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[Seite der Druckausg.: 18]

5. Die Umverteilung der Arbeit zwischen Müttern und Vätern

Das Erziehungsgehalt ist ein politisches Steuerungskonzept und verfolgt als solches auch ein Ziel. Hinter den konkreten Verfahrensvorschlägen steckt ein Bild, eine Vorstellung von den Verhältnissen, wie sie umgestaltet werden sollen. In dem Erziehungsgehalt-Konzept 2000 ist von dieser Vision wenig die Rede, es besteht vor allem aus Begründungsversuchen dafür, daß diese riesige Menge Geld in die privaten Haushalte mit Kindern fließen soll. Die Benennung von vier Schieflagen (Leipert, Opielka 1998, S.15ff) bietet jedoch einen Ausgangspunkt, an dem die angestrebten Ziele abgelesen werden können: Das Konzept soll auf vier Schieflagen antworten:

  1. Sozialpolitik auf Kosten der jungen Generation
  2. Sozialpolitik auf Kosten von Familien mit Kindern
  3. Abwertung der Frauenarbeit
  4. Erwerbstätige versus Erwerbslose

Diese vier Aspekte entspringen einem Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse, der die Phänomene mosaiksteinartig anordnet. Die hergestellte Ordnung bietet dann die Begründung für das eigene Projekt.

Die Geschlechterfrage wird in Punkt 3 und nur dort berührt. In allen anderen „Schieflagen" scheint es nach der Analyse keine geschlechtsspezifischen Strukturen zu geben. Die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung als Kernelement gesellschaftlicher Strukturen wird ausgeblendet. Folgerichtig wird auch die Schieflage Nr. 3 in der Abwertung der Frauenarbeit gesehen und nicht in der geschlechtsspezifischen Zuweisung oder ihrer privaten Organisation. Die geschlechtsspezifische Zuweisung der Arbeit wird erst später diskutiert, allerdings mit relativ mageren Ergebnissen (Leipert, Opielka 1998 S.43). Die Akzeptanzforschung, die im Rahmen des ersten Konzeptes durchgeführt wurde, hatte bereits die Realitäten noch einmal bestätigt: 86% der Frauen und 89% der Männer wollen das Erziehungsgehalt, aber nur 5% der Frauen wollen es für ihren Partner, und ebenso nur 5% der Männer wollen es für sich selbst. Solche Umfrageergebnisse belegen zunächst nur, was Menschen denken, wenn man ihnen unter den heutigen Verhältnissen Konzepte präsentiert, an deren Gestaltung sie nicht beteiligt waren, und die auf den ersten Blick sehr viel Geld versprechen. Prozeßorientierte Forschungen zu den Vorstellungen der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und optimalen Entwicklungsbedingungen für Kinder würden sicherlich andere Ergebnisse hervorbringen. Aus der Perspektive der Vertreter des Erziehungsgehaltskonzeptes unterstützen diese Umfragedaten allerdings ihr Konzept. Unter dem Begriff Partnerschaftsanreize erscheint dann der Hinweis, daß für Männer nicht eine irgendwie geartete Aufwertung der privaten Arbeit Anreize setzt, sie selber zu tun, sondern daß Männer sie erst dann attraktiv finden werden, wenn die materielle Aufwertung hoch genug ist, ihren Erwerbslohn zu kompensieren. Solange die Aufwertung durch Niedrigstlohn praktiziert wird, kommt sie vor allem den Interessen der Frauen entgegen, die sie bisher ja unbezahlt geleistet haben. Damit wird deutlich, daß es nicht die primäre Absicht der Vertreter des Erziehungsgehalt-Konzeptes ist, eine gerechte Verteilung der bezahlten und der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern herzustellen. Vielmehr wird ein solcher Effekt als Nebeneffekt begrüßt, sollte er sich einstellen.

Das Erziehungsgehalt verstärkt also die Bindung der Frauen an die private Haus- und Familienarbeit und die Entbindung der Männer in klassischer Weise. An dieser Stelle verweisen die Autoren auf die Veränderungen der Rollenvorstellungen in Zukunft, ohne zu reflektieren, daß sie mit ihrem Konzept Bedingungen gegen egalitäre Arbeitsteilung

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schaffen und das traditionelle Rollenverständnis verstärken. Das Erziehungsgehalt-Konzept ist in der Geschlechterfrage nicht unschuldig, sondern eine klare Richtungsweisung gegen die Umverteilung der privaten Arbeit zwischen den Geschlechtern.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1999

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