette wirkt als jährliche Abgabe ähnlich wie die Kfz-Steuer: die Zahlung erfolgt pauschal, unabhängig von der Inanspruchnahme der Infrastruktur. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird deshalb jeder Lkw versuchen, soviel wie möglich zu fahren, weil so die Kosten der Vignette pro km minimiert werden können. Die Bahn muß hingegen die Abgaben streckenbezogen leisten. Hier gehen deshalb die betriebswirtschaftlichen Anreize dahin, so wenig wie möglich zu fahren. Eine vom Bundesverkehrsminister für das Jahr 2003 angekündigte entfernungsabhängige Straßenbenutzungsgebühr für Lkw würde zumindest im Bereich des Güterverkehrs für mehr Gleichbehandlung sorgen. Für Pkw ist nach Aussagen des BMVBW ein road pricing dagegen auf absehbare Zeit nicht vorgesehen.

3.3.2 Finanzierung der Bundesverkehrswege

Bundesverkehrswege werden aus Mitteln des Bundeshaushalts finanziert. Die Finanzierung der Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen erfolgt in der Regel voll durch den Bund. Die Investitionen in die Schienenwege seiner Eisenbahnen übernimmt der Bund auf Grundlage des Schienenwegeausbaugesetzes. Für die überwiegend im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegenden Vorhaben des Bedarfsplans Schiene gewährt der Bund nicht rückzahlbare Baukostenzuschüsse. Für Investitionen in das bestehende Netz, bei denen das unternehmerische Interesse der Eisenbahn des Bundes überwiegt, stellt der Bund rückzahlbare zinslose Darlehen bereit. Die DB AG/ DB Netz AG übernimmt hierzu einen angemessenen Eigenbeitrag. Außerdem leistet der Bund zum Abbau investiver Altlasten im Bereich des ehemaligen Sondervermögens Deutsche Reichsbahn Baukostenzuschüsse nach dem DB-Gründungsgesetz. In jedem Projekt sind über die zuwendungsfähigen Kosten hinaus weitere Kosten enthalten, die nicht zuwendungsfähig sind, z.B. für ergänzende Rückbaumaßnahmen, für im Planfeststellungsverfahren zugestandene Schallschutzerweiterungen, für Erdkörpersanierungen, Oberbauerneuerung unterhalb 1.000 m Länge etc. Diese Kosten sind aus Eigenmitteln der DB Netz zu tragen.

Zur Verwirklichung des Ausbaus stellt das BMVBW auf der Basis der Bedarfspläne für Straße und Schiene Fünfjahrespläne auf. Großprojekte erstrecken sich teilweise über etliche Bauabschnitte und beträchtliche Zeiträume. Aufgrund baurechtlicher, bautechnischer oder finanzierungstechnischer Veränderungen bedarf es vielfach der Nachsteuerung. Hierüber stimmen sich Bund, beteiligte Länder und DB Netz fortlaufend ab. Die Rahmendaten der Umsetzung sind im derzeit noch gültigen Fünfjahresplan Schiene 1998 bis 2002 zusammengefaßt.

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Tab. 1: Verkehrswegeinvestitionen des Bundes

Jahr

Bundesfern-straßen

Schienen-wege

davon zinslose Darlehen

Bundeswas-serstraßen

Ist 1995

8.642,2

9.156,0


1.164,9

Ist 1996

8.279,3

7.234,7

3.856,6

1.070,9

Ist 1997

8.106,5

5.474,2

3.233,0

1.097,3

Soll 1998

8.295,6

6.704,4

2.225,0

1.155,3

Soll 1999

8.364,5

6.727,7

1.275,0

1.304,4

Angaben in Mio. DM

Im laufenden Fünfjahresplan werden nach aktuellem Stand rund 27 Mrd. DM in Bedarfsplanprojekte als Baukostenzuschuß investiert, davon 11 Mrd. in Aus- und Neubaustrecken und jeweils rd. 5 Mrd. für die Verkehrs-projekte Deutsche Einheit und den Ausbau des Knotens Berlin. Zusätzlich fließen mehr als 15 Mrd. DM als Finanzierung über rückzahlbare zinslose Darlehen des Bundes und Eigenmittel der DB in Projekte außerhalb des Bedarfsplans, ergänzt um weitere Investitionen, z.B. im Rahmen des GVFG oder des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (EKrG). Insgesamt werden 47 Mrd. DM in die Infrastruktur zwischen 1998 und 2002 investiert.

