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TEILDOKUMENT:

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II. Vor- und Nachteile der bestehenden Kommunikationsordnung




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1. Trennung statt Vernetzung

Die Wirklichkeit der politischen Strukturen in Deutschland ist weit von diesen neuen technisch-wirtschaftlichen Gegebenheiten entfernt. Sie ist orientiert an den Strukturen der analogen IuK-Welt, die nicht auf dem Prinzip der Vernetzung, sondern der Abgrenzung und Trennung („Säulenstruktur„) beruhen.

Das Prinzip der Trennung spiegelt sich auf drei Ebenen wider:

  • der medialen Ebene:
    Individual- und Massenkommunikation, Presse, Rundfunk, Medien- und Teledienste sowie sonstige individuelle Telekommunikationsdienste werden als jeweils eigenständige „Säulen„ innerhalb des Kommunikationssystems angesehen, die ganz unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterworfen werden.

  • der politisch-sektoralen Ebene:
    Telekommunikationspolitik, Medienpolitik, Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Technologie-Politik, Arbeitsmarktpolitik, Bildungs- und Kulturpolitik, Urheberrecht und Datenschutz, um nur einige wenige Bereiche zu nennen, bilden jeweils eigenständige politische Handlungsfelder, die nicht nur auf der Zuständigkeitsebene, sondern auch in der Ausgestaltung des rechtlich-politischen Handlungsinstrumentariums weitgehend voneinander getrennt sind.

  • der Ebene politischer Zuständigkeiten:
    Während die Länder für alle inhaltsorientierten Fragen der Medien zuständig sind, liegt die Verantwortung für die übrigen Politikfelder im Wesentlichen beim Bund. Daneben gewinnt die übergreifende Regelungskompetenz der EU wachsende Bedeutung, soweit es um die Ausgestaltung des wirtschaftlichen, wettbewerbsrechtlichen und technologiepolitischen Handlungsrahmens geht.

Wie sich das Prinzip der Trennung der Zuständigkeiten in der Praxis auswirkt, soll am Beispiel der Verteilung der Aufsichtsfunktionen verdeutlicht werden. Die Aufsichtsfunktionen sind entlang der Abgrenzungslinien zwischen den einzelnen Medien bzw. Diensten nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern teilweise auch innerhalb der Bundes- und Landesebene selbst voneinander abgegrenzt und auf eine Vielzahl unterschiedlicher Stellen verteilt. Das Schaubild „Externe Aufsicht von Bund und Ländern nach Dienstetypen„ verdeutlicht dies.

Die Überschneidungen der Regulierungsfunktionen führen zwangsläufig zu Koordinierungsproblemen. Sie gehen einher mit Verfahrensverzögerungen und Reibungsverlusten durch zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwand zu Lasten aller Beteiligten.

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Externe Aufsicht von Bund und Ländern nach Dienstetypen (Status quo)

Quelle: Hoffmann-Riem / Schulz / Held, S. 42.

Nur am Rande und in Teilgebieten gibt es Ansätze einer Verschränkung der Zuständigkeiten. Zu erwähnen ist hierbei die Mitwirkung der Länder über den Bundesrat an der zentralstaatlichen Normsetzung, so etwa beim Erlass von Rechtsverordnungen zum TKG, soweit Fragen des Rundfunks berührt sind (z.B. §§ 46 f. TKG). Auch die Beteiligung der Länder am Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post und dessen Mitwirkungsrechte bei wichtigen den Rundfunk betreffenden Entscheidungen, sind hier zu nennen.

Die medienrechtliche Zuständigkeit der Länder kommt schließlich auch auf europäischer Ebene gemäß Artikel 23 GG zum Tragen. Demnach haben die Länder bzw. der Bundesrat ein weitgehendes Mitwirkungsrecht an allen die Zuständigkeit der Länder betreffenden Angelegenheiten.

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2. Vorteile: Überschaubarkeit und Machtkontrolle

Es wäre ohne Zweifel verfehlt, das bisherige politische Ordnungssystem pauschal abzuwerten. Unter den Bedingungen des analogen IuK-Systems war die „Säulenstruktur„ durchaus funktionstüchtig und hatte manche unbestreitbar positiven Effekte:

2.1 Die Trennung von Presse, Rundfunk und Individualkommunikation ist verknüpft mit jeweils eigenständigen, in sich kohärenten rechtlichen Ordnungsstrukturen.

