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4. Modelle und beispielhafte Ansätze zur Qualifizierung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer


Die Betrachtung der maßgeblich für die gegenwärtig defizitäre Qualifizierungspraxis gegenüber Älteren verantwortlichen Strukturen und Einstellungen zeigte unter anderem eine hohe Unzufriedenheit mit den vorfindlichen Qualifizierungsmaßnahmen. Diese Unzufriedenheit wurde von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen aufgegriffen und fand seinen Niederschlag in den in den letzten Jahren durchgeführten Forschungsprojekten zu den Voraussetzung und Formen von (betrieblicher) Weiterbildung, sowie zu spezifischen Formen der Qualifizierung Älterer (ein ausführlicher Überblick findet sich in Clemens, 2001).

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4.1 Betriebliche Modelle

Basierend auf der Erkenntnis, dass Maßnahmen auf individueller Ebene, sowie kompensatorische altersbezogene oder -spezifische Maßnahmen für effektive Qualifizierungsstrategien zugunsten Älterer eher als wenig ausreichend angesehen werden, wurden aus arbeitswissenschaftlicher Sicht erweiterte Modelle für eine alter(n)sgerechte, arbeitsorganisatorische und technische Gestaltung des Arbeitssystems entwickelt (Hacker, 1996; Köchling, 1992; Reif et al., 1996). Diese fanden bislang ebenso wenig eine größere Verbreitung wie spezielle Arbeitszeitregelungen und -organisationsformen wie z.B. altersgemischte Teams, obwohl positive Effekte für den Erhalt der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Verbindung von speziellen Arbeitszeitregelungen, ergänzenden Arbeitsplatzstrukturierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen längst nachgewiesen wurden (Ell, 1995).

Forderungen nach frühzeitigen, belastungsreduzierenden Arbeitsplatzwechseln, einer lebensphasenorientierten Arbeitszeitgestaltung oder eine vorausschauende Laufbahngestaltung (Clemens, 1992; Bäcker & Naegele, 1993; Behrens, 1994, 1996) haben ebenfalls in der betrieblichen Praxis bislang keine größeren Reaktionen ausgelöst. Die mangelnde Verbreitung alter(n)sgerechter Arbeitszeit- und –organisationsformen wird sogar als Verweigerungsstrategie und Bevorzugung der Frühverrentungsoption gewertet (Naegele, 1988; Rosenow & Naschold, 1994). Die sich in der Literatur findenden vielfältigen betriebliche Maßnahmen und

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Projekte (vgl. dazu Frerichs & Naegele, 1996; Marstedt, Müller, 1999) sind schwerpunktmäßig auf den industriellen Bereich bezogen und zumeist nicht altersspezifisch, sondern eher punktuell ausgerichtet.

Modellhafte Ansätze wurde in den folgenden auf die berufliche Weiterbildung und betriebliche Qualifizierung Älterer konzentrierten Forschungsprojekten bzw. Initiativen identifiziert (vgl. dazu ausführlich Clemens, 2001; Gravalas, 1999):

  1. Das von der europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen geförderte Projekt: „Überwindung von Altersbarrieren bei der Einstellung und Qualifizierung von Mitarbeitern„ (Frerichs & Naegele 1996; Walker, 1997), das einen Überblick über beispielhafte Ansätze zur Integration Älterer Arbeitnehmer in den Betrieb gibt,

  2. Die Modellversuche des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIBB) zum Thema „Ältere Arbeitnehmer„ (Gravalas, 1999; Puhlmann, 1999, Schemme, 2001),

  3. Das Leonardo-Projekt der IG Metall, das sich mit dem Potential der Gruppenarbeit für benachteiligte Arbeitnehmergruppen wie ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.

  4. Die von dem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerb eingesetzte Benchmarking-Gruppe zur Identifizierung guter Beispiele betrieblicher Weiterbildungspraxis.

(1) Mit der Suche nach geeigneten Strategien für eine Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer befassen sich seit Mitte der 90er Jahre Initiativen auf europäischer Ebene. Anhand von ausgewählten Dimensionen – dazu zählen etwa Einstellungen von älteren Arbeitnehmern, flexible Arbeitspraxis, Arbeitsplatzgestaltung, sowie die Haltung gegenüber älteren Arbeitnehmern – wurden in Kooperation von Forschergruppen aus Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Großbritannien sowie Deutschland in einer dieser Studien (Frerichs, 1996; Walker, 1997) 160 beispielhafte betriebliche Maßnahmen zusammengestellt, die auf eine verbesserte Eingliederung Älterer abzielen. Zu diesen Dimensionen zählt auch die Qualifizierung. In einem großen Unternehmen in der Stahlindustrie wurden etwa unterschiedliche Qualifizierungskonzepte speziell für ältere Belegschaftsmitglieder entwickelt.

Sie richteten sich an:

  • technisch-gewerbliche ältere Ausbilder, um diese mit altersintegrativen Aspekten pädagogisch-didaktischer Theorie und Praxis vertraut zu machen,

  • angelernte ältere Beschäftigte im Warmwalzbetrieb, damit diese Steuerqualifikationen erwerben können,

  • leistungsgewandelte ältere Beschäftigte, die über ein in die Produktionsabläufe des Betriebs eingebundenes Qualifizierungssystem dauerhaft wiedereingegliedert werden sollten.

