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TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: 113]

Robert Reichling
Kombilohn als Beschäftigungschance – Eine Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände




1. Beschäftigungspotentiale in Deutschland

Die Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt verlief im vergangenen Jahr äußerst positiv. Nach den absoluten Nachkriegs-Höchstständen zu Beginn des Jahres von 4,8 Millionen waren die Arbeitslosenzahlen fast kontinuierlich zurückgegangen, im September lagen sie zum ersten Mal seit Ende 1996 wieder unter vier Millionen. Gesamtdeutsch wurden seit Mai auch die Vorjahreswerte zunehmend unterschritten. Dennoch ist die Lage nach wie vor sehr ernst, was die kürzlich veröffentlichten Dezemberzahlen wieder deutlich gemacht haben.

Besonders für gering qualifizierte Erwerbspersonen wird es immer schwieriger, Arbeit zu finden. Die Gruppe der Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung stellt gesamtdeutsch etwa 40% der Arbeitslosen dar, im Westen ist es sogar knapp die Hälfte. Dabei ist die Arbeitslosigkeit bei unqualifizierten Arbeitnehmern mehr als doppelt so hoch wie bei Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung. 1997 war fast jede vierte „ungelernte" Erwerbsperson in Westdeutschland arbeitslos. Es wird geschätzt, daß sich die Zahl der gering qualifizierten Arbeitskräfte ohne reguläre Beschäftigung auf gut 3,5 Millionen Personen summiert. Für einen großen Teil dieser Menschen gilt es, neue Beschäftigungsfelder zu erschließen.

In Deutschland gibt es durchaus noch unerschlossene Beschäftigungspotentiale. In den vergangen Jahren haben viele Unternehmen Arbeitsplätze abgebaut und ins Ausland verlagert. Nach wie vor werden also Investitionsentscheidungen in diesen Bereichen getroffen, nur eben nicht mehr für Deutschland. Arbeitsplätze für einfachere Tätigkeiten liegen im industriellen Bereich, im Handwerk und ganz besonders im Dienstleistungssektor, wo es an personen- und haushaltsbezogenen Leistungen mangelt. Zu den heutigen Löhnen können aber gering qualifizierte Erwerbspersonen kaum noch reguläre Beschäftigung finden. Damit wird das Arbeitsmarktsegment für ein.

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fache Tätigkeiten gar nicht oder allenfalls in Form von Schwarzarbeit besetzt. Um das unausgeschöpfte Beschäftigungspotential in diesen Bereichen zu nutzen, müssen neue Niedriglohnbereiche geschaffen werden.

Entgegen dem internationalen Trend verzeichnet man in Deutschland eine Tendenz zur Nivellierung der Einkommen. Dies ist das Ergebnis einer Tarifpolitik, die die unteren Lohngruppen überproportional erhöht oder teilweise sogar gestrichen hat. Insbesondere in der Industrie und der Bauwirtschaft sind die Entgelte in den unteren Lohngruppen übergebührend gesteigert worden. Aber auch in den Dienstleistungsbereichen, in denen die unteren Tarifgruppen deutlich niedriger vergütet werden, besteht ein Bedarf an einer Auffächerung des Lohngitters nach unten. In Deutschland muß ein Niedriglohnsegment entstehen, das rund 20 bis 30% unter den jetzigen unteren Tarifgruppen liegt.

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2. Transfersysteme müssen größere Anreize zur Arbeitsaufnahme bieten

Die Schaffung eines neuen Niedriglohnsektors muß allerdings mit Reformen im Sozialtransfersystem einhergehen, damit neue Beschäftigung entstehen kann. Gegenwärtig zeigen diese noch erhebliche strukturelle Schwächen:

