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TEILDOKUMENT:



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Modellprojekte



Dr. Sigrid Heinecke
Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V., Erfurt

Sehr geehrte Frau Ministerin Ellenberger, sehr geehrte Damen und Herren,

Frau Ministerin Ellenberger hat eigentlich schon sehr viel gesagt zu den Risiken und Chancen, die der Übergang in die Informations- und Dienstleistungsgesellschaft bereithält. Wir haben im Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative ADAPT eine Studie zum Thema „Risiken und Chancen der Dienstleistungsgesellschaft für die Beschäftigung von Frauen" erarbeitet. Im Rahmen einer Zukunftskonferenz im September 1997 haben wir diese mit sehr vielen Expertinnen und Experten diskutiert. Die Studie und die Zukunftskonferenz haben bestätigt, dass dieser Übergang in die Dienstleistungsgesellschaft doch sehr hohe Anforderungen an die Unternehmen und auch sehr anders gelagerte Anforderungen an die Beschäftigten stellen wird. Es sind insbesondere Anforderungen, die sich aus der absoluten Kundenorientierung ergeben, die in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft im Prinzip das Credo eines erfolgreichen Unternehmens bzw. auch erfolgreicher Beschäftigter bestimmen wird. Dieser Ansatz stellt natürlich auch vollkommen neue Anforderungen an die Qualifikationen der Beschäftigten. Zum Teil kann man sie heute schon in Schule und Ausbildung lernen, aber eigentlich erlernt man diese Schlüsselqualifikation am besten in der Tätigkeit. In der Tätigkeit auch mit Ernstcharakter, in Anforderungssituationen, denen ich mich täglich stellen muss, nur so können sich die notwendigen Schlüsselqualifikationen ausbilden.

Vor diesem Hintergrund führt das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft seit 1994 Projekte durch, die sehr stark in zukunftsträchtige Dienstleistungsfelder gerichtet sind, die Langzeitarbeitslosen die Chance bieten sollen, sich in diesen zukunftsträchtigen Dienstleistungsfeldern im Rahmen solcher Projekttätigkeiten zu entwickeln. Und letztendlich

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daraus auch eine berufliche Zukunft und Perspektive herauszuentwickeln. Im Übrigen sind 75 Prozent der Projektmitarbeiterinnen Frauen. Und wir meinen auch, was hier schon gesagt wurde, Frauen sind schon gut qualifiziert und geeignet, auch in den Informationsmedien und in den Informationstechnologien sehr gute Leistungen zu erzielen.

Ich möchte nur noch ganz kurz sagen, was diese Projekte auszeichnet. Zuerst haben wir in der Projektbeantragung und auch in der Auseinandersetzung jeweils mit der regionalen Wirtschaft versucht, Dienstleistungen für kleine und mittelständische Unternehmen zu entwickeln oder in diesen Projekten anbieten zu können. Diese Dienstleistungen mit einer hohen Komplexität auch realisieren zu können und damit eigentlich auch Pionierarbeit zu leisten, bewirkt, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen auch den Wert z. B. der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für ihr Unternehmen erkennen.

Ein Klempnermeister, der täglich auf der Baustelle zu tun hat, der samstags und sonntags oder in der Nacht seine Buchhaltung z. B. machen muss, hat es äußerst schwer, hier die Potenzen für sein Unternehmen zu erkennen. Es reicht nicht aus, dass eine Firma hingeht und ein Angebot unterbreitet, und sagt, für DM X würde ich dir jetzt die Web-Seite ins Netz stellen. Es muss ein sehr intensiver Informations- und Kommunikationsaufwand geleistet werden bis hin zur Demonstration und Schulung: Was bringt das meiner Firma? Wie funktioniert es? Wie kann ich selber damit umgehen? Diese Dienstleistungsqualität sollen die Projektmitarbeiter erlernen.

Zum Zweiten versuchen wir doch, in diesen Projekten einen sehr hohen Grad von Selbstverantwortung der Projektmitarbeiter zu realisieren. Das heißt, es gibt sehr viele Anforderungssituation mit Ernstcharakter, und wir versuchen auch, dass die Mitarbeiter die Risiken erleben, die Unternehmertum nun mal bietet. Es ist ja nicht nur das Geld, das dann irgendwann hoffentlich in Strömen fließt, sondern es ist eigentlich erst einmal der schwierige Weg des Risikos und der ist, das wissen wir alle, in den neuen Bundesländern besonders steinig und lang.

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Zum Dritten versuchen wir einen sehr hohen qualifikatorischen Anspruch in diesen Projekten zu realisieren. Also neben einer umfassenden fachlichen Qualifizierung, versuchen wir auch Spielräume für Kreativität und fachliche Herausforderungen zu geben. Und wir versuchen insbesondere, Problemlösungskompetenz und Konfliktfähigkeit zu entwickeln. Das sind die beiden Qualifikationen, die sowohl in der täglichen Akquise der Kunden als auch in der Umsetzung der Aufträge gebraucht werden.

