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TEILDOKUMENT:
Energiepolitik für die Zukunft
[Seite der Druckausg.: 19] Vorbemerkung 1. Ziel und Ausrichtung des Energiedialogs Die Rahmenbedingungen für die deutsche Energieversorgung haben sich grundlegend verändert. Globalisierung und Liberalisierung, Klimaschutz und die Auseinandersetzung über die Nutzung der Kernenergie sind die Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft stellen muss. Dabei geht es um die Weichenstellungen für die künftige Energieversorgung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Eine zukunftsfähige Energieversorgung in Deutschland ist von großer wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und damit politischer Bedeutung. Sie sollte deshalb von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden, der in der Vergangenheit nicht erzielt werden konnte. Auf gemeinsame Initiative von Bundeswirtschaftsminister Dr. Müller und dem Kuratoriumsvorsitzenden des Forums für Zukunftsenergien, Dr. Breuer, ist deshalb im Juni 1999 gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung der Energiedialog 2000 gestartet worden. Das Ziel des Energiedialogs 2000 besteht darin, die energiepolitische Diskussion voranzutreiben und der Energiepolitik durch Leitlinien, die während eines einjährigen Diskussionsprozesses entwickelt wurden, eine Perspektive für eine nachhaltige Energieversorgung und -nutzung aufzuzeigen. Der Energiedialog ist ein Prozess, sich in der Energiepolitik aufeinander zuzubewegen und im offenen, konstruktiven Gespräch zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, auf denen die Politik aufbauen kann. Das setzt voraus, dass sich alle Beteiligten mit den Meinungen und Anliegen der Anderen jeweils auseinandersetzen und die Bereitschaft existiert, auch in strittigen Punkten aufeinander zuzugehen nur so kann es auch bei kontroversen Themen zu neuen Gemeinsamkeiten kommen. In mehreren Foren von gesellschaftlichen Gruppen wurden die Zukunftsfragen der Energiepolitik öffentlich zur Diskussion gestellt. Parallel dazu gab es einen Gesprächskreis, in dem unter Vorsitz der Initiatoren hochrangige Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften und Bundesländern miteinander folgende drei Themenkreise diskutiert haben: [Seite der Druckausg.: 20]
Es erfolgte in diesen Diskussionsfeldern ein konstruktiver Dialog. Unter Hintanstellung grundsätzlicher Auffassungen sind Ergebnisse und Positionspapiere mit Aufträgen aus der Steuerungsgruppe, die in dieses Gesamtpapier eingeflossen sind, verabschiedet worden, die die Beteiligten mittragen. Zu diesen Ergebnissen gehören eine gemeinsame Beschreibung der Realitäten und ein Einvernehmen über wesentliche Grundzusammenhänge. Darüber hinaus hat sich der Energiedialog mit Zukunftstendenzen auseinander gesetzt und hieraus entsprechende Schlussfolgerungen gezogen. Das Ergebnis beschreibt Empfehlungen für Handlungsansätze und Ziele, auf die sich die Beteiligten verständigen konnten. Dieser erzielte Konsens ist für die künftige Energiepolitik und das Leitbild der Nachhaltigkeit, das von der Energiebereitstellung bis zu Energienutzung verwirklicht werden soll, ausschlaggebend. Nicht erreicht werden konnte ein Konsens mit den Umweltverbänden Deutscher Naturschutzring (DNR), Greenpeace, Umweltstiftung WWF-Deutschland (WWF), NABU Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Bund für Umwelt und Naturschutz BUND (BUND) in einigen Punkten. Deshalb haben die Vertreter der Umweltverbände auf Arbeitsgruppenebene am 10. Mai 2000 den Energiedialog 2000 verlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Umweltverbände in allen Gesprächskreisen engagiert mitgewirkt und konnten verschiedene ihrer Anliegen für einen Umwelt- und Klimaschutz in den Dialog einbringen. Sie wurden dabei von vielen Teilnehmern im Diskussionsprozess unterstützt. Während des Dialogprozesses sind Beteiligte auf die Umweltverbände zugegangen. Insofern sind Standpunkte der Umweltverbände in das vorliegende Papier eingeflossen und weiterhin berücksichtigt worden. DNR, Greenpeace, WWF, NABU und BUND sahen sich jedoch nicht in der Lage, das vorliegende Gesamtpapier mit zu unterzeichnen. Dennoch hat der Energiedialog eine wichtige Aufgabe erfüllt. Er fördert die Chancen des Energiestandorts Deutschland und kann der Verantwortung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für heutige und kommende Generationen gerecht werden. Die gefundenen Leitlinien sind eine wertvolle Ausgangsbasis für die politischen Entscheidungen zur Konkretisierung eines Energiekonzeptes durch Parlamente und Regierungen auf Bundes- und Länderebene. [Seite der Druckausg.: 21] 2. Kernenergie Nach der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen vom 20. Oktober 1998 ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Nutzung der Kernenergie in Deutschland entschädigungsfrei zu beenden. Hierzu werden zwischen der Bundesregierung und den Unternehmen Konsensgespräche geführt. Angesichts des Beitrags der Kernenergie für das Weltklima durch signifikante Vermeidung von CO2-Emissionen und eines aktuellen Beitrags der Kernenergie von über 60% in der Strom-Grundlast halten CDU/CSU, F.D.P. und Industrievertreter an der Option einer künftigen Nutzung der Kernenergie fest. Der Energiedialog 2000 hat diesen Grundkonflikt ausgeklammert; statt dessen ging es darum, jenseits dieser grundsätzlichen Kontroverse Gemeinsamkeiten in der Energiepolitik zu formulieren. Künftige Festlegungen energiepolitischer Ziele und Maßnahmen bezogen auf diesen Grunddissens sind deshalb durch den Energiedialog 2000 nur teilweise abgedeckt. Die Ergebnisse der Kernenergiekonsensgespräche sind darüber hinaus bei der künftigen Festlegung energiepolitischer Ziele und Maßnahmen zu berücksichtigen. I. Leitbild und Ziele Das gemeinsame Leitbild ist die nachhaltige Entwicklung. Die Ziele der Energiepolitik Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit sind deshalb gleichrangig zu verwirklichen. 1. Die Energieversorgung ist für Wirtschaft und Gesellschaft Basis für Wohlstand und nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit bedeutet nach dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt des 13. Deutschen Bundestages, die Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen heute und in Zukunft befriedigen zu können und gleichzeitig eine auf Dauer für alle unter menschenwürdigen, sicheren Verhältnissen bewohnbare Erde zu erhalten. Darin sind vielfältige ökonomische, ökologische, demographische, soziale und kulturelle Problemdimensionen enthalten, die ein globales, regionales, lokales und zugleich in die Zukunft gerichtetes Handeln erfordern. In der Praxis bedeutet die Verwirklichung des Nachhaltigkeitsprinzips, dass ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen beachtet werden. Die gleichrangigen Ziele der Energiepolitik sind Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit bei der Bereitstellung und Nutzung von Energie. Politische Maßnahmen müssen fortlaufend hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, auf Arbeitsplätze, auf Standortentscheidungen und ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Dabei bedeutet [Seite der Druckausg.: 22] Umweltverträglichkeit die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen, eine möglichst geringe Umweltbelastung durch Energieproduktion und -verbrauch sowie den rationellen und sparsamen Umgang mit Energie. 2. Der Energiebereich ist sektorübergreifend für den Standort Deutschland von wesentlicher Bedeutung. Dies gilt für alle Bereiche der Wirtschaft von der Energienutzung bis zur -bereitstellung. Erst diese umfassende Betrachtungsweise macht die herausragende Bedeutung des Energiesektors als Produktions- und Verbrauchsbereich mit beträchtlichen Wertschöpfungs-, Arbeitsplatz-, Investitions- und Innovationspotenzialen deutlich. Energie ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Die Bereitstellung einer wirtschaftlichen, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung liegt im Interesse der Unternehmen im Markt. Der Markt sorgt für effiziente Versorgungs- und Dienstleistungsstrukturen. Wenn allerdings Marktergebnisse nicht den energie-, wirtschafts- und umweltpolitischen Zielen entsprechen, ist eine regulierende Funktion der Politik erforderlich. 3. Marktwirtschaftliche Prozesse sorgen für effiziente Versorgungs- und Dienstleistungsstrukturen. Wenn allerdings Marktergebnisse nicht den energie-, wirtschafts- und umweltpolitischen Zielsetzungen entsprechen, ist eine regulierende Funktion der Politik erforderlich. Dies schließt kooperative Lösungen von Staat, Wirtschaft und Verbrauchern ein. Insbesondere folgende Aufgaben gehören auf Grund des infrastrukturellen Charakters der Energieversorgung in den Bereich des staatlichen Handelns:
