FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:



[Seite der Druckausg.: 87 = Zwischen-Titelblatt]

II. Neue Berufsfelder für Erwerbsarbeit und Beschäftigung



[Seite der Druckausg.: 88 = Leerseite]

[Seite der Druckausg.: 89]


Dr. Dorothea Schemme
BIBB, Bundesinstitut für Berufsbildung, Berlin

Zukunftsweisende Ausbildungsberufe in der Medienbranche

Im Folgenden werden schlaglichtartig die Auswirkungen des allgemeinen Strukturwandels auf das Berufssystem und - am Beispiel der Medienberufe - die daraus sich ergebenden Berufsmöglichkeiten für Frauen thesenartig beschrieben.

Page Top

Strukturwandel der Arbeit

Herausforderungen durch makroökonomischen Wandel hin zu verschärftem Qualitätswettbewerb und Käufermärkten sowie offene technische Systeme führten auf der Mikroebene in den Betrieben zu einer Neustrukturierung von Arbeitsprozessen. Der zunehmende Einsatz von computerisierten Techniken führte zu einem beschleunigten Wandel der Arbeitssysteme, der Arbeitsinhalte, Arbeitsformen, der Arbeitsorganisation und schließlich auch der betrieblichen Qualifikationsanforderungen. Dies gilt sowohl für den gewerblichen als auch für den kaufmännischen Bereich. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht - gestützt auf Erfahrungen der letzten 10 Jahre und die Projektionen von Prognos bis zum Jahr 2010 - von sieben Megatrends aus, die gegenwärtig und zukünftig die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bestimmen werden. [ Vgl. Tischer, Ute: Arbeit im Wandel. Thesen zu Chancen und Risiken von Frauen in der Informationsgesellschaft. In: ibv. Nürnberg Nr. 13/99, S. 949] Hervorzuheben ist zum einen der Trend zur Internationalisierung und Globalisierung von Geschäftsprozessen unter verschärften Wettbewerbsbedingungen, die den Einsatz von Instrumenten flexibler Produkt- und Dienstleistungsgestaltung sowie eine Kunden,- Markt-, Kosten- und Innovationsorientierung erforderlich machen. Zum anderen sind die Durchdringung aller Produktions- und Dienstleistungsprozesse durch Informations- und Kommunikationstech-

[Seite der Druckausg.: 90]

nologien (Computerisierung, Informatisierung) sowie die Tertiarisierung (Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft) und Individualisierung der Gesellschaft (verändertes Bildungs- und Erwerbsverhalten) prägend.

Der Wandel zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft führt zu grundlegenden qualitativen und quantitativen Veränderungen der Arbeitswelt. Dies wird sichtbar an den erwarteten Verschiebungen der Beschäftigtenanteile zwischen den Wirtschaftssektoren: Produktionsbereich, Primäre Dienstleistungen und Sekundäre Dienstleistungen. Nach vorliegenden Prognosen gewinnen Dienstleistungstätigkeiten in hohem Maße an Bedeutung. So wird davon ausgegangen, dass im Jahre 2010 ca. 2/3 der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor beschäftigt sein werden. Diese Entwicklung gilt aber keineswegs nur für den klassischen Dienstleistungssektor, sondern gleichermaßen auch in Landwirtschaft, Handwerk und Industrie. Die Integration von Aufgaben generell und speziell die Interferenz von technischen Aufgaben und Dienstleistungsfunktionen tritt nämlich zunehmend an die Stelle der tayloristischen Arbeitsteilung. Information und Wissen werden zu einem entscheidenden Produktionsfaktor. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien sind die technische Voraussetzung hierfür und treiben diese Annäherungsprozesse voran. Hiermit geht eine entsprechende Expansion informations- und wissensbasierter Tätigkeiten ein. Während für relativ unqualifizierte Dienstleistungen negative Beschäftigungswirkungen erwartet werden, rechnen Experte(inn)en mit Beschäftigungszuwächsen vor allem im Bereich der höher- und hochqualifizierten Dienstleistungstätigkeiten. Hierzu zählen auch die Medienspezialisten, die Medienprodukte entwickeln, vorbereiten, gestalten, herstellen, reproduzieren, vertreiben, verkaufen oder einschlägige Beratungs- und Kundenbetreuungsdienste anbieten.

Der Wirtschaftsbereich Medien unterliegt selbst kräftigen Umschichtungen. Neben den Print-/Druckmedien sichern digitale Medien und Multi-media den Unternehmen die Teilnahme am Wirtschaftsprozess auf diesem heiß umkämpften Zukunftsmarkt. [ Vgl. Braml, Rainer: Berufe im Druck- und Medienbereich. In: ibv. Nürnberg Nr. 40//97, S. 2760] Die Entwicklungsdynamik im

[Seite der Druckausg.: 91]

Medienbereich ist aufgrund der Technologieentwicklung bekanntlich enorm hoch.

