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TEILDOKUMENT:
4. Erfolg und Ungleichgewicht - Ergebnis derselben Strukturen Die institutionellen Rahmenbedingungen sind entscheidend Wirtschaftswissenschaftliche Theorien stellen bei ihren Analysen von Wachstum und Außenhandel üblicherweise Produktionsfaktoren in den Vordergrund. Wachstum ist Ergebnis der Akkumulation von Kapital und technologischem Wissen. Komparative Vorteile resultieren aus Unterschieden in der relativen Knappheit von Produktionsfaktoren. Der Einfluß institutioneller Rahmenbedingungen wird durch die implizite Annahme, daß alle Volkswirtschaften über ein gleichermaßen entwickeltes System von Faktor- und Gütermärkten verfügen, aus den Modellen verbannt. Bei der Erklärung der japanischen, wie wohl auch jeder anderen realen Wirtschaftsentwicklung wirft diese Vorgehensweise nur einen geringen Erkenntnisgewinn ab. Natürlich wurde Japans rasches Wachstum durch Kapitalakkumulation und technischen Fortschritt getragen. Dies beantwortet aber lediglich die Frage nach dem Wie des Prozesses. Hiermit gewinnt man keinen Einblick in die Art und Weise, wie Strukturwandel hervorgebracht und bewältigt wurde. Ähnliches gilt für die Frage nach dem komparativen Vorteil der japanischen Wirtschaft. Ökonometrische Analysen ergeben, daß Japans komparativer Vorteil bei Produkten mit einer relativ hohen Technologieintensität liegt (Petri 1995). Diese Erkenntnis führt aber nur zu einem neuen Problem: Japans Spezialisierung im Handel ist dort am stärksten ausgeprägt, wo bei anderen Industrieländern das Gewicht des intraindustriellen Handels am höchsten ist. Wenn wir die interessanten Fragen angehen wollen, müssen wir uns auf eine tiefere Erklärungsebene begeben und uns mit den institutionellen Rahmenbedingungen befassen. Damit sind drei Themenkomplexe angesprochen: Über welche besonderen Institutionen verfügt das japanische Wirtschaftssystem? Wie haben sie sich herausgebildet? Wie haben sie die Entwicklung der japanischen Wirtschaft beeinflußt?
Unterentwickelte Organisationsinfrastruktur
Wie jede andere Volkswirtschaft, so verfügt auch Japan aufgrund seiner spezifischen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung über ein eigenes Set von institutionellen Rahmenbedingungen. Die folgende Liste faßt die hierzu in der Literatur zu den wichtigsten Bereichen zusammengetragenen Ergebnisse zusammen. Arbeitsmarkt und Beschäftigungssystem. Auffallendes Merkmal sind die fehlenden bzw. unterentwickelten Märkte für qualifizierte Arbeitnehmer in Produktion, Verwaltung und Management. Damit verbindet sich die Beobachtung, daß sich die Karrieren qualifizierter Arbeitnehmer nicht an Berufsbildern, sondern an der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen und den von diesem gebotenen internen Aufstiegsmöglichkeiten ausrichten. Entsprechend sind die Interessen der Beschäftigten auf Unternehmensebene organisiert und werden nicht durch Industrie- oder Berufsgewerkschaften wahrgenommen. Kapitalmärkte, Finanzsystem und Corporate Governance. Wie Deutschland, so verfügt auch Japan über ein bankdominiertes Finanzsystem und damit einhergehend über ein Insider-System der Unternehmenskontrolle. Zulieferstrukturen und Vertriebssystem. Die Organisation der Arbeitsteilung zwischen Lieferanten und Abnehmern ist durch langfristige und dabei oft auch exklusive Geschäftsbeziehungen gekennzeichnet. Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Hersteller und Handel. Umgekehrt formuliert: Sowohl in der Produktion von Vorprodukten als auch in der Organisation des Vertriebs finden sich in Japan relativ wenige unabhängige, große und spezialisierte Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen am "offenen" Markt anbieten. Beziehung zwischen Verwaltung und Wirtschaft. Die Grenzlinie zwischen den regulatorischen Aufgaben und Befugnissen der Ministerialbürokratie und der Sphäre unternehmerischer Selbstbestimmung wird selten klar gezogen. Einerseits sind die Zuständigkeitsbereiche und Handlungsbefugnisse der Bürokratie oft nur sehr vage gesetzlich fixiert, was breite Interpretations- und Ermessensspielräume bedingt. Andererseits verfügt die Verwaltung bei der Verfolgung ihrer Ziele häufig nur über schwache Sanktions- und Kontrollmittel. Ausdruck hiervon ist die Praxis der rechtsunverbindlichen "administrativen Führung" als Instrument staatlicher Regulierung. Die in der Beziehung angelegte gegenseitige Abhängigkeit erzeugt einen hohen Grad an Interesseninterdependenz. Dieser äußert sich beispielsweise in der als "amakudari" (etwa: Abstieg der Götter) bekannten Praxis des Wechsels frühpensionierter Ministerialbeamter in die Privatwirtschaft. Märkte und staatliche Regulierung besitzen Merkmale einer öffentlichen Infrastruktur im Sinne einer gemeinsamen Nutzung, des freien Zugangs und der Nichtdiskriminierung. Eben darin unterscheiden sie sich von privaten Organisationsformen und Regelungsmechanismen, die eine stärker diskriminierende Trennung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern vornehmen. Die knappe Zusammenschau der Strukturmerkmale der Faktormärkte, der Industrieorganisation und der Regulierung zeigt, daß diese Infrastrukturfunktion in Japan eher unterentwickelt ist. Kompensiert wird das Defizit durch private Netzwerke und Regelungsmechanismen: interne Arbeitsmärkte, abnehmerspezifische Zuliefersysteme, herstellerkontrollierte Vertriebssysteme, Intermediation auf den Finanzmärkten, interne Rekrutierung von Führungspositionen, nicht-öffentliche Mechanismen der Unternehmenskontrolle, relationale und konsensuale Instrumente der Regulierung. Die Charakterisierung mag verständlich machen, warum sich die Literatur zum japanischen Wirtschaftssystem so deutlich in zwei Lager spaltet: in die Bewunderer und in die Kritiker. Die Bewunderer heben die persönlichen Beziehungen und die engen, auf Harmonie bedachten Formen der Kooperation und des Interessenausgleichs hervor, die sie in einem System "anonymer" Markt- und Rechtsbeziehungen vermissen. Die Kritiker betrachten die Kehrseite, nämlich die Exklusivität und die diskriminierende Wirkung privater Organisationsformen als Verstoß gegen marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche Grundsätze.
Die Ursprünge sind jüngeren Datums
Natürlich erfüllen auch in anderen Ländern Märkte, Regulierung und Recht nicht die idealerweise ihnen zugedachten Infrastrukturfunktionen und müssen durch private Regelungsmechanismen ergänzt werden. Allerdings scheint es, daß Japan im Vergleich zu ähnlich entwickelten Industrieländern in größerem Umfang auf private Netzwerke zurückgreift. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Überraschend ist, daß die institutionellen Rahmenbedingungen der japanischen Volkswirtschaft im wesentlichen ein Produkt der Kriegs- und Nachkriegszeit sind. Arbeitsmärkte zeichneten sich seit Beginn der Industrialisierung und noch bis in die 30er Jahre durch einen hohen Grad an Mobilität gerade auch bei qualifzierten Fachkräften aus (Gordon 1985). Größere Unternehmen finanzierten sich vor dem Krieg überwiegend über Kapitalmärkte und nicht durch Bankkredite (Horiuchi 1996). Erst im Zuge der in den 30er Jahren einsetzenden Kriegswirtschaft entstanden mit den heutigen Zuliefersystemen vergleichbare Strukturen, wenn auch unter anderen Vorzeichen und mit im Ergebnis weitaus geringerem