Politische Maßnahmen sind fortlaufend auf Notwendigkeit, Dauer, Umfang und Steuerungseffizienz zu überprüfen. 4. Bei allen Handlungsfeldern, für die die Energiepolitik Lösungen aufzeigen muss, stellt sich die Frage, ob spezifische Regulierungsansätze notwendig werden, bestehende Regelungen modifiziert werden sollen oder eigenständige Lösungen der Wirtschaft vorzuziehen sind. Ein wichtiges Kriteri- [Seite der Druckausg.: 23] um bei der Auswahl von Maßnahmen und Instrumenten, mit denen energiepolitische Ziele erreicht werden sollen, ist die Steuerungseffizienz. Sämtliche politische Maßnahmen auch bereits bestehende sind fortlaufend auf ihre Notwendigkeit, ihre Dauer und ihren Umfang sowie daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Erreichung der energie-, wirtschafts- und umweltpolitischen Zielsetzungen wirkungsvoll beitragen. Dabei sind Planungssicherheit und Vertrauensschutz für Investitionen zu beachten. Darüber hinaus müssen sie mit EU-Recht und dem internationalen Wettbewerbsrahmen kompatibel sein und marktkonform ausgestaltet werden. Wenn Lösungen der Wirtschaft staatlich gesetzte Kriterien erfüllen, sind staatliche Regulierungen entbehrlich. II. Herausforderungen und Rahmenbedingungen Wirtschaft und Politik müssen sich den Herausforderungen der Globalisierung sowie des nationalen und internationalen Wettbewerbs stellen. Der Wettbewerb stärkt die Rolle des Kunden. 5. Energiewirtschaft und Energiepolitik agieren in einem veränderten Umfeld, das durch den sich sowohl national als auch EU-weit und international dynamisch entwickelnden Wettbewerb in den Energiemärkten geprägt ist. Dieser Rahmen ist gekennzeichnet durch EU-Recht, die Verpflichtungen aus dem Energiecharta-Vertrag sowie Verpflichtungen im Rahmen der WTO (GATT/GATS). Der Globalisierungstrend und die sich wandelnden EU-weiten und internationalen Wettbewerbsmärkte prägen die Chancen der Markteilnehmer und die Gestaltungsmöglichkeiten nationaler Politik und unterstreichen die Notwendigkeit einer wettbewerbsfähigen Energieversorgung. 6. Mit der EU-weiten Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte ist ein irreversibler Prozess eingeleitet worden. Für einen funktionsfähigen Binnenmarkt ist die Marktöffnung in allen EU-Staaten notwendig. Bei der Umsetzung der Stromrichtlinie zeigt sich, dass nach Art und Umfang der Marktöffnung unterschiedliche Wege beschritten werden. Dies zeichnet sich auch bei der Umsetzung der Gas-Richtlinie ab. Im Wettbewerb nimmt der Verbraucher in Folge seiner Wahlfreiheit eine gestärkte Position ein. Er kann im europaweiten Wettbewerb seinen Energielieferanten frei wählen. Durch die Einführung des Euro wird die europaweite Markttransparenz weiter erhöht. Deutsche Unternehmen engagieren sich über Ländergrenzen hinweg; für sie gelten damit nicht mehr allein nationale Regelungen. Staatliche Beihilfen an Unternehmen sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und der EU-Vertrag nichts anderes bestimmt. Der Handel mit Strom und Gas darf innerhalb der Gemeinschaft nicht beschränkt werden (Ausnahme: Anwendung der Reziprozitätsklausel nach den Binnenmarktlinien für Strom und Gas). Nationale Regelungen z.B. zum Schutz und zur Förderung umweltfreundlicher Stromerzeugung oder zur Gewährleistung eines Sockels an heimischen Energieträgern sind weiterhin möglich. [Seite der Druckausg.: 24] Umwelt- und Klimaschutz sowie die Endlichkeit der Ressourcen erfordern eine kontinuierliche Anpassung des Energiemixes, der Techniken und der Infrastruktur. Dieser Aufgabe müssen sich heute alle Akteure verstärkt stellen. 7. Die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen und eine möglichst geringe Umweltbelastung durch Energieproduktion und -verbrauch sind unverzichtbare Elemente einer am Nachhaltigkeitsprinzip orientierten Energiepolitik und tragen dem Vorsorgegebot im Klimaschutz Rechnung. Zu den Rahmenbedingungen für Energiepolitik und Energiewirtschaft gehören das nationale CO2-Minderungsziel (Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2005 um 25% gegenüber 1990) und die zunehmenden Anforderungen an Klima- und Umweltschutz auch im internationalen Rahmen, insbesondere der zu erbringende deutsche Beitrag zum EU-Lastenausgleich im Rahmen des Kyoto-Protokolls (Deutschland hat als Beitrag zum burden sharing eine Reduzierung der Klimagasemissionen um 21% bis 2008/2012 zugesagt). Die seit Anfang der 90er Jahre von Bundesregierung und Bundestag formulierten Ziele zur mittel- und langfristigen Reduktion der CO2-Emissionen werden einerseits bei Fortsetzung der bisherigen energiepolitischen Trends nicht punktgenau angesteuert werden können, andererseits sind längerfristig darüber hinaus gehende Anforderungen zu sehen, die über Zwischenstationen zu erreichen sind. Angesichts des Vorsorgegebots im Klimaschutz ist der Übergang auf zukunftsfähige Strukturen der Energienutzung und -bereitstellung voranzutreiben. Dazu müssen die Potenziale zur Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Energien und zur Reduzierung des Energieverbrauchs durch rationellere und sparsamere Nutzung in erheblich stärkerem Maße als bisher ausgeschöpft werden. Um dieses Potenzial optimal zu erschließen, ist es zugleich Ziel, die Wirtschaftlichkeit bisher nicht markt- oder wettbewerbsfähiger Energietechniken und -verfahren zu erreichen. Versorgungssicherheit muss auch im liberalisierten und globalisierten Markt eine wichtige Aufgabe von Wirtschaft und Politik bleiben. 8. Deutschlands Energieversorgung ist in hohem Maße importabhängig. Nach vorliegenden Prognosen ist ohne grundlegende Veränderungen der energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen auf absehbare Zeit mit einer weiteren Zunahme der Importabhängigkeit zu rechnen. Die Energieeinfuhren konzentrieren sich bei Öl und Gas auf wenige Länder von unterschiedlicher Stabilität. Dies birgt Liefer- und Preisrisiken. Nukleare und fossile Energierohstoffe sind zudem endliche Ressourcen. Erneuerbare Energieträger haben andere Verfügbarkeitsrisiken. Die Liberalisierung wird zwar dazu beitragen, die Diversifizierung der Bezugsquellen, den Energiehandel und den Ausbau von Energiedienstleistungen zu erleichtern. Nach Einschätzung der EU-Kommission wird sich aber auch im liberalisierten Energiebinnenmarkt die Energieimportabhängigkeit weiter erhöhen. Die Versorgungssicherheit bleibt daher auch auf nationaler und europäischer [Seite der Druckausg.: 25] Ebene eine zentrale Herausforderung. Die Zuständigkeit für die Energiepolitik liegt weiter vorrangig bei den nationalen Regierungen. Eines Energiekapitels im EG-Vertrag bedarf es nicht. 