Page Top

Innovationen im System der beruflichen Bildung

Der gesellschaftliche und betriebliche Strukturwandel führt zu einer grundlegenden Neuformierung von Arbeit, Beruf und Beschäftigungsverhältnissen. Die neuen Technologien in Verbindung mit der geforderten Dienstleistungsorientierung müssen daher auch Gegenstand systematisierter Aus- und Weiterbildung in allen Wirtschaftszweigen sein. Generell stellen sich erhöhte Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz, d. h. insbesondere an die Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz, die jeweils durch die erforderliche Fachkompetenz zu konkretisieren sind. Gefragt sind Technikkompetenz, kreatives Problemlösungsverhalten, Gestaltungskompetenz, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und Management-Know-how.

Nur eine dynamisch sich weiterentwickelnde Berufsbildung schafft den Rahmen für die notwendigen Modernisierungsschübe. [ Vgl. Holz, Heinz: Vortrag in Nürnberg, November 1997 (unveröffentlicht)] Zu den notwendigen Innovationen zählen beispielsweise die Überprüfung/Überarbeitung alter sowie die Schaffung neuer Aus- und Weiterbildungsberufe sowie die Differenzierung und Individualisierung der Berufsbildung. Modernisierungen respektive Aktualisierungen beruflicher Aus- und Weiterbildung werden ebenso auf struktureller wie inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Ebene vorgenommen.

Allein in dem Zeitraum von 1996 bis 1998 wurden 96 neue Ausbildungsordnungen erlassen, darunter 28 neue Ausbildungsberufe, so dass die Berufsausbildung auch von der Ordnungsseite her deutlich Unter-stützung und neue Impulse zur Qualitätsverbesserung und Innovation erhält. Unter Federführung des BIBB und intensiver Beteiligung von Fachleuten der Verbände wurden die folgenden Medienberufe neu geordnet und damit den betrieblichen Entwicklungen angepasst:

[Seite der Druckausg.: 92]

  • Buchhändler/in
  • Verlagskaufmann/-frau

Neue Medienberufe:

  • Film- und Videoeditor/in
  • Fachangestellte/r für Medien- und Informationsdienste
  • Fotomedienlaborant/in
  • Film- und Videolaborant/in
  • Kaufmann/-frau für audiovisuelle Medien
  • Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien
  • Mediengestalter/in für Bild und Ton
  • Fachkraft für Veranstaltungstechnik.

Um den Bedingungen hoher Flexibilität im Produktions- und Dienstleistungssektor zu genügen, werden dynamische und gestaltungsoffene Berufsbilder entwickelt mit sowohl festen als auch beweglichen Bestandteilen. Gefragt ist das Konzept einer Beruflichkeit, die „hohe Qualitätsstandards sowie breite Basisqualifizierung mit flexiblen Strukturen und entwicklungsoffenen Profilen verbindet. (...) Generalisierung und Spezialisierung als zwei Seiten der zunehmenden Ausdifferenzierung und Variabilität moderner Produktions- und Dienstleistungsprozesse." [ Ehrke, Michael: IT-Ausbildungsberufe: Paradigmenwechsel im dualen System. In: bwp 26/1997/1, S. 6] "Unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktverwertbarkeit werden deshalb Strukturmodelle für Ausbildungsberufe benötigt, die es ermöglichen, unter immer heterogeneren betrieblichen Rahmenbedingungen die jeweils für eine breit gefächerte Produkt- und Tätigkeitspalette erforderliche Qualifikation im Rahmen eines Erstausbildungsberufes zu sichern." [ BMBF (Hg.): Berufsbildungsbericht 1998. Bonn 1998, S. 75]

[Seite der Druckausg.: 93]

Für die Druck- und Medienvorstufe wurde ein ganz neuer Ausbildungsberuf geschaffen, der die bisherigen Berufe des Druckvorstufenbereichs integriert. Strukturmerkmale dieses Berufs Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien sind:

  • ein modular aufgegliedertes Strukturmodell mit breiter Grundqualifizierung und darauf aufbauenden Fachrichtungen, sogenannten „Fachrichtungskorridoren", die das gesamte Spektrum späterer beruflicher Tätigkeitsbereiche repräsentieren;
  • flexibel kombinierbare, differenzierte Pflicht- und Wahlbausteine mit den Optionen Gestaltungsoffenheit sowie der Verknüpfung von Aus- und Weiterbildung. [ Vgl. Lennartz, Dagmar: Neue Strukturmodelle für berufliches Aus- und Weiterbilden. In: bwp 26/1997/6, S. 16]

Die Einführung der neuen Ausbildungsberufe im Medienbereich setzt eine Information aller Beteiligten in Schule, Öffentlichkeit, Betrieben und bei den zuständigen Stellen voraus. Sie kann unterstützt werden durch Materialien aus der Praxis für die Praxis. Neben der Entwicklung und Einführung/Implementation neuer Berufe setzt die Evaluation neuer Ausbildungsordnungen entscheidende Impulse für die weitere Verbesserung der Ausbildungs- und Prüfungspraxis. [ Vgl. Stiller, Ingrid: Ausbildung für die Dienstleistungsgesellschaft - Kaufmännische und verwaltende Berufe. In: BIBB (Hg.): Materialien „ Ausbildung für die Dienstleistungsgesellschaft " Kaufmännische und verwaltende Berufe. Berlin 1998, S. 7]