Als nächstes kennzeichnet diese Projekte, dass sie das Ziel haben, eine eigene Existenz zu gründen oder aber direkt in den ersten Arbeitsmarkt überzugehen. Es wurde schon von der Kollegin aus Ilmenau gesagt, genau das ist eigentlich das Allerschwierigste in diesen Projekten. Unsere Erfahrung ist, Unternehmerinnen oder Unternehmen kann man einfach nicht backen, man kann Existenzgründerseminare anbieten, man kann sehr viele Situationen hervorrufen, die die Existenzgründer erleben, in Rollenspielen simulieren und all die vielen Methoden anwenden, die unser ganzes Instrumentarium bietet. Aber es hat sich gezeigt, wenn so ein gewisses Maß an Motivation, Neugier und auch Kreativität - Unternehmergeist - eben nicht da ist, dann nützen auch diese Seminare nichts. Wir haben gelernt aus unseren Projekten und versuchen schon in der Personalauswahl, das mitzubedenken. D. h., eine 100-prozentige Erfolgsquote ist in solchen Projekten nicht zu erwarten, aber wir werten es eigentlich als Erfolg, wenn es einige Existenzgründungen gibt oder aber wenn es langzeitarbeitslose Männer und Frauen gibt, die durch diese Projekte einen festen sicheren Arbeitsplatz erhalten haben.

Jetzt übergebe ich an meinen Kollegen, Herrn Vollmann, der Ihnen dieses Projekt N@TIS in Roßleben ganz konkret vorstellen wird.

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Lutz Vollmann
N@TIS aus Roßleben

Schönen guten Tag,

ich darf Ihnen heute das Projekt N@TIS vorstellen, den Nordthüringer Internet-Service. Wir sind 16 Projektteilnehmer, neun Frauen und sechs Herren, die sich im Wesentlichen damit beschäftigen, Webseiten zu erstellen und als Zweites in Nordthüringen als regionaler Provider auftreten und als Drittes Präsentationen unter Nutzung der neuen Medien herstellen. Das Projekt begann im September 1997.

Wir sind ein Projekt des Bildungswerkes der Thüringer Wirtschaft e.V. und werden gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Die Qualifikation als Kofinanzierung wird gefördert über den Europäischen Sozialfonds.

Derzeit ist unsere Leistungspalette noch nicht voll ausgebaut, was einerseits daran liegt, dass das Projekt erst seit ca. einem halben Jahr läuft und andererseits daran, dass auch die Qualifikation der ehemals Arbeitslosen noch nicht soweit fortgeschritten ist. Vorgesehen sind pro Jahr 600 Stunden Qualifikation, das ist ungefähr ein Drittel der Arbeitszeit eines Jahres.

Wir sind als Provider tätig im Raum Nordthüringen. D. h. also, wir haben die Möglichkeit, bestehenden Firmen, Privatpersonen, Kommunen den Zugang in das sogenannte World Wide Web zu verschaffen, so wie das auch bestehende Firmen machen, wie zum Beispiel AOL oder die Telekom. Anbieter für die ländlichen Regionen gibt es noch nicht ausreichend, vor allem was die Einwahl zum Ortstarif betrifft. Das bringt auch Probleme hinsichtlich der Geschwindigkeit des Zugriffs auf das Netz mit sich. Wir bieten als regionaler Provider eine Alternative zu überregionalen, so dass wir selbst zum jetzigen Zeitpunkt schon relativ viel Zulauf haben.

Die zweite Sache natürlich, wir stellen Webseiten her, wir programmieren also die Webseiten und pflegen sie, u. a. auch in verschiedenen

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Sprachen, wie z. B. auch französisch und portugiesisch. Gerade jetzt bei der Markterweiterung ist es immer sinnvoll, Webseiten in verschiedenen Sprachen zu bieten, denn ich suche letztendlich jemanden, der meine Ware haben möchte.

Der dritte Schwerpunkt ist die Präsentation: So z. B. wie es hier abläuft. Allerdings können wir auch die Präsentation entsprechend auf CD pressen, um dann entsprechende Firmenpräsentationen herzustellen.

Ein vierter Schwerpunkt, der zur Zeit erst begonnen wird, sind weltweite Videokonferenzen. Wenn also ein Firmeninhaber nicht unbedingt nach Frankreich fliegen möchte, trotzdem den Herrn, mit dem er spricht, sehen möchte, dann können wir ihm das durchaus bieten.

Um die Webseiten herzustellen, müssen natürlich entsprechende Bilder und Videos bearbeitet werden. Die Bildbearbeitung gehört dazu. Das werde ich Ihnen nachher noch an ein paar Webseiten zeigen. Und zusätzlich seit einem Vierteljahr sind wir selber in der Lage, Sounds zu erzeugen, d. h. also, wir spielen verschiedene Titel mittels Keyboard dann in den PC und können sie weiterverarbeiten. Die entsprechende Ergänzung in Papier- oder Druckform kann von uns auch bearbeitet werden.

Ich präsentiere Ihnen kurz zwei Webseiten von Firmen, für die wir die Web-Seiten erstellt haben. Die zweite Firma ist ein Bringservice. Dort können Sie sich direkt den Speiseplan zeigen lassen und sofort auf der nächsten Seite Ihre Menüs bestellen.

Die zweite wesentliche Sache: Wir stellen natürlich auch die Region Nordthüringen dar, um allen Leuten der Welt zu zeigen, was es in der Region Thüringen z. B. zu sehen gibt und was dort los ist. In dem Falle Bad Frankenhausen und als zweites den Ort, in dem wir unseren Sitz haben, in Roßleben. Das sind zum Beispiel Bilder und Fotos, die entsprechend nachbearbeitet worden sind, weil man sie eigentlich in der Normalfassung so nicht ins Netz stellen kann.

