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1. Beschäftigungssituation und -risiken älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – Bedeutung und Notwendigkeit der Qualifizierung Älterer


1.1 Beschäftigungsprobleme Älterer

Der angekündigten „Qualifizierungsoffensive„ und Bemühungen um eine Förderung der Alterserwerbsarbeit steht eine Beschäftigungssituation Älterer gegenüber, die überwiegend durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

  • eine niedrige Erwerbsbeteiligung Älterer,

  • ein hohes Verbleibsrisiko in der Arbeitslosigkeit,

  • eine breite gesellschaftliche und arbeitgeberseitige Geringschätzung der Produktivität Älterer,

  • eine betriebliche Nutzung von Frühverrentungen und Ausgliederungen Älterer und ihrer Ersetzung durch jüngere mit aktuellen Qualifikationen einhergeht, um Humankapital-investitionen zu vermeiden, bzw. Personalkosten zu minimieren.

Angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage, aber nicht zu letzt auch infolge des seit nunmehr drei Jahrzehnten andauernden Trends zur Frühausgliederung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den daraus resultierenden Haltungen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, erweist es sich als zunehmend schwierig bis zur Regelaltersgrenze erwerbstätig zu bleiben (vgl. dazu Barkholdt, 2001). Wie schwierig es gegenwärtig ist, bis zum 65. Lebensjahr im Erwerbsprozess zu verbleiben und wie unterschiedlich diesbezüglich die Chancen für Männer und Frauen in Ost- und Westdeutschland sind, verdeutlicht die Betrachtung der Erwerbsquoten:

Die Erwerbsquoten in den rentennahen Altersgruppen (60 bis 65 Jahre) stagnieren auf einem niedrigen Niveau (bei den Männern um 30 v.H., Frauen erreichen in dieser Altersgruppe sogar nur weniger als die Hälfte dieses Wertes). Sogar in den weiter vorgelagerten Altersgruppen ist seit Jahrzehnten bei der männlichen Erwerbsbevölkerung ein Schrumpfen der Erwerbsquoten zu beobachten. Die Erwerbsquoten der 55- bis 59-jährigen Männer (Westdeutschland) lagen 1970 noch bei 89,1 v.H., während sie im Jahr 2000 bei 77,9 v.H. lagen. Zum Vergleich: die Erwerbsquote der 30- bis 34-jährigen Männer lag im Jahr 2000 bei 95,8 v.H. und damit um 17,9 v.H. höher. Bei der weiblichen Erwerbsbevölkerung ist zwar in dieser Altersgruppe eine steigende Erwerbsbeteiligung zu konstatieren, diese nimmt ihren Ausgang jedoch von einem wesentlich niedrigeren Niveau (von 1970: 37,2 v.H. auf 53,5 v.H. im Jahr 2000) und erreicht längst nicht den Wert der männlichen Vergleichsgruppe. Die Erwerbsquoten variieren außerdem stark nach Familienstand und Region. Die Erwerbsquoten verheirateter Frauen im Alter von 55 bis 59 Jahren (Westdeutschland) lagen im Jahr 2000 bei 49,4 v.H. (77,4 v.H. in Ostdeutschland). Die Erwerbsquote lediger Frauen der Vergleichsgruppe lag demgegenüber bei 72,4 v.H. (88,5 v.H. Ostdeutschland). Ein Vergleich zwischen den Erwerbsquoten der 55- bis 59-Jährigen mit denen der 50- bis 55-Jährigen zeigt darüber hinaus, dass bereits zwischen diesen Altersgruppen (unabhängig von Alter und Region) ein starker Einbruch der Erwerbsbeteiligung erfolgt.

Die niedrigen Erwerbsquoten erklären sich z.T. mit den noch bestehenden Möglichkeiten eines frühzeitigen Übergangs in den Ruhestand bzw. die Rente. Hinter der Nutzung eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben stehen dabei vielfältige Ursachen.

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In der Literatur wird etwa in diesem Zusammenhang auf Arbeitsplätze mit begrenzter Tätigkeitsdauer hingewiesen (Behrens, 1999), d.h. solche, auf denen eine Beschäftigung bis zur Altersgrenze normalerweise nicht möglich ist. Dabei handelt es sich vorzugsweise um solche, die mit schwerem Heben und Tragen (z.B. in der Bauindustrie, der Pflege), mit besonderen körperlichen Anforderungen (wie z.B. in der Feuerwehr, beim Bau), mit negativen Arbeitsumgebungseinflüssen wie Hitze, Nässe, Lärm, mit einseitigen Zwangshaltungen, mit Schicht- und Nachtarbeit, mit besonderen Anforderungen an Konzentration, Monotonieresistenz und Daueraufmerksamkeit verbunden sind (z.B. Programmierung, Anlagenkontrolle) sowie von Tätigkeiten mit geringer Autonomie, insbesondere bei eng getakteten Zeitvorgaben. Insgesamt erweisen sich jedoch die eingeschränkten betrieblichen Einsatzmöglichkeiten für Ältere weniger als ein am Alter, sondern vielmehr an den objektiven Arbeitsbedingungen bzw. in der unzureichenden Passgenauigkeit zwischen dem Leistungsprofil Älterer und dem Anforderungsprofil der Tätigkeiten ansetzendes Problem. Dieses gilt auch für die vermeintlich fehlende physische und qualifikatorische Eignung Älterer für bestimmte Anforderungen und Tätigkeiten („unzureichende Passgenauigkeit„), etwa für solche, die physisch und psychisch stark belastend und/oder qualifikatorisch hoch anspruchsvoll sind (Behrens et al., 1999). Das „betriebliche Altersproblem„ konstituiert sich somit primär als „mangelnde Übereinstimmung von Arbeitsanforderungen und verändertem Leistungsvermögen„ (Gussone et al., 1999). In der Konsequenz sind Einsatzmöglichkeiten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund bestimmter betrieblicher und arbeitsorganisatorischer Rahmenbedingungen eingeschränkt, die sich vor allem auch auf dem Hintergrund sich diversifizierender Märkte und zunehmender regionaler Mobilitätserfordernisse als besonders nachteilig erweisen.

Hinter der niedrigen Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steht aber auch eine betriebliche Personalpolitik, die neben der Nutzung Älterer als personalwirtschaftliche Dispositionsmasse für die unterschiedlichsten betrieblichen Problemlagen (Rosenow & Naschold, 1993) wie etwa notwendige Anpassungen an veränderte betriebliche Qualifikationserfordernisse vorzugsweise über den Austausch Älterer gegen Jüngere vornimmt. Aufgrund der zeitlich begrenzten bzw. weiter schrumpfenden „Restnutzungsdauer„ der Qualifikationen Älterer (bis zu ihrem immer früheren Ausscheiden) wird oftmals von Investitionen in das Humankapital dieser Beschäftigtengruppe abgesehen. Begünstigt wird diese Strategie bislang durch das hohe Angebot an Nachwuchskräften und die im intergenerationellen Vergleich aktuelleren und kostengünstigeren Qualifikationen der Jüngeren. Betrieblicherseits stehen hinter dieser personalwirtschaftlichen Anpassungsstrategie Zuschreibungen, die den Jüngeren aufgrund ihrer aktuelleren Qualifikationen und größeren Mobilität eine höhere Produktivität und Innovationskraft zuordnen (BDA, 2000). Aufgrund des Senioritätsprinzips in der Entlohnung, höhere Lohnnebenkosten und höhere krankheitsbedingte Ausfallzeiten erscheint es aber auch aus personalwirtschaftlichen Gründen ökonomischer, im Bedarfsfall eher die „teureren„ Älteren zu entlassen (vgl. BDA, 2000). Diese Strategie scheint nach dem Auslaufen bisheriger Vorruhestandsprogramme auch mit Hilfe der Altersteilzeit ungebrochen fortgesetzt zu werden (Barkholdt et al., 2001b; Barkholdt, 2001).

Korrespondierend mit der niedrigen Erwerbsbeteiligung und ihren Ursachen sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem steigenden Arbeitslosigkeits- und einem überdurchschnittlich hohen Verbleibsrisiko in der Langzeitarbeitslosigkeit betroffen (Bäcker & Naegele, 1995; Deutscher Bundestag, 1998).

Die Arbeitslosenquote der 55- bis 59-Jährigen ist in der letzten Dekade deutlich und im Verhältnis zum Durchschnittswert aller anderen Altersgruppen überproportional gestiegen (Kistler & Hilpert, 2001). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die amtlichen Statistiken die tatsächliche Altersarbeitslosigkeit als viel zu niedrig ausweisen, da ältere Arbeitslose, die nach § 428 SGB III nicht mehr für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen müssen, wenn sie

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sich verpflichten, einen Antrag auf vorgezogene Altersrente zu stellen, in der Arbeitslosenstatistik nicht ausgewiesen werden.

Das Arbeitslosigkeitsrisiko Älterer ist vor allem ein Verbleibsrisiko, demgegenüber das Zugangsrisiko – insbesondere aufgrund von weit verbreiteten tarifvertraglichen Kündigungsschutzbestimmungen – vergleichsweise gering ist. So lag z.B. in den 90er Jahren der Anteil der Langzeitarbeitslosen in der Altersgruppe 55-59 Jahre mehr als 5 mal so hoch wie in der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen (Deutscher Bundestag, 1998). Während in Westdeutschland über die gesamten 90er Jahre hinweg rd. 2/3 aller Langzeitarbeitslosen über 45 Jahre alt waren, ist dieser Anteil mittlerweile auch in den neuen Ländern auf knapp 60 % gestiegen. Arbeitslosigkeit für Ältere ist damit ein langandauernder Zustand: Das Hauptproblem besteht für sie darin, aus der Arbeitslosigkeit heraus ein neues und stabiles Beschäftigungsverhältnis zu finden (Bäcker & Naegele, 1995). Arbeitslose ab 45 Jahren sind bereits wesentlich schwieriger vermittelbar als jüngere Arbeitslose, für Arbeitslose über 55 Jahren gelingt kaum noch die Eingliederung in ein stabiles Beschäftigungsverhältnis (Frerichs & Naegele, 2001).

Das hohe Verbleibsrisiko Älterer in der Arbeitslosigkeit zeigt sich dabei ebenfalls durch die erwähnte altersdiskriminierende Humanressourcenpolitik gefördert, die – da auch hier der Schwerpunkt bei den jüngeren Arbeitslosen liegt - eine Vernachlässigung aktiver arbeitsmarktpolitischer Vermittlungs- und Qualifizierungsstrategien für Ältere nach sich zieht. (vgl. Bogai, 2001; Frerichs & Naegele, 2001; Barkholdt et al., 2001a). In der Folge spiegelt sich auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik das gegenüber Älteren Vorherrschen von Aus- statt Eingliederungsstrategien wider.

Hinter diesen bisher geringen Wiederbeschäftigungschancen älterer Arbeitsloser stehen aber auch faktische Einstellungshöchstaltersgrenzen, die aber nur selten offen ausgewiesen sind. Es ist bei Einstellungsgrenzen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon auszugehen, dass diese um so niedriger sind, je belastungsintensiver die Tätigkeit ist und je höher die qualifikatorischen Anforderungen sind. Des weiteren ist festzuhalten, dass sich im Zuge der Beschäftigungskrise betriebliche Auslesekriterien für Personalentscheidungen kontinuierlich verschärft haben und Einstellungsstandards immer mehr angehoben wurden (Naegele, 1992). Aufgrund dessen haben z.B. ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit vorhergehender Arbeitslosigkeit oder lückenhaften Erwerbsverläufen fast keine Chancen mehr auf eine neuerliche Beschäftigung.

Insgesamt zeigt die Betrachtung, der hinter den Beschäftigungsproblemen Älterer stehenden Ursachen, dass diese

  • nicht am chronologischen Alter, sondern an sozialversicherungsrechtlichen (Frühverrentungsoptionen), arbeitsorganisatorischen und personalpolitischen Strukturen ansetzen,

  • tatsächliche und/oder vermeintliche Qualifizierungsrisiken für die Beschäftigungschancen Älterer maßgeblich sind.

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Qualifizierungsrisiken und -chancen Älterer

Obwohl nach den bisherigen Ausführungen vermeintliche oder tatsächliche Qualifizierungsdefizite älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugeschrieben werden und die bisherige Humanressourcenpolitik aufgrund der schrumpfenden Nachwuchskräfte und der eingeschränkten Frühverrentungsoptionen an seine Grenzen stoßen wird, zeichnet sich keine Umkehr in der auf Ältere bezogenen Qualifizierungspolitik ab. Sie ist weiterhin durch eine hohe Altersselektivität gekennzeichnet, die mit einer überwiegend „altersunabhängigen (-ignoranten)„ und damit Dequalifizierungsprozesse fördernden Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisationsformen einhergeht.

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So herrscht weiterhin eine Qualifizierungspraxis vor, die von einer unterproportionalen Beteiligung Älterer an Qualifizierungsprozessen geprägt ist (vgl. dazu ausführlich Kapitel 3) und es erlaubt, ihr eine starke Altersselektivität zuzuschreiben (Bahnmüller et al., 1993; Friedmann & Weimer, 1982; Naegele, 1992; Barkholdt et al., 1995).

Für ältere Arbeitnehmerinnen potenziert sich damit eine weiterhin bestehende geschlechtsdiskriminierende mit einer altersselektiven Qualifizierungspraxis. Nicht zuletzt aufgrund der erwerbsbiographischen Spezifik weiblicher Erwerbsbeteiligung – mit familienbedingten Unterbrechungen und/oder Teilzeitphasen – wird das Qualifikationsniveau älterer Arbeitnehmerinnenn vergleichsweise geringer eingeschätzt (Clemens, 1996) und sind aufgrund dessen nicht nur von geschlechtsspezifischen Unterschieden, sondern auch von Diskrepanzen im intergenerativen Qualifikationsniveau stärker betroffen. Zudem üben sie in größerem Maße nur gering oder einfach qualifizierte Tätigkeiten aus (Stiegler, 1993). Dies gilt vor allem im Produktionssektor, während Frauen im Dienstleistungsbereich häufig nicht auf adäquaten Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Frauen sind auch stärker von Rationalisierungsprozessen betroffen und sehen sich betrieblichen Personaleinsatz- und Qualifizierungsstrategien gegenüber, die einen geschlechtsspezifischen Bias aufweisen (Frerichs, 1998), während vielmehr gezielte Weiterbildungsanstrengungen für diese Beschäftigtengruppe erforderlich wäre.

Die altersdiskriminierende Qualifizierungspraxis setzt damit problemverschärfend an den bestehenden potentiellen Dequalifizierungsrisiken Älterer an. Diese treten in Verbindung mit dem altersspezifischen Leistungswandel (Naegele, 1992, 1994; Frerichs, 1998) und der Alterung und Entwertung der Ausgangsqualifikation durch betriebsspezifische Einengungen auf. Im Ergebnis einer Ältere aus Qualifizierungsmaßnahmen tendenziell ausgrenzenden Qualifizierungspolitik, erscheint es sogar durchaus zulässig, die Älteren zugewiesenen (auch intergenerationellen) Qualifizierungsdefizite als teilweise „hausgemacht„ zu bezeichnen.

Unter dem altersspezifischen Leistungswandel wird die Umschichtung innerhalb des Fähigkeits- und Leistungsspektrums Älterer bezeichnet, die jedoch nicht mit einer generellen Einbuße der Leistungsfähigkeit Älterer verwechselt werden darf (Frerichs, 1998). Während körperliche Belastbarkeit, Arbeitsgeschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit und intellektuelles Leistungspotential – gemessen an der Verfügbarkeit neuesten beruflichen Wissens eher abnehmen, werden jedoch mit zunehmendem Alter Fähigkeiten wie praktische Urteilskraft, sprachlicher Ausdruck, Aufmerksamkeit und problemlösungsorientiertes Denken (kristalline Intelligenz) erhalten oder sogar ausgebaut (Kruse & Lehr, 1989). Problematisch wird dieser altersspezifische Leistungswandel jedoch, wenn zwischen individueller, gewandelter Leistungsfähigkeit und objektiven Leistungsanforderungen am Arbeitsplatz ein dysfunktionales Passungsverhältnis besteht (Thomae & Lehr, 1973), d.h. wenn die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und -anforderungen oder auch von Qualifizierungsmaßnahmen auf Verschiebungen im Fähigkeits- und Leistungsspektrum Älterer keine Rücksicht nehmen. Dabei wird das mit dem Alter sich herausbildende Erfahrungswissen in seiner Möglichkeit, nachlassende Fähigkeiten auszugleichen skeptisch beurteilt (Naegele, 1992; Rosenow, 1989; Marek & Neumann, 1993), zumal wenn eine völlige Neudefinition von Tätigkeiten und Verfahrensweise erfolgt und die Vorteile eines langjährigen Erfahrungswissens aufheben. Gleichwohl kann Erfahrungswissen für Qualifizierungsmaßnahmen beispielsweise arbeitsloser Älterer gezielt genutzt werden (vgl. Koller & Plath, 2000).

Ein wesentliches Dequalifizierungsrisiko Älterer begründet sich schließlich in einer betriebsspezifischen Einengung von Qualifikationen durch häufig jahrzehntelange Konzentration der Beschäftigung auf ganz bestimmte Tätigkeiten, Verfahren, Arbeitsbereiche etc. Dieser, in der Literatur häufig mit dem Begriff der disuse-These umschriebene Tatbestand trifft ältere Beschäftigte aufgrund der für sie typischerweise längeren Betriebszugehörigkeits- und Tätigkeitsdauern in ganz besonderer Weise. Es aktualisiert sich immer dann zu einem eigenständigen Risikofaktor, wenn Umstellungen, d.h. berufliche Flexibilität und Mobilität, notwendig

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werden, so z.B. bei relevanten innerbetrieblichen Veränderungen im Zuge von Rationalisierung oder Umorganisation der Arbeit sowie in ganz besonderer Weise bei Arbeitsplatzverlust, Betriebsstillegung und dgl.