Eine beispielhafte altersintegrative betriebliche Personalpolitik, die ebenfalls Qualifizierungsstrategien umfasste, wurde in einem Unternehmen der Möbelindustrie praktiziert. Diese nimmt in der hohen Wertschätzung des Erfahrungswissens Älterer und ihrer wichtigen beruflichen Kompetenzen der Unternehmensleitung ihren Ausgang und ist gekennzeichnet durch:

  • arbeitsplatznahe Qualifikationen

  • zielgerichtete Rekrutierung qualifizierter Älterer

  • altersintegrative Durchführung erforderlicher Qualifizierungsmaßnahmen.

(2) Am Bundesinstitut für Berufsbildung wurde im Rahmen des Projektes: Berufliche Entwicklung, Qualifizierung und Perspektiven in der zweiten Hälfte des Berufslebens – Betrieb-

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liche und berufsbiographische Sichtweisen Älterer„ (vgl. Puhlmann & Gravalas, 1999) ein Überblick über Forschungsprojekte zur Qualifizierung und Weiterbildung Älterer erstellt (Gravalas, 1999), die mit den insgesamt 18 ermittelten Projekten in kleinen und mittleren Betrieben der Industrie und des Dienstleistungswesens im wesentlichen folgende Schwerpunkte (Schemme, 2001) bearbeiten:

  • Qualifikationsanforderungen mit tatsächlich vorhandenen Kompetenzprofilen und Leistungsvermögen des Personals abzugleichen; individuelle und unternehmerische Perspektiven besser aufeinander abzustimmen;

  • Geeignete Einsatzmöglichkeiten für ältere Beschäftigte herauszufinden bis ggf. hin zur altersgruppengemäßen Arbeitsplatzgestaltung;

  • Die Kompetenz zum Dialog zwischen den verschiedenen Altersstufen im Betrieb zu stärken und wechselseitige Lernbeziehungen in den – intergenerativ zusammengesetzten – Teams zu fördern u.a. im Sinne von Tandembildung oder Mentorenmodellen;

  • Die Stärken und Potenziale Älterer produktiv mit den Stärken und Potenzialen Jüngerer zu kombinieren und zu ergänzen;

  • Methodisch-didaktische Konzepte zum lebensbegleitenden arbeitsplatznahen Lernen sowie zur Aktualisierung und Erweiterung beruflicher Selbstlern- und Handlungskompetenzen zu erproben; die Möglichkeiten und Grenzen solcher Konzepte auszuloten;

  • In inhaltlicher und didaktischer Hinsicht Qualifizierungsbausteine für ältere Beschäftigte und Erwerbslose vor allem auf dem Gebiet der Informations- und Kommunkationstechnologien zu entwickeln und dabei, erfahrungsgestützt, fall- und aufgabenbezogen vorzugehen;

  • Betriebe und Bildungsdienstleister ggf. auch Arbeitsförderbetriebe zu vernetzen.

Beispielhaft seien folgende Modellversuche genannt:

  • Entwicklung und Erprobung von Qualifizierungskonzepten für ältere Arbeitnehmer in der Industrie„ (Durchführungsträger: Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) GmbH, Nürnberg) (vgl. hierzu auch Wenke, 1996),

  • SELA: Selbstorganisiertes Lernen älterer Erwerbspersonen und arbeitsplatzbezogenes Lernen (Durchführungsträger: Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet e.V., Bremen)

  • Entwicklung und Evaluation von computergestützten Unterrichtsmodulen für die CAD-Weiterbildung von älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen (TECA) (Durchführungsträger: Bremer Institut für Konstruktionstechnik (BIK) der Universität Bremen)

  • Qualifizierung von älteren Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern aus Metall- und Elektroberufen sowie aus der industriellen Produktion (Durchführungsträger: Projekttransfergesellschaft für berufliche Weiterbildung und Training (ProTeGe), Greiz, Thüringen)

  • Erfahrungsgestütztes Lernen. Qualifizierung älterer Arbeitnehmer für CNC und SPS (Durchführungsträger: Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V., Frankfurt)

In der vom BIBB herausgegebenen Veröffentlichung "Qualifizierung, Personal- und Organisationsentwicklung mit älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Probleme und Lösungsansätze" (Schemme, 2001) werden die aus den Modellversuchen gewonnenen Erfahrungen in konzentrierter Form vorgestellt und reflektiert.

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Von besonderem Interesse sind zwei noch laufende Modellvorhaben, die sich an einer übergreifenden Konzeptentwicklung versuchen:

  • Organisations- und Personalentwicklung mit leistungsfähigen Mitarbeitern in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens (Durchführungsträger: Winkler-Ausbildungs-GmbH, Bildungszentrum Turmgasse, Villingen) (detailliertere Projektbeschreibung: http://www. forum-bildung.de/bp/tpl_bp_reader.php3?bp_id=112&bp_detail=2).

  • Der Prozess des Älterwerdens: Die Gestaltung altersheterogener Lern- und Arbeitsstrukturen (Durchführungsträger: Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V., Frankfurt).