Erfolg (Nishiguchi 1994). Auch zentrale Institutionen in der Beziehung zwischen Verwaltung und Privatwirtschaft, etwa das Instrument der administrativen Führung oder die zweite Karriere frühpensionierter Ministerialbeamter in der Privatwirtschaft entwickelten sich erst nach dem Krieg (Ôyama 1996). Für die Entstehung und Verbreitung zeichnen mehrere Faktoren verantwortlich: ökonomische Sachzwänge, historische Erfahrungen, politische Interessen und günstige äußere Bedingungen. Die ökonomischen Sachzwänge waren entscheidend durch Japans Position als industrieller Spätentwickler geprägt. Die Aufholerposition bedeutete in Verbindung mit der beachtlichen Größe des Binnenmarktes ein erhebliches Wachstumspotential. Die wichtigsten Engpässe bei dem Versuch, dieses Potential auszuschöpfen, waren Kapital und die Fähigkeit, ausländische Technologien zu adaptieren. Die Sachzwänge wurden durch die Wirtschaftspolitik in den 50er und 60er Jahren zusätzlich verschärft. Restriktive Kontrollen ausländischer Direktinvestitionen behinderten die direkte Zufuhr ausländischen Kapitals und Know-hows. Die Abschottung des japanischen Binnenmarktes hatte noch eine weitere Konsequenz. Sie erzwang aufgrund von Importbeschränkungen den Aufbau eigener Zulieferindustrien. Dies beinhaltete die Ausstattung der Teilehersteller mit Maschinen, Know-how und zum Teil auch die Beschaffung von Material und Rohstoffen durch den Auftraggeber und Hauptabnehmer. Die Zuliefernetzwerke der japanischen Industrie entstanden also nicht als Ergebnis einer Verdrängung bereits bestehender Märkte, sondern sind letztlich die Konsequenz privatwirtschaftlicher Strategien industrieller Entwicklung. Ähnliches läßt sich für die Seite der Distribution sagen. Auch hier konnte nicht auf bereits entwickelte Vertriebswege und unabhängige Handelsorganisation zurückgegriffen werden. Hersteller sahen sich gezwungen, eigene und damit zunächst private Vertriebsnetze aufzubauen. Auch die institutionellen Merkmale des japanischen Beschäftigungssystems stehen in einem engen Zusammenhang zum industriellen und technologischen Aufholprozeß. Der Import und die Adaptation ausländischer Technologien erforderten erhebliche Anstrengungen bei der Ausbildung und Qualifizierung der Beschäftigten. Mangels erfolgreicher staatlicher Initiativen sahen sich Unternehmen vor die Aufgabe gestellt, Arbeitskräfte selbst fachlich auszubilden. Hierbei sahen sie sich einem grundsätzlichen Problem gegenüber. Wie konnten sie sicherstellen, daß die von ihnen ausgebildeten Fachkräfte nicht nach der Ausbildung zur Konkurrenz abwanderten. Schon in der Anfangsphase der Industrialisierung experimentierten größere Industrieunternehmen mit verschiedenen Anreizmechanismen zur Bindung qualifizierten Personals: Koppelung der Löhne an das Dienstalter, Zurückhalten von Lohnanteilen als Sicherheit. Allerdings geschah dies nicht mit letzter Konsequenz, und Abwerbungen oder Abwanderungen qualifizierter Arbeitnehmer waren in Boomzeiten die Regel. Erst nach dem Krieg gelang die Entwicklung stabiler interner Arbeitsmärkte zur Lösung des Qualifizierungsproblems. In der Hochwachstumsphase konnten Unternehmen "lebenslange Beschäftigung" garantieren. Der günstige Altersaufbau der Bevölkerung ermöglichte die Finanzierung eines mit dem Dienstalter steigenden Lohnsystems: Noch 1965 waren knapp 42% aller Beschäftigten weniger als 30 Jahre alt. Unterstützend hinzu kamen die sich in den 50er Jahren herausbildenden Unternehmensgewerkschaften. Sie haben das System nicht nur als Gegengewicht und Kontrolle der Unternehmensleitung stabilisiert, sondern auch, indem sie zur Disziplin und Unternehmenstreue der Stammbelegschaft beitrugen.