9. Zur Reduktion der Importabhängigkeit und damit zur Erhöhung der Versorgungssicherheit tragen neben einer Effizienzsteigerung des Gesamtsystems und der Einzeltechniken heimische fossile Energieträger, erneuerbare Energien sowie eine möglichst sparsame und rationelle Energienutzung bei. 10. Versorgungssicherheit umfasst auch die Frage einer ausreichenden Verfügbarkeit an quantitativer und qualitativer Infrastruktur, beispielsweise Netze. Hiervon hängt die Sicherheit von Energielieferungen entscheidend ab. Es muss ausreichend Anreiz zur Instandhaltung und Aufrechterhaltung der Qualität gegeben werden. Die Stärkung des Energiestandortes Deutschlands schafft und sichert Arbeitsplätze. 11. Ziel einer auch an positiven Beschäftigungseffekten orientierten Stärkung des Energiestandortes Deutschland ist eine verstärkte Investitionstätigkeit in innovative Technologien, Verfahren und Dienstleistungen. Dies gilt sowohl für die klassischen Bereiche des Energiesektors als auch für die sparsame und rationelle Energienutzung und die Nutzung erneuerbarer Energien. 12. Der Energiestandort braucht Arbeitskräfte bzw. ein Arbeitskräftepotenzial, das quantitativ und qualitativ den Anforderungen einer zukunftsorientierten Energieversorgung und -nutzung gerecht wird. Die Herausforderung liegt darin, dieses Potenzial hervorzubringen bzw. weiter zu entwickeln. Dies ist in erster Linie eine Aufgabe des Arbeitsmarktes und des Bildungswesens. 13. Die Liberalisierung und zunehmende Internationalisierung der Energiemärkte erhöhen den Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen. Vor diesem Hintergrund steigern die Unternehmen ihre Effizienz, insbesondere durch Senkung der Kosten. Der Verlust von Arbeitsplätzen kann eine Konsequenz dieses Prozesses sein. Auf der anderen Seite entstehen aber auch neue Arbeitsplätze. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die Sicherung eines steigenden Marktanteils für bestimmte Technologien gleichzeitig bestehende Kapazitäten und Arbeitsplätze gefährdet werden können. Im übrigen ist eine sektorale oder räumliche Destabilisierung des Arbeitsmarktes zu vermeiden. 14. Die Beschäftigungseffekte bei der Implementierung einer klima- und ressourcenschonenden Energiepolitik wurden in jüngster Zeit in zahlreichen Untersuchungen erforscht. Diese wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirkung energiepolitischer Maßnahmen auf die Beschäftigung kommen je nach Fragestellung, Methode und unterstellter Annahmenkonstellation zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, die von Beschäftigungsgewinnen bis zu Beschäftigungsverlusten reichen. Nach Auffassung von PROGNOS spricht vieles dafür, dass eine klimaschützende und ressourcensparende Energiepolitik ohne Beschäftigungsverluste umgesetzt werden kann. Je nach Aus- [Seite der Druckausg.: 26] gestaltung der Maßnahmen ist nach PROGNOS sogar mit positiven Tendenzen bei der Beschäftigung zu rechnen. III. Den Herausforderungen begegnen In Wettbewerbsmärkten muss und kann der Kunde größere Verantwortung übernehmen. 15. Die Liberalisierung der Energiemärkte und ihre zunehmende Internationalisierung machen es notwendig, die Rolle der Marktteilnehmer neu zu definieren. Der Kunde bzw. der Verbraucher rückt als Entscheidungsträger insbesondere im Bereich der leitungsgebunden Energien dabei stärker ins Blickfeld. Dies nicht nur, weil er sich bei funktionierendem Wettbewerb das aus seiner Sicht günstige Angebot auswählen kann. Auf Dienstleistungsangebote konzentrierte Wettbewerbsmärkte erlauben es dem Verbraucher auch, größere Verantwortung bei der Gestaltung der Energieversorgung zu übernehmen und durch sein eigenes (Markt-) Verhalten umzusetzen. Damit aber gilt es, energiepolitische Maßnahmen vor allem an den Verbraucher von Energie zu adressieren. Um internationale oder brancheninterne Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollten energiepolitische Maßnahmen möglichst wettbewerbsneutral sein. 16. Durch Zertifizierung und Deklaration der Herkunft und Erzeugung von Strom kann die Transparenz im Strommarkt erhöht werden, so dass die Verbraucher auch unter ökologischen Gesichtspunkten Orientierungsmöglichkeiten erhalten. Herstellung von Chancengleichheit im Wettbewerb national und EU-weit ist eine prioritäre Aufgabe der Politik. 17. Die deutsche Energiepolitik muss die weiterhin bestehenden nationalen Handlungsspielräume und ihre Einflussmöglichkeiten auf die EU-weiten und internationalen Maßnahmen nutzen, um ihre Ziele zu verwirklichen. 18. Bei den leitungsgebundenen Energien Strom und Gas gilt es sicherzustellen, dass allen Marktteilnehmern gleiche Netzzugangschancen eingeräumt werden; dabei müssen erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung ihre spezifischen Vorteile (u.a. dezentrale Erzeugung) angemessen zur Geltung bringen können. Eine Netzzugangsregelung muss diskriminierungsfrei, transparent und börsenfähig ausgestaltet sein. Bestehende technisch-physikalische Unterschiede zwischen der Gas- und Stromversorgung sind dabei zu berücksichtigen. Vorschläge der Wirtschaft (Verbändevereinbarungen) zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sind im Hinblick auf die energiepolitischen Zielsetzungen und die Auswirkungen auf den Energie-/Stromerzeugungsstandort Deutschland zu überprüfen und weiterzuentwickeln. [Seite der Druckausg.: 27] 19. Bei der Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien für Strom und Gas soll darauf hingewirkt werden, dass in allen Mitgliedstaaten der EU möglichst rasch eine vollständige Marktöffnung erfolgt. Unterschiedliche Auslegung und Umsetzung von Strom- und Gasrichtlinie dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Energiebinnenmarkts führen. Dafür muss die Europäische Kommission Sorge tragen; Deutschland muss seine politischen Möglichkeiten nutzen, darauf hinzuwirken. 20. Bei der nationalen und europäischen Fusionskontrolle ist zu beachten, dass angesichts der Internationalisierung der Energiewirtschaft deutsche Unternehmen entsprechende Handlungsspielräume haben, damit sie im Wettbewerb bestehen können. Im Hinblick auf die Entwicklung eines europäischen Binnenmarkts ist zu prüfen, ob die kartellrechtlichen Regelungen und ihre Anwendung ausreichen bzw. ausreichend ausgeschöpft werden. Die Fusionskontrolle hat darauf zu achten, dass Wettbewerb nicht eingeschränkt wird. Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstandards wie auch Energiesteuern sollten EU-weit harmonisiert werden. 21. Ungleiche Ausgangsbedingungen im neuen Binnenmarkt für Strom und Gas verzerren den EU-weiten Wettbewerb. Das europäische Umweltrecht beispielsweise enthält in vielen Bereichen Mindestnormen, die auf nationaler Ebene teilweise auf unterschiedlichem Niveau umgesetzt werden. Die Umweltstandards werden nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen durchgesetzt. Deutschland hat bereits ein hohes Niveau an Umwelt- und Sicherheitsstandards. Umwelt- und Sicherheitsstandards sind auf einem dem Ziel der Nachhaltigkeit angemessenen hohen Niveau zu harmonisieren. Gleichzeitig sind im Rahmen des Harmonisierungsprozesses Wettbewerbsnachteile zu Lasten deutscher Unternehmen zu verhindern. 22. Ein EU-einheitliches Energiesteuerkonzept ist nach wie vor dringend erforderlich, um Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, aber auch gegenüber außereuropäischer Konkurrenz abzubauen; dies muss in den Zusammenhang der Steuerharmonisierung insgesamt gestellt werden. Zur Vermeidung und Reduzierung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen sind außerdem wirksame Initiativen zur Harmonisierung der Arbeitsschutz- und Sozialstandards in der EU notwendig. Gemeinsame Aktionen für erneuerbare Energien und Energieeinsparung sind für den Klimaschutz und im Interesse von Ressourcenschonung erforderlich. 