Das erste Projekt zielt auf eine Verbindung von Konzepten der Personal- und Organisationsentwicklung mit Lernformen zugunsten der Qualifizierung und Kompetenzentwicklung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das zweite Projekt zielt auf eine altersdifferenzierte Bildungsarbeit und Personalförderungspolitik und eine enge Verzahnung von beruflicher Bildung, Personal- und Organisationsentwicklung.

(3) Im Rahmen des Leonardo-Projektes der IG Metall wurde unter der Beteiligung von Gewerkschaften und Betrieben aus Schweden (Svenska Metall; Volvo construction Equipment), Großbritannien (Gewerkschaft AEEU, Rover Group-Werk Solhull) und der John Deere-Werke in Mannheim eine Handlungshilfe „Gruppenarbeit und ältere Arbeitnehmer„ entwickelt. Mit der Handlungshilfe sollen Qualifizierungsbausteine für Personalverantwortliche einschließlich Gruppensprecher und Betriebsräte angeboten werden, um deren Wissen und Verständnis zur Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der betrieblichen Einführung von Gruppenarbeit zu fördern. Dazu werden Instrumente und Beispiele aus der betrieblichen Praxis vorgestellt, die die Chancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Gruppenarbeit einbezogen zu werden erhöhen. Mit der Integration Älterer in Gruppenarbeit wird die Erwartung verbunden, altersselektive Qualifizierungsstrukturen aufzubrechen und die Kompetenzen dieser Arbeitnehmergruppen besser und länger nutzen und erhalten zu können.

(4) Betriebliche Initiativen zur Veränderung der gegenwärtigen Qualifizierungspraxis bezogen auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern greifen – nach Aussage der vom Bündnis für Arbeit eingesetzten Benchmarking-Gruppe – unter dem Eindruck der jüngsten politischen Vorgaben insgesamt verstärkt Raum. Die Benchmarking-Gruppe gelangt in ihrem Bericht (Fels et al., 2001) zu der Einschätzung, die betriebliche Weiterbildung sei gegenwärtig ein regelrechtes Experimentierfeld. Unter den in diesem Bericht aufgeführten guten Praxisbeispiele werden beispielsweise job rotation-Modelle in einem Stahlwerk Thüringens und in einem kleinen High-Tech-Unternehmen in Bremen vorgestellt, die im Hinblick auf Ältere eine gelungene Verknüpfung von betrieblicher und öffentlicher Weiterbildung darstellten oder auch mit dem Pilotprojekt ESMO und dem Qualifizierungsprogramm für un- und angelernte Mitarbeiter der bayrischen Metall- und Elektroindustrie die Problematik der betrieblichen Weiterbildung geringqualifizierter Arbeitnehmer aufgreifen.

Insgesamt werden folgende Anforderungen an eine zielführende und zukunftsfähige Weiterbildungspolitik an die jeweiligen Akteure im Bericht der Benchmarking-Gruppe des Bündnisses formuliert:

  • Rolle von Staat, Verbänden, Individuen und Anbietern bei der Steuerung und Finanzierung der Weiterbildung neu überdenken

  • Geeignete Anreize für die Entwicklung, Durchführung und Wahrnehmung innovativer Experimente durch die jeweiligen Akteure setzen und neue Entwicklungen konstruktiv begleiten

  • Beteiligung von Arbeitnehmern und öffentlicher Hand an der Finanzierung der beruflicher Weiterbildung im Betrieb

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  • Parallel zur finanziellen Beteiligung von Arbeitnehmern an der beruflichen Weiterbildung im Betrieb, Schaffung von Mitsprache und Einflussmöglichkeiten auf Inhalt

  • (bezogen auf Politik, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände:)Schaffung größerer Transparenz über das Weiterbildungsangebot und neuer Wege des Qualitätsmanagements (Zertifizierung der privaten Anbieter von Weiterbildungsangeboten, z.B. bundeseinheitliches Gütesiegel) z.B.

  • Tarfivertragliche oder betriebliche Vereinbarungen zum Einsatz von Arbeitszeitkonten zum Zwecke der betrieblichen Weiterbildung (Kostenaufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer). In diesem Rahmen:zielgruppenspezifische Vereinbarungen, die den Zugang bislang in der Weiterbidlung unterrepräsentierter Arbeitnehmergruppen verbessern

  • Stärkere Anbindung der Arbeitsmarktpolitik an den Betrieb als Lernort (Wiedereingliederung über Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit der Klienten)

  • Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungsbereitschaft von Klein- und Mittelunternehmen durch überbetriebliche Kooperation. Verbandsförmige Dienstleistungseinrichtungen könnten die angeschlossenen Betriebe bei der Festlegung und Durchführung von Maßnahmen zur Personalentwicklung unterstützen (z.B. Mach 2 Weiterbildung und Personalentwicklung, Vision und Praxis, Bündnis für Weiterbildung e.V. Hirschaid, Organisations- und Personalentwicklung online der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft, Qualifizierungsberatung des Bildungswerkes der Baden-Württembergischen Wirtschaft, Weiterbildugnsstiftung des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie)

  • Integration eigeninitiierter Weiterbildung über lernförderliche Organisation der Arbeit (z.B. Tele- oder e-Learning) in ein betriebliches Konzept der Weiterbildung (Bereitstellung von Betriebsmittel z.B. Internetzugang zu Weiterbildungszwecken nach Feierabend) z.B. Selbstlernsysteme bei Ford, MultiMedia TeleLearning Kompetenz-Zentrum der Zentralstelle Weiterbildung im Handwerk

  • Förderung Geringqualifizierter (und Behebung des Fachkräftemangels) durch gruppenspezifische Reduktion der gesetzlichen Lohnnebenkosten, um den Arbeitsmarkt am unteren Rand zu öffnen und arbeitsmarktpolitik flankiert (Mobilitätshilfen) mit anschließender Einbindung in überbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen.

Zu den betrieblichen Ansätzen einer verbesserten Weiterbildungspraxis, von der auch Ältere profitieren könnten, wird aber auch der Bereich der neuen Tarifverträgen, die neuerdings das Regelungsgebiet der Qualifizierung zu erschließen beginnen, gezählt.

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4.2 Beispielhafte tarifvertragliche Ansätze

Da die geschilderten Modelle die Bereitschaft und Initiative der Betriebe zur Umsetzung erfordern, erhält das betriebliche Eigeninteresse, sowie dessen Orientierung an kurzfristigen ökonomischen Zweckbestimmungen ein starkes Gewicht, das in Konflikt zu den Qualifikationsanliegen der Arbeitnehmer geraten kann. Um mögliche Spielräume zur Einführung etwa der genannten beispielhaften qualifikatorischen und arbeitsorganisatorischen Konzepte zugunsten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu nutzen und deren Interessen abzusichern, können tarifvertragliche Vereinbarungen hilfreich sein. Bislang waren Qualifizierungsfragen ein eher vernachlässigtes Feld tarifvertraglicher Regelungen, allerdings zeigen sich seit kurzem eine Reihe von Ansätzen, dieses zu erschließen.

Als Durchbruch in der Qualifizierungstarifpolitik gilt der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I für die Metallindustrie in Nordwürttemberg-Nordbaden von 1988. Seine Umsetzungs-

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evaluation war allerdings eher ernüchternd, da Management und Betriebsräte überfordert (Zeit, Know-How) waren.

Seither gibt es eine wachsende Vielzahl von Vereinbarungen über Qualifizierung und Weiterbildung (vgl. Bispinck, 2001) z.B.:

  • Manteltarifverträge des Buchhandels, (Festlegungen zur Erweiterung der beruflichen Qualifikation);

  • Tarifvertrag zur berufsbezogenen Weiterbildung für das Berliner Klempner- und Installateurhandwerk;

  • Tarifvereinbarungen im Abbruch- und Abwrackgewerbe;

  • Maler- und Lackiererhandwerk;

  • Friseurhandwerk;

Für spezielle Berufsgruppen oder Tätigkeiten verankerte tarifvertragliche Regelungen:

  • Bauwirtschaft (Weiterbildung zum Baumaschinisten, Baumaschinenfachmeister, Werkspolier);

  • Sozialversicherung;

  • Versicherungsgewerbe;

  • Privaten Verkehrsgewerbe;

  • Bewachungsgewerbe.

In diesem Kontext ist der Qualifizierungstarifvertrag Metall und Elektro Südwest (Juni 2001) besonders interessant, da er für die Begünstigung von bisher in der betrieblichen Praxis eher benachteilige Arbeitnehmergruppen genutzt werden (z.B. An- und Ungelernte, Ältere) kann – was eher eine Ausnahme darstellt. Danach besteht ein:

  • Anspruch auf regelmäßiges Personalgespräch zur Festlegung ihres Qualifizierungsbedarfs, der dann gegebenenfalls auf der Grundlage einer individuellen Qualifizierungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abgedeckt wird

  • Besondere Berücksichtigung Un- und Angelernter (Beschäftigte an Fließbändern unter restriktiven Arbeitsbedingungen sollen vorrangig in Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen werden)

  • Nach 5 Jahren Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine einmalige, bis zu 3 Jahren befristete Ausscheidensvereinbarung mit gleichzeitiger Wiedereinstellungszusage für weitergehende Qualifizierungsmaßnahmen zur persönlichen beruflichen Entwicklung – vorausgesetzt, diese ist prinzipiell für den Betrieb nutzbar und wird von den Beschäftigten finanziert

  • Vollzeitbeschäftigte können statt einer Freistellung einen Anspruch auf eine befristete Teilzeitstelle für die Dauer der Qualifizierung geltend machen

  • Bei Ablehnung vereinbarter Qualifizierungsmaßnahmen seitens des Beschäftigten entfällt der Abgruppierungsschutz bei Versetzung auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz

  • Von den Tarifparteien gemeinsam eingerichtete Agentur zur Weiterbildungsförderung (Konzeption von Weiterbildungsmaßnahmen z.B. für Un- und Angelernte und Ältere, Beratung der Betriebsparteien über Modelle). In Betrieben über 300 Beschäftigten wird eine paritätische Kommission gegründet, wenn über Umfang oder Durchführung keine Eini-

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    gung zustandekommt, dann entscheidet ein sachverständiger Dritter (aus der zu gründenden Weiterbildungsagentur).

