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1. Einleitung [ Für wertvolle Unterstützung, Hinweise und Kommentare danken wir insbesondere Claudia Diehl, Frank Kalter und Elke Wolf.]

Die Beziehungen zwischen „Einheimischen" und „Fremden" in Deutschland sind offensichtlich von zahlreichen teils offenen, teils verdeckten Spannungen und Konflikten geprägt. Rund vierzig Jahre nach dem Abschluß des ersten zwischenstaatlichen Anwerbevertrags mit Italien und dem damit eingeleiteten Beginn der sogenannten „Gastarbeiter-Ära" stellen die inzwischen rund 7,5 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zwar längst einen festen Bestandteil der in Deutschland lebenden Bevölkerung dar. Doch in der faktisch zum „multiethnischen" Einwanderungsland gewordenen Bundesrepublik bereitet schon die Anerkennung und erst recht die vernünftige Gestaltung des Status Quo unübersehbare Schwierigkeiten. Auf der politischen Ebene zeigt sich dies mit besonderer Deutlichkeit am seit Jahren anhaltenden Streit um den staatsbürgerlichen Status und die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten von „Ausländern". Aber auch das alltägliche Zusammenleben zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen scheint von einer „Normalisierung" noch weit entfernt. Insbesondere fremdenfeindliche Tendenzen bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung werden dafür vielfach als wichtige Ursache angesehen.

Die oft angeführten Indizien dieser fremdenfeindlichen Tendenzen sind bekannt: Mit großer Regelmäßigkeit berichten die Medien von in Umfragen festgestellten massiven Vorbehalten und ablehnenden Haltungen seitens der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern und Zuwanderern; auf den Leserbriefseiten der Zeitungen und Nachrichtenmagazine werden immer wieder längst bekannte Phrasen etwa von der drohenden „Überfremdung" und „Ausblutung des deutschen Volkes" ausgebreitet und mit entsprechenden Handlungsempfehlungen verbunden; in Bürgerversammlungen und Wahlkampfveranstaltungen ist häufig Ähnliches zu hören. Die stärkste Aufmerksamkeit zieht allerdings - aus verständlichen Gründen - die Entwicklung fremdenfeindlicher Gewalttaten auf sich. Spätestens seit den brutalen Attacken gegen Asylbewerber und „Gastarbeiter" in Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen steht die anhaltende Flut der Gewaltakte im Zentrum der Diskussion. Da diese Taten in den meisten Fällen mit rechtsextremen Orientierungen einher gehen oder zumindest aus dem Dunstkreis rechtsextremer Gruppierungen heraus begangen werden, wird dabei dem Zusammenhang zwischen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus besonderes Gewicht zugemessen.

Die sowohl in der öffentlichen Berichterstattung als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung seit längerem zu beobachtende Fixierung auf fremdenfeindliche Gewaltakte meist jugendlicher Täter mit mehr oder weniger eindeutigem rechtsextremem Hintergrund ist erklärlich. Sie verstellt jedoch leicht den Blick auf die eher subtilen Formen alltäglicher Abgrenzungen und Diskriminierungen gegenüber „Fremden" Diese sind zwar weitaus weniger spektakulär, können aber für das Zusammenleben zwischen Deutschen und Zuwanderern gleichwohl belastend und folgenreich sein. Wie sich die oft verdeckten und latenten Formen der Fremdenfeindlichkeit und Distanzierung entwickelt haben, läßt sich indes aus der Zunahme der Gewalttaten nicht zuverlässig erschließen. Die Entwicklung der Mitgliedszahlen in rechtsextremen Organisationen oder die Wahlerfolge rechter Parteien geben darüber ebenfalls nur sehr eingeschränkt Aufschluß. Die in zahlreichen Umfragen festgestellten Meinungstendenzen sind aus methodischen Gründen mit Skepsis zu betrachten. Die Konzentration auf fremdenfeindliche Gewalttaten begünstigt darüber hinaus auch bei der Frage nach den Entstehungsbedingungen und

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Ursachen fremdenfeindlicher Tendenzen innerhalb der deutschen Bevölkerung voreilige Schlußfolgerungen.

Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, möglichst umfassend über Ausmaß, Entwicklung und Ursachen der Fremdenfeindlichkeit und Distanz seitens der „Einheimischen" gegenüber „Ausländern" in Deutschland zu informieren. Dabei ergibt sich gleich zu Beginn die Notwendigkeit, das Thema begrifflich einzugrenzen und zu präzisieren. Von „Fremdenfeindlichkeit" ist zwar oft die Rede; doch es zeigt sich immer wieder, daß erstaunlich wenig Klarheit darüber besteht, was damit genau gemeint ist. Das liegt nicht zuletzt daran, daß der Begriff teils gleichbedeutend, teils in Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie Stereotypen, Vorurteile, Diskriminierung, Ethnozentrismus, Rassismus oder Rechtsextremismus verwendet wird. Eine kurze Klärung dieser Aspekte kann zur Vermeidung von Mißverständnissen beitragen (Abschnitt 2). Sie ist darüber hinaus eine wichtige Voraussetzung für die Präzisierung des Forschungsgegenstands, an dem sich auch die Entwicklung geeigneter Verfahren zur empirischen Feststellung fremdenfeindlicher Tendenzen ausrichtet. In der sozialwissenschaftlichen Forschung sind zu diesem Zweck zahlreiche Verfahren und Techniken entwickelt worden, mit denen unterschiedliche Dimensionen der Fremdenfeindlichkeit und Distanzierung erfaßt werden können. Die wichtigsten dieser Verfahren und die darauf beruhenden zentralen Datenquellen werden kurz vorgestellt (Abschnitt 3). In diesem Zusammenhang wird auch auf die immer wieder aufgeworfene Frage nach der Zuverlässigkeit der verfügbaren Daten eingegangen, auf deren Grundlage Aussagen über fremdenfeindliche Gewalt wie über subtilere Formen der Abgrenzung und Distanzierung gegenüber „Fremden" getroffen werden. Diese Aspekte werden in den meisten Veröffentlichungen allenfalls am Rande behandelt. In dieser Studie werden sie hingegen ausführlicher behandelt, um Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Feststellung fremdenfeindlicher Tendenzen sichtbar zu machen.

Das wichtigste Ziel dieser Studie besteht jedoch darin, Entwicklungstendenzen und Ursachen der Fremdenfeindlichkeit aufzuzeigen. Auf der Grundlage neuerer Daten und sozialwissenschaftlicher Untersuchungen werden sowohl fremdenfeindliche Gewalt- und Straftaten als auch eher verdeckte Tendenzen der Abgrenzung und Abschottung gegenüber „Fremden" analysiert (Abschnitt 4). Im Mittelpunkt steht vor allem die Frage, inwiefern sich die oft behauptete Zunahme der Fremdenfeindlichkeit tatsächlich empirisch feststellen läßt. Dazu werden auch die seltenen und oft vernachlässigten Informationen über die Wahrnehmung fremdenfeindlicher Tendenzen durch Ausländerinnen und Ausländer mit einbezogen. Die sich daran unmittelbar anschließende Frage nach deren Entstehungsbedingungen und Ursachen ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. Darin wird zunächst eine kurze Übersicht über einige maßgebliche Erklärungsansätze gegeben, ehe vor diesem Hintergrund dann vor allem der Einfluß sozialstruktureller Hintergrundfaktoren in einer empirischen Analyse (auf der Basis der Daten aus dem ALLBUS 1996) genauer beleuchtet wird.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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