Die altersselektive Qualifizierungspraxis verhindert somit eine Kompensation dieses mit dem unflexiblen Einsatz von Älteren einhergehenden Dequalifizierungsrisikos. Sie zeitigt jedoch darüber hinaus nicht nur negative Konsequenzen für die gegenwärtig Älteren, sondern auch für die künftigen Älteren, da die Institutionalisierung kontinuierlicher Qualifizierungsmaßnahmen ausbleiben und entsprechend Entwertungsprozesse des im intergenerationellen Vergleich zunächst aktuelleren Humankapitals der noch Jüngeren vorprogrammieren. Sie werden damit ebenfalls den besonderen Qualifikationsrisiken ausgesetzt sein, die dadurch entstehen, dass immer schnellere betriebliche Rationalisierungs- und Umorganisationsprozesse zu einer immer rascheren Zunahme betrieblicher Qualifikationsanforderungen und damit gleichzeitig zu einer immer schnelleren Entwertung vorhandener Qualifikationen führen. Einstmals erworbene Qualifikationen reichen schließlich in Zukunft immer weniger zur Bewältigung neuer, tendenziell erhöhter fachlicher Anforderungen aus, schon gar nicht, wenn diese nicht rechtzeitig durch systematische Höherqualifizierung angepasst werden. Z.B. wurde in den High-Tech-Bereichen industrieller Produktion bereits vor zehn Jahren mit einer „Halbwertzeit„ beruflicher Qualifikationen von wenig mehr als drei Jahren gerechnet (Schumann et al., 1990). Überdies ist für die betrieblich organisierte Weiterbildung, der mit weit über 40 % aller Teilnahmefälle in der beruflichen Weiterbildung bedeutsamsten Weiterbildungsinstitution, typisch, dass hier primär nach betrieblichem Bedarf qualifiziert wird, i.a. mit der Folge zusätzlicher altersspezifischer Selektionsprozesse (Schiersmann, 2000).

Die altersselektive Qualfizierungspolitik gliedert sich damit aber grundsätzlich in eine die Beschäftigungsrisiken Älterer weiter verschärfende alternsignorante Gestaltung der Arbeitsbedingungen und -organisationsformen ein. Vorbeugende Maßnahmen etwa, um das Entstehen von Gesundheitsrisiken angesichts mit dem zunehmendem Alter und der Expositionsdauer in belastenden Arbeitszusammenhängen beeinträchtigten körperlichen Leistungs- und Toleranzvermögens, wird faktisch weiterhin ein geringer Stellenwert beigemessen. Ein in diesem Zusammenhang besonderes ebenfalls auf die Qualifizierungsrisiken Älterer zurückwirkendes Problem der alter(n)signoranten Gestaltung der Arbeitsbedingungen und -organisationsformen liegt zudem in dem personalpolitisch unbearbeiten Phänomen der begrenzten Tätigkeitsdauer. Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die aufgrund hoher körperlicher oder psychischer Belastungen von vorneherein nur eine begrenzte Expositionsdauer aufweisen. Die Gestaltung von Laufbahnen gilt insbesondere in diesem Bereich als unverzichtbarer Bestandteil vorausschauender Personalpolitik und des Arbeitsschutzes, ohne die auch Qualifizierungsmaßnahmen in ihrer Wirkung isoliert bleiben (Behrens et al., 1999).

Insgesamt erweist sich die gegenwärtige Qualifizierungspolitik bezogen auf Ältere

  • als weiterhin von altersdiskriminierenden und dequalifizierenden Strukturen gekennzeichnet und damit

  • den Bedingungen des technisch-innovativen und demographischen Wandel – besonders notwendig Verstärkung qualifikatorischer Maßnahmen nicht angepasst.

Zusammenfassend zeigt die überblicksartige Betrachtung der Beschäftigungssituation und -probleme älterer Arbeitnehmerinnnen und Arbeitnehmer und der auf diese bezogenen Qualifizierungspolitik, den engen Zusammenhang zwischen Qualifizierungs- und Beschäftigungschancen. Die eigentlichen Ursachen der Beschäftigungs- und Qualifizierungsrisiken liegen dabei augenscheinlich weniger im chronologischen Alter oder generell sinkenden Leistungsfähigkeit dieser Beschäftigtengruppe als vielmehr in arbeitsmarktpolitischen, arbeits-

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organisatorischen und personalpolitischen Strukturen, die gegenwärtig noch im Gegensatz zu einer mittelfristig erforderlichen stärkeren Eingliederung Älterer stehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2002

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