Im Hinblick auf den hohen Stellenwert, den die rasche Anpassung an die sich rasch wandelnden Qualifizierungsbedarfe erhält, ist der Ergänzungstarifvertrag von DEBIS von besonderem Interesse, da er als Innovation, die Verknüpfung von Zeitguthaben mit Qualifizierungsmaßnahmen ermöglicht.

Danach erstellt das Unternehmen einmal jährlich eine „Bildungsplanung, die auf der strategischen und operativen Planung des Unternehmens aufbaut, wobei diese Bildungsplanung mit den Betriebsräten zu vereinbaren ist. Der Vorgesetzte hat mindestens einmal im Jahr mit dem Mitarbeiter ein Gespräch über mögliche Qualifizierungsmaßnahmen zu führen. Bei den Maßnahmen wird zwischen Bildungsmaßnahmen, die für die Erfüllung der aktuellen und geplanten Aufgaben erforderlich sind, und sonstigen Qualifizierungsmaßnahmen unterschieden. Während die Kosten und der Zeitaufwand von den aktuellen und aufgabenbezogenen Maßnahmen vom Arbeitgeber allein getragen werden (Anpassungsfortbildung), gibt es bei den sonstigen Maßnahmen eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer, die die Hälfte des Zeitaufwandes selbst tragen müssen. Für solche Maßnahmen haben die Beschäftigten einen jährlichen Mindestanspruch von fünf Arbeitstagen, die auf fünf Jahre gebündelt werden können, um auch umfangreichere Maßnahmen abdecken zu können. Die Arbeitnehmer werden also an dem Zeitaufwand der sonstigen Qualifizierung beteiligt, aber sie können Ansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber und eigene Zeitguthaben ansparen. Diese Tarifvertrag bietet damit insbesondere die Möglichkeit, der Gefahr einer betriebsspezifischen Einengung von Qualifikationen zu begegnen.

Was das generelle Potential von Qualifizierungstarifverträgen zu Beseitigung der bestehenden Defizite im Bereich der Qualifizierungs- und Weiterbildungspolitik betrifft, bleibt Bispinck (2001) aber sehr skeptisch. Er weist aber darauf hin, dass für eine wirkungsvolle tarifliche Qualifizierungspolitik noch Gestaltungs- und Handlungsspielraum besteht, den es noch weiter auszuschöpfen gilt.

So werden etwa die im Hinblick auf die Gestaltung der Weiterbildungsinhalte und ihrer Qualität relevanten Mitbestimmungsmöglichkeiten (Organisierung, Inhalte gemäß §§ 98ff. BetrVG) in der Praxis nur teilweise genutzt – wie Daten der Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 am WSI zeigen (Schäfer, 2001). Dabei handelt es sich um eine schriftliche Befragung von Betriebs- und Personalräten zu betrieblichen Entwicklungen und Problemen, die im Jahr 2000 auch mit Fragen zur Weiterbildung ergänzt wurden. Die Stichprobe umfasst ca. 30.700 Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten im privatwirtschaftlichen Bereich und 10.500 Dienststellen des Öffentlichen Dienstes. Der Anteil der Betriebe mit Betriebs- und Personalrat an der Auswahl war dabei nicht bekannt. Zusätzlich wurden 1.900 Betriebs- und 900 Personalräte, die an einer vorangegangenen Befragung teilgenommen hatten einbezogen. In dieser Befragung gibt ein Viertel bis ein Fünftel von den Betriebs- und Personalräten an, nicht an Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung beteiligt zu sein. Dies erklärt sich überwiegend damit, dass diesem Thema im Rahmen der Gesamtaktivitäten nur ein mittlerer Stellenwert gegenüber Fragen des Personalabbaus, der Altersteilzeit, Änderungen der Arbeitsorganisation, Überstunden, Arbeitsschutz oder Leistungsdruck haben.

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4.3 Übergreifende Ansätze

Neben betrieblichen und tarifvertraglichen Ansätzen zur Verbesserung der Weiterbildungspraxis für Ältere, finden sich aber auch Ansätze, die einen eher übergreifenden Charakter aufweisen. Sie weisen keinen originären Bezug zu Qualifizierungsfragen auf und sind

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nicht auf Erwerbstätige beschränkt. Im folgenden werden Zeitkonten, Job-Rotation und Zeitarbeit 50plus als Beispiele solcher übergreifender Ansätze dargestellt.

(1) Zeitkonten

Vor dem Hintergrund der Qualifizierungstarifverträge und der auch vom Bündnis für Arbeit angestoßene Diskussion über investive Zeitpolitik zu Qualifizierungszwecken, finden seit kurzem Fragen der Verwendung von Zeitguthaben für betriebliche Weiterbildungszwecke verstärkte Beachtung.

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von CDU/CSU-Fraktionsmitgliedern vom 14.02.01 (BT-Ds. 14/5352) zu demographischen Entwicklung und Erwerbstätigkeit älterer Menschen wurde die Position der Vertreter des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit zur Bedeutung flexibler Arbeitszeitmodelle für die Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betont. „Die Bündnispartner sehen in langfristigen Arbeitszeitguthaben eine Möglichkeit, lebenslagenorientiert u.a. in Weiterbildung, zu investieren.„ (vgl. www.buendnis.de/05/08.html zit. nach Dobischat & Seifert 2001).