  1. Grundsätzlich wird Arbeitseinkommen auf die Sozialhilfe angerechnet. Bereits seit 1993 enthält aber § 76 Abs. 2 a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Vorgabe, daß von dem auf den Sozialhilfeanspruch anzurechnenden Einkommen bei Erwerbstätigkeit ein Betrag in „angemessener Höhe" in Absatz zu bringen ist. In der Verwaltungspraxis wird zur Bemessung dieses Sockelfreibetrages auf eine Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zurückgegriffen. Danach findet bis zu einem Betrag von 25% des Eckregelsatzes des Haushaltsvorstands keine Anrechnung von Einkommen auf die Sozialhilfe statt. Die Sockelfreibeträge werden somit nicht nach der Haushaltsgröße differenziert. Aufgrund der Freibetragsregelung hat somit ein Alleinstehender einen deutlich höheren Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, als der Vorstand eines Mehr-Personen-Haushalts.

  2. Nach der genannten Empfehlung werden 85% des über dem Sockelfreibetrag liegenden Einkommens bis zu einer Kappungsgrenze (50% des Eckregelsatzes des Haushaltsvorstands) auf die Sozialhilfe angerechnet.

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    Im Ergebnis führt dies dazu, daß ab einem Einkommen von etwa 1.000 DM jede zusätzlich verdiente Mark voll auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Ein Sozialhilfeempfänger hat deshalb kein gesteigertes Interesse an einer niedrig entlohnten Tätigkeit, da er sich nicht oder kaum besser stellt als beim alleinigen Bezug von Sozialhilfe.

  3. Es besteht eine Konkurrenz- und „Verschiebebahnhofsituation" zwischen Arbeits- und Sozialamt. Arbeitsämter besetzen Arbeitsstellen vorrangig mit Arbeitslosengeld- und -hilfebeziehern, während sich die Sozialhilfeträger (SH-Träger) häufig damit begnügen, erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger wieder auf den Kostenträger Bundesanstalt für Arbeit zu überweisen. Die SH-Träger vermitteln Sozialhilfeempfänger in auf ein Jahr befristete Beschäftigungsverhältnisse, häufig in hierfür eigens gegründete kommunale Beschäftigungsgesellschaften. Nach einem Jahr besteht dann für den Betreffenden erneut ein Anspruch auf Arbeitslosengeld und danach gegebenenfalls auf Arbeitslosenhilfe. Dadurch wird der Sozialhilfeträger entlastet und die Arbeitslosenversicherung über Mehrausgaben beim Arbeitslosengeld bzw. der Bundeshaushalt als Träger der Arbeitslosenhilfe belastet.

  4. Die Arbeitslosenhilfe kann nach geltendem Recht nicht mit vergleichbaren Anreizsystemen wie die Sozialhilfe ausgestattet werden. Da nämlich der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe notwendig Arbeitslosigkeit voraussetzt, entfallen bei Aufnahme einer mehr als 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigung (vgl. § 118 Abs. 2 SGB 111) die Leistungsvoraussetzungen. Damit bestehen für Arbeitslosenhilfeempfänger noch weniger wirtschaftliche Anreize zur Aufnahme einer Niedriglohntätigkeit. Sie können sich dadurch sogar wirtschaftlich verschlechtern.


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3. Neue Freibeträge in der Sozialhilfe für Einkommen aus Arbeit

Das BDA-Konzept des Kombi-Einkommens, also die Kombination von Sozialtransfers plus zusätzlichem Einkommen, sieht deshalb folgende Änderungen vor:

Die Freibeträge für erwerbstätige Sozialhilfeempfänger müssen eine haushaltsspezifische Komponente erhalten, damit auch jene in größeren Haushalten einen spürbaren wirtschaftlichen Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhal-

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ten. Denkbar wäre eine Staffelung der Sockelfreibeträge von 80 DM bei Alleinstehenden, 150 DM bei Ehepaaren und zusätzlich 50 DM je Kind. Das Arbeitseinkommen eines Sozialhilfeempfängers, das über den Sockelfreibetrag hinausgeht, sollte nur teilweise angerechnet werden. Eine progressiv gestaffelte Teilanrechnung könnte an den oben beschriebenen Sockelfreibeträgen ansetzen.