23. Es bedarf verstärkter Anstrengungen von Politik, Industrie und Verbrauchern, um die vorhandenen Energieeinsparpotenziale und Nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer Energien zu erschließen und damit zugleich einen wirksamen Beitrag zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele zu leisten. Dabei ist ein international koordiniertes Vorgehen anzustreben und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu berücksichtigen. [Seite der Druckausg.: 28] Besondere Herausforderungen für die nationale Politik ergeben sich auch aus den auf internationaler Ebene verhandelten Aktivitäten im Zusammenhang mit den flexiblen Instrumenten (joint implementation, clean development mechanism, emission trading.) Diese gilt es, auf globaler Ebene und EU-weit für einen ökologisch treffsicheren und ökonomisch effizienten Klimaschutz zu prüfen und ggf. fortzuentwickeln und nutzbar zu machen. 24. Der Beitrag der erneuerbaren Energien soll bis zum Jahre 2010 verdoppelt werden. Dabei ist es unter Beachtung des langfristigen Ziels subventionsfreier Versorgungsstrukturen geboten, diese Energien durch staatliches Handeln zu fördern. Die Förderung muss auf die Entwicklung eines sich selbst tragenden Marktes für die Nutzung erneuerbarer Energien ausgerichtet sein. Die Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen müssen an das veränderte wettbewerbliche Umfeld im Strommarkt angepasst werden. Die dynamische Entwicklung der letzten Jahre wird sich infolge der jüngst getroffenen Maßnahmen der Politik 100.000 Dächer-Solarstromprogramm und das neue Marktanreizprogramm zugunsten erneuerbarer Energien sowie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verstärkt fortsetzen. 25. Ziel der Verstärkung einer sparsamen und rationellen Energieverwendung ist es, die Energiedienstleistungen Licht, Wärme und Kraft kostengünstig und mit möglichst wenig Primärenergieeinsatz bereitzustellen. Dabei müssen die Möglichkeiten des wirtschaftlichen Energieeinsparens vorrangig genutzt werden. In bestimmten Verbrauchsbereichen (z.B. Gebäudebereich, Haustechnik, Elektrogeräte, Verkehr) trägt der Markt aus sich heraus nicht immer optimal zu einer rationellen Energieverwendung bei. Über die bestehenden nationalen und EU-weiten Regelungen hinaus sind alle Möglichkeiten für aus Gründen der Nachhaltigkeit sinnvolle zusätzliche Maßnahmen auszuschöpfen. Neben staatlicher Förderung sollten innovative Organisations- und Finanzierungskonzepte, wie Contracting, eingesetzt werden. 26. Erhebliche Einsparpotenziale bei der Wärmeversorgung können durch wärmedämm- und heizungstechnische Maßnahmen an Gebäuden der Industrie, des Gewerbes, der Dienstleistungsunternehmen und öffentlicher Einrichtungen sowie der privaten Haushalte und durch den Einsatz von hocheffizienten Wärmeerzeugern und KWK-Anlagen erschlossen werden. Die Industrie, in der bereits ein hohes Maß an Energieeffizienz erreicht ist, sollte im Rahmen von Modernisierungsprozessen kontinuierlich weitere Maßnahmen ergreifen. 27. Bei Gebäuden ist die Energieeinsparverordnung das zentrale Instrument, um wirtschaftliche Einsparpotenziale bei deren Energieversorgung zu nutzen. Die Verordnung muss bei Neubauten den Primärenergiebedarf berücksichtigen und so ausgestaltet werden, dass sie einfach zu handhaben und im Hinblick auf CO2-Minderungen zielkonform ist. Wichtig ist eine wirksame Umsetzung der Verordnung. [Seite der Druckausg.: 29] 28. Die erheblichen Einsparpotenziale bei der Wärmeversorgung im Gebäudebestand können im Verordnungswege nur begrenzt erschlossen werden. Hier bedarf es vor allem der Initiative der Verbraucher (Hausbesitzer, Vermieter, Mieter), die hierfür stabile Rahmenbedingungen benötigen. Durch den Abbau miet- und betriebskostenrechtlicher Hemmnisse können Anreize für Energiesparinvestitionen gesetzt werden. Verbraucher benötigen Transparenz über den Energiebedarf von Gebäuden und über den effizientesten Weg, Energie einzusparen. Staatliche Rahmensetzung trägt dazu bei, diese Transparenz z.B. durch die Anwendung des Energiebedarfsausweises im Gebäudebestand zu schaffen. Durch einen stimulierenden Mix aus Normensetzungen, staatlichen Anreizprogrammen (zum Beispiel zinsverbilligte Kredite von KfW und DtA, das neue Anreizprogramm des Bundes zugunsten erneuerbarer Energien), Förderprogrammen für Pilotprojekte und steuerliche Anreize sollen Investitionen in Einsparmaßnahmen an Gebäuden und haustechnischen Anlagen angestoßen werden. 29. Die rationelle Erzeugung von Strom setzt moderne, hocheffiziente Technologien in allen Lastbereichen voraus. Dazu gehören Grundlastkraftwerke ebenso wie der technisch, wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Anlagen. Techniken zur rationellen Stromerzeugung sollten sich auch im Wettbewerb behaupten können. Dies setzt geeignete Rahmenbedingungen voraus. Sollten sie vorübergehend Schwierigkeiten haben, sich im Wettbewerb zu behaupten, können zeitlich befristete Instrumente (z.B. das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) zur Überwindung dieser Schwierigkeiten eingesetzt werden. Hinsichtlich einer Langfristregelung ist zu prüfen, welche Rolle die KWK beim Klimaschutz in Zukunft spielen kann. Einen anhaltend positiven Beitrag zum Klimaschutz unterstellt, wird angestrebt, den Beitrag der Kraft-Wärme-Kopplung zu verdoppeln. Um dieses Ziel zu erreichen, wird über die Einführung einer progressiven, markt- und EU-konformen Quote bzw. eines Zertifikatshandels oder gleichermaßen wirksamer Instrumente diskutiert. 30. Durch die Senkung des Stromverbrauchs von elektrischen Geräten und Antriebssystemen, zum Beispiel durch Vermeidung von Leerlaufverlusten, und durch einen bedarfsoptimierten Gerätebetrieb können erhebliche Einsparpotenziale erschlossen werden. Zeitnahe Vervollständigung des technischen Normenwerks und eine aussagefähige Kennzeichnung der Energieeffizienz sind notwendige Voraussetzung für Fortschritte. Eine verbindliche Normung muss in den EU-rechtlichen Rahmen passen. Informationen und Aufklärung zur Stromeinsparung leisten einen ergänzenden Beitrag. 31. Bei der Bewirtschaftung von Gebäuden und Einrichtungen und durch den Ausbau des Energiesparmanagements sollte die öffentliche Hand eine Vorbild- und Schrittmacherfunktion einnehmen. Hinzutreten sollte eine breit angelegte Aufklärung und Beratung über den privaten Energieverbrauch, zum Beispiel durch ausgebildete Energieberater. [Seite der Druckausg.: 30] Der Verkehrsbereich steht vor besonderen energie- und verkehrspolitischen Herausforderungen Lösungen sollten in einem Verkehrsdialog entwickelt werden. 32. Das Ziel, im Verkehrssektor verstärkt die vorhandenen Energieeinsparpotenziale zu erschließen und die CO2-Emissionen zu reduzieren, ist durch ein am Gebot der Nachhaltigkeit orientiertes Handeln von Politik, Wirtschaft und Verbrauchern zu erreichen. 33. Die Verkehrswirtschaft, die Energie- und Verkehrspolitik müssen die Aufgabe lösen, eine wachsende Nachfrage nach Mobilität und das Erfordernis einer nachhaltigkeitsgerechten Verkehrsentwicklung zu verzahnen. Die Ausgestaltung von Infrastrukturen in einem integrierten Verkehrskonzept, die zukünftige Aufgabenteilung sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr, ein effizienter Energieeinsatz sowie die Auswahl geeigneter Energieträger sind dafür von wesentlicher Bedeutung. Bei der Erarbeitung einer energiepolitischen Konzeption ist deshalb dem Verkehrssektor aufgrund seines signifikanten Anteils am Energieverbrauch ein wichtiger Stellenwert zuzuordnen. Zu den verkehrsrelevanten Energiesparmaßnahmen, deren Wirksamkeit und Lenkungseffekte in einem Verkehrsdialog geprüft und bewertet werden sollten, gehören z.B.