  • Der Presseordnung liegt ein individualrechtliches Freiheitskonzept zugrunde, das sich in einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur manifestiert, die lediglich einigen allgemeinen ordnungsrechtlichen „Spielregeln„ in Gestalt des Presserechts unterworfen ist.

  • Demgegenüber wird Rundfunkfreiheit als institutionelle Freiheit verstanden, die einer umfassenden gesetzlichen Ordnung und Ausgestaltung bedarf, wobei es innerhalb des Rundfunks wiederum die beiden eigenständigen Säulen des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks gibt.

  • Die Individualkommunikation ist von inhaltlichen Regelungen völlig freigestellt und unterliegt lediglich der fernmelderechtlichen Regulierung.


2.2 Mit dieser Säulenstruktur sind Aspekte der Aufteilung und Begrenzung von Machteinflüssen verbunden. Sie kommen ebenso auf der binnenstrukturellen Ebene wie auf der Ebene der politischen Zuständigkeitsverteilung zum Tragen.

Auf der binnenstrukturellen Ebene zeichnete sich das traditionelle Mediensystem in Deutschland durch mehrere machtbegrenzende Elemente aus:

  • Kennzeichnend war – jedenfalls über lange Zeit – eine relativ klare Trennung der Eigentumsstrukturen zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenpresse, Hörfunk und Fernsehen. Dies galt insbesondere während der Zeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols. Auch nach Einführung des privaten Rundfunks blieben Zeitungsverlage im Wesentlichen auf Beteiligungen am lokalen und regionalen Hörfunk beschränkt; das Fernsehen war die Domäne der großen Zeitschriften- und Medien-Konzerne.

    Die lange Zeit bestehende Trennung zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenpresse (von wenigen Ausnahmen abgesehen) wurde erst mit der Wiedervereinigung durchbrochen, als die großen westdeutschen Zeitschriftenverlage im Verbund mit einigen finanzstarken Zeitungsverlagen (wie z.B. dem WAZ-Konzern, dem Rheinpfalz-Verlag, dem Verlag DuMont Schauberg) in den ostdeutschen Pressemarkt eindrangen und ihn im Wesentlichen unter sich aufteilten.

  • Von mindestens ebenso großer Tragweite war die Trennung zwischen Inhalten bzw. Produktion und Verbreitung; es galt das Prinzip der Neutralität der Verbreitungswege. Besonders deutlich war dieses Prinzip im Rundfunkwesen ausgeprägt, wo das technische

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    Verbreitungsmonopol (von den öffentlichen-rechtlichen Sendernetzen abgesehen) in der Verantwortung der Bundespost bzw. Telekom lag, die ihrerseits von der Rundfunkveranstaltung ausgeschlossen waren. Ähnliches gilt aber – unter anderen Voraussetzungen – auch für das Pressewesen mit dem System des verlagsunabhängigen Pressegrosso.

  • Noch unmittelbarer tritt das Prinzip der Gewaltenteilung auf der staatlichen Regulierungsebene in Erscheinung. Die Aufteilung zwischen der medienrechtlichen Kompetenz der Länder und den wirtschafts- und fernmelderechtlichen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes impliziert eine gegenseitige Machtbegrenzung und -kontrolle, die noch dadurch verstärkt wird, dass die Zuständigkeiten auf Länderebene wiederum auf 16 politisch unterschiedlich gefärbte Bundesländer aufgeteilt sind.


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3. Kritik: Der bestehende Ordnungsrahmen ist nicht mehr funktionsadäquat

Mit dem Übergang vom analogen zum digitalen IuK-Systems und der Ablösung der „Säulenstruktur„ durch eine Netzstruktur wird diesem überkommenen Ordnungssystem die Grundlage entzogen. Die Dysfunktionalität zeigt sich besonders deutlich auf folgenden Ebenen:

  • Beispiel Medienordnungsrecht

    Im Zuge der Erweiterung und der Integration bzw. Verknüpfung der digitalen Übertragungs- und Mediensysteme werden fließende Übergänge zwischen Presse, Rundfunk und Individualkommunikation geschaffen. Die rechtliche Ausdifferenzierung von Rundfunk, Medien- und Telediensten stellt einen Versuch dar, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Starrheit unseres Mediensystems wird dadurch jedoch nur gelockert, nicht grundsätzlich geändert. Wenn, wie im Internet, die verschiedensten Formen und Inhalte in dem Angebot eines Diensteanbieters zusammenfließen, gibt es wenig Sinn, auf der Ebene der Regulierung und Kontrolle diesen Zusammenhang wiederum künstlich zu zerreißen. Dies führt bei den Anbietern zu Unsicherheiten, auf der Kontrollebene, zu unnötigen Reibungen und zu Ineffizienz. Die Inhalts- und Formenvielfalt der vernetzten digitalen Welt erfordert einen wesentlich flexibleren Ordnungsrahmen, wobei die entscheidende Frage sein wird, wie weit es für den kommerziellen Mediensektor überhaupt noch einer eigenständigen medienrechtlichen Regulierung bedarf. Das bestehende System gegliederter, aber nach wie vor in sich geschlossener ordnungsrechtlicher Regelungen für Presse, Rundfunk, Medien- und Teledienste wird voraussichtlich nur noch für eine Übergangszeit Bestand haben können.

  • Beispiel Marktregulierung / Konzentrationsabwehr

    Das geltende Instrumentarium der Konzentrationsabwehr beruht auf einer prinzipiellen Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und publizistischer Konzentration und einer daran orientierten Trennung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sowohl auf der Gesetzgebungs- als auch auf der Verwaltungsebene. Während das Kartellrecht des

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    Bundes von einem räumlich und funktional sehr differenzierten System der Marktregulierung ausgeht, ist die maßgebliche Bezugsgröße für die medienrechtliche Konzentrationskontrolle der „Rundfunk„ als Gesamtbegriff. Der Einfluss eines Unternehmens auf andere publizistische Märkte außerhalb des Rundfunks bildet lediglich eine Randgröße, die in Grenzfällen als ergänzendes Element in die Betrachtung einbezogen wird.

    Die Vernetzung der Übertragungssysteme und der verschiedenen Anwendungsformen der Telekommunikation wird jedoch zwangsläufig auch zu einer Vernetzung der Märkte führen. Kabelnetzbetreiber werden das Interesse haben, eigene digitale Plattformen zusammenzustellen, sie werden Programmpakete bilden und vermarkten und möglicherweise selbst als Diensteanbieter auftreten wollen. Technisch-wirtschaftliche Machtstellungen schaffen Möglichkeiten der publizistischen Einflussnahme. Dabei ist die eine Ebene nicht mit den Kategorien der medienrechtlichen Konzentrationskontrolle, die andere nicht mit denen des Kartellrechts erfassbar. Erst in der Gesamtbetrachtung der inneren Vernetzung wird das Potential möglicher Einflussnahme sichtbar.

    Entsprechendes gilt für die Beziehung zwischen Veranstalter- und Programmmärkten. Mit dem Ausbau digitaler Plattformen und der Einführung von Pay-TV und Pay-Per-View wächst auch die Nachfrage nach Programmen, mit der Folge, dass sich die Machtbalance zugunsten der Programmproduzenten und Rechteinhaber verschiebt und damit auch hier die Vernetzung beider Märkte zunehmend zum Problem wird. Vom Regulierungsregime des Rundfunkrechts wird jedoch nur die Veranstalterebene erfasst, während die Programmmärkte in die wirtschaftsrechtliche Regulierungssphäre des Bundes fallen.

    Mit der Dynamik der Marktentwicklung wachsen gleichzeitig die Anforderungen an die Reaktionsgeschwindigkeit der Kontrollinstanzen. Die geplante Fusion von Bertelsmann / Kirch / Telekom ist ein Beispiel für die Notwendigkeit einer kohärenten, möglichst straffen Wettbewerbskontrolle. Die Durchführung hintereinander geschalteter Prüfungsverfahren auf europäischer und nationaler Ebene, auf letzterer aufgeteilt zwischen einer wettbewerbsrechtlichen und einer medienrechtlichen Konzentrationskontrolle, wäre unter den gegebenen Umständen für die beteiligten Unternehmen unzumutbar und vermutlich nicht durchsetzbar gewesen.

  • Beispiel Lizenzierung

    In einem voll ausgebauten digitalen Übertragungssystem wird die Knappheit an Übertragungskapazitäten kaum noch eine Rolle spielen. Damit entfällt aber auch ein wesentlicher Rechtfertigungsgrund für das bisherige System der rundfunkrechtlichen Lizenzvergabe.