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Zeitpolitik und Lernchancen„ im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand, Verkehr und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen ist eine aktuelle Untersuchung (von 1999 bis 2001 von der Universität Duisburg, Universität Hamburg, Erfurt, Bremen und WSI) (auf diesem Projekt basierende Expertisen sind im Sammelband Dobschiat & Seifert (Hrsg.) 2001 enthalten), die sich auf diesen Themenbereich konzentriert. Vor dem Hintergrund, wie das Verhältnis von Arbeits- und Lernzeiten neu formiert werden muss, wird insbesondere das – auch hier besonders interessierende – Problem der Selektionswirkungen betrieblicher Weiterbildung und Qualifizierung, das zu stabilen Partizipations- und Polarisierungsmustern zwischen hoch- und geringqualifizierten Belegschaftsmitgliedern führt, beachtet. Im Kern geht es um die zentrale Frage: Geht die Ausweitung der Weiterbildungszeit auf Kosten der Arbeitszeit oder der erwerbsarbeitsfreien Zeit oder lassen sich kompromisshafte Mischungsverhältnisse arrangieren?

Die Ergebnisse der Betriebsbefragung 2000 belegen übereinstimmend, dass es gängige Praxis ist, Teile der Freizeit – unabhängig von Zeitkonten – für berufliche Weiterbildung einzusetzen. In insgesamt knapp drei Viertel aller Weiterbildungsbetriebe setzen die Beschäftigten Freizeit für diesen Zweck ein. Durchschnittlich etwa 25 % der Weiterbildungszeit liegen in der erwerbsarbeitsfreien Zeit. Fach- und Führungskräfte wenden eher erwerbsarbeitsfreie Zeitanteile für Weiterbildung auf als andere Beschäftigtengruppen (ein Drittel der Weiterbildungszeit liegt außerhalb der Arbeitszeit). Differenzen in der Verbreitung von time-sharing zeigen sich stärken zwischen Branchen als zwischen Betriebsgrößen (z.B. zu zwei Drittel im Investitionsgüterbereich üblich, nur in 35 % der Betriebe des Kredit- und Versicherungswesens). Teilweise müssen die Beschäftigten auch für betriebsnotwendige Weiterbildungen Freizeit aufbringen.

Das Projekt versucht konkret den empirischen Bestand bereits erkennbarer Konzepte einer neuen Verknüpfung von Arbeits-, Lern- und Freizeiten zu ermitteln, auf deren Basis Konzepte entwickelt werden sollen, die in betriebliche und tarifliche Arbeitszeitpolitiken und entsprechende Regelungssysteme eingebettet werden könnten. Das Potential dieser Ansätze für die Qualifizierung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt noch auszuloten.

Zu dem von Seifert entwickelten Lernzeitkontenkonzept, in dessen Kern eine Umwidmung von Bildungsurlauben in Lernzeitguthaben steht, wird wiederum kritisch eingewandt dass der Verbreitungsgrad von Arbeitszeitkonten in Abhängigkeit von der Betriebsgröße variiert, wobei Kleinbetriebe ihren Belegschaften in weitaus geringerem Maße Arbeitszeitkonten anbieten als Großbetriebe (Betriebsbefragung 2000, Dobischat & Seifert, 2001). Nur jeder zehnte Betrieb erlaubt die Nutzung der Arbeitszeitkonten für Zwecke der beruflichen Weiterbildung,

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überwiegend in Großbetrieben, eher für Fach- und Führungskräfte. Lernzeitkonten existieren bislang insgesamt in 3 % sämtlicher Betriebe. Weiterhin wird kritisiert (Fels et al., 2001), dass die Verzinsung der Guthaben, der Insolvenzschutz, die alternative Verwendung von Zeitguthaben, die Konvertierbarkeit der Guthaben in Geld, sowie die zwischenbetriebliche Transferierbarkeit nicht abschließend geklärt wird und die Abgrenzung von betrieblichen und individuell initiierten Weiterbildungsmaßnahmen problematisch sei.

Der Forderung, die Verwendung von Zeitguthaben für betriebliche Weiterbildungszwecke empirisch zu untersuchen und damit eine Forschungslücke auf dem Gebiet der empirischen Arbeitszeit und Weiterbildungsforschung zu schließen, kommt dabei in einem ersten Schritt das Statistische Bundesamt mit seiner neu aufgelegten Zeitbudgeterhebung 2001/02 nach, indem das Erhebungsdesign um einen umfassenden und eigenständigen Fragenkomplex zur Zeitverwendung für Qualifizierung ergänzt wurde (Ehling et al., 2001a). Zeitbudgeterhebung 2001/02 zur Zeitverwendung für Weiterbildung: z.B. Zeitverwendung für allgemeine und berufliche Weiterbildung innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit (auch informell, Selbstlernen).