Eine Auswertung der Zahl der Ausbildungsverhältnisse in den kaufmännischen und verwaltenden Dienstleistungsberufen, wozu sechs Medienberufe als eine Berufsgruppe zählen, hat ergeben, dass die Bereiche mit attestierten Wachstumschancen wie Reise, Verkehr und Medien bisher einen relativ geringen Anteil an den Ausbildungsverhältnissen hatten. [ Vgl. ebd.]

[Seite der Druckausg.: 94]

Page Top

Chancen für eine Reorganisation des Geschlechterverhältnisses

Aufgrund ihrer Bildungsvoraussetzungen verfügen Frauen heute über exzellente Chancen, diese tief greifenden Veränderungsprozesse und neuen Berufe zu nutzen, um das bisher zu enge Spektrum ihrer Berufsmöglichkeiten nachhaltig zu erweitern. Zumindest in den alten Bundesländern konnten Frauen bereits von den Zuwächsen im Dienstleistungsbereich profitieren. Obgleich die Zahl der weiblichen Auszubildenden und Beschäftigten in den neuen Medienberufen heute noch relativ gering ist, verfügen qualifizierte Frauen hinsichtlich ihres Bildungsverhaltens, ihrer Erwartungen an Ausbildung und Beruf sowie ihres Verhaltens gegenüber Kunden über gute Voraussetzungen, in neue Arbeitsfelder zu expandieren. Dies gilt z. B. für Informations-, Beratungs-, Betreuungs- und Ausbildungsfunktionen ebenso wie für direkt technisch umzusetzende Informations- und Kommunikationsleistungen im Medienbereich sowie für die Bereiche Planung, Konzeption, Gestaltung, Organisation, Vorbereitung und Produktion, Verkauf und Verwaltung von Medienprodukten.

So konnten Frauen durchaus bereits Erfolge verbuchen in den 1996 in Kraft getretenen neuen Medienberufen. Der Anteil der Frauen an den 1996 neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen betrug beispielsweise in den Berufen:

Werbe- und Medienvorlagenhersteller/in

- 56 Prozent

Film- und Videoeditor/in

- 43 Prozent

Mediengestalter/in in Bild und Ton

- 28 Prozent

Film- und Videolaborant/in

- 61 Prozent.*


* [ Vgl. BMBF, Berufsbildungsbericht, S. 148]

Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass die Gesamtzahl der Auszubildenden in den neugeordneten ebenso wie in den neu eingeführten Medienberufen 1998 noch relativ niedrig lag. Überdies ist nicht auszuschließen, dass es gerade aufgrund der Attraktivität und Zukunftsfähig-

[Seite der Druckausg.: 95]

keit der neugeordneten und neu geschaffenen Medienberufe zu verstärkter Konkurrenz zwischen Männern und Frauen kommt um die heute noch nicht allzu zahlreichen Ausbildungsplätze.

Für die Gestaltung von Ausbildungsmaßnahmen bedeutsam erscheint mir eine stärkere Berücksichtigung der Verschränkung von Zielgruppenaspekten mit innovativen Bildungsakzenten und Reformansätzen in den jeweiligen Berufsfeldern. Um Impulswirkungen zu erzielen, müssen Arbeitsorganisation, Technik und Bildung integriert und synchron angegangen werden,

Innovative Berufe ohne verfestigte Traditionen bieten aber insofern Ansatzpunkte für eine wirksame Frauenförderung und mithin eine Aufhebung der horizontalen und vertikalen Geschlechterverteilung, als diese Terrains auch von Männern noch nicht oder erst zum Teil besetzt sind. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund, dass innovative Betriebe, auch wenn sie nur eine Minderheit darstellen, sich zugleich häufig durch innerbetriebliche Sozialstrukturen sowie eine die Selbständigkeit und Beteiligung der Beschäftigten fördernde Organisationskultur auszeichnen, die weniger geschlechtsbezogen sind. Gerade die Unternehmen im Medienbereich spielen hier vielfach eine Vorreiterrolle.

Eine dauerhafte Verankerung beruflicher Frauenbildung und eine Realisierung nachfolgender Berufschancen ist auch in den Unternehmen der Medienbranche ein längerfristiger Prozess, der einen Bewusstseinswandel bei allen Beteiligten erfordert. Daher kommt es in besonderem Maße darauf an, inhaltlich-curriculare und didaktische Maßnahmen der beruflichen Bildung mit Ansätzen der Personal- und Organisationsentwicklung zu verknüpfen und diese Prozesse intensiv und kontinuierlich zu begleiten, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page