Die bisher in der Verwaltungspraxis angewandte Kappung der Teilanrechnung bei 1.000 DM müßte entfallen. Natürliche Kappungsgrenze sollte vielmehr die Bedürftigkeitsgrenze selbst sein. Konkret könnte eine Regelung eingeführt werden, nach der bei der Anrechnung 30% der Differenz zwischen Sockelfreibetrag und 1.000 DM frei bleiben, 20% von 1.001 DM bis 1.500 DM und 10% von 1.501 DM bis zur haushaltsindividuellen Bedürftigkeitsgrenze. Diese Staffelung der Anrechnungsfreibeträge setzt im untersten Einkommensbereich einen besonderen Anreiz zur Aufnahme auch einer geringer entlohnten Teilzeittätigkeit. Es bleibt jedoch immer ein Interesse daran, in der Einkommenshierarchie aufzusteigen, da mindestens 10% des Arbeitseinkommens bis zur haushaltsindividuellen Bedürftigkeitsgrenze nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden.

Ein Beispiel:

Der Sozialhilfeanspruch für ein Ehepaar mit zwei Kindern setzt sich zusammen aus den Eckregelsätzen des Haushaltsvorstandes, einer weiteren erwachsenen Person und zweier Kinder, der Miete inklusive Mietnebenkosten sowie durchschnittlichen einmaligen Leistungen. Dies alles summiert sich im Durchschnitt auf rund 2.800 DM. Nimmt man nun an, daß auf einem niedrig entlohnten Vollzeitarbeitsplatz vom Haushaltsvorstand ein Netto-Arbeitseinkommen von 1.500 DM erzielt werden kann, so wird dieses Einkommen bis auf den Freibetrag von 265 DM voll auf die Sozialhilfe angerechnet. Für den Haushalt bleibt im Status quo somit ein Gesamteinkommen von 3.065 DM. Folgt man den Vorschlägen des Kombi-Einkommens, so summiert sich Arbeitseinkommen und Sozialhilfe mit erweiterten Freibeträgen auf 3.375 DM, also 575 DM mehr als bei Nichtarbeit oder 310 DM mehr als im Status quo.

Die alte Bundesregierung hatte noch einen Verordnungsentwurf gemäß § 76 Abs. 3 BSHG verabschiedet, der die Freibeträge für Arbeitseinkommen neu regelte. Dieser war aber bald gescheitert. Die jetzt in § 18 Abs. 5 BSHG ge-

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regelten Einkommenszuschüsse für Arbeitnehmer haben den Handlungsspielraum der Kommunen bei der Förderung von Sozialhilfeempfängern in reguläre Beschäftigung erweitert. Es kann von einer Art „Experimentier-Klausel" gesprochen werden.

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4. Sozialhilfeträger werden entlastet

Als gewollte Konsequenz aus dieser privilegierten Einkommensanrechnung verfügen erwerbstätige Sozialhilfeempfänger trotz grundsätzlich bestehender Bedürftigkeit über ein Haushaltseinkommen oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze. Die Zahl der Anspruchsberechtigten nimmt in Folge der höheren Absetzgrenze leicht zu. Außerdem erhalten Sozialhilfeempfänger, die bereits jetzt erwerbsfähig sind, einen höheren Freibetrag. Durch die Schaffung eines neuen und zusätzlichen Arbeitsmarktsegments im Niedriglohnbereich entstehen aber gerade für geringqualifizierte Sozialhilfeempfänger neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Erreicht werden soll ein erleichterter (Wieder-) Einstieg in den Arbeitsmarkt. Der gesamtwirtschaftlich positive Aspekt neben dem einer individuellen Beschäftigungschance ist, daß jeder von ihnen, der eine Arbeit aufnimmt, die für Sozialhilfe vorgesehenen Ausgaben verringert, auch wenn er weiterhin ergänzend Sozialhilfe bezieht – und das trotz erhöhter Freibeträge. Insofern wird die Einführung des Kombi-Einkommens auch schon bei kleineren Beschäftigungseffekten zu Entlastungen des Sozialhilfeträgers führen. Berechnungen gehen davon aus, daß Kostenneutralität schon dann hergestellt wird, wenn nur 140.000 Sozialhilfeempfänger zusätzlich eine Arbeit aufnehmen.