(2) Job-Rotation

Ein anderer Ansatz, Lern- und Arbeitszeiten neu zu verknüpfen, von denen Ältere explizit profitieren könnten, sind jobrotation-Modelle.

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von CDU/CSU-Fraktionsmitgliedern vom 14.02.01 (BT-Ds. 14/5352) zu demographischen Entwicklung und Erwerbstätigkeit älterer Menschen wurde bereits auf das Instrument der Job-Rotation als durchaus auch für die Wiedereingliederung und Qualifizierung Älterer geeignet, hingewiesen: „Wird ein älterer Arbeitsloser als Stellvertreter eingesetzt, kann er diese Zeit nutzen, seine Leistungskraft unter Beweis zu stellen, und somit zum Abbau der Vorurteile gegen ältere Arbeitnehmer beitragen„.

Aufgrund der Bündnisempfehlung wurden mehrere Landesinitiativen mit neuen Jobrotationsmodellen ergriffen. So sehen neue Modelle etwa z.B. folgendes vor: Während die Mitarbeiter der Betriebe zu günstigen Konditionen an außerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können – ihre Qualifizierung wird beispielsweise in NRW und Schleswig-Holstein mit bis zu 50 Prozent der Kosten mit Landesmitteln unterstützt – bleiben die eingesetzten Stellvertreter für die Betriebe zumeist kostenlos, da die Arbeitslosenunterstützung weitergezahlt wird.

Die Benchmarking-Gruppe kommt jedoch in ihrem Bericht (2001) zu dem Ergebnis, das von dieser Möglichkeit noch kein nennenswerter Gebrauch gemacht wird. Die Gründe werden in betrieblichen Problemen bei der Umsetzung, der Struktur des Arbeitsangebots, einer zu kurze Abwesenheit des Beschäftigten, sowie nur geringer finanzielle Anreize für arbeitslose Stellvertreter, da Arbeitgeber Aufstockung mit Transferanspruch verrechnen muss gesehen. Für Seifert (Seifert, 2001) besteht in diesem Zusammenhang zudem ein weiterer Regelungsbedarf wie beispielsweise die Klärung des Verhältnisses zwischen öffentlichen und betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten, die Frage der Anspruchsrechte auf Weiterbildung sowie der institutionellen und organisatorischen Strukturen. Mit dem Job-aqtiv-Gesetz wurde ein Schritt in diese Richtung gemacht.

Vor dem Hintergrund der besonderen Anforderungen, die die Qualifizierung älterer Arbeitsloser stellen, ist die im Einklang mit dem Bündnisbeschluss vom 9.1.01 aufgelegte Kampagne der Bundesanstalt für Arbeit „50+ - die können es„ von Interesse. In diesem Rahmen wurden folgende Maßnahmen eingeleitet, die insbesondere dem in Kapitel 1.1 beschriebenen hohen Verbleibsrisiko Älterer in der Arbeitslosigkeit mit verstärkten Qualifizierungsbemühungen zu begegnen versuchen:

  • (Bewerber)Poolbildung mit 50- bis 55-Jährigen, die sich z.T. nach Branchen- und Berufszugehörigkeit, z.T. nach Alter und Arbeitsmarktnähe richtet: In intensiven Ein-

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    zelgesprächen, Feststellungsmaßnahmen und Trainingsmaßnahmen wurden Motivation, Stärken und Schwächen analysiert und entsprechende Bewerberprofile und Eingliederungspläne erarbeitet.

  • Sofort vermittelbare Bewerber wurden Arbeitgebern bei geeigneten Stellen gezielt und mit direkter Ansprache angeboten. Einige Arbeitsämter versandten mit entsprechenden Arbeitgeberanschreiben gut aufgearbeitete Bewerberprofile oder erstellten Bewerberkalender, die interessierten Arbeitgebern im Rahmen von Außendiensten ausgehändigt wurden. FbW-Maßnahmen mit hohen Praktikaanteilen, um Arbeitgebern die Möglichkeit zu bieten, Bewerber in konkreten Arbeitssituationen kennenzulernen

  • Bewerbertraining und Trainingsmaßnahmen mit Praktika als integralem Bestandteil zugeschnitten auf die besonderen Belange Älterer als Zielgruppe (besondere und offensive Bewerbungsstrategien) wurden angeboten,

  • Es erfolgte eine stärkere Öffnung von Bildungsmaßnahmen für Ältere und Einrichtung bzw. Planung spezieller Maßnahmen für diesen Personenkreis wie PC-training für Ältere, Senior-Trainee für Akademiker und Führungskräfte, Projektmanagement für Ingenieure

  • Im Rahmen der Aktion „50 plus – die können es„ werden von den Arbeitsämtern auch Gruppeninformationen und Einzelberatungen angeboten und dabei Fragen der regionalen und beruflichen Mobilität, Gehaltsvorstellungen und Fördermöglichkeiten thematisiert.