Dynamische Effizienz statische Ineffizienz
In der Entstehungsgeschichte deutet sich die enge Beziehung zwischen den Institutionen des japanischen Wirtschaftssystems und dem raschen Wachstum und Strukturwandel bereits an. Die internen Arbeitsmärkte und die privaten Netzwerke in der Industrie erfüllten wichtige dynamische Funktionen. Die Unternehmensbindung der Fachkräfte und die langfristigen Kooperationsbeziehungen in der Industrie erlaubten die rasche Umsetzung und Diffusion neuer Technologien und erhöhten die Fähigkeit und Bereitschaft zu strukturellem Wandel. Strukturwandel erfordert die Umlenkung von Produktionsfaktoren in neue Industrien. Im Fall des Faktors Kapital bedeutet dies Abschreiben und Neuinvestieren. Für den Faktor Arbeit gilt ähnliches. Sein bisheriges Fachwissen verliert an Wert. Er muß weiterlernen und umlernen, um sich neu zu qualifizieren. Japans Ausbildungs- und Beschäftigungssystem ist darauf gut vorbereitet. Die unternehmensinterne Ausbildung kann rasch auf sich ändernde Arbeitsinhalte reagieren, insbesondere dann, wenn diese durch training-on-the-job erlernt werden können. Im Kontext der internen Arbeitsmärkte identifzierten sich die Beschäftigten als Mitarbeiter eines bestimmten Unternehmens und weniger als Ausübende eines bestimmten Berufs. Ihr Schicksal als Arbeitnehmer ist tatsächlich weniger an die Zukunft einer bestimmten beruflichen Qualifikation, sondern vielmehr an die Zukunft ihres jeweiligen Unternehmens gebunden. Unter diesen Bedingungen sind sie eher bereit, strukturellen Wandel mitzutragen. Die Ausbildung durch das Unternehmen und der Wettbewerb um den internen Aufstieg schafften eine besondere Lernkultur. Die Auswirkungen hiervon zeigen sich bereits beim Übergang vom Bildungssystem in das Erwerbsleben. Entscheidendes Einstellungskriterium sind weniger spezielle im Bildungssystem erworbene Fertigkeiten und Kenntnisse eines Bewerbers, sondern die durch den Besuch einer angesehenen Universität signalisierte Lernfähigkeit und Lernbereitschaft. Er verkauft dem Unternehmen, das ihn fachlich aus- und weiterbildet, sein Lernpotential. Es ist bekannt, daß Beschäftigungsstabilität und interner Aufstieg nur für die Stammbelegschaft in den größeren Unternehmen tatsächlich in vollem Umfang gelten. Aber für die Innovationskraft einer Industrie mag es ausreichen, wenn den 30 oder 40% Begabtesten entsprechende Anreize und Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden. Vergleichbar den internen Arbeitsmärkten bieten auch die Zuliefernetzwerke der Industrie günstige Voraussetzungen für gemeinsames Lernen und kontinuierliche Produkivtätssteigerungen. Die lange Kenntnis des Geschäftspartners erleichtert den Austausch neuer Ideen und die Durchführung gemeinsamer Forschung und Entwicklung. Die exklusiven Geschäftsbeziehungen schaffen das notwendige Vertrauen, sich auf Neues einzulassen. Japans beachtlicher technologischer Aufholprozeß hat unter Beweis gestellt, daß es über hervorragende Lerninstitutionen verfügt. Aber wie eingangs beschrieben, waren bei ihrer Nutzung nicht alle Industrien gleichermaßen erfolgreich. Voraussetzungen zum Lernen reichen eben nicht aus, es muß auch genügend "Lernstoff" geben. Angesprochen ist damit das Innovationspotential einer Technologie oder Industrie. Dieses war in den Maschinen- und Geräteindustrien nicht nur in Form von Produktinnovationen (Transistor, Halbleiter, neue Maschinen, Konsumgüter), sondern auch in Form von Prozeßinnovationen (Übergang von der Massenproduktion zur flexiblen Fertigung) mehr als ausreichend vorhanden. In anderen Industrien, beispielsweise der Chemie, die ja auch zu den forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen zählt, scheint der Lernstoff für die Lernkultur japanischer Institutionen weniger geeignet gewesen zu sein. Und schließlich gibt es eine Reihe von Industrien, in denen die Rate des technischen Fortschritts gering ist oder durch staatliche Regulierung gering gehalten wurde. Beispiele für letzteren Fall waren bis vor kurzem das Finanzsystem und das Distributionssystem. Die institutionellen Rahmenbedingungen des japanischen Wirtschaftssystems decken sich nicht mit dem Ideal offener Märkte. Interne Arbeitsmärkte und exklusive Geschäftsbeziehungen gewähren Schutz vor direktem Preiswettbewerb. Aus der Wettbewerbstheorie wissen wir, daß Schutz vor direktem Preiswettbewerb eine wichtige Voraussetzung für Innovationswettbewerb sein kann. Die japanischen Maschinen- und Geräteindustrien haben den fehlenden Preiswettbewerb durch dynamische Effizienzgewinne mehr als kompensiert. Allerdings standen sie dabei zumindest auf den Absatzmärkten ihrer Endprodukte im Inland und im Ausland auch in intensivem Preiswettbewerb. Vor allem die Binnenindustrien waren durch Wettbewerb von außen weitaus besser geschützt. In regulierten Bereichen wurde die Schutzwirkung durch die Verflechtung zwischen Bürokratie und Wirtschaft weiter gestärkt. Aber das kennt man ja auch aus anderen Ländern. Für die sich ausweitende Produktivitätsschere zwischen Binnen- und Exportindustrien scheinen letztlich mehrere Faktoren verantwortlich zu sein: die direkten Preiswettbewerb tendenziell dämpfenden, bestimmte Formen des Lernens begünstigenden institutionellen Rahmenbedingungen, die ungleichen Innovationspotentiale einzelner Industrien, der ungleiche Wettbewerbsdruck zwischen Export- und Binnenindustrien, der Preis- und Innovationswettbewerb dämpfende Einfluß der Regulierung.
