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TEILDOKUMENT:
Grundprobleme der südafrikanischen Wirtschaft Armut und Ungleichheit, die beiden gravierendsten Probleme in der Südafrikanischen Republik, sind vor allem Ergebnis der hohen Arbeitslosigkeit und der Unfähigkeit der Wirtschaft, nicht mehr Arbeitsplätze schaffen zu können. Diese u.a. von den prominenten Wirtschaftswissenschaftlern Nicoli Nattrass und Jeremy Seekings formulierte Einsicht ist weder neu noch originell, vor allem aber wenig hoffnungsvoll. Denn der Vizepräsident Thabo Mbeki nannte schon 1995 die schwierigen Bedingungen für eine Erhöhung der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf sechs Prozent bis zum Jahr 2000 und für die Schaffung von 300.000 bis 500.000 neuen Arbeitsplätzen: Um je 10 Prozent jährlich müßten die Fertigwaren- und Nicht-Goldexporte sowie die Investitionen im privaten und öffentlichen Sektor wachsen, um dieses Ziel zu erreichen. Damit sind die wichtigsten Probleme der Wirtschaftsentwicklung Südafrikas seit der Amtsübernahme durch Präsident Mandela umrissen: Arbeitsplätze schaffen und damit Armut beseitigen. Diese Schlüsselaufgabe für die Zukunft ist eingebettet in die konkreten Bedingungen des Landes, die weiterhin mitbestimmt sind durch das Erbe der Vergangenheit: Südafrika wird die immensen Probleme, die die Apartheid hinterlassen hat, nur schrittweise und langfristig überwinden können. Zusätzlich verlangt der aktuelle Globalisierungsprozeß von den Interessengruppen, den wirtschaftlichen und politischen Akteuren, den Entscheidungsträgern und auch von den sozialen Gruppen großen Sachverstand und angemessene wirtschaftliche Weichenstellungen. Die Herausforderungen, denen sich die südafrikanische Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gegenübersieht, sind groß. Eine Analyse des Zustands und der Perspektiven des Landes kann daher die bisher getroffenen Entscheidungen und ihre konkrete Umsetzung in Politik nicht vergleichen mit den idealen Voraussetzungen und Zielen einer vollbeschäftigten Wirtschaft. Sie muß vielmehr das strukturelle Erbe der Apartheid sowie die komplizierte Interessenlage der vielen Akteure miteinbeziehen. Die Entwicklung der Wirtschaft Südafrikas wird im folgenden vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Beschäftigungskrise dahingehend untersucht, in welche Richtung sich der Strukturwandel einer bis vor einem Jahrzehnt noch vor allem auf Rohstoffen basierenden Ökonomie vollzieht. Dabei stehen vor allem die Produktivitäten und die Entwicklungspotentiale der verarbeitenden Industrie im Mittelpunkt. Der Strukturwandel erfordert eine Konzentration auf die Entwicklung des Humankapitals, das im Wettbewerb der globalisierten Ökonomie als besonders wichtig angesehen wird. Die damit auftretenden Widersprüche, z.B. auf dem Arbeitsmarkt, und die weitere Ausbreitung der Arbeitslosigkeit - gerade der weniger gut oder schlecht Ausgebildeten - erfordern auch ein Konzept für die Entwicklung der Klein- und Mittelunternehmen, die während der Apartheid sträflich vernachlässigt wurden. In den Klein- und Mittelunternehmen - auch des sogenannten informellen Sektors - werden die meisten Menschen beschäftigt, vor allem die verarmten schwarzen Unterschichten. Auf das mögliche Unruhepotential wird nicht Bezug genommen, obwohl sich dies als verschärfendes Problem der Transformation Südafrikas einstellen wird. Von Relevanz sind ferner auch die zukünftigen Handels- und Entwicklungskooperationen vor allem mit der EU, aber auch mit dem südlichen Afrika. Das kürzlich abgeschlossene Handelsabkommen mit der EU erhöht den Druck auf Südafrika, seine Transformationsanstrengungen zu beschleunigen. Der Außenhandel spielt aus zwei Gründen eine besondere Rolle: Zum einen ergab sich während der Apartheidjahre durch die Import-Substitutionspolitik eine tendenzielle Abschottung des südafrikanischen Marktes, während heute eine stärkere Öffnung im Interesse Südafrikas liegt, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu stärken und damit auch die erforderlichen Wachstumsimpulse durch eine günstigere Außenhandelsposition zu ermöglichen. Zum anderen ist Südafrika als "late comer" im Globalisierungsprozeß besonderem Konkurrenzdruck unterworfen. Hier spielen vor allem die Konkurrenten und Konkurrenzprodukte auf dem Weltmarkt eine Rolle, Rohstoffe aus anderen afrikanischen Ländern, Lateinamerika und Osteuropa sowie Fertig- und Halbfertigwaren aus Ostasiens Schwellenländern. Deren Krise hat einen mächtigen Abwertungsdruck in Gang gesetzt, der auch Südafrikas Wirtschaft beeinträchtigt hat, indem z.B. die sinkenden Exporterträge das Wirtschaftswachstum deutlich verringerten. Schließlich ist die südafrikanische Wirtschaftspolitik zu bewerten. Werden mit der Liberalisierung der Ökonomie die richtigen Weichen gestellt, um den Strukturwandel einer monopolisierten Rohstoffökonomie, die aus politischen Gründen auch eine Import-Substitutionspolitik vertreten hat, herbeizuführen? Die Wirtschaftsprogramme der ANC-Regierung haben in kurzer Zeit eine deutliche Wende hin zu neoliberalen Konzepten genommen, die freilich nicht überrascht. Schon in den 80er Jahren hatten die Apartheid-Regierungen mit Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine Liberalisierung verhandelt. Die Regierungen Mandela und Mbeki stellen sich ausdrücklich in diese Tradition. Als Vorbild für den Transformationsprozeß wird die Entwicklung in Chile genommen, ein Land mit einer ebenfalls von Rohstoffen dominierten Ökonomie und einer neoliberalen Wirtschaftspolitik. Dies scheint der Situation auch angemessener zu sein als ein Vergleich mit dem Schwellenland Südkorea, dessen Erfolg - anders als in Chile und in Südafrika - nicht auf Rohstoffexporten beruht. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September |