34. Im motorisierten Verkehr bestehen unter Ausnutzung einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur und Fortführung einer technologisch anspruchsvollen Motorenentwicklung noch Einsparpotenziale beim Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bereits erzielte Einsparungen u.a. durch die deutliche Zunahme von Verkehrsleistungen kompensiert bzw. übertroffen wurden. Angesichts des prognostizierten Verkehrswachstums sind weitere Fortschritte in der Energieeffizienzsteigerung von konventioneller Fahrzeug- und Motorentechnik notwendig. [Seite der Druckausg.: 31] 35. Von der Fahrzeug- und Mineralölindustrie werden gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen gegenwärtig Möglichkeiten für alternative Kraftstoffe und Antriebssysteme ausgelotet. Der zunehmende Wettbewerb um die internationale Führungsposition bei neuen, besonders umweltverträglichen Antriebssystemen mit alternativen Energien schafft bereits heute Handlungsbedarf für die Fahrzeug- und Energieindustrie. Ein Markterfolg dieser Systeme, für deren Entwicklung bereits erhebliche Vorleistungen erbracht wurden, setzt voraus, dass möglichst europaweit eine flächendeckende Infrastruktur zur Versorgung der Fahrzeuge aufgebaut wird. 36. Öffentliche Verkehrsmittel können wegen ihrer häufig geringeren Schadstoffemissionen, ihres sparsamen Energieverbrauchs und ihrer hohen Energieeffizienz im besonderen Maße zu einer umweltverträglichen Mobilität beitragen. Infrastrukturverbessernde und attraktivitätserhöhende Maßnahmen sowie eine Optimierung innerhalb der öffentlichen Verkehrssysteme können diesen Trend verstärken (z.B. bessere Verzahnung des Fern- und Nahverkehrs sowie Erprobung und Nutzung alternativer Techniken wie der Brennstoffzelle). 37. Erhebliche Anstrengungen der Luftfahrtindustrie und -verkehrsunternehmen sowie der Flughafenwirtschaft sind notwendig, um die klimarelevanten Emissionen im Luftverkehr nachhaltig zu reduzieren. Dazu gehören weitere Fortschritte bei der Senkung des Treibstoffverbrauchs von Flugzeugen, eine bessere Verknüpfung der Verkehrsträger und ein effizienteres Luftverkehrsmanagement. Es wird angestrebt, den Bundestagsbeschluss für eine EU-weite Besteuerung der Flugkraftstoffe umzusetzen. Notwendig ist, rasch eine internationale Einigung herbeizuführen. 38. Im Verkehrsbereich wird auf eine Doppelstrategie Energieeinsparung und erneuerbare Energien gesetzt. Deshalb wird intensiv an einer weiteren Reduzierung der Energieverbräuche und an einer Strategie zum Aufbau einer neuen Energieinfrastruktur gearbeitet. Da der Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr nicht allein national begrenzt betrachtet werden kann, ist eine Einbettung in den europäischen und internationalen Kontext wichtig. Bei der Strategieerarbeitung sollen europäische Interessen sowie z.B. europäische Forschungsvorhaben rechtzeitig berücksichtigt werden können. Hemmnisse für Energieeinsparung und Nutzung erneuerbarer Energiequellen müssen abgebaut werden. 39. Damit die Investitionstätigkeit auf dem Gebiet der rationellen Energieverwendung und der regenerativen Energien beschleunigt und ausgebaut werden kann, ist es notwendig, die bestehenden wirtschaftlichen Hemmnisse abzubauen. Eine ökologische Ausrichtung des Steuersystems im EU-Kontext und eine Anpassung des staatlichen Regelwerkes bilden hierfür eine wesentliche Grundlage. [Seite der Druckausg.: 32] 40. Informationsdefizite über die Möglichkeiten und Vorteile von Energieeinsparmaßnahmen und des Einsatzes von erneuerbaren Energien müssen durch eine gezielte Aufklärung abgebaut werden. Informations- und Beratungsangebote sowie Fort- und Weiterbildungsangebote für einschlägige Berufsgruppen sind effizient und liegen auch im Interesse der Unternehmen. Staatliche Stellen können durch geeignete Rahmensetzung und ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit zum Abbau von Informationsdefiziten beitragen. Zusätzlich gilt es, Motivationsdefizite abzubauen. Neben mehr Aufklärung und Information tragen dazu auch freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft bei, die dazu führen, dass zum Beispiel industrielle und gewerbliche Verbraucher Investitionen in moderne Energieanlagen zeitlich vorziehen oder bei Dritten anstoßen. Energiemix ist eine Strategie zum Risikomanagement. 41. Ziel ist, Risiken auch unter den Voraussetzungen von Globalisierung und Liberalisierung über einen ausgewogenen Energiemix einzugrenzen. Dazu gehören ein angemessener Anteil von heimischen Energieträgern unter Einbeziehung der erneuerbaren Energien und die sparsame und rationelle Energienutzung. Die Bundesregierung sollte ihr politisches Handeln nach diesem Ziel ausrichten. 42. Eine deutliche Veränderung des Energiemixes ist notwendig. Sie ist allerdings nur schrittweise möglich und erfordert Zeit. Zentrale Bestandteile sind der Einsatz regenerativer Energien und eine deutliche Effizienzsteigerung beim Einsatz fossiler Energieträger. Als Vorsorge gegen Klimaveränderungen und aufgrund der Endlichkeit der Energievorräte muss der Beitrag der fossilen Energieträger perspektivisch reduziert und durch nicht endliche Energieträger ersetzt werden. Dabei müssen die technologische Entwicklung und Wirtschaftlichkeitsaspekte ebenso berücksichtigt werden wie die Ressourcensituation in Deutschland sowie die Nutzungsdauer der Anlagengüter im Energiesektor. Die Gefahr regionaler und sozialer Verwerfungen ist bei der Rahmensetzung zu beachten. 43. Steinkohle wird auch in Zukunft ein wichtiger Energierohstoff für die Stromerzeugung und für die Stahlproduktion in Deutschland bleiben. Der inländische Steinkohlenbergbau wird auch künftig einen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit in Deutschland leisten. Zugleich sichert der heimische Bergbau für die Zulieferindustrie technologischen Fortschritt und entsprechende Absatzchancen auf dem Weltmarkt. Allerdings wird der deutsche Steinkohlenbergbau, soweit absehbar, nicht wettbewerbsfähig sein und daher zu seinem Erhalt auf eine finanzielle Förderung angewiesen bleiben. Aufgabe der Politik ist es, den strukturellen Anpassungsprozess zur Erhaltung eines leistungs- und lebensfähigen Kernbergbaus wie vereinbart zu begleiten. Damit wird auch der unter dem Aspekt der langfristigen Versorgungssicherheit notwendige Zugang zu den Lagerstätten erhalten. In Brüssel muss aus diesen Gründen ein Kohlebeihilferecht durchgesetzt werden, das die Fortführung von Kohlebeihilfen in angemessenem Umfang auch nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages nach 2002 zulässt. [Seite der Druckausg.: 33] 44. Neben der heimischen Gasförderung ist die Braunkohle der einzige wettbewerbsfähige, subventionsfreie heimische Energieträger, der in größeren Mengen in Deutschland bereitgestellt wird. Er wird sich auch in Zukunft dem Wettbewerb stellen. Die Braunkohlennutzung bleibt aus Gründen der Versorgungssicherheit und aus struktur- und beschäftigungspolitischen Gründen wichtig. Das gilt in besonderem Maße für die Braunkohlennutzung in den neuen Bundesländern. Die zuständigen Landesbehörden haben in allen Revieren Rechtssicherheit für den Betrieb der Tagebaue geschaffen. Damit wird die Braunkohle einen wichtigen und stabilen Beitrag zur kostengünstigen Stromerzeugung in der Grundlast leisten. Für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung sind konsistente und kalkulierbare Rahmenbedingungen im internationalen Kontext erforderlich. An Neuaufschlüsse von Tagebauen zur Kapazitätsausweitung wird dabei nicht gedacht. Gewinnung und Nutzung erfolgen im Einklang mit den in Deutschland gültigen hohen Umwelt- und Sozialstandards. Elektrizitätswirtschaft und Braunkohlenbergbau haben erhebliche Vorleistungen für die Modernisierung von Kraftwerken und Tagebauen erbracht oder sich dazu verpflichtet. Seit 1990 sind die CO2-Emissionen aus Braunkohle um rund 50% zurückgegangen. Im Rahmen der Erneuerung und Modernisierung des Kraftwerksparks wird die Energieeffizienz kontinuierlich weiter steigen. 