Als Zweites, aber das sicherlich nur ganz kurz, einige Bemerkungen zur Hardware, die wir dazu zur Verfügung haben: Wir haben selber in Roß

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leben einen Webserver stehen, der über entsprechende Schutzmaßnahmen direkt per Standleitung ins World Wide Web führt. D. h., die Webseiten, die wir herstellen und dort auf den Server stellen, sind weltweit verfügbar.

Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter verfügt über eine PC-Arbeitsstation, die miteinander vernetzt sind. Als Provider muss ich natürlich auch noch die Möglichkeit haben, die Leute in der Region ins Netz zu lassen. Da haben wir die Möglichkeit, über eine Nummer - egal, ob derjenige sich mit Modem einwählt, egal, mit welcher Geschwindigkeit er sich reinwählt oder mit ISDN - sich hierüber ins World Wide Web reinzuwählen. Wir berechnen unseren Kunden ganz normale marktübliche Preise, um mit so einem Projekt den Markt nicht zu verzerren. Wichtigster Ansatz dabei ist , dass sich die Projektmitarbeiter in zukunftsorientierte Technologiefelder einarbeiten, Kompetenzen erwerben und sich damit auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder die Existenzgründung vorbereiten.

Zum Schluß möchte ich Ihnen noch ein paar Webseiten zeigen. Wenn Sie auf einem Browser WWW.N@TIS.de wählen, würden Sie dann diese Seite sehen. Die meisten Seiten, die wir bisher hergestellt haben, sind über den Kyffhäuser Kreis, wo man also Wanderwege finden kann, die Klimadaten für den, der eventuell Probleme hat mit irgendwelchen klimatischen Bedingungen. Man kann dort die aktuellen Straßensperrungen im Kyffhäuser Kreis finden, damit man sie möglichst weiträumig umfahren kann. Und die entsprechenden Fördermöglichkeiten für Firmen, die uns freundlicherweise vom Landratsamt zur Verfügung gestellt worden sind.

Selbstverständlich haben wir begonnen, auch die Städte und Kommunen darzustellen, wobei wir da noch lange nicht fertig sind. Dennoch zeige ich Ihnen einige der Seiten: Da sind also entsprechende geschichtliche Sachen dabei, welche Sehenswürdigkeiten gibt, die regionalen Vereine, welche Firmen ansässig sind.

Ein weiterer Schwerpunkt: Das Projekt hat das Ziel, letztendlich Firmen zu gründen. Hier haben wir in diesen drei Projektjahren sozusagen ge-

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fördert die Möglichkeit, uns auf diesen Zukunftsmarkt vorzubereiten, indem wir jetzt schon mit Firmen zusammenzuarbeiten bzw. mit Firmen verhandeln. Damit haben wir in den letzten Wochen begonnen. Da wäre z. B. dieser Bringservice, wo Sie also nachschauen könnten, welches aktuelle Angebot er diese Woche hat.. Da könnten Sie als Zweites zum Bestellformular wechseln und entsprechend die Sachen direkt bestellen. Er wird es Ihnen dann bringen. Hier unten der Zähler funktioniert jetzt nicht, weil wir nicht direkt im World Wide Web sind.

Derzeit sind die kleinen und mittleren Unternehmen noch sehr verhalten hinsichtlich der Präsentation ihrer Produkte und Dienstleistungen im Internet. Wir arbeiten derzeit an Argumentationen zu Chancen, Risiken und Zukunftsaussichten für die Firmen. Eine Möglichkeit ist, über die Präsentation von Gewerbegebieten auch Einzelfirmen anzusprechen.

Herr Vollmann zeigt eine Web-Seite und erläutert:

Das ist z. B. ein Gewerbegebiet. Die freien Flächen sind rot, die blauen Flächen sind belegt. Und wenn ich beispielsweise hier in der Region Nordthüringen ein Grundstück brauche für eine Firma, dann kann ich dort durchaus nachschauen, welche Firmen bereits ansässig sind. Wenn ich jetzt das Grundstück haben möchte, könnte ich erst einmal nachschauen, ob Größe und Lage meinen Vorstellungen entsprechen.

Als Zweites könnte ich dann auch noch nachschauen, wer da so um mich rundherum noch steht, ob ich überhaupt dort in dieses Profil reinpasse oder ob dort gerade ein sogenannter Mitbewerber angesiedelt ist. In dieser Form findet man ein Bild und den Namen der Firmen, aber keine weiterreichende Präsentation. Diese muß jede Einzelfirma selbst in Auftrag geben und finanzieren.

Zum Schluss möchte ich noch die Webseiten in verschiedenen Sprachen zeigen. Wir bieten Übersetzungen in die englische, die französische, portugiesisch und russisch Sprache an. Gerade letztere anzubieten, war anfangs nicht unkompliziert. Aber, wie Sie sehen, ist das durchaus machbar. Der Markt entwickelt sich ja wesentlich weiter, gerade in diese

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Richtung, und viele Firmen wollen auch möglichst werben in diese Richtung. Deswegen bieten wir auch diese Sprache mit an.

Hier zeige ich Ihnen ein paar News, die wir auch bieten. Beispielsweise die Erinnerung an den Muttertag, damit das die Herren beim Surfen nicht vergessen.