Beispiel Finanzsystem
Die aktuelle Krise des Finanzsystems beleuchtet auf das deutlichste die Probleme des japanischen "Modells". Hier laufen viele der oben beschriebenen institutionellen Besonderheiten zusammen. Eine unterentwickelte Marktinfrastruktur. Wie in Deutschland, so dominiert auch in Japan die Intermediation durch Banken und Versicherungen. Angesichts des durch den Fortschritt bei den Informations- und Kommunikationstechnologien geförderten Handels von Finanzprodukten über Märkte ist das japanische wie auch das deutsche Finanzsystem international ins Hintertreffen geraten. Die deutschen Universalbanken scheinen für die Herausforderung allerdings besser gerüstet als die durch eine lange Trennbanktradition geprägten japanischen Banken. Die Grenzen der relationalen und konsensualen Regulierung. Das japanische Finanzsystem liefert als traditionell hoch regulierter Bereich eine Paradebeispiel für die Intransparenz staatlichen Verwaltungshandelns und für die Interesseninterdependenz zwischen Ministerialbürokratie und Privatwirtschaft. Die um Interessenausgleich und Konsens bemühte Regulierungspraxis war außerstande, die durch den Zusammenbruch der Bodenpreise ausgelöste Finanzkrise auch nur ansatzweise zu bewältigen. Die Politik der Verschleierung und des Abwartens auf eine Belebung der Märkte hat letztlich zu weiteren Verunsicherungen geführt und die Probleme nur noch verschärft. Eine Lösung ist nur durch eine grundsätzliche Neuordnung zu erreichen. Der Start einer neuen, organisatorisch vom Finanzministerium getrennten Aufsichtsbehörde im Mai 1998 ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Grenzen unternehmensbasierter Ausbildungssysteme. Der Strukturwandel im Finanzsystem verändert die Qualifikationsprofile der Bankmanager. Operationen an Finanzmärkten, der Handel mit neuen Finanzprodukten und die Kontrolle der damit verbundenen Risiken erfordert Fachkenntnisse, die im traditionellen Kunden- und Einlagengeschäft nicht gefordert waren. Die nötigen Qualifikationen beinhalten überwiegend theoretisches Wissen, training-on-the-job ist bestenfalls zweitrangig von Bedeutung. Unternehmensbasierte Ausbildungssysteme sind für die Heranbildung solcher Qualifikationen denkbar ungeeignet. Hier sind vor allem die Universitäten gefordert. Die Finanzinstitute müssen allerdings dafür sorgen, daß sie für solche Spezialisten interessante Karrieren anbieten. Defizite der Rechtsordnung. Ein großes Hindernis bei der Lösung des Problems der faulen Kredite im japanischen Bankensektor stellt die Veräußerung der den Krediten als Sicherheit dienenden Grundstücke dar. Das japanische Grundstücks-, Hypotheken- und Konkursrecht war auf die nach dem Zusammenbruch entstandenen Rechtslagen ebenso wenig eingerichtet wie die Gerichte und Notare kapazitätsmäßig darauf vorbereitet waren. Auch der Einsatz juristisch geschulter Fachleute in eigens zur Veräußerung solcher Grundstücke gegründeten Organisationen hat daran wenig ändern können. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |