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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 2-3 = Inhalt] 1 Problemaufriß In der demographischen Entwicklung der Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Trend herauskristallisiert, der vielfältige Konsequenzen für die zukünftige Gesellschaftsstruktur nach sich ziehen wird. Die Rede ist hier von der zunehmenden Alterung der Bevölkerung und der damit verbundenen Alterung des Erwerbspersonenpotentials. Aufgrund vorgezeichneter, kaum beeinflußbarer demographischer Gegebenheiten wird das Erwerbspersonenpotential in Zukunft weiter und verstärkt einem Alterungsprozeß unterliegen. Dies kann als gesicherte Prognoseaussage angesehen werden, da sie sich weitgehend stabil gegenüber alternativen Annahmen erweist" (Thon 1995: S. 298). [vgl. ausführlich zu den Berechnungen der Alterung der Bevölkerung und des Erwerbspersonenpotentials der BRD den gesamten Artikel von Thon (1995) sowie ergänzend, mit Bezug auf Wirtschaftszweige und Betriebsgrößen, Hoffmann (1993)] In den Modellrechnungen zur Alterungstendenz des Arbeitskräftepotentials, welche z.T. Aussagen bis zum Jahre 2030 zulassen, sind bereits verschiedene Faktoren, die den Prozeß der Alterung des Erwerbspersonenpotentials hemmen (Zuwanderungen aus dem Ausland, ansteigende Frauenerwerbstätigkeit, Mobilisierung der stillen Reserve), eingerechnet. Aus diesen Berechnungen werden verschiedene Vorhersagen für das zukünftig zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot abgeleitet. In den meisten Fällen wird davon ausgegangen, daß mit der Alterung des Erwerbspersonenpotentials und der gleichläufigen Verringerung der Nachwuchsgenerationen - aufgrund des stetigen Geburtenrückganges - in absehbarer Zukunft ein Mangel an Arbeitskräften entstehen wird, der die bundesdeutschen Betriebe und Unternehmen vor ein ernsthaftes personalpolitisches Problem stellen wird. Um dem erwarteten Arbeitskräftedefizit entgegenzutreten werden solche Konzepte entwickelt, die die zukünftige betriebliche Arbeitskraftnachfrage mit älteren Beschäftigten zu bewältigen versuchen. Neben der Annahme eines zukünftigen Arbeitskräftemangels gibt es aber auch Rechenmodelle, die zu anderen Ergebnissen gelangen. Auch in diesen Modellen wird von der zunehmenden Alterung der Gesellschaft und ihres Erwerbspersonenpotentials ausgegangen, jedoch führt dies nicht zu einer zukünftigen Arbeitskräfteknappheit. Angesichts bestehender und konstanter Zuwanderungsüberschüsse, der kontinuierlichen Erhöhung der Frauenerwerbsquote, der Mobilisierungsmöglichkeit der stillen Reserve sowie der bereits heute bestehenden großen Anzahl von Arbeitslosen aufgrund des deutlichen Arbeitskräfteüberhangs, wird nach diesen Berechnungen selbst unter der Annahme potentiell neu zu schaffender Arbeitsplätze (in der Größenordnung von 6 bis 7 Millionen) für die Zukunft keine Arbeitskräfteknappheit prognostiziert. Ein statistisches Abschmelzen des Arbeitskräfteangebots unter das heutige - von der Vollbeschäftigung noch weit entfernte - Niveau ist .. vor 2020 nicht zu erwarten" (Wiegmann 1995: S. 37).
[vgl. zu den Berechnungen im einzelnen Wiegmann 1995: S. 35-39]
Hier wird es nun aber nicht die Aufgabe sein, die Richtigkeit der einen oder anderen Modellrechnung zu klären, obwohl dies für die zukunftsorientierte Gestaltung der Personal- und Arbeitsmarktpolitik sicher von Bedeutung wäre, sondern vielmehr soll der Frage nachgegangen werden, welche Konsequenzen sich unter den Bedingungen des ersten Szenarios - erwartete zu- [Seite der Druckausg.: 5 ] künftige Arbeitskräfteknappheit - für die betriebliche Personalpolitik und Arbeitsorganisation ergeben. [Die Autoren dieser Arbeit stellen sich damit nicht auf den Standpunkt, daß eine demographisch bedingte Arbeitskräfteknappheit tatsächlich zu erwarten ist. Vielmehr bestehen verschiedene Zweifel an diesen Prognosen, die jedoch angesichts der Fragestellung unthematisiert bleiben.] Geht man davon aus, daß durch die Alterung des Erwerbspersonenpotentials in Zukunft nicht ausreichend altersgemischte Arbeitskräfte für die Bewältigung der Arbeitskraftnachfrage zur Verfügung stehen, [Im folgenden wird nun immer hypothetisch von der Richtigkeit der zukünftigen Arbeitskräfteknappheit ausgegangen.] so gehen die Überlegungen zur Kompensation dieser Engpassituation notwendig in Richtung verstärkter Alterserwerbsarbeit. Stehen zukünftig überwiegend ältere ArbeitnehmerInnen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, dann ist es folgerichtig zu fragen, wie die ökonomischen Anforderungen auf einem verschärften Weltmarkt mit älteren Beschäftigten bewältigt werden können. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Innovationsfähigkeit. Wurden Innovationen und Innovationsfähigkeit bisher mit altersgemischten, und damit eben auch mit einem großen Anteil jüngerer Beschäftigter realisiert, so wird für die Zukunft die Frage gestellt, wie Innovationen und Innovationsfähigkeit mit einem Überhang von älteren Beschäftigten weiterhin gewährleistet werden können.
[vgl. z.B. Wingen 1992: S. 10, Alt/Dinter 1993: S. 24, Köchling 1995: S. 437f., Barkholdt et al. 1995: S. 428, Stooss 1994: S. 49, Hoffmann 1993: S. 313f.]
Diese Fragestellung ist in der Literatur zwar häufig vorzufinden, es zeigt sich aber bei genauer Betrachtung, daß unter den Stichworten Innovation und Innovationsfähigkeit vielerlei subsumiert wird, ohne jedoch im einzelnen aufzuzeigen, wie beides besonders in Anbetracht älterer Beschäftigter konkret auszusehen habe. Begriffe wie Leistungsfähigkeit, Qualifikation, Weiterbildung, Arbeitsorganisation, Prozeß-, Produkt- und Sozialinnovation usw. werden in den einzelnen Publikationen unter dem Leitmotiv Innovation verschiedentlich kombiniert, aggregiert und analysiert, ohne in systematischer Weise ihren Zusammenhang deutlich zu machen. Ziel dieser Arbeit soll es deswegen sein, den Diskussionsstand der Literatur so zu ordnen, daß die Fragestellung der Innovationsfähigkeit von Betrieben angesichts alternder Belegschaften eine größere Übersichtlichkeit erhält. Bevor nun das Vorgehen dieser Arbeit kurz vorgestellt wird, ist noch zu erwähnen, daß neben den vielen ungeklärten Begriffen auch schon der Begriff der älteren Beschäftigten selbst nicht eindeutig definiert wird. Ab wann ein Beschäftigter zu den Älteren gehört, scheint von verschiedenen Kriterien abzuhängen. Einige davon sind z.B. Lebensalter, bisherige Beschäftigungszeit, Gesundheit, Qualifikation oder konjunkturell bedingte Arbeitskraftnachfrage. Aus diesen verschiedenen Perspektiven ergibt sich eine Altersspannweite von 35 bis 55 Jahren, innerhalb derer ein Beschäftigter als Älterer definiert wird.
[Als ältere Beschäftigte gelten z.B. bei Gaugler (o.J.: S. 2) die Personen, die sich im letzten drittel eines normalen Berufslebens befinden, ungefähr das 50. bzw. das 55. Lebensjahr überschritten haben und je nach Vorbildung mindestens 25-30 Jahre berufstätig gewesen sind; bei Neumann (1994: S. 66) z.T. bereits Menschen jenseits des 35. Lebensjahres; bei Alt/Dinter (1993: S. 23) Menschen ab Mitte 40; bei Stooss (1994: S. 41) die über 45jährigen Erwerbspersonen, bei Hoffmann (1993: S. 315) Personen ab dem 50. Lebensjahr, wobei sie berichtet, daß andernorts die kritische Altersschwelle bereits zwischen 30 und 40 Jahren gesehen wird.]
[Seite der Druckausg.: 6 ] erfaßt, die aus anderen Hinsichten fast noch zur Jugend gezählt werden können, wird deutlich, daß der Themenkomplex ältere Beschäftigte einer stark variablen gesellschaftlich, ökonomisch und subjektiv bestimmten Beschreibungspraxis unterliegt. Die unterschiedlichen Definitionen der kritischen Altersschwelle zeigen darüber hinaus bereits an, innerhalb welcher Dimensionen das Thema der Innovationsfähigkeit mit alternden Belegschaften behandelt werden kann. So wird die Lösung eines erwarteten Arbeitskräftedefizites nicht ausschließlich mit Bezug auf den Personenkreis der älteren älteren Beschäftigten (also z.B. ab dem 50. Lebensjahr) diskutiert, sondern bereits vielfach bei früh greifenden und die jüngeren Beschäftigenden integrierenden Konzepten angesetzt. Die Fragestellung der Innovationsfähigkeit von Betrieben angesichts alternder Belegschaften wird in dieser hier vorliegenden Arbeit wie folgt systematisiert und zu beantworten versucht. In Kapitel 2 werden zunächst die bisherigen Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die betriebliche Personalpolitik gegenüber älteren Beschäftigten dokumentiert. Hierunter ist im besonderen auf den bis vor kurzem noch ungehinderten Trend der betrieblichen Externalisierung älterer Beschäftigter einzugehen und die Reaktion des Gesetzgebers auf diese Entwicklung aufzuzeigen. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung von Innovationsfähigkeit mit älteren Beschäftigten muß eine Kehrtwende im betrieblichen Umgang mit älteren Menschen stattfinden. Um den in der Fragestellung dieser Arbeit zentralen Begriff der Innovationsfähigkeit im Zusammenhang mit Alter und demographischem Wandel deutlich zu machen, beschreibt Kapitel 3 knapp die wichtigsten Dimensionen von Innovation. Hier wird bereits deutlich, daß Innovation und Innovationsfähigkeit in direktem Zusammenhang mit Qualifikation und entsprechenden Anforderungen an Personalentwicklungsplanung sowie Weiterbildung stehen Kapitel 4 geht der Frage nach, inwiefern denn überhaupt seitens der älteren Beschäftigten die notwendigen Leistungspotentiale für eine innovationsfähige Zukunft der Betriebe gegeben sind. Wird Innovationsfähigkeit u.a. an Qualifikation und Weiterbildung der Beschäftigten festgemacht, so müssen die diesbezüglichen Voraussetzungen bei den älteren Beschäftigten gegeben sein. Einzugehen ist hier auf die neueren gerontologischen Forschungen zum Leistungs- und Lernvermögen alternder und alter Menschen. Nachdem in Kapitel 4 festgestellt und begründet wurde, daß die Leistungsvoraussetzungen der älteren Beschäftigten für betriebliche Innovationsfähigkeit gegeben sind, geht Kapitel 5 auf die Qualifizierungsnotwendigkeiten und -konzepte für ältere Beschäftigte ein. Die bisherige Weiterbildungspraxis und die notwendig werdenden Änderungen in der betrieblichen Personalpolitik sind dabei ebenso in Rechnung zu stellen, wie eine kritische Reflexion der Debatte. Kapitel 6 thematisiert dann anschließend, welche Anforderungen sich an die betriebliche Arbeitsorganisation stellen, wenn eine über Qualifikation und Weiterbildung definierte Innovationsfähigkeit angestrebt wird. Die Restrukturierung von etablierten Formen der Arbeitsorganisation über die Einführung von erweiterten Partizipationsmöglichkeiten Älterer am innerbetrieblichen Weiterbildungsprozeß sowie die Sicherung von Innovationsfähigkeit mit älteren Beschäftigten über die Implementation von Innovationsinstrumenten in die betriebliche Arbeitsorganisation, am Beispiel der Gruppenarbeit und des Konzeptes Lernen und Fertigen verdeutlicht, stehen hier im Mittelpunkt. Abschließend werden in Kapitel 7 die wichtigsten Überlegungen der Einzelbetrachtungen zusammengeführt, um den Trend deutlich zu machen, der sich in der Diskussion um die Erwerbsarbeit der Zukunft mit alternden Beschäftigten abzeichnet. Darüber hinaus wird auf den politischen Handlungsbedarf eingegangen, der sich spätestens dann ergibt, wenn es gilt, die vorgeschlagenen Konzepte in eine funktionale Praxis umzusetzen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000 |