    Dennoch wird es auch künftig Engpässe und Problemzonen geben, die eine Regulierung erfordern. So z.B. bei der Ausgestaltung und Zugangsregelung von digitalen Plattformen und Navigationssystemen, Programmbouquets und Vertriebs bzw. Vermarktungssystemen, bei der Ausgestaltung der Netze und

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    der Set-Top-Boxen, bei der Verteilung der Übertragungskapazität zwischen Rundfunk und anderen Diensten (Bit-Raten-Management, Multiplexing), bei der Ausgestaltung und Zugangsregelung zu Abrechnungs- und Vermarktungssystemen, beim Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz.

    Das zentrale Problem wird dabei allerdings nicht der Zugang als solcher, sondern die Sicherung eines chancengleichen, diskriminierungsfreien Zugangs sein und die Gewährleistung eines offenen und fairen Wettbewerbs, u.a. durch die Normierung einheitlicher technischer Standards und offener Schnittstellen. Technisch-wirtschaftliche und inhaltlich-publizistische Sachverhalte greifen dabei untrennbar ineinander. Entscheidungen auf der Ebene der technischen Infrastruktur können wesentlich größere Bedeutung für publizistische Zugangs- und Gestaltungsmöglichkeiten haben als die klassischen medienrechtlichen Regulierungsansätze. Das System der Zugangskontrolle wird tendenziell abgelöst durch ein Regulierungssystem der Zugangsöffnung.

    Ganz neue Interessenlagen kommen ins Spiel, wenn im Zuge der Privatisierung des Kabelnetzes der Telekom ein offener Wettbewerb zwischen den Betreibern schmalbandiger Telefon- und breitbandiger Kabelnetze entsteht, insbesondere dann, wenn die Kabelnetze zu interaktiven Netzen ausgebaut und über diese Netze auch Online-Dienste mit einer breiten Palette von E-Commerce-Anwendungen realisiert werden können. Die Vorstellung vom Kabelnetz als primäres Übertragungsmedium für Rundfunk, dessen Nutzung daher auch der vorrangigen oder gar ausschließlichen Regelung durch die Länder unterliegt, gehört dann endgültig der Vergangenheit an. Rundfunk und E-Commerce und damit auch die Regelungshoheit der Länder und des Bundes geraten in unmittelbare Konkurrenz.

Es wäre ein Kurzschluss, aus den vorstehenden Überlegungen zu folgern, dass die Medienkonvergenz zwangsläufig auch zur Aufhebung der bestehenden verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern führen muss. Die Grundfrage wird zunächst sein, wie weit der inhaltliche Regelungs- und Gestaltungswille der Länder in Wahrnehmung ihrer medienrechtlichen Gesetzgebungskompetenz überhaupt noch reicht und welchen tatsächlichen politischen Gestaltungsspielraum sie dabei noch haben werden. Wird ein entsprechender Regelungsauftrag bejaht, kann er nur dann effektiv wahrgenommen werden, wenn die Methoden und das Verfahren der Regulierung funktionsadäquat zu dem zu regulierenden Sachverhalt sind.

Im Hinblick auf das digitale IuK-System erfordert dies die Entwicklung neuer Regulierungskonzepte, die nicht mehr so sehr darauf ausgerichtet sind, die Marktkräfte zu bremsen, sondern sie zur Entfaltung zu bringen und dafür einen für alle Akteure transparenten, in sich homogenen Ordnungs- und Handlungsrahmen bereitzustellen. Die Funktionen des Staates werden sich von der hoheitlichen Genehmigungs- und Eingriffsverwaltung hin zur reinen Ordnungspolitik verlagern. Der Staat wird Spielregeln setzen und deren Einhaltung kontrollieren und im Übrigen seine Aufgabe darin sehen müssen, die Kräfte des Marktes und die Eigenverantwortung seiner Akteure zu aktivieren.

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4. Schwächung der politischen Steuerungsmöglichkeiten und Bedeutungsverlust der Länder

Die enorme Eigendynamik der technisch-wirtschaftlichen Kräfte, die die „digitale Revolution„ vorantreiben, verbunden mit der zunehmenden Globalisierung der Netze und Märkte, führt zwangsläufig zu einem zunehmenden Machtgefälle zwischen Wirtschaft und Politik. Ausbau und Veränderungen des Mediensystems werden ganz offenkundig immer mehr von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Blickt man auf die Entwicklung der Mediengesetzgebung der Länder seit dem ersten Rundfunkänderungs-Staatsvertrag und auf die Arbeit der Landesmedienanstalten zurück, so muss man zu der ernüchternden Feststellung kommen, dass sie im Wesentlichen nur das Marktgeschehen nachvollziehen. Entwicklungen, die bereits eingetreten sind (wie die lizenz- und anmeldefreie Einführung von Online-Diensten) oder die ohnehin nicht mehr aufhaltbar sind (wie die schrittweise Lockerung der Werberestriktionen im kommerziellen Rundfunk) werden lediglich (nachträglich) sanktioniert.