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Birgitt Wählisch
Projektleiterin

Teleservice 2000 plus - ein wirtschaftsnahes Modellprojekt für Frauen

Der Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft ist in vollem Gange. Aus meiner Sicht mischen sich Frauen in die Gestaltung der digitalen Gesellschaft noch viel zu wenig ein. Es besteht die Gefahr, dass wir an den Chancen, die sich eröffnen, nur partiell partizipieren werden. Deshalb finde ich es so wichtig, dass Frauen in den neuen Arbeitsfeldern präsenter werden und in diesen Sektoren mehr von Frauen geführte Unternehmen entstehen. Die neuen Technologien verändern auch bestehende Arbeitsplätze und Unternehmensstrukturen. Die Weiterbildung im Umgang mit den neuen Technologien wird damit für immer mehr Arbeitsfelder unabdingbar.

Mit dem ProjektTeleservice 2000 plus" wurde im November 1997 ein wirtschaftsnahes Modellprojekt gestartet, das sich ganz bewusst an Frauen aus kleinen und mittleren Unternehmen wendet. Dieses Projekt wird gefördert durch den Europäischen Sozialfonds, Ziel 4, und die Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Berlin. Die Unternehmen beteiligen sich an der Finanzierung durch die Freistellung der Mitarbeiterinnen für Fortbildung und Beratung. Ziel des Projektes ist es, Arbeitsplätze für Frauen in kleinen und mittleren Unternehmen zu sichern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen.

Wir haben uns für eine Konzentration auf die Medien- und Kommunikationswirtschaft entschieden. Diese Branche ist in Berlin mit ca. 4.400 Unternehmen sehr stark vertreten. Den Hauptanteil bilden dabei kleine und mittelständische Unternehmen. Gerade in diesen Tätigkeitsfeldern ist die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien überlebenswichtig. Electronic Publishing und Electronic Commerce spielen hier bereits heute eine besonders große Rolle.

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Der Name Teleservice deutet darauf hin - es geht uns um Service für die Unternehmen. Innerhalb des Projektes werden die Mitarbeiterinnen in der Nutzung von IuK-Technologien praxisnah weitergebildet und zeitgleich die Managementebene durch Information und Beratung unterstützt. Die Zahl 2000 im Titel deutet auf unser Ziel, die beteiligten Unternehmen fit zu machen für das Jahr 2000 und darüber hinaus. Das Projekt endet im Oktober 1999.

Zunächst einige Erläuterungen zur Konzeption der einzelnen Projektteile.

1. Zur Fortbildung von Mitarbeiterinnen aus KMU

An der Fortbildung nehmen 28 Frauen aus 16 Unternehmen teil. Themenschwerpunkte sind:

  • Einführung in das Internet,
  • Marketing im Internet,
  • Nutzung moderner Bürokommunikation im Unternehmen,
  • Informationsrecherche im Internet,
  • Electronic Commerce,
  • EDV-Unterstützung für die Arbeit in Teams (Groupware, Projektmanagement).

Das Fortbildungskonzept wird laufend mit den beteiligten Unternehmen beraten und auf deren Bedarf abgestimmt. Die Fortbildung ist modular aufgebaut. Methodisch wird besonderer Wert auf die Verbindung von Präsenzseminaren, learning by doing und individueller Beratung gelegt. Die praktische Umsetzung im Unternehmen wird durch Möglichkeiten der Information über eine Telefonhotline und/oder e-mail sowie durch individuelle Beratung im Unternehmen ergänzt. Die Fortbildung ist praxisnah angelegt, so dass eine rasche Umsetzung des Gelernten in die Unternehmenspraxis ermöglicht wird. Durch die Konzentration auf eine Branche können in der Fortbildung branchenspezifische Aufgaben bear-

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beitet werden. Dadurch wird auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmerinnen weiter gefördert. Das Thema Konkurrenz behindert zumindest in der vielfältigen Verlags- und Medienlandschaft die Zusammenarbeit nicht.

2. Information und Beratung der Unternehmen

Bei der Anwendung neuer IuK-Technologien in kleinen und mittleren Unternehmen sind viele praktische Hürden zu überwinden. Dabei wird durch die Mitarbeiterinnen des Projektes umfassende Unterstützung in Form von Beratung, Begleitung und Organisation von Erfahrungstransfers zwischen den Beteiligten gegeben. Da das Thema Telearbeit/Telekooperation in den KMU bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt, wird innerhalb des Projektes eine umfassende Informationsarbeit in Form von Veranstaltungen und Veröffentlichungen geleistet, um mehr Unternehmen auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Dieser Projektteil reicht weit über das Feld der unmittelbar beteiligten Unternehmen hinaus.

Netzwerk „IuK-Technologien und Frauenarbeitsplätze"

Durch die Initiierung eines regionalen Netzwerkes „IuK-Technologien und Frauenarbeitsplätze" wird ein ständiger prozessbegleitender Erfahrungsaustausch und eine spezifische Form interner Fortbildung ermöglicht. Im Netzwerk arbeiten Führungskräfte aus Unternehmen, VertreterInnen aus Institutionen, Gewerkschaften und wissenschaftlichen Einrichtungen mit. Bei den Treffen werden thematische Schwerpunkte aus der Unternehmenspraxis behandelt, zu denen Expertinnen und Experten geladen werden. So standen im Mittelpunkt der abendlichen Veranstaltungen Themen wie Personalentwicklung und Telearbeit oder Datenschutz und neue Medien. Eine projektinterne Austauschmöglichkeit besteht in Form einer Mailingliste.

Ich möchte Ihnen einige Erfahrungen aus dem ersten halben Jahr vorstellen und dabei Ergebnisse der ersten Befragung einfließen lassen. Wir

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werden von SÖSTRA, Institut für sozialökonomische Strukturanalyse, Berlin, wissenschaftlich begleitet.

2.1 Zur Teilnehmerinnenstruktur

Am Projekt nehmen in erster Linie Frauen aus kleinen und Kleinstunternehmen teil. Durchschnittlich haben die Firmen nur 6 MitarbeiterInnen. Anders als erwartet, gibt es bei einigen Unternehmen Übereinstimmungen zwischen der Managementebene und der Teilnahme an den Seminaren, d. h., die Managerinnen der kleinen Unternehmen nehmen selbst an der Fortbildung teil. Es sind also zahlreiche von Frauen geführte Unternehmen an unserem Projekt beteiligt. Wir unterstützen damit innerhalb von „Teleservice 2000" plus auch Frauen in Führungspositionen. Frauenförderung war für die Unternehmen kein Teilnahmegrund. Aber allein die Tatsache, dass nur Mitarbeiterinnen teilnehmen können, führt zu einer, von den Beteiligten oft nicht reflektierten, realen Frauenförderung. Die Teilnehmerinnen können nach dieser Fortbildung in Arbeitsfeldern, die die neuen Medien nutzen, eingesetzt werden und erweitern damit ihren Handlungsspielraum.

Alle Teilnehmerinnen haben, z. T. langjährige, Berufserfahrung (im Durchschnitt 6,8 Jahre in diesem Tätigkeitsbereich). Die Mehrheit verfügt über einen FH/ oder universitären Abschluß. Das Altersspektrum reicht von 24 bis 52 Jahre. Interessant ist, dass die Mehrzahl der Teilnehmerinnen in den letzten 5 Jahren keine Weiterbildungsaktivitäten wahrgenommen hat. D. h., die Teilnahme an „Teleservice 2000" plus ist die erste berufliche Fortbildung seit Jahren. Die Initiative für die Teilnahme ging überwiegend auf die Initiative der Teilnehmerinnen zurück. Entsprechend hoch ist die Motivation jeder einzelnen.

Während des Projektes müssen wir sehr genau im Blick haben, welche Frau mit welchem Wissensstand an welchen Seminaren teilgenommen hat, um gegebenenfalls mit zusätzlicher Beratung/ Nachschulung reagieren zu können. Unser Ziel ist es, die Frauen trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte zu einem gemeinsamen praxisrelevanten Wissensstand zu führen. Von Frauen, die bereits Web-Seiten gestalten, bis zu Anfängerinnen, die bisher noch nie mit dem Internet zu tun hatten, ist in diesem

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Kreis alles vertreten. Die Homogenität der Gruppe stellt sich eher über die Ähnlichkeiten der Arbeitsaufgaben innerhalb einer Branche als über die Homogenität des Wissensstandes her. Das stellt an die Koordination der Fortbildung besonders hohe Ansprüche.

2.2 Zum Weiterbildungsbedarf und zur Teilnahmemotivation

Die kleinen Unternehmen stehen in dem Dilemma, sehr wohl zu wissen, dass die Informationstechnologien für sie überlebenswichtig sind und gleichzeitig zu wenig Ressourcen für die Umsetzung dieser Erkenntnis zu haben. Es mangelt dabei sowohl an Geld für teure Seminare und Beratung als auch an Zeit für die Teilnahme. Der Weiterbildungsbedarf wird dabei besonders im technischen Bereich gesehen. Aus unserer Sicht wird in den KMU die Auswirkung der IuK z. B. auf Arbeitsorganisation noch unterschätzt, so dass wir an dieser Stelle versuchen, sowohl Mitarbeiterinnen als auch Management für diese Problematik zu sensibilisieren.

Das Wichtigste ist für alle Beteiligten der praxisorientierte bedarfsadäquate Wissenszuwachs. Wie wir feststellen können, ist uns das mit den ersten Seminaren gelungen. Das zeigt sich auch in der intensiven Anwendung des Vermittelten am Arbeitsplatz. Dabei wird gerne unsere Hotline in Anspruch genommen, um Probleme zeitnah und arbeitsplatzbezogen zu klären. Viele Frauen nutzen den Erfahrungsaustausch mit Mitarbeiterinnen aus dem gleichen Bereich.

Als Motivation für die Teilnahme wurde in den Gesprächen in erster Linie das Angebot einer Fortbildung für den Umgang mit den neuen Medien angegeben. Positiv hervorgehoben wurde der realistische Zeithorizont. Kleine Unternehmen können Mitarbeiterinnen nicht viel länger als einmal im Monat zu Fortbildungszwecken entbehren. Wesentlich längere Seminarphasen werden nicht akzeptiert. Die Begleitung vor Ort wurde als ein entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Fortbildungsseminaren eingeschätzt. Die begrenzte Seminarzeit läßt sich damit in einer für die Unternehmen günstigen Art und Weise ergänzen.