45. Trotz rückläufigen Verbrauchs wird Mineralöl in den nächsten zwei Jahrzehnten der wichtigste Energieträger zur Deckung des Primärenergiebedarfs bleiben. Die deutsche Mineralölversorgung steht auf einer breiten Basis von unterschiedlichen Lieferanten und Lieferregionen und ist damit heute unternehmerisch abgesichert. Zusätzlich gewährleisten Krisenvorsorgesysteme der Internationalen Energieagentur und der Europäischen Union sowie eine angemessene Mineralölbevorratung Sicherheit gegenüber zeitweiligen Versorgungsstörungen. Vor allem wegen der wieder wachsenden Marktmacht der OPEC-Staaten können Verknappungen des Angebots und starke Preisausschläge nicht ausgeschlossen werden. Um zur Versorgungssicherheit beizutragen, sind die internationalen Lieferbeziehungen durch einen Dialog zwischen Förder- und Verbraucherländern politisch zu flankieren. Deutschland ist ein bedeutender Raffineriestandort und bietet eine Vielzahl qualifizierter Arbeitsplätze. Zur Sicherung des Raffineriestandorts Deutschland ist innerhalb der EU politisch auf eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen hinzuwirken, insbesondere hinsichtlich der Umweltschutzvorschriften. 46. Aufgrund seiner Anwendungsvorteile nimmt der Erdgasanteil an der deutschen Primärenergiebilanz weiter zu. Auch in der Stromerzeugung steigt der Erdgasanteil weiter. Die Erdgaswirtschaft kann auf nennenswerte heimische Vorräte zugreifen, die derzeit etwa 20% des Gesamtbedarfs absichern. 80% des Erdgasaufkommens mit steigender Tendenz müssen jedoch von wenigen Produzentenländern (Russland, Norwegen, Niederlande) bezogen werden. Mit den Erdgasproduzenten bestehen langfristige Lieferverträge mit unbedingten Abnahmeverpflichtungen. Die Versorgungssicherheit wird in unternehmerischer Verantwortung u.a. durch die Integration in den europäischen [Seite der Druckausg.: 34] Erdgasverbund, durch weitere Investitionen in Untergrundspeicher, Leitungen etc. gewährleistet. Die Besonderheiten der Erdgasversorgung sind bei der Gestaltung energierechtlicher und energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Insbesondere besteht für die Politik die Aufgabe, wettbewerbliche Chancengleichheit z.B. durch Öffnung der Märkte in der EU zu schaffen. 47. Die erwartete Zunahme der Importabhängigkeit in der Versorgung mit fossilen Energieträgern erfordert einen Interessenausgleich zwischen den Liefer- und Verbraucherländern. Die Bundesregierung ist aufgefordert, diese Aufgabe flankierend auf politischer Ebene als wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit gemeinsam mit den europäischen Partnern wahrzunehmen. 48. Der Anteil der erneuerbaren Energien wird in den kommenden Jahren zunehmen. Ein steigender Beitrag der Regenerativen erhöht die Versorgungssicherheit und leistet in der Regel einen positiven Beitrag zur inländischen Wertschöpfung und zur Beschäftigung. Auch im Verkehrsbereich ist mit der Entwicklung alternativer Antriebskonzepte mit einem zunehmenden Einsatz regenerativ erzeugter Kraftstoffe zu rechnen. Insbesondere leisten erneuerbare Energien einen Beitrag zur technologischen Innovation und zur Stärkung des deutschen Anlagenbaus. Wachsende Absatzchancen haben Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien auf dem Weltmarkt. Für die deutschen Anlagenhersteller gilt es, diese zunehmenden Exportchancen zu nutzen. Durch die Förderung des Einsatzes regenerativer Energiequellen im deutschen Markt wird dies flankiert. 49. Verstärkte Energieeinsparung ist ein Beitrag zur Ressourcenschonung und ist ein zentrales Element der Energiepolitik. Eine Politik der Energieeinsparung führt durch die Verringerung des Energiebedarfs neben Umweltvorteilen zu höherer Versorgungssicherheit. Erforderliche Umstrukturierungen und Neuinvestitionen können im Bedarfsfall durch staatliche Maßnahmen gefördert und flankiert werden. Deutschland muss ein starker Energiestandort mit hoher inländischer Wertschöpfung bleiben. 50. Aus energie-, beschäftigungs- und technologiepolitischen Gründen muss es Ziel sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Deutschland ein starker Energiestandort mit hoher inländischer Wertschöpfung bleibt. Hierzu ist es notwendig,
51. Deutschland muss auch künftig ein starker Stromerzeugungsstandort bleiben. Um dies sicherzustellen, gilt es, für die deutsche Stromwirtschaft und den Anlagenbau Chancengleichheit im europäischen Wettbewerb zu schaffen. Eingriffe in den Strommarkt mit dem Ziel, den Marktanteil bestimmter Technologien/Energieträger auf Grund umwelt- oder sicherheitstechnischer/-politischer Überlegungen zu reduzieren, müssen berücksichtigen, durch welche anderen Technologien das Stromangebot substituiert werden kann. Stromimporte auf der Basis der gleichen Technologien, aber mit niedrigeren Umwelt- oder Sicherheitsstandards, sind keine Alternative zur heimischen Stromproduktion. Erhalt und Entwicklung von Beschäftigung ist ein zentraler Beitrag zur Stärkung des Energiestandorts Deutschland. 52. Zur Entwicklung des Energiestandortes gehört insbesondere die Erschließung neuer Absatz- und Beschäftigungsfelder. Arbeitsplatzwirksame Wachstumsfelder liegen z.B. in der mittelfristig anstehenden Erneuerung der Kraftwerkskapazitäten durch Investitionen in Erzeugungsanlagen im konventionellen Bereich und zur Nutzung von erneuerbaren Energien, im Ausbau von Energiedienstleistungen, in einer intelligenten Verkehrsorganisation u.a. durch Stärkung der umweltverträglichen Verkehrsträger ÖPNV, Bahn und Binnenschifffahrt, in der Modernisierung des Gebäudebestandes durch Wärmedämmung und Anlagentechnik sowie beim Export innovativer Technologien. 53. Verstärkte Energieeinsparung führt auch zu zusätzlicher Beschäftigung, zum Beispiel in der Bauwirtschaft und den vorgelagerten Wirtschaftssektoren oder den anlagenherstellenden Industriebranchen und den verarbeitenden Gewerken. Im liberalisierten Markt bietet außerdem die wachstumsträchtige Sparte Energiecontracting für EVU, Finanzdienstleister, Energieagenturen, Anlagenhersteller und Handwerksbetriebe sowie Betreibergesellschaften vielfältige Möglichkeiten, zur Überwindung von Energiesparhemmnissen beizutragen, ihre Angebotspalette für Kunden/Nutzer zu erweitern und damit vorhandene Arbeitsplätze zu sichern oder sogar neue zu schaffen 54. Beschäftigungseffekte von energiepolitischen Maßnahmen lassen sich nicht zu einem einheitlichen Trend zusammenführen. Art und Schwierigkeit des Anpassungsprozesses hängen vom Spezialisierungsgrad der Beschäftigten ab. Entsprechend differenziert müssen eventuelle beschäftigungspolitische Instrumente ausgelegt sein. Der Strukturwandel in der Energiewirtschaft macht eine entsprechende Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes erforderlich. Berufsberatung, Weiterqualifizierung, Aus- und Weiterbildung für die neuen Anforderungen des Marktes und innovativer Energie- [Seite der Druckausg.: 36] techniken sind Aufgaben in Verantwortung von Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und Wissenschaft. 55. Aufgabe der Politik ist die ggf. notwendige Flankierung in den Bereichen Energieeinsparung, Ausbau erneuerbarer Energien und Energiedienstleistungen durch geeignete Maßnahmen, z.B. marktorientierte Ausbildungsprogramme und finanzielle Anreize. Dies dient auch dem Beschäftigungsaufbau. Politisches Handeln im Hinblick auf Beschäftigungseffekte muss darauf ausgerichtet sein, dass dauerhafte neue Arbeitsplätze zu erwarten sind. Forschung und Entwicklung im Energiebereich sind unabdingbare Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft, in der die erneuerbaren Energien und nachhaltigkeitsgerechte Energietechnologien eine zentrale Rolle spielen müssen. 