Der Widerspruch zur Verfassungsrechtsprechung, die den Primat der Gesetzgebung und damit der Politik bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung fordert, wird immer offenkundiger. Die Länder als einzelne, aber auch in ihrer Gesamtheit, sind angesichts der Begrenztheit ihrer fachlichen und normativen Kompetenzen, nicht zuletzt aber auch aufgrund ihrer Standortkonkurrenz, außerstande, diese Entwicklung noch nach eigenen politischen Zielen zu steuern. Der Bund mit seinen ebenso begrenzten Zuständigkeiten kann das entstehende medienpolitische Regelungsvakuum nicht schließen. Doch mit zunehmendem Gewicht des technisch-wirtschaftlichen Sektors verlagert sich die politische Führungsrolle automatisch auf den Bund und auf die europäischen Institutionen.

Die Hauptleidtragenden dieser Entwicklung sind demnach die Länder, auch wenn sie sich dessen offensichtlich noch nicht bewusst sind. Je mehr sie auf Eigenständigkeit und Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten beharren, desto mehr berauben sie sich selbst ihres Einflusses. Im Wesentlichen wird er sich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie den Regional- und Lokalfunk reduzieren. Die bevölkerungsstärksten und finanzkräftigsten Länder können sich zwar noch in der Hoffnung wiegen, mit hohem Subventionsaufwand Standortentscheidungen von Medienunternehmen zu beeinflussen, wobei sie sich aber aufgrund ihres eigenen Konkurrenzverhaltens weitgehend den Erpressungstaktiken der großen Medienkonzerne ausliefern. Auf die wirklich strategischen Entscheidungen können auch sie dagegen kaum Einfluss nehmen.

Gleichzeitig werden aufgrund der Zersplitterung der Zuständigkeiten die Chancen geschwächt, deutsche Interessen wirkungsvoll nach außen, auf der europäischen bzw. internationalen Bühne, zu vertreten. Die umständlichen, und zeitraubenden, mit viel gegenseitigem Misstrauen verbundenen Abstimmungsprozesse zwischen Bund und Ländern erzeugen Reibungsverluste. Außerdem führen Konkurrenzdenken und politische Interessenkonflikte dazu, dass wichtige Entscheidungen verschleppt werden und man sich am Ende auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner einigt.

Eine (Re-)Aktivierung des politischen Gestaltungsanspruchs im Bereich des Kommunikati-

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onswesens wird nur durch ein Zusammenwirken von Bund und Ländern mit ihren jeweiligen Zuständigkeiten gelingen. Nur gemeinsam können sie der dringend erforderlichen Aufgabe nachkommen, politische Zielvorgaben und einen normativen Ordnungsrahmen für Ausbau und Nutzung des Kommunikationssystems zu entwickeln, der den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen Rechnung trägt und den diversen Akteuren verlässliche Orientierungsdaten an die Hand gibt.

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5. Fehlender öffentlicher Diskurs

Obwohl die „digitale Revolution„ uns mit Veränderungen konfrontiert, die tief in unsere gesamten gesellschaftlichen und privaten Lebensverhältnisse eingreifen, findet ein öffentlicher Diskurs hierüber so gut wie nicht statt. Die Diskussion beschränkt sich im Wesentlichen auf Fachkreise, die jeweils ihre eigenen Interessen damit verbinden. Der thematische Rahmen ist zumeist ein technisch-wirtschaftlicher. Dahinter stehen Unternehmens- und Vermarktungsstrategien. Die Frage nach den Auswirkungen auf die einzelnen Bürger und die Gesellschaft insgesamt interessiert dabei nur unter dem Aspekt, wie man den Menschen „Medienkompetenz„ vermitteln kann, um sie aufgeschlossen und fähig zur Bedienung der Systeme und Apparate zu machen, die man ihnen verkaufen will.

