FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Gewerkschaftslehrjahr. Als G. wurden die regelmäßigen, meist alle vier Wochen abgehaltenen Schulungen in den gewerkschaftlichen Grundorganisationen bezeichnet, die der Vermittlung der jeweils aktuellen politischen „Linie“ samt ihrer ideologischen Rechtfertigungen dienten, welche der FDGB-BuV in enger Anlehnung an die entsprechende „Generallinie“ der SED ausgab. Im Lehrjahr 1978/79 stand zum Beispiel die „Theorie und Politik der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR“ auf dem Programm. Auch die SED selbst sowie die FDJ bedienten sich dieser Form der Ideologievermittlung und Erziehung, indem sie in ihren jeweiligen Grundorganisationen ein „Partei-“ bzw. „FDJ-Lehrjahr“ abhielten. Durch das G., für das den Grundorganisationen umfangreiches Broschüren- und Informationsmaterial zur Verfügung gestellt wurde, sollten nicht nur die FDGB-Mitglieder, sondern möglichst alle Werktätigen erfasst und entsprechend beeinflusst werden. De facto bewirkte das G. aber wohl vor allem, dass neue, politisch opportune Redewendungen in den Betrieben verbreitet und - teils auch ganz eigensinnig - benutzt werden konnten. Inwiefern die im Volksmund spöttisch „Rotlichtbestrahlung“ genannten Schulungsveranstaltungen zur Ausbildung tiefsitzender, langlebiger Vorurteile gegenüber der westlichen Welt beitrugen, wäre noch eingehender zu untersuchen.
F.S.