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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 23]



Maneka Gandhi

ehemalige Umweltministerin, Indien

Leben in der Einen Welt?



Neue ökologische Wende in Osteuropa...

Seit 1989 hat sich in den osteuropäischen Staaten wirtschaftlich und politisch viel verändert. Diese Veränderungen haben den Staaten völlig neue Möglichkeiten eröffnet, aber auch neue Probleme mit sich gebracht, die die Welt nicht einfach ignorieren kann. Großunternehmen aus Nordamerika, Westeuropa und Japan betrachten die osteuropäischen Staaten als einen riesigen, unerschlossenen Markt, der mehr als 32 Millionen wohlhabende Konsumenten umfaßt. Sie sind eifrig dabei, diese Chance beim Schöpf zu fassen. Gleichzeitig bemühen sich die osteuropäischen Länder um Direktinvestitionen, die helfen können, ihre industrielle Infrastruktur zu modernisieren und infolgedessen Produktivität und Produktqualität gleichermaßen zu verbessern.


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Die osteuropäischen Staaten sind jedoch nicht homogen, und multilaterale Organisationen wie westliche Investoren gingen fehl, wenn sie von einer einzigen wirtschaftlichen Herausforderung ausgingen. Im Gegenteil: wir sollten uns davor hüten, die gleichen Fehler zu begehen wie es die Entwicklungsexperten in den 50er und 60er Jahren taten. Damals postulierten sie, daß die einzige Bedingung für Wachstum massive Kapitalinvestitionen seien und sie hatten die Vision eines geheimnisvollen "take-off" Stadiums, das die Entwicklungsländer im Handumdrehen in entwickelte Staaten verwandeln sollte.

Gegenwärtig gilt Osteuropa bei den meisten Menschen