Die „digitale Revolution„ ist bei uns nach wie vor kein Thema, das im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit ist. Die Bürger werden von der Entwicklung relativ unvorbereitet überrollt, anstatt sie aktiv mitzugestalten. Dementsprechend gering ist bei uns bisher auch die Akzeptanz und Nutzung der neuen Technologien, insbesondere des Internets.

Einen ganz anderen Weg ging man in den USA, wo die Regierung Clinton / Gore die „digitale Revolution„ unter den Schlagworten „Cyberspace„ und „Digital Information Highway„ zu einem Schwerpunktthema ihrer ersten Amtszeit machte und hierüber einen breiten öffentlichen Dialog in Gang setzte. In diesen Dialog wurden ganz bewusst auch Institutionen und Kreise außerhalb der technisch-wirtschaftlichen Interessengruppen einbezogen wie Bildungsinstitutionen und Elternverbände, Gesundheitseinrichtungen, Gewerkschaften, Kirchen, Kommunen etc. Ziel war es, die Öffentlichkeit auf die sich abzeichnenden Entwicklungen vorzubereiten, mögliche Widerstände und Probleme rechtzeitig zu erkennen, Ideen für sinnvolle Anwendungen der neuen Technologien zu befördern und damit ein grundsätzlich positives Meinungsklima gegenüber der neuen Entwicklung zu schaffen. Der enorme Boom der IuK-Technologien und ihre Akzeptanz in der amerikanischen Bevölkerung während der darauf folgenden Jahre zeigen, dass dies auch gelungen ist.

Einen im Ansatz ähnlichen, wenn auch in der Durchführung wesentlich bescheideneren Versuch, einen öffentlichen Dialog über die kommunikationstechnische Entwicklung in Gang zu setzten, gab es auch in Deutschland, als in den Jahren 1974 bis 1976 die damalige sozial-liberale Bundesregierung die „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems„ (KtK) einsetzte mit dem Auftrag, Vorschläge für ein „wirtschaftlich vernünftiges und gesellschaftlich wünschenswertes technisches Kommunikationssystem der Zukunft„ zu erar-

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beiten. Die Arbeit der Kommission war jedoch von vornherein durch den Zuständigkeitsstreit zwischen Bund und Ländern belastet. Der Vorschlag der Kommission, Pilotprojekte zur Erprobung der neuen Techniken durchzuführen, stieß daher auch zunächst auf anhaltendes Desinteresse bzw. den Widerstand der Länder. Als er vier Jahre später dann doch realisiert wurde, ging es den unionsregierten Ländern gar nicht mehr um eine ergebnisoffene Erprobung neuer Techniken und Angebotsformen, sondern um die Einführung von Privatfernsehen. Der Versuch, vor Einführung eines neuen Kommunikationssystems einen breiten öffentlichen Dialog zu organisieren, war gescheitert.

In den 70er Jahren ging es um den Ausbau vorhandener Netze und die Weiterentwicklung der Breitband-Verkabelung, hauptsächlich auf analoger Basis. Heute, im Zeichen der „digitalen Revolution„, geht es um einen Technologiesprung, der wesentlich radikaler und in seinen Auswirkungen viel weitreichender ist.

Nie zuvor war ein politischer, gesamtgesellschaftlicher Dialog über ein neues technisches System daher so dringend wie jetzt. Wie die Erfahrungen mit der KtK belegen, kann er jedoch nur gelingen, wenn alle maßgeblichen politischen Verantwortungsträger in Bund und Ländern ihn gemeinsam wollen und mittragen. Es muss ein Dialog sein, der alle politischen Handlungsfelder umfasst, der aber nicht an Zuständigkeiten, sondern an relevanten Fragestellungen ansetzt. Folgende Themen müssten dabei im Vordergrund stehen:

  • Prognose der technischen Entwicklung und Analyse ihrer wirtschaftlichen Relevanz im nationalen und internationalen Maßstab;

  • Untersuchung möglicher Anwendungsfelder, ihrer (wirtschaftlichen) Potentiale und ihrer Randbedingungen;

  • Abschätzung und Bewertung möglicher Auswirkungen auf die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche (Arbeitsmarkt, Staat und Verwaltung, Bildung und Kultur, Verkehrswesen, Daten- und Persönlichkeitsschutz etc.);

  • Veränderungen des Mediensystems, Entwicklung des Programmangebots und der Programminhalte; Konzentrationsproblematik;

  • Erarbeitung politischer Handlungsstrategien und Regulierungskonzepte.

[Seite der Druckausg.: 26 = Leerseite ]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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