Ein Einfrieren der Sozialhilfe-Regelsätze bleibt allerdings unerläßlich. Denn in der Vergangenheit ist die Sozialhilfe deutlich stärker gestiegen als die Nettoeinkommen. So erhöhte sich der Sozialhilfe-Eckregelsatz für den Haushaltsvorstand im Zeitraum von 1970 bis 1995 im Mittel um 5,5% je Jahr. Demgegenüber lag die Steigerung der Nettolöhne mit durchschnittlich 4,5% genau einen Prozentpunkt darunter. Im betrachteten Zeitraum stiegen damit die Eckregelsätze um das 3,6-fache, die Nettolöhne nur um das dreifache. Der Abstand zwischen Sozialhilfe und Nettolöhnen hat sich dadurch stetig verringert.

Auch in Zukunft muß stärker von der heute schon gesetzlich vorgesehenen Kürzung der Regelsätze um 25% bei Ablehnung von zumutbarer Arbeit

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Gebrauch gemacht werden. Neben das „Fördern" muß unbedingt auch ein „Fordern" treten, soll das Konzept greifen. Die Kürzung soll vornehmlich die Personenkreise treffen, die für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen können. Eine Kürzung um 25% reicht aber noch nicht aus, denn damit beträgt der Kürzungsspielraum bei einem Haushaltsvorstand nur rund 132 DM. Es muß vielmehr soweit gekürzt werden, bis sich nur zwei Alternativen ergeben: entweder eine weitreichend gekürzte bzw. gar keine Sozialhilfe zu beziehen oder eben Einkommen aus Arbeit plus ergänzender Sozialhilfe mit dem Kombi-Bestandteil als Freibetrag.

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5. Arbeitslosenhilfe in Sozialhilfe überführen

Die Arbeitslosenhilfe weist wesentliche Merkmale eines Sozialtransfersystems auf, wie z.B. die Bedürftigkeitsprüfung, die zeitliche Unbegrenztheit, den individuellen Bezug und die Steuerfinanzierung. Es handelt sich auch nicht um eine Versicherungsleistung. Eine stichhaltige Begründung für die Notwendigkeit eines neben der Sozialhilfe bestehenden Sozialtransfersystems fehlt jedoch. Vorgeschlagen wird daher eine schrittweise Anpassung an die Bedürftigkeits-, Zumutbarkeits- und Anrechnungsbestimmungen der Sozialhilfe. Außerdem sollte die Arbeitslosenhilfe zeitlich befristet und dann die Bindung an die Höhe des zuletzt erzielten Arbeitseinkommens aufgegeben werden, um sie schließlich gänzlich in die Sozialhilfe zu überführen. Eine entsprechende Anpassung der Finanzmittelverteilung im föderalen Gefüge müßte parallel erfolgen.

Die vereinheitlichte Anwendung der Bedürftigkeits-, Zumutbarkeits- und Anrechnungsregelungen bei der Gewährung von Sozialtransfers macht eine stärkere Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern erforderlich. Transferleistungen müssen koordiniert abgewickelt werden. Das Ziel heißt also Leistungen aus einer Hand. Dabei können auch private Dritte einbezogen werden. Das Sozialhilferecht bietet bereits heute die dafür erforderlichen Möglichkeiten, im Arbeitsförderungsrecht wurden sie mit dem SGB 111 zum 1. Januar 1998 geschaffen. Darüber hinaus können jetzt auch Mittel für Arbeitslosenhilfe benutzt werden, um Prämien an Dritte für die Vermittlung in Arbeit zu zahlen.

Die Integration der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe wird mittlerweile vielerorts ernsthaft diskutiert. Ganz entscheidend ist dabei die Frage nach einer

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Neuordnung des föderalen Finanzsystems. Aber auch sie läßt sich lösen; hieran wird gearbeitet. Wenn dazu vernünftige Lösungsmöglichkeiten vorliegen, sollte der Gesetzgeber schnell an die Umsetzung dieses Bausteins herangehen.