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Einige Begriffe im Curriculum, wie Telearbeit, Groupware etc., waren nicht bekannt oder spielten im Unternehmensalltag (noch) keine Rolle. Das heißt, dass im Laufe des Projektes viel Aufklärungs- und Anpassungsarbeit zu leisten ist. Die Entwicklungen verlaufen so schnell, dass zur Zeit die Modifizierungsnotwendigkeiten der späteren Lehrplanteile noch nicht einzuschätzen sind. Zur Ermittlung des aktuellen Bildungsbedarfs wird ständig Kontakt mit den Unternehmen gehalten. Nach Einschätzung der Unternehmen kam das Projekt zur richtigen Zeit, da gerade jetzt die Nutzung des Internets für den betrieblichen Alltag anstand. Das zeigt sich auch in dem am stärksten favorisierten Thema Marketing und Internet, d. h., zur Zeit dominieren in den Unternehmen Aktivitäten, die nach außen gerichtet werden. Die Präsenz im Internet ist inzwischen in dieser Branche ein entscheidender Imagefaktor.

2.3. Beratung und Informationsveranstaltungen zum Thema Telearbeit

Ursprünglich wollten wir ein Projekt im Bereich Telearbeit entwickeln. Da die Resonanz bei den Unternehmen im Vorfeld der Projektbeantragung nicht sehr groß war, aber ein größerer Bedarf bei der Einführung neuer IuK-Technologien im Unternehmen ohne Veränderung der Beschäftigungsform gesehen wurde, haben wir die Thematik zwar nicht völlig fallengelassen, ihr aber innerhalb des Projektes einen untergeordneteren Stellenwert beigemessen. Wir leisten nach wie vor Aufklärungsarbeit auf diesem Gebiet und versuchen allen beteiligten Unternehmen zu vermitteln, dass mit den angebotenen Fortbildungsteilen sowohl in herkömmlicher Weise im Unternehmen als auch in Telearbeit gearbeitet werden kann. Besondere Betonung liegt auf dem Thema Telekooperation, die gerade bei der Zusammenarbeit zwischen kleinen Unternehmen eine zunehmende Rolle spielen wird.

Nach der intensiven Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Telearbeit bereits im Vorfeld des Projektes melden sich bei uns zahlreiche Frauen, die Telearbeit suchen. Da eine Anlaufstelle für diese Frauen in Berlin nicht vorhanden ist, versuchen wir, den Anfragen innerhalb des Projektes gerecht zu werden. Dabei ist uns bewußt, dass wir mit diesen Aufgaben

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von der Zielgruppe im engeren Sinne abweichen, d. h, damit ein zusätzliches Angebot unterbreiten.

Inzwischen wurde für die vielen Anfragen ein Informationsmaterial „Telearbeit für Frauen - Antworten zu häufig gestellten Fragen" erarbeitet, das auf einem verständlichen Niveau über die Chancen von Telearbeit für Frauen aufklärt.

Bei den inzwischen über 70 Kontakten zum Thema Frauen und Telearbeit kristallisieren sich folgende Interessentinnengruppen heraus:

  • arbeitslose Frauen, die glauben, mit der Bereitschaft zu Telearbeit leichter Arbeit finden zu können,
  • Frauen im Erziehungsurlaub, die den Wiedereinstieg familienfreundlicher gestalten möchten,
  • Frauen im Arbeitsverhältnis, die ihren Chef/ ihre Chefin von Telearbeit überzeugen möchten,
  • Frauen, die ihre Existenzgründung mit Telearbeit gestalten wollen,
  • Frauen, die einen Nebenjob suchen.

Allen Gruppen gemeinsam ist ein großer Aufklärungsbedarf und die Notwendigkeit, mit Illusionen aufzuräumen und die realen Chancen aufzuzeigen. Wir hoffen, dass zunehmend adäquate Telearbeitsplätze für diese suchenden Frauen entstehen werden.

Zusammenfassung:

  1. Frauen brauchen berufsbegleitende, praxisorientierte Weiterbildung im Umgang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.
  2. Je näher die Angebote an der Unternehmenspraxis ausgerichtet werden, desto größer ist die Akzeptanz auf allen Seiten. Damit steigt auch die Unterstützung der Fortbildung im Unternehmen. Die Managementebene ist in allen Fortbildungsphasen unbedingt mit einzubeziehen.

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  3. Telearbeit/Telekooperation setzen sich nicht im Selbstlauf durch, sondern erfordern Aufklärungsarbeit in den Unternehmen und bei den Interessentinnen.
  4. Neben der EDV-technischen Schulung ist die Sensibilisierung und entsprechende Schulung für Veränderungen in der Arbeitsorganisation, Kommunikationsstrukturen, bis hin zu Managementmethoden wichtig.

    Ergänzung:

    Das Projekt „Teleservice 2000 plus" gehörte bis zum 31.12.1998 zum Frauenbildungsträger Wirkstoff e.V.. Seit dem 01.01.1999 ist der Träger das Virtuelle Gründerzentrum für Telearbeit GmbH.