56. Forschung und Entwicklung im Energiebereich sind Aufgabe von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft. Durch gezielte F&E-Aktivitäten soll weiterhin die Entwicklung heute noch nicht wettbewerbsfähiger, innovativer Technologien sowie die Entwicklung neuer Energietechnologien unterstützt werden. Staatliche Energieforschungspolitik muss die energiepolitischen Zielsetzungen unterstützen und die Wirkung auf inländische Produktion und Arbeitsplätze berücksichtigen. Forschungseinrichtungen und Unternehmen müssen zusammenarbeiten, damit F&E-Ergebnisse, ggf. staatlich gefördert, möglichst schnell in marktfähige Produkte, Verfahren oder in neue Dienstleistungen umgesetzt werden (wie z.B. bei der Brennstoffzellentechnologie). Eine wichtige Aufgabe besteht für Staat und Wirtschaft auch bei der Entwicklung von Energieerzeugungs- und -nutzungstechnologien zur Lösung der Entwicklungs-, Umwelt- und Klimaprobleme der Länder der Dritten Welt. 57. Ziel einer auch an positiven Beschäftigungseffekten orientierten Stärkung des Energiestandortes Deutschland ist eine verstärkte Investitionstätigkeit in innovative Technologien, Verfahren und Dienstleistungen. Dies gilt sowohl für die klassischen Bereiche des Energiesektors als auch für die sparsame und rationelle Energienutzung und die Nutzung erneuerbarer Energien. Staatliche Förderung, z.B. für Forschung und Entwicklung, muss die Wirkung auf inländische Produktion und Arbeitsplätze berücksichtigen. [Seite der Druckausg.: 37] Lagebeschreibung Die Ausführungen beschreiben Daten zur energiewirtschaftlichen Situation und den Perspektiven; sie stellen die Basis für die im Energiedialog gefundenen Empfehlungen für Handlungsansätze dar. (1.) Die Energieversorgung basiert gegenwärtig auf einem Mix verschiedener Energieträger: Am Primärenergieverbrauch (PEV) in Deutschland im Jahre 1999 hat Mineralöl mit 39% den größten Anteil. Erdgas deckt 21% des PEV, Stein- und Braunkohle 13% bzw. 10%. Der Anteil der Kernenergie am PEV beträgt 13%. Die erneuerbaren Energieträger tragen zu 2,5% zum PEV bei. Bei der Stromerzeugung leisten Kernenergie (31%), Steinkohle (26%) und Braunkohle (24%) die größten Beiträge. Gas trägt zu 10%, und die erneuerbaren Energien tragen zu knapp 6% zur Stromerzeugung bei. (2.) Risiken für die Sicherheit der Energieversorgung können zum einen durch langfristige Verknappungen aufgrund der Ressourcensituation, zum anderen durch marktstrukturelle Risiken, z.B. aufgrund einer starken regionalen Konzentration der Ressourcen, bestehen. Die Versorgungssicherheit kann aber auch durch unzureichende Bewahrung der energietechnischen Infrastruktur im Inland etwa im Bereich der Transport- und Verteilungsnetze für Strom und Gas oder bei der Vorhaltung notwendiger Kapazitätsreserven beeinträchtigt werden. (3.) Aktuelle Studien (BGR) kommen zu dem Ergebnis, dass die gegenwärtig bekannten Gesamtreserven an fossilen Energieträgern für eine überschaubare Zeit eine ausreichende Versorgung mit Energierohstoffen erwarten lassen. Bis 2020 sind auch nach PROGNOS keine Engpässe bei der Verfügbarkeit kostengünstiger Energiereserven in Sicht. Dies schließt allerdings nicht aus, dass es kurzfristig zu erheblichen Preissteigerungen kommen kann. Mit weiteren technologischen Fortschritten bei der Ausschöpfung der vorhandenen Reserven, beim Aufspüren neuer Vorkommen und bei der Reduzierung der Förderkosten von nicht-konventionellen Energiereserven ist zu rechnen. (4.) Die Situation bei den einzelnen Energieträgern stellt sich sehr unterschiedlich dar. Die weitaus größten Energiepotenziale bei den fossilen Energieträgern sind in Form von Kohle verfügbar. Auf sie entfallen mehr als die Hälfte der Reserven und mehr als 90% der vermuteten gewinnbaren Ressourcen. Gemessen an der heutigen Förderung weist die Kohle zudem eine weitaus größere Reichweite auf als Öl und Gas. Zusätzlich zu konventionellen Erdöl- und Erdgasressourcen könnten langfristig auch nicht-konventionelle Ressourcen (u.a. Schweröl, Ölschiefer, Ölsand, Erdgas aus Kohlenflözen, Tiefengas) zur Energieversorgung beitragen. (5.) Angesichts der erwarteten weiteren Zunahme der Importabhängigkeit (nach Prognosen der EU-Kommission von heute 48% auf 63% in der EU und in Deutschland von derzeit 61% auf 73% im Jahre 2020) bestehen Risiken für die Sicherheit der Energieversorgung aufgrund einer starken regionalen Konzentration der Ressourcen insbesondere im Öl- und Erdgassektor. Risiken für die Ölversorgung können vor allem aufgrund der dominierenden Position der OPEC auf den Ölmärkten vermutet werden. Aktuelle Prognosen (IEA, EIA, PROGNOS) gehen davon aus, dass die Abhängigkeit der Weltölversorgung von Lieferungen der OPEC künftig noch zunehmen wird. Beim Erdgas können langfristig Risiken vorübergehender Versorgungsstörungen aufgrund der zu erwartenden starken Verbrauchsdynamik und der regionalen Segmentierung der Erdgasmärkte nicht ausgeschlossen werden. Eine Diversifizierung der Bezüge, die Integration in [Seite der Druckausg.: 38] den europäischen Erdgasverbund und der Aufbau umfangreicher Speicherkapazitäten sind Instrumente zur Bewältigung vorübergehender Lieferstörungen. Die Kohleressourcen sind regional zwar weit gestreut, heute stehen aber nur 13% der Weltkohleproduktion für den Handel zur Verfügung. Das Exportangebot konzentriert sich gegenwärtig zu zwei Dritteln auf Australien, Nordamerika und Südafrika. (6.) Allerdings steht der großen Abhängigkeit von Öllieferungen aus dem Nahen Osten und Russland und bei Gas zusätzlich aus Norwegen und den Niederlanden eine Abhängigkeit der Lieferländer von den Zahlungen gegenüber, die sie aufgrund dieser Lieferungen erhalten. Die Risiken werden außerdem durch den Verbund und den Risikoausgleich innerhalb der EU gedämpft. Für Krisen bei der Versorgung mit Öl sind wirksame Mechanismen im Rahmen der Internationalen Energieagentur geschaffen worden. (7.) Der Beitrag fossiler Energieträger zur Versorgungssicherheit ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihrer Reichweite und Verfügbarkeit zu betrachten. Vielmehr sind auch die Endlichkeit dieser Ressourcen und die mit ihrer Gewinnung und Nutzung verbundenen Umweltauswirkungen zu beachten. Die möglichst sparsame Nutzung dieser Energieträger und die Energieeinsparung tragen auch zur Erhöhung der Versorgungssicherheit bei, denn jede eingesparte Energieeinheit braucht nicht aus anderen Quellen bereitgestellt zu werden. Sofern Maßnahmen zum Energieeinsparen und zur rationelleren Energieverwendung wirtschaftlich vorteilhaft sind, ist diesen Vorrang einzuräumen. Auch heute noch nicht wirtschaftliche Maßnahmen können sich aus Klimaschutzgründen zukünftig erforderlich erweisen. Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit. Hierfür sind der technologische Fortschritt und deren Wirtschaftlichkeit entscheidend. (8.) Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Energiesektors [Der Sektor umfasst in diesen Betrachtungen den Kohlebergbau, die Erdöl- und Erdgasgewinnung, die Mineralölverarbeitung, die industrielle Herstellung von Spalt - und Brutstoffen, die Kokereien und die Elektrizitäts - , Gas - und Fernwärmeversorgung.] in Deutschland ist wegen seines Infrastrukturcharakters für alle Wirtschaftsbereiche außerordentlich hoch, auch wenn sein zahlenmäßiger Anteil bezogen auf die Gesamtwirtschaft eher gering ist. An der Beschäftigung aller Wirtschaftsbereiche hat der Energiesektor mit gut 400.000 (1998) einen Anteil von 1,1%. Im Kernenergiebereich sind gegenwärtig je nach Abgrenzung zwischen 23.000 und 38.000 Beschäftigte tätig. Auffällig ist die hohe Produktivität und die hohe Kapitalintensität der Energiebereitstellung: Der Anteil der Wertschöpfung liegt im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft bei 2,2%, bei den Anlageinvestitionen liegt er sogar bei 3,5%. (9.) Die Zahl der Beschäftigten in der Energiewirtschaft ist in den letzten Jahren in allen Bereichen zurückgegangen, zum Teil kräftig. Verursacht wurde diese Entwicklung vor allem durch den Umbruch in den neuen Bundesländern, durch die Rückführung der heimischen Steinkohleförderung sowie durch fortlaufende Rationalisierungsbemühungen, die sich im Zuge der Liberalisierung im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung eher verstärken dürften. So weisen von 1991 bis 1997 [ Aktuellere vergleichbare Zahlen liegen nicht vor.] der Bergbau auf Energieträger einen Rückgang der Erwerbstätigen von 252.000 auf 120.000, die Mineralölverarbeitung von 44.000 auf 22.000 und die leitungsgebundene Energieversorgung von 361.000 auf 300.000 aus. Damit sind in diesem Zeitraum insgesamt rd. 215.000 Arbeitsplätze im Bereich der Energiewirtschaft weggefallen. Besonders stark waren die neuen Bundesländer betroffen, wo allein im Braunkohlebergbau im Jahre 1999 fast 128.000 Personen oder 92% weniger beschäftigt waren als 1989. Kräftige Beschäftigungseinbußen werden auch in den Bereichen des Kraftwerksbaus befürchtet, die von den Auswirkungen der Liberalisierung vor allem auf dem Strommarkt betroffen sind, namentlich auch die Hersteller von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen und von GuD-Kraftwerken. Auf der anderen Seite bleibt jedoch festzuhalten, dass im Rahmen der Umstrukturie- [Seite der Druckausg.: 39] rung in der Energiewirtschaft auch neue Arbeitsplätze entstanden und entstehen werden, z.B. in den Bereichen Energiemarketing, Energiedienstleistungen und Energieträgerumstellung. (10.) Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung energiepolitischer Maßnahmen auf die Beschäftigung kommen je nach Fragestellung, Methode und unterstellter Annahmenkonstellation zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, die von Beschäftigungsgewinnen bis zu Beschäftigungsverlusten reichen. Nach Auffassung von PROGNOS spricht vieles dafür, dass eine klimaschützende und ressourcensparende Energiepolitik ohne Beschäftigungsverluste umgesetzt werden kann. Je nach Ausgestaltung der Maßnahmen ist sogar mit positiven Tendenzen bei der Beschäftigung zu rechnen. Die PROGNOS-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich stärkere positive Arbeitsplatzeffekte insbesondere in den Sektoren Bau und Ausbau, Maschinenbau und Verkehr, vor allem bedingt durch Herstellung und Montage von energiesparenden Techniken bzw. durch verstärkte Nachfrage bei ÖPNV und Bahn ergeben. Dies schließt auch neue Betätigungsfelder ein, etwa im Bereich Organisation der Verkehre sowie Energieberatung und -dienstleistung. Nach PROGNOS-Berechnungen ergibt sich beispielsweise bei Umsetzung eines Reduktionsszenarios, das eine 25%ige Verringerung der CO2-Emissionen bis 2005 und eine 40%ige Senkung bis 2020 unterstellt, ein Nettoeffekt an zusätzlichen dauerhaften Arbeitsplätzen. (11.) Unabhängig von Art und Umfang des Nettoeffekts ist zu beachten, dass bei einer energiepolitischen Neuorientierung die Auswirkungen auf den physischen Kapitalbestand und das vorhandene Humankapital zu berücksichtigen sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte der Energiewirtschaft wieder einen Arbeitsplatz in dieser Branche finden, kann im Hinblick auf die unterschiedlichen Qualifikationsstrukturen und die regionale Wirtschaftsstruktur nicht allzu hoch veranschlagt werden. (12.) Die Europäische Union hat sich für einen länderübergreifenden, wettbewerbs- und effizienzorientierten EU-Binnenmarkt in allen Sektoren der Energiewirtschaft entschieden. Die Startbedingungen für den europäischen Strom- und Gasmarkt sind dabei höchst unterschiedlich. Fehlende Chancengleichheit im liberalisierten Markt kann erhebliche Auswirkungen auf die Marktchancen und damit die Beschäftigung bei den im Wettbewerb benachteiligten Unternehmen haben. Während Länder wie Großbritannien, Schweden, Finnland und Deutschland ihre nationalen Strommärkte umfassend liberalisiert haben, geschieht die Marktöffnung beispielsweise in Frankreich mit erheblichem Zeitverzug und lediglich in Orientierung an den Mindestvorgaben der EU-Richtlinie. Dies führt zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Länder, die ihre Kunden und Energiewirtschaft schon heute sehr weitgehend in den Wettbewerb entlassen haben. (13.) Auch in den Bereichen der Umwelt- und Abgabenpolitik sind in Europa zwischen den Mitgliedstaaten zum Teil erhebliche Unterschiede festzustellen, die zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen. Im Umweltschutz und hier gerade in der Luftreinhaltepolitik sind in Deutschland sehr hohe Standards erreicht worden. Diese unbestritten wichtigen und nicht umzukehrenden Umweltschutzanforderungen am Standort Deutschland führen zu Kosten, die internationale Wettbewerber nicht in diesem Ausmaß tragen müssen. Über das konkrete Ausmaß der dadurch verursachten Kostennachteile der deutschen Energiewirtschaft liegen allerdings keine aktuellen Untersuchungen vor. (14.) PROGNOS kommt in der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegebenen Studie Die längerfristige Entwicklung der Energiemärkte im Zeichen von Wettbewerb und Umwelt zu dem Ergebnis, dass der Primärenergieverbrauch bei wachsendem Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 1998 und 2020 um 5% sinkt. PROGNOS geht dabei davon aus, dass das BIP im Jahr 2020 um 50% über dem Ausgangswert von 1998 liegt. Der Primärenergieverbrauch wird erstmals ab 2010 abnehmen. [Seite der Druckausg.: 40] (15.) Nach PROGNOS wird der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis 2020 von 2,4% auf 4,4% zunehmen. Der Anteil regenerativ erzeugten Stroms an der Gesamtstromerzeugung erhöht sich im Prognosezeitraum von 5,7% auf 10,6%. Die Windkraft wird sich dynamisch entwickeln und erstmals in 2020 die Wasserkraft als dominierende erneuerbare Energie in der Stromversorgung überholen. PROGNOS geht dabei davon aus, dass bei den meisten erneuerbaren Energien die Wirtschaftlichkeit unter den gegebenen Rahmenbedingungen angesichts der moderaten Energiepreisentwicklung nicht erreicht und das technische Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft wird. (16.) Die Energieeffizienz wird nach PROGNOS in allen Teilbereichen des Energieverbrauchs im Prognosezeitraum deutlich zunehmen:
(17.) Im Verkehrssektor wird nach PROGNOS der gesamte Endenergieverbrauch ab 2010 erstmals trendmäßig sinken. Erwartet wird, dass der Endenergieverbrauch des Verkehrs bis zum Jahr 2010 zunächst ansteigen, danach zurückgehen und im Jahr 2020 in etwa wieder das Niveau von 1997 erreichen wird (Rückgang des Anteils des Straßenverkehrs am gesamten Energieverbrauch um gut 4% Punkte auf 82% im Jahr 2020). PROGNOS geht davon aus, dass hierfür ausschließlich die Entwicklung im Personenverkehr ausschlaggebend ist. Im Straßengüterverkehr und im Luftverkehr wird weiterhin eine deutliche Zunahme des Energieverbrauchs erwartet (Luftverkehr über 40%). PROGNOS geht dabei von einem weiterhin ungebrochenen Wachstum der Verkehrsleistungen aus, dessen verbrauchserhöhender Effekt durch die Reduktion des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs der Pkw auf 6,1 l/100 km langfristig zum Teil kompensiert wird. Im Straßengüterverkehr soll die Reduktion des durchschnittlichen Verbrauchs allerdings nicht ausreichen, um die Zunahme der Transporte auszugleichen. (18.) Die CO2-Emissionen sinken nach Einschätzung von PROGNOS bis 2020 allerdings nur noch mäßig. Gegenüber 1990 beträgt der erwartete Rückgang der CO2-Emissionen bis 2005 14%, hauptsächlich verursacht durch den Strukturwandel in den neuen Bundesländern, und bleibt danach etwa konstant. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2000 |