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6. Reform des Arbeitslosengeldes

Bei der Diskussion über größere Anreize zur Aufnahme niedrig entlohnter Tätigkeiten kann das Arbeitslosengeld nicht ausgenommen bleiben, auch wenn es sich um Versicherungsleistungen und nicht um Sozialtransfers handelt. Um positive Anreize setzen zu können, ist die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf Monate zu begrenzen. Dies war der Kern der Arbeitslosenversicherung bis zum Jahr 1987. Nur eine solche Begrenzung kann gewährleisten, daß auch ältere Arbeitnehmer, die heute bis zu einer Dauer von 32 Monaten Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, an einer weiteren Beschäftigung interessiert bleiben. Die über 12 Monate hinausgehende Bezugsdauer ist im übrigen mit dem Versicherungsgedanken vereinbar.

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7. Kritik am Konzept der BDA

Kritiker greifen immer wieder zwei Punkte auf, um das Konzept des Kombilohns als Beschäftigungschance zu zerreden:

  1. Das Konzept sei ordnungspolitisch höchst fragwürdig, da es sich im Prinzip um verkappte Lohnsubventionen handele. Es geht hier aber gar nicht um eine generelle Subventionierung, die den Arbeitgebern zugute kommt. Vielmehr handelt es sich um eine individuelle Förderung, die an der Bedürftigkeit des einzelnen ansetzt. Wenn das erzielte Arbeitseinkommen nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu sichern, muß dennoch die soziale Absicherung gewährleistet bleiben.

  2. Das Schaffen eines Niedriglohnsektors zur Erschließung von Beschäftigungspotentialen für geringer qualifizierte Erwerbspersonen hätte eine „working-poor" wie in den USA zur Folge. Diese Entwicklung wird auch von den deutschen Arbeitgebern kritisiert. Durch den weiterhin möglichen Bezug von Sozialhilfe soll dem gerade entgegengewirkt werden. Der Kombilohn soll eine Möglichkeit bieten, zu Einstiegslöhnen einen Ein-

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    stieg in reguläre Beschäftigung zu finden, also quasi eine Art Training on the job, auf dem später aufgebaut werden kann. Denkbar ist ein solcher Einstieg z.B. gerade bei einfacheren handwerklichen Tätigkeiten. Gefördert werden soll aber immer der einzelne Arbeitnehmer und keine Sektoren.

Selbstverständlich muß neben Kombi-Einkommen, Niedriglohnsegmenten und einfachen Dienstleistungen als Einstiegschancen in Arbeit auch eine Qualifizierungsstrategie treten, um Geringqualifizierte in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Damit sind jedoch nicht nur die arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente wie die berufliche Weiterbildung gemeint. Ansetzen muß diese Strategie bereits beim Schul- und Ausbildungssystem. So ist z.B. die Ausbildungsfähigkeit von Schulabgängern sicherzustellen, Ausbildungsberufe für theorieschwächere Jugendliche sind zeitlich zu verkürzen, zu modularisieren und eventuell gänzlich neu zu entwickeln.

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8. Schlußbetrachtung

Das Thema Kombi-Einkommen hat eine interessante und fruchtbare Diskussion angestoßen, die erste Ergebnisse zeigt. Es ist wichtig, diesen Weg weiter zu beschreiten. Das Kombi-Einkommen ist allerdings kein Allheilmittel für die Lösung sämtlicher Probleme des Arbeitsmarktes. Es liefert aber einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu einer beschäftigungsorientierten Sozialpolitik. Daneben sind umfassende Strukturreformen im gesamten Sozial-, Steuer-, Tarif- und Finanzsystem dringend notwendig. In Deutschland muß wieder ein Prozeß in Gang gebracht werden, der über Innovation, Investitionen und Wachstum mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze erhält und neue schafft.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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