Es zeigten sich bezogen auf diese Kampagne allerdings eine Reihe von Umsetzungsproblemen wie aus Expertengesprächen hervorging: So bestand bei höher qualifizierten Älteren nur eine geringere Bereitschaft, Gehaltseinbußen bei dem Antritt einer neuen Stelle in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn hohe finanzielle Verpflichtungen bestehen. Viele Bewerber befürchten, dass Sie bei Antritt einer neuen Stelle mit einem oft deutlich geringeren Gehalt oder Lohn bei erneuter Arbeitslosigkeit weitere finanzielle Einbußen haben (niedrigeres Bemessungsentgelt). Generell (alle Qualifikationsstufen) nimmt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sowie in höheren Altersstufen (55 plus) die Motivation und das Selbstvertrauen ab. Im höheren Lebensalter tritt zudem (noch) ausgeprägte „Rentenmentalität„ (fehlende Motivation) in Erscheinung (Selbsteinschätzung als „Vorruheständler„), insbesondere Bewerber, die mittels Sozialplänen mit finanziell hoher Absicherung ausgeschieden sind. Sie passen nicht mehr in die Lohn- und Gehaltsstrukturen anderer Unternehmen („Gehaltsschere„, KMU). Außerdem war das Arbeitseinkommen aus dem letzten Beschäftigungsverhältnis oft so hoch, dass die Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld weiter über den Einkommensmöglichkeiten anderer oder vergleichbarer Tätigkeiten liegt. Damit sind auch die rechtlichen Möglichkeiten in Bezug auf die Zumutbarkeit erheblich eingeschränkt.

Arbeitgeberseitig zeigten sich im Rahmen dieser Kampagne generelle Vorbehalte (Kosten-, Teamproblem, vermeintlich geringere Leistungsfähigkeit) gegenüber Älteren, die sich einerseits an den rechtlichen Rahmenbedingungen (Senioritätsregelungen, Kündigungsschutzbestimmungen, Widerspruch zwischen Altersteilzeitgesetz und 50plus) festmachten, andererseits in Konkurrenz mit jüngeren Bewerbern insbesondere personalwirtschaftliche Gründe umfassten (höhere Einstiegsgehälter). Quantitativ lassen sich derzeit noch keine Aussagen über die Auswirkungen dieser Kampagne treffen.

(3) Zeitarbeit mit 50plus

Eine andere Initiative zur Beschäftigungsförderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ebenfalls starke Verbindung zu den hier im Vordergrund stehenden Fragen der Qualifizierung aufweist, ist die Initiative „Zeitarbeit mit 50plus„ des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums.

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Diese schließt in einem weiten Sinne an das von 1994 bis 1996 als Anschubfinanzierung konzipierte Sonderprogramm zur gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung (Zielgruppe u.a. Arbeitslose ab 50 Jahren) an. Dieses brachte nach Einschätzung des BA-Vizepräsidenten Alt (2001) nicht durchgängig positive Ergebnisse, aber gerade wirtschaftsorientierte Träger berichteten, dass bei gezielter Ansprache von Betrieben die Bereitschaft bestand, Ältere als Leiharbeitnehmer einzustellen. Häufig erfolgte eine Übernahme auf Dauer, wenn erkannt wurde, dass die befürchteten Defizite nicht vorhanden waren.

Von ehemals 90 geförderten Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaften sind noch 50 tätig. Fortentwickelte Konzepte gibt es zum Teil im Rahmen der Freien Förderung. Es sind jedoch seitens älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Vorbehalte gegenüber dem Instrument der Arbeitnehmerüberlassung („Seelenverkäufer„) existent, die die Wirksamkeit von dieser Seite eher einschränken (vgl. dazu Barkholdt et al., 2001).

Höhere Effizienz erwartet sich das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium nun durch die Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsunternehmen. Ende März 2001 wurde eine Vereinbarung zwischen dem nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium und elf Zeitarbeitsunternehmen „Zeitarbeit mit 50plus„ geschlossen, in der sich die Zeitarbeitsunternehmen bereit erklären, in Kooperation mit den Arbeitsämtern ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt einzustellen und Qualifikationsdefizite aus Mitteln der Arbeitsverwaltung bzw. entsprechender Landesprogramme auszugleichen (http://www.nrw.de/aktuell/presse/pm2001/q1/kcn 20010329_1.htm). Am 26.11.01 wurde zwischen den an dieser Initiative beteiligten Akteuren verabredet, 15.000 Ältere bis Ende 2002 auf diesem Wege wieder in die Beschäftigung zu bringen. Dazu wurden 45.000 ältere Arbeitslose zwischen 50 und 55 Jahren angeschrieben, um über ein Profiling ihrer Qualifikation, Erfahrung und Mobilitätsbereitschaft eine gezielte Vermittlung nach gegebenenfalls Auffrischungs- oder Ergänzungsqualifizierungen in Zeitarbeit einzuleiten (http://www.text.masqt.nrw.de/aktuelles/presse/pm011126.html). Aufgrund der kurzen Laufzeit der Initiative, können derzeit noch keine Aussagen über den Erfolg getroffen werden.

Zusammenfassend zeigt sich eine Vielzahl von unterschiedlichen und z.T. sehr innovativen Ansätzen und Modellen, die eine Förderung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über eine Verbesserung ihrer Qualifizierungschancen anstreben. Bislang fehlt ihnen aber eine stärkere Bündelung und Einbindung in eine integrierte Teilpolitiken übergreifende Qualifizierungsoffensive.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2002

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