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[Seite der Druckausg.: 13]

3. Das "feministische Mißverständnis" von der Aufwertung der Familienarbeit

Die Vertreter des Erziehungsgeld-Konzeptes glauben, an feministische Forderungen zur Anerkennung der Haus- und Familienarbeit anzuknüpfen und einen Beitrag zu der von Feministinnen geforderten Erweiterung des Arbeitsbegriffes zu leisten, wenn sie Familie als Arbeitsplatz definieren und ein Gehalt für die Personen zahlen, die in der Familie arbeiten. In der Tat, es gibt eine lange Tradition in der Frauenbewegung, die darauf hinweist, daß die private und unbezahlte Betätigung der Frauen in den Haushalten als Arbeit anzusehen ist und daß diese Arbeit die Basis gesellschaftlichen Reichtums darstellt. Die Argumente, Hausarbeit überhaupt als Arbeit anzuerkennen, dienten immer dazu, ihren Wert und ihre Funktion zu bestimmen. Der Umfang der Stunden, die in den Haushalten privat und unbezahlt gearbeitet werden, ist erst in den letzten Jahren berechnet und überhaupt ins öffentliche Bewußtsein gerückt worden (vgl. Stiegler 1997).

Die feministische Diskussion wird allerdings mißverstanden, wenn unterstellt wird, Feministinnen wollten eine Aufwertung der Hausarbeit durch ihre Umdefinition oder Umorganisation zur Erwerbsarbeit. Im Gegenteil: Selbst die Bewegung der siebziger Jahre um den Lohn für Hausarbeit basierte auf einer völlig anderen theoretischen Sicht auf die Gesellschaft, als sie die Vertreter des Erziehungsgehaltes haben: Feministinnen haben in ihren Analysen immer auf die drei Merkmale der Hausarbeit hingewiesen: die Unbezahltheit, die Privatheit und die geschlechtsspezifische Zuweisung. Die Kampagne zum Lohn für Hausarbeit war ein erster Schritt, um nach der Unbezahltheit auch die Privatheit und langfristig die geschlechtsspezifische Zuweisung der Hausarbeit zu verändern. Die Forderung nach einem Lohn für Hausarbeit sollte gerade dazu dienen, daß die Frauen aus ihren Häusern herausgehen und sich mit dem Geld vom Staat neue Organisationsformen der Haus- und Familienarbeit schaffen. Diesen Ansatz haben die Frauen aus der Mütterzentrumsbewegung weiterverfolgt. Feministinnen haben immer die private Form der Arbeit, sowie ihre Einbindung in das eheliche System kritisiert, ihre Utopien gingen immer über die traditionelle geschlechtshierarchische Arbeitsteilung hinaus und bezogen beide Geschlechter in allen Arbeitsformen ein: Die Aufwertung der Haus- und Familienarbeit ist dabei ein erster Schritt auf dem Weg zur Umverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern.

Das Erziehungsgehaltkonzept stellt jedoch weder die Privatheit noch die geschlechtsspezifische Zuweisung der Hausarbeit in Frage, der materielle Wert für die Arbeit ist relativ gering. Die Privatheit der Arbeit wird eher noch verstärkt, wenn die staatliche Finanzierung des Gehalts die Senkung der Mittel für die öffentliche Betreuung vorsieht und der Arbeitsplatz Familie geschaffen werden soll. Die alte Form soll vielmehr beibehalten und finanziell abgesichert werden. Auch die Anreize für die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Zuweisung sind denkbar gering. Die Autoren plädieren zwar immer wieder dafür, sehen jedoch selbstkritisch, daß die Höhe der Barzahlungen weder ausreichen, einen relativ höheren Männerlohn zu ersetzen, noch geeignet sind, berufsorientierten Männern diesen Arbeitsplatz schmackhaft zu machen. Sie argumentieren an dieser Stelle damit, daß zur wirklichen Umverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern andere gesellschaftliche Bewegungen notwendig seien. Sie verkennen dabei, daß das Erziehungsgehalt selbst eine politische Rahmenbedingung ist, mit der Frauen auf diese Arbeit festgelegt werden.