3.3.3 Anpassungen der Bedarfspläne für die Schiene

Die DB Netz kritisiert, daß bei der Entscheidung über die Aufnahme einer Maßnahme in den Schienenwegebedarfsplan zwar auch betriebswirtschaftliche Kriterien berücksichtigt werden, aber letztlich die volkswirtschaftliche Sichtweise auf der Grundlage langfristiger Verkehrsprognosen und politisch orientierter Entwicklungsvorgaben überwiegt. Die effektive Verkehrsentwicklung bleibt aber oft hinter diesen Erwartungen zurück. Der Gesetzgeber hat deshalb mit der Vorgabe zur turnusmäßigen Überprüfung der Bedarfsplanprojekte durch das BMVBW zumindest bezüglich der Mengenprognose versucht, Veränderungen der Entwicklung aufzufangen. Aus der betriebswirtschaftlichen Sicht der DB ergeben sich aber auch bei dieser Bewertung in vielen Fällen Diskrepanzen.

Das möglichst flexible Nachsteuern hat für die DB Netz aus ökonomischen Gründen eine entscheidende Bedeutung. In der Praxis lassen sich notwendige Korrekturen jedoch nur nach langjährigen Abstimmungen und meist nur durch Umschichtungen in den Jahresscheiben laufender Maßnahmen des Fünfjahresplans und fast nie durch Neuaufnahme oder Streichung von Bedarfsplanprojekten - allenfalls durch deren zeitliche Strek-

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kung - bewirken. Insbesondere erweist sich die geringe Flexibilität dann als problematisch, wenn teure und langlebige Schieneninfrastruktur erkennbar am Markt vorbei gebaut wird.

Deshalb versucht die DB Netz gemeinsam mit BMVBW und Eisenbahn-Bundesamt durch die Berücksichtigung von sog. optionalen späteren Ausbaustufen die Projektziele des Bedarfsplans der aktuellen Verkehrsentwicklung anzupassen - und zwar immer unter der Vorgabe des BVWP als Ziel. Dabei ist es aus Sicht der DB Netz wünschenswert, die Mengenprognosen des BVWP für die Bedarfsplanprojekte kontinuierlich mit den aktuellen Unternehmensprognosen der DB Netz abzugleichen. Hierzu sind auch zwischen den turnusmäßigen Überprüfungen projektbezogen bewertende Teilnetzuntersuchungen durchzuführen. Werden relevante Abweichungen erkennbar, sollte bei den betroffenen Projekten eine Anpassung der konkreten Ausbauziele und -standards erfolgen.

Derzeit wird mit dem Nachsteuern über Umverteilungen innerhalb der Jahresraten eine sanftere Art der Anpassung praktiziert. Diese Vorgehensweise führt aber nicht nur bei der Bahn, sondern bei allen Beteiligten zu Planungsunsicherheit, neuen aufwendigen Variantenuntersuchungen, schwierigen Abstimmungen und Zeitverzögerungen. Bei der Konsensfindung ergeben sich zumeist eher Projektausweitungen als Projekteinschränkungen. Hierdurch kommt der Fünfjahresplan systembedingt in die Gefahr des schleichenden Ausuferns und damit der Unterfinanzierung.

Aus den zeitaufwendigen Abstimmungsprozessen kann sich auch das Problem ergeben, daß die DB Netz gegenüber dem Eigentümer den geplanten Mittelabfluß des Haushaltsjahres nicht erreicht. Diese Situation entsteht auch dann, wenn durch günstige Baupreise die kalkulierten Kosten deutlich unterschritten werden. So lag z.B. der tatsächliche Mittelabfluß des Bundes 1996 um 6% und 1997 sogar um 18% unter den im Bundeshaushalt bereitgestellten Summen.

Generell fordert die DB Netz, in die Fünfjahrespläne nur solche Projekt-raten einzustellen, deren Finanzierung gesichert werden kann. Die festgelegten Maßnahmen sollten dann möglichst konzentriert und unverändert abgewickelt werden. Dabei plädiert die DB Netz dafür, in die Pläne vermehrt Titel in pauschalerer Form aufzunehmen, z.B. in Form von Sammelprojekten für flächendeckende Modernisierungen, die ein projektspezifisches Nachsteuern ohne langwierige Abstimmungsprozesse ermöglichen.

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3.3.4 Kostendeckung der Straße

Eine vom DIW durchgeführte Kostenrechnung für die Straßeninfrastruktur kommt nach Angaben des Karlsruher Wirtschaftswissenschaftlers Rothengatter zu dem Ergebnis, daß der Straßengüterverkehr seine Wegekosten nicht deckt. Der Kostendeckungsgrad liegt bei etwa 80%. Dabei wurde eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit einem sehr niedrigem Zinssatz von 2,5% berücksichtigt. Unterstellt man einen in der Wirtschaft üblichen drei- oder vierfach höheren Zinssatz, würde der Straßengüterverkehr auf ca. 50% Kostendeckung kommen und damit den für die Bahn gültigen Wert erreichen.

Der VDA verweist hingegen auf anders lautende Berechnungen, die sich ebenfalls aus der vom DIW entwickelten Systematik ergeben. Diese belegten eine hundertprozentige Deckung der dem Straßenverkehr zurechenbaren Straßenausgaben durch die Mineralölsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Lkw-Autobahngebühr. Das UBA bestreitet diese Angaben und betont, daß bei der Kostendeckung die externen Kosten nur unzureichend berücksichtigt werden. Zu den externen Kosten werden vor allem die Umweltschädigungen durch Abgase - also Klimaveränderungen und Waldschäden -, die Zerstörung von Naturräumen, Gesundheitsbeeinträchtigungen z.B. durch krebserregende Luftschadstoffe vor allem in Ballungsräumen, Lärmbelastungen und insbesondere die Kosten aus Verkehrsunfällen gezählt. Diese beliefen sich 1993 für den Straßenverkehr nach Ermittlungen des UBA insgesamt auf mindestens 133 Mrd. DM; der tatsächliche Wert liege noch höher, denn nicht alle externen Kosten wurden in die Analyse einbezogen.

Ähnlich unterschiedlich sind die Interpretationen des neuen DIW-Gutach-tens über „Wegekosten und Wegekostendeckung des Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland im Jahr 1997", das im Auftrag des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung und des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs im Januar 2000 veröffentlicht wurde. Das Gutachten belegt nach Auffassung der Auftraggeber, daß die deutschen Lkw die von ihnen auf Autobahnen verursachten Wegekosten zu mehr als 150% decken. Für Pkw liegt der ermittelte Kostendeckungsgrad für die Gesamtheit der Bundesfernstraßen sogar bei 350 %. Demgegenüber wurden durch Trasseneinnahmen und Mineralölsteuerzahlungen lediglich 16 % der Wegekosten des Schienengüterverkehrs gedeckt. Anders beurteilt der VCD die Situation. Die DIW-Studie habe allein die Verhinderung der längst überfälligen entfernungsabhängigen Lkw-Straßen-gebühr zum Ziel. Lkw verursachten elfmal so hohe Umwelt- und Gesundheitsschäden wie der Schienengüterverkehr. Würden diese Schäden ein

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berechnet, dann müßte der Straßenverkehr 61 Mrd. DM mehr zahlen. Auch der stellv. Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages bemängelt, daß in dem Gutachten externe Kosten - wie Unfallfolgen, Umweltbelastungen und Staukosten - nicht berücksichtigt werden.

Fest steht, daß die Lkw in erheblichem Ausmaß Luft- und Lärmbelastungen verursachen, daß auf sie ein hoher Beitrag zum Landschaftsverbrauch und zum Treibhauseffekt entfällt, daß auf sie viele Staus zurückzuführen sind, und daß ihnen auch ein wesentlicher Teil der Unfallkosten zugeschrieben werden muß. Um Kostenwahrheit im Verkehr zu schaffen, müßten die Spediteure pro Lkw-km mehrere Mark zusätzlich zahlen - so ein Gutachten, das der Karlsruher Wirtschaftswissenschaftler Rothengatter zusammen mit dem Züricher INFRAS-Institut für den Internationalen Eisenbahnverband erstellt hat.

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3.4 Ökologische Effizienz und Sicherheit

Sowohl der Straßengüterverkehr als auch der MIV schädigen die Umwelt relativ, bezogen auf die Beförderungsmengen stärker als das Binnenschiff und die Bahn. Bei allen Verkehrsträgern bestehen noch erhebliche technische Möglichkeiten zur Reduktion der Emissionen und des Ressourcenverbrauchs. VDA und DB AG verweisen auf realisierbare und auch geplante technische Verbesserungspotentiale bei Straße und Schiene. Auch in der Binnenschiffahrt gibt es relevante Spielräume zur Verbesserung der Ökobilanz - bspw. durch den Austausch veralteter Dieselmotoren.

Das Wuppertal Institut propagiert in diesem Zusammenhang das Faktor-vier-Konzept, das einen weltweit verdoppelten Wohlstand bei halbiertem Ressourcenverbrauch beinhaltet. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit könne die Technik auch im Verkehr eine wesentliche Rolle spielen. In die richtige Richtung verweise z.B. das 3-Liter-Auto. Gerade bei den Pkw, die bei ihrer Nutzung etwa 95 % der eingesetzten Energie verschwenden, bestünden noch gravierende Einsparpotentiale und Ansatzpunkte für eine Verbesserung der ökologischen Effizienz.

Der VDA betont, daß die Automobilindustrie bereits erhebliche Anstrengungen unternimmt, um diese Potentiale auszuschöpfen. Nach den Emissionsprognosen für das Jahr 2010 könne erwartet werden, daß am Ende dieser Periode Pkw und Lkw durch eine verbesserte Fahrzeugtechnik auch unter ökologischen Gesichtspunkten mit der Bahn konkurrenzfähig

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sind. Durch die neue Grenzwertgesetzgebung für Emissionen werde der Straßenverkehr im kommenden Jahrzehnt einen erheblichen Beitrag zur Entschärfung der ökologischen Situation leisten.

Eine technische Möglichkeit zur Reduzierung der Umweltbelastungen sind im Fahrzeugbereich Geschwindigkeitsregler. Diese können verhindern, daß schneller als zulässig gefahren wird, und erlauben so die Durchsetzung eines Tempolimits ohne polizeiliche Überwachungsmaßnahmen. Auch durch weitere intelligente Anwendungen moderner Technik - z.B. dem gezielten Einsatz der Telematik im Verkehr - können ökonomische und ökologische Vorteile erzielt werden (so durch Kraftstoffeinsparungen). Zugleich stellen diese weniger Unfälle in Aussicht und beeinflussen damit auch die soziale Komponente des Verkehrs positiv. Durch die Begrenzung der Geschwindigkeit auf den für den Verkehrsfluß optimalen Wert gelingt es außerdem, im vorhandenen Straßennetz enthaltene Kapazitätsreserven zu nutzen. Hierdurch wird der notwendige Straßenneubau verringert. Auch dies ist aus der ökologischen Perspektive als Erfolg zu werten.

Die Bahn verweist darauf, daß sie nach wie vor das umweltschonendste Verkehrsmittel ist. Durch die Verlagerung von der Straße auf die Schiene reduziert sich mit jeder Tonne Transportgut die CO2-Belastung um 16,6 kg pro 100 km und mit jeder Person, die vom Auto auf die Bahn umsteigt, um 10,4 kg pro 100 km. Dies entspricht einer C02-Minderung von 80% für den Güterverkehr und 74% für den Personenverkehr.

Darüber hinaus stecken auch in der Bahn noch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten. In den letzten vier Jahren hat sich die spezifische Luftemission der Lokomotiven und Triebwagen um 10% Kohlenmonoxyd, 17% Stickstoffoxyde und 19% Kohlenwasserstoffe verringert, ausgehend von dem ohnehin schon relativ geringen Niveau. Im SPNV könnten leichtere und damit auch energiesparendere Fahrzeuge verwendet werden. Hierbei spielen zusätzlich die zu beachtenden Standards eine wichtige Rolle. So gibt es eine Reihe von Vorschriften und Richtlinien, die den Bau bzw. den Einsatz solcher Fahrzeuge mit höherer Effizienz behindern.

Ökologische Reserven bestehen aber nicht nur im technischen Bereich. Relevante Ansatzpunkte sind auch die Belegungsdichten im Personenverkehr bzw. die Auslastungsgrade im Güterverkehr. Bspw. ist jeder Pkw derzeit nur mit durchschnittlich 1,4 Personen besetzt. Gelingt es, diesen Wert u.a. durch die verstärkte Bildung von Fahrgemeinschaften zu erhöhen, verringert sich zugleich der CO2-Ausstoß pro Person.

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Bei der Sicherheit schneidet die Bahn trotz verschiedener tragischer Unglücke in jüngster Zeit im Vergleich der Verkehrsmittel nach wie vor günstig ab. Die Unfallrate, d.h. die Zahl der Unfälle pro eine Million Personenkilometer, ist in den Jahren von 1993 bis 1998 in stetigem Trend von 0,02 auf 0,012 gefallen. Sie hat sich also fast halbiert. Im Jahr 1998 gab es bei 65,6 Millionen Zugkilometern 756 sog. Ereignisse. In den Jahren von 1993 bis 1997 kamen jeweils 22 bis 38 Menschen bei Reisen mit dem Zug ums Leben. Die weitaus meisten Unfälle ereigneten sich beim Ein- und Aussteigen. In keinem Fall waren nach Angaben der DB Überschreitungen von Lenkzeiten, ungenügende Ausbildung oder mangelhafte Überwachung der Dienstausführung die Ursache.

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3.5 Logistische Anforderungen und Ordnungspolitik

Eine der Ursachen des ungebrochenen Trends zum Lkw im Güterfernverkehr ist, daß dieser unter logistischen Gesichtspunkten deutliche Leistungsvorteile gegenüber der Bahn hat. Der VDA verweist darauf, daß die Automobilindustrie in ihrem Produktionsverbund zwar sehr viel just-in-time mit der Eisenbahn abwickelt. Aber die Bahnen haben in Europa einen gewaltigen Rückstand bei der Deregulierung gegenüber der Straße. Im transeuropäischen Eisenbahnverkehr sind Anpassungen an den Markt unbedingt notwendig. Vorhanden sind noch große Potentiale, die bislang nur unzureichend genutzt werden können, weil nationale Schienennetze nicht im notwendigen Ausmaß geöffnet sind, Verbindungen fehlen und die technische Kompatibilität zu wünschen übrig läßt. Das UBA stellt fest, daß es im Eisenbahnverkehr im Gegensatz zur Straße, bei der praktisch alle Details europaweit harmonisiert sind, fast keine internationalen Normungen gibt und auch keine Lärmvorschriften für Fahrzeuge existieren. Nebeneinander bestehen aber mehrere Stromsysteme und eine Vielzahl von Signalsystemen. Kupplungssysteme und Spurweiten sind nicht abgestimmt. Mangelhaft ist insbesondere auch die Organisation von Anschlüssen.

Bis zu einem integrierten europäischen Eisenbahnverkehr ist es also noch ein weiter Weg, und es muß im politischen und technologischen Bereich noch viel geklärt werden, bis Züge bspw. von Spanien fahrplanmäßig durch Frankreich bis Deutschland fahren können. Dies ist aber eher ein ordnungspolitisches Problem, das in Europa gelöst werden muß, als eine Frage des Verkehrswegebaus. Sowohl die grenzüberschreitende Kooperation bei einem Verkehrsträger als auch ein ausgewogeneres Verhältnis der Verkehrsträger im Verkehrssystem setzen deshalb nicht allein eine abgestimmte Investitionspolitik voraus. Wesentliche Ansatzpunkte liegen

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vielmehr auch im Bereich der Ordnungspolitik. In diesem Zusammenhang stellt die Europäische Kommission Besserung in Aussicht. Mittlerweile gibt es z.B. ein einheitliches Signalsystem für die Hochgeschwindigkeitszüge in Europa. Notwendig ist, daß solche erlassenen Richtlinien auch in nationales Recht umgesetzt werden. Auch hier bestehen in einigen Fällen noch Defizite.

Aus Sicht des BDI entsprechen die Leistungen der Bahn den logistischen Anforderungen der Wirtschaft nur unzureichend. Attraktive und effiziente Systemverbünde konnten sich durch jahrzehntelangen Wettbewerbsschutz bei den europäischen Bahngesellschaften nicht entwickeln. Der Kunde ist heute nicht mehr damit zufrieden, daß man ihm einen Transport für eine bestimmte Verkehrsverbindung organisiert, sondern er will eine umfassende Dienstleistung haben. Die Bahn wurde aber auch durch Systemnachteile gegenüber dem Straßengüterverkehr ins Hintertreffen gebracht. Der BDI begrüßt deshalb die Bahnreform als einen Schritt in die richtige Richtung. Bis zum Ziel eines abgestimmten und wettbewerbsfähige Eisenbahnnetzes, das mit den anderen Verkehrsträgern zu einem integrierten System verknüpft ist, muß aber noch ein vielschichtiger Handlungsbedarf abgearbeitet werden. Die Bundesregierung hat dieses Problem erkannt und setzt sich für Qualitätsverbesserungen im Schienenverkehr ein. Nationale Monopole sollen abgebaut werden, und auf der Schiene ist auch mehr Wettbewerb herzustellen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für kreativere Dienstleistungen und die Entwicklung logistischer Ketten bei den Eisenbahnen.

Auch die Europäische Kommission hat den großen Reformbedarf an hochwertigen Eisenbahnleistungen erkannt. Nach jahrelangen Verzögerungen und Versäumnissen setzt sie sich nun verstärkt für die Liberalisierung und Deregulierung im Schienenverkehr ein. Da sich die nationalen Bahngesellschaften bisher oftmals kraft Traditionen auf ihr Hoheitsgebiet beschränkt haben, soll vor allem der grenzüberschreitende Verkehr gefördert werden. In diesem Zusammenhang befürchten die Eisenbahngewerkschaften, daß durch die Liberalisierung und durch die Trennung von Schienennetz und Beförderungsleistung Arbeitsplätze abgebaut werden.

Bei der Harmonisierung stellt sich auch die Frage nach der Gleichstellung bei den steuerlichen Belastungen und bei den Sozialvorschriften. Für Lokführer gelten z.B. andere Arbeitseinsatzbedingungen als für Lkw-Fahrer. Letztere helfen auch beim Auf- und Abladen sowie bei zusätzlichen logistischen Leistungen. Das macht den Lkw-Verkehr erheblich billiger. Wenn dies auf die Bahn übertragen werden soll, dann müssen auch

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die sozialen Bedingungen vom Straßengüterverkehr übernommen werden. Das hätte allerdings auch sicherheitsmäßige Implikationen, die unerwünscht sind.

Im Straßengüterverkehr setzte schon im Jahr 1985 - also erheblich früher als bei der Schiene - die Liberalisierung ein und zwar schlagartig. Die privaten Unternehmen haben sofort alle Freiheiten aufgegriffen, die sich ihnen boten. Die Kabotage und viele andere Liberalisierungsschritte wurden vom Markt vorweggenommen, bevor die entsprechenden Regelungen in Kraft getreten sind, weil die Speditionen davon Vorteile hatten. Im Bereich der staatlichen Bahnen wurden solche Wettbewerbsverbesserungen lange Zeit nicht erkannt, und die Beteiligten gingen davon aus, daß sie in einem sicheren Umfeld agieren. Veränderungen im System wurden primär realisiert, um diese Sicherheit noch zu erhöhen und die Abschottung nach außen zu perfektionieren. Diese Strategie war ein entscheidender Grundfehler, der die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene im europäischen Raum spürbar beeinträchtigte.


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