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    Dipl.-Ing. Katharina Trippler, Dr. Frank March
    Technische Universität Ilmenau

    Berufliche Perspektiven und Fortbildung auf dem Gebiet der Medientechnik - Erfahrungen aus einem Weiterbildungsprojekt für arbeitslose Ingenieurinnen in Thüringen

    Zu Beginn möchten wir mit wenigen Worten unseren Bezug zum Weiterbildungsprojekt für arbeitslose Akademikerinnen „EWA-Media" (Education Technology for Women Activities in Multimedia) (s. Anhang) charakterisieren. Träger dieses Projektes war die Technische Universität Ilmenau, speziell das LEONARDO-Büro, eine Geschäftsstelle, die die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft auf der Basis von EU-Programmen fördert. Dr. Frank March ist seit 1992 Geschäftsführer des COMETT / LEONARDO-Büros, seit 1998 Dezernent für Akademische Angelegenheiten und einer der Initiatoren dieses Projektes. EWA-Media war ein NOW-Projekt. NOW seht für New Opportunities for Women und war ein Teilbereich der Gemeinschaftsinitiative „Beschäftigung", also einem Förderprogramm der Europäischen Union.

    Kathrin Trippler ist Diplom-Ingenieurin für Technische Kybernetik und Automatisierungstechnik und war in diesem Projekt als Ausbildungskoordinatorin tätig. Heute leitet sie ein Projektlabor Computeranwendung für Studentinnen an der Technischen Universität Ilmenau. Ihre Verbindung zu EWA-Media war kein Zufall. Der Standort Ilmenau hatte vor 1989 durch frühere Großbetriebe und universitäres Hinterland Frauen mit einem hohen qualifikatorischen Potential auf ingenieurtechnischem oder wirtschaftlichem Gebiet. Da sie selbst in der Industrie als Entwicklungsingenieurin beschäftigt war, kennt sie viele dieser Frauen, die im Jahre 1990 massenhaft entlassen wurden. Für diese Ingenieurinnen folgten dann fast immer Umschulungen, Fortbildungen zum Technischen Betriebswirt, zur Steuerfachgehilfin, zur Kauffrau (K. Trippler, Eine Studie zur Situation auf dem Arbeitsmarkt „Weiterbildung von arbeitslosen Ingenieurinnen in Thüringen" Oktober 1996). Letztendlich

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    war es so, dass es gut ausgebildete, berufserfahrene und meist auch schon vielfältige weitergebildete Ingenieurinnen gab, die dennoch keine Arbeit fanden. Wir versuchten, diese Frauen auf einem arbeitsplatzversprechenden Gebiet -neue Medien -zu qualifizieren und in Beschäftigung zu bringen. Anknüpfungspunkt war ein Studiengang der TU Ilmenau, der Studiengang Medientechnik, heute Medientechnologie.

    Im Oktober 1996 konnten 15 arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohte Akademikerinnen eine Weiterbildung für 21 Monate auf medientechnischem Gebiet beginnen. Die Frauen kamen aus verschiedenen Ingenieurrichtungen und aus betriebswirtschaftlichen Bereichen. Ziel der Weiterbildung sollte es sein, Know-How zur Konzeption und Produktion von Präsentationen jeglicher Art, wie Informations-, Wissens- und Produktpräsentation zu vermitteln. Dazu gehören Präsentationen auf Seiten im Internet, auf CD-ROMs oder Präsentationen in Form von Videoproduktionen und Animationssequenzen. Das Projekt hatte universitären Charakter, d. h., Akademikerinnen sollten nicht nur lernen, mit Softwareanwendungen umzugehen, sondern Trends und Entwicklungsrichtungen im Multimediabereich zu beurteilen, vorherzusehen und ihr konzeptionelles Handeln daran auszurichten.

    Um das zu erreichen, gab es vielfältige Formen des Wissenserwerbs. Die Ausbildung orientierte sich primär am Lehrbetrieb der TU Ilmenau. Innerhalb der Semester fanden dementsprechend verstärkt Vorlesungen und Seminare statt. Die vorlesungsfreie Zeit war geprägt von Wissensvermittlung im projekteigenen Schulungsraum, von selbständiger Bearbeitung von Projektaufgaben und der Absolvierung eines Praktikums. Ein Beispiel verdeutlicht, worum es uns ging. Die Gestaltung von Seiten im Internet setzte zum einen „handwerkliche" Kenntnisse der entsprechenden Softwareanwendung oder Programmiersprache voraus, zum anderen war es aber auch notwendig, einen Auftraggeber zu finden, also den Markt zu analysieren und mit den Firmen selbständig Kontakt aufzunehmen.

    Nun zur Frage, was wir mit der Weiterbildung erreicht haben oder was es den Frauen selbst gebracht hat. Dazu ist es notwendig, verschiedene Aspekte zu diskutieren, um ein ganzheitliches Bild geben zu können.

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    Die Lernergebnisse beispielsweise sagen etwas aus über die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und das war einfach beachtlich. Vom 26. bis 29. Juni 1997 waren die Teilnehmerinnen auf der Frauenmesse Düsseldorf mit Ergebnissen ihrer Arbeit präsent. Sie stellten Bildschirmpräsentationen, selbst gestaltete Handzettel, Poster und Web-Seiten im Internet vor. Es wurden Homepages entwickelt, z. B. für:

    • unser eigenes Projekt (http://www.rz.tu-ilmenau.del/ ~leonardo/),
    • eine Firma für Waldverarbeitung,
    • ein Autohaus Ilmenau’s,
    • ein Hotel Ilmenau’s,
    • den Bildungsverbund Thüringen,
    • für die Gleichstellungsbeauftragte des Landes Thüringen.

    Drei Kursteilnehmerinnen produzierten eine Videodokumentation über EWA-Media.

    Vier Frauen konnten schon während der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis zurückkehren, z. T. sogar auf Gebieten, die mit den Ausbildungsinhalten konform gingen. Die frei gewordenen Ausbildungsplätze wurden neu belegt.

    Die Frauen waren im Alter zwischen 25 und 50. Alle wohnten in Ilmenau, die meisten hatten zwei Kinder. Gebunden zwar an den Vorlesungsplan der Universität, blieb den Teilnehmerinnen dennoch genug Zeit, die Lern- und Arbeitszeit selbst zu gestalten. So ist es auch nicht verwunderlich, dass für eine Teilnehmerin beides ging - während der Laufzeit unseres Projektes ein Kind zur Welt zu bringen und mit unserer Unterstützung das Ziel der Weiterbildung zu erreichen.

    Bedingt durch die familiäre Bindung war es verständlich, wenn die Teilnehmerinnen nach Arbeitsmöglichkeiten eher in der Region suchten. Es war schwierig: Nach wie vor war die regionale Arbeitslosigkeit hoch, deshalb gab es zunächst wenig positive Reaktionen auf ihre Aktivitäten. Wir mussten alle die Erfahrung machen, dass einige kleine und mittlere

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    Unternehmen der Region das qualifikatorische Potential der Teilnehmerinnen brauchten, aber nicht bezahlen konnten. Es gab auf der anderen Seite aber auch kurzfristig denkende Geschäftsführer, die sich Entwicklungen und Wirtschaftstrends verschlossen - auf Dauer, so die Einschätzung der Teilnehmerinnen, sicher zum Nachteil der eigenen Firma. Direkt zum Abschluss des Projektes sah es zunächst noch nicht ganz so gut aus. Damals hatte nur eine Frau Beschäftigung auf dem 2. Arbeitsmarkt gefunden.

    Um so mehr war es zu schätzen, dass wir durch verschiedene Vertreterinnen und Vertreter der TU Ilmenau, durch den Gleichstellungsrat und die Gleichstellungsbeauftragte über das Projektende hinaus auch unterstützt wurden - beispielsweise mit Möglichkeiten zur Eingliederung in befristete Projekte, durch Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskräfte, Eingliederung in Strukturanpassungsmaßnahmen oder durch Vergabe von Stipendien. Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Zwei Frauen haben feste Anstellungen auf dem 1. Arbeitsmarkt gefunden, eine Frau wird promovieren, die meisten sind in befristeten Projekten beschäftigt. Die Kontakte zu den heutigen Arbeitgebern entstanden in der Zeit der Praktika.

    Übrigens wollten wir damals auch für geeignete und kreative Teilnehmerinnen noch andere Perspektiven erschließen und versuchten einen Dialog über eine Existenzgründung in Gang zu bringen. Unterstützung durch verschiedene Institutionen und Personen der TU Ilmenau stand bereit. Im Projektumfeld gab es Informationen zu Programmen und Projektanträgen im Rahmen der Europäischen Union. Ilmenau entwickelte sich und entwickelt sich jetzt noch weiter zur Technologieregion und bietet die einmalige Chance, Entwicklungen und Prozesse mitzugestalten und zu beeinflussen. Leider gab es auf diesen Dialog keine Resonanz.

    Resümee:

    Ein Punkt, der uns im Rückblick immer wieder beschäftigte: Es begegnete uns viel zu wenig Selbstvertrauen - obwohl die Lernergebnisse zeigten, dass dazu kein Grund bestand. Wir denken, dass die vielen bereits absolvierten Fortbildungen und Unischulungen durch die einzelne Teilnehmerin

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    und der immer wieder ausgebliebene Vermittlungserfolg in eine Arbeit hier eine Rolle spielte. Hinzu kam das übliche Rollenverständnis: Rücksichtnahme auf die berufliche Perspektive des eigenen Mannes, Verpflichtung durch Kinder und Haushalt wirkte sich ebenfalls hemmend auf die Realisierung eigener Pläne aus. Im Resultat entstand manchmal doch eine Lücke zwischen den im Aufnahmegespräch formulierten Zielstellungen und den tatsächlich realisierten Vorhaben.

    Eine wichtige Erfahrung gab es dabei auch für den Lehrbetrieb an der Universität. Die Tatsache, dass zwischen 20-jährigen, überwiegend jungen Männern, in der Vorlesung und in Praktika plötzlich berufserfahrene Frauen saßen, konfrontierte Studierende und Dozenten mit Problemen, die nicht unbedingt zum Uni-Alltag gehörten - Arbeitslosigkeit und Weiterbildung von Ingenieurinnen. Vorlesungsinhalte, die sonst von den Studierenden hingenommen werden, wurden von den Frauen oft kritisch hinterfragt. Ein guter Weg, eingefahrene Denkweisen in Frage zu stellen!

    Kontaktaufnahme möglich über:

    Technische Universität Ilmenau
    PF 100565
    98684 Ilmenau
    Fax: 03677 / 691701

    Gleichstellungsbüro /
    Projektlabor Computeranwendungen K. Trippler
    e-mail: katharina.trippler@rz.tu-ilmenau.de
    Telefon: 03677 691270

    Dezernat Akademische Angelegenheiten
    Dr. F. March
    e-mail: frank.march@zv.tu-ilmenau.de
    Telefon: 03677 692525




    Link zum Anhang des Vortrags von Katharina Trippler und Dr.Frank March


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