Im Konzept des Erziehungsgehaltes findet die Aufwertung durch eine Gleichsetzung der Haus- und Familienarbeit mit der Erwerbsarbeit statt: Der Arbeitsplatz Familie soll dem Arbeitsplatz außerhalb des Hauses dadurch gleichgesetzt werden, daß für die Arbeit bezahlt wird und die Arbeitenden Zugang zur Sozialversicherung bekommen.

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Die Bezeichnung Gehalt suggeriert, daß es sich um eine Bezahlung handelt, wie sie für eine Erwerbsarbeit üblich ist. In allen Merkmalen, die die Struktur der Erwerbsarbeit ausmachen, gibt es dagegen wenig Gleichsetzung, wie im folgenden dargestellt wird.

Qualifikation spielt keine Rolle

In der Erwerbsarbeit spielen die Anforderungen an die Fähigkeiten der Arbeitenden eine entscheidende Rolle: Je höher die geforderte Qualifikation, desto höher das Entgelt, je niedriger die Anforderungen, desto niedriger das Entgelt. Eine breite und umfassende, aber auch eine fachspezifische Qualifizierung ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Erwerbsarbeit. Die der Erwerbsarbeit gleichgesetzte private Erziehungsarbeit wird demgegenüber überhaupt nicht unter dem Aspekt der Qualifikationsanforderungen gesehen. Sie wird nach der Anzahl der Kinder bemessen, und es ist vollkommen gleichgültig, ob sie von einer ausgebildeten Pädagogin oder einem Ingenieur geleistet wird. In der Privatsphäre reicht die biologische Tatsache der Elternschaft aus, um für die Familienarbeit bezahlt zu werden. Es wird offenbar angenommen, daß Erziehungsarbeit mit den jedem zivilisierten Menschen anerzogenen allgemeinen Qualifikationen geleistet werden kann – und daß die Liebe zum Kind genügt.

Wenn man die private Erziehungsarbeit mit der Erwerbsarbeit nicht nur gleichsetzt, sondern auch mit denselben Maßstäben mißt, dann kann man das der Erziehungsarbeit unterstellte Qualifikationsniveau an der Höhe des Erziehungsgehalts ablesen. Aus der Tatsache, daß das Erziehungsgehalt einen Wert von 2.000 DM pro erstem Kind haben soll, muß man, vergleichbare Maßstäbe angelegt, nun zu dem Schluß kommen, daß hier äußerst niedrig bewertete Qualifikationen zum Einsatz kommen. Einen Bruttolohn in dieser Höhe gibt es in Tarifverträgen allenfalls für ungelernte Tätigkeiten, zumal die betrieblich übliche Arbeitszeit am Arbeitsplatz Familie weit überschritten wird. Eine solche Eingruppierung widerspricht allerdings der Emphase, mit der die Aufwertung dieser Arbeit beschrieben wird. Die Aufwertung wird vor allem in der Tatsache gesehen, daß die Arbeit überhaupt bezahlt wird, eine Anerkennung, die in bezug auf die Höhe des Gehaltes im Vergleich zur Erwerbsarbeit eher symbolischen Charakter trägt. Wenn private Erziehungsarbeit erst ab der Betreuung von drei kleinen Kindern unter sechs Jahren dazu führt, daß die Person, die sie leistet, eine existenzsichernde materielle Vergütung bekommt, so ist damit statt der gewünschten Aufwertung eine extreme Abwertung verbunden: In der Werteskala der Tarife gemessen wird diese Arbeit noch nicht einmal mit ungelernten Tätigkeiten gleichgesetzt.

Arbeitszeit ist unbegrenzt

Das Entgelt für Erwerbsarbeit ist neben der Anforderung an die Qualifikation auch immer über die Arbeitszeit bemessen: Die Normalarbeitszeit ist eine politische Größe, sie ist entscheidend für die Bestimmung von Überstunden bzw. Teilzeitarbeit. Wer länger als die Normalarbeitszeit arbeitet, erhält in der Regel Zuschläge zum Stundenlohn, wer kürzer arbeitet, verdient entsprechend weniger. Die mit der Erwerbsarbeit gleichgesetzte private Erziehungsarbeit wird nicht so bemessen. Es gibt kein zeitlich begrenztes Pensum, weder Pausen noch Freizeit, weder ein Wochenende noch Urlaub oder Freistellungen. Nur unter früh kapitalistischen Verhältnissen mußten Dienstmädchen ihrer Herrschaft in ähnlicher, unbegrenzter Weise zur Verfügung stehen. Wenn Erziehungsgehalt gezahlt wird, so spielt die verausgabte Zeit für diese Arbeit keinerlei Rolle.

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Das Arbeitsergebnis wird nicht definiert

Erwerbsarbeit auf werkvertraglicher oder freiberuflicher Basis entbehrt auch des Bemessungskriteriums Arbeitszeit, dafür wird in diesen Vertragsverhältnissen das Produkt bewertet: seine Güte, Qualität, sein Niveau, die pünktliche Erfüllung des Vertrages. Auch diese Kriterien fehlen bei der Bezahlung der Erziehungsarbeit, die der Erwerbsarbeit angeblich gleichgestellt ist. Das Ergebnis der privaten Erziehungsarbeit zu beurteilen wird auch schwerfallen,– welche Kriterien wären da anzulegen? Wenn diese Arbeit dazu beiträgt, daß aus Säuglingen vollwertige Mitglieder der Gesellschaft werden, so ist es nicht faßbar, wann, wie und woran das Arbeitsergebnis gemessen werden könnte.

Eine vertragliche Bindung fehlt

Jede bezahlte Arbeit begründet ein irgendwie geartetes Arbeitsverhältnis, auf dessen Bedingungen und Inhalte entweder der Gesetzgeber oder Tarifvertragsparteien

Einfluß nehmen. Ein Arbeitsverhältnis kann immer von beiden Seiten gekündigt werden, wenigstens im Prinzip besitzen ArbeitnehmerInnen diese Freiheit. Erziehungsgehalt begründet kein Arbeitsverhältnis, weil die Arbeitgeberseite fehlt, der Staat zahlt zwar, aber tritt nicht in die Funktion eines Arbeitgebers. Auch die Vertragsfreiheit auf Seiten der Gehaltsempfänger ist eingeschränkt: ein Beenden der Arbeit, für die es Gehalt gibt, ist nicht in dem Sinne möglich, daß dadurch die Anspruchsgrundlage entfiele. Das einzige Kriterium für die Vergütung mit Erziehungsgehalt überhaupt und eine Varianz in der Höhe der Bezahlung ist das Vorhandensein und das Alter des/der Kindes/er.

Das Erziehungsgehaltes mit seiner Abkehr von allen Strukurmerkmalen der Erwerbsarbeit entspricht eher einer Form der Alimentation, d.h. dem den Lebensunterhalt absichernden Übertragen von finanziellen Mitteln. In der Variante des erwerbszeitabhängigen Erziehungsgehaltes wird diese Alimentation nur voll zum Tragen kommen, wenn die Person sich in die eheliche Abhängigkeit begibt, keine Erwerbsarbeit leistet. In der Variante des erwerbszeitunabhängigen Erziehungsgehaltes, wenn es also sowohl die erwerbstätige Mutter als auch die nichterwerbstätige erhält, wird ein Teil für die professionelle Betreuung ausgegeben werden: Dann dient es der Mutter nicht als Alimentation bei ihrer Arbeit mit dem Kindern, sondern einer vermeintlich erhöhten Steuerungskompetenz, mit der sie die Fremdbetreuung bezahlt. In diesem Falle wird allerdings mit dem Wort Erziehungsgehalt eine Verwirrung gestiftet: Wieso wird plötzlich ein Gehalt zweckgebunden ausgezahlt? Entgelt gibt es für Arbeitsleistung und nicht mit einer Bindung an spezielle Transaktionen. Das Erziehungsgehalt soll demnach sowohl eine Mutter erhalten, die für zwei kleine Kinder privat sorgt (und für deren Vater) als auch ein Vater, der seine beiden Kinder von einer Tagesmutter betreuen läßt. Im ersten Fall kommt das Erziehungsgehalt der Person zugute, die die Arbeit leistet, im zweiten Fall erhält es eine Person, die für die Organisation der Betreuung gesorgt hat, die Arbeit aber nicht selber leistet.

Dem Erziehungsgehalt liegt also ein Arbeitsbegriff zugrunde, der auf einem Mißverständnis der feministischen Diskussion beruht. Die verbale Gleichsetzung der privaten Erziehungsarbeit mit der Erwerbsarbeit vernachlässigt die Strukturelemente der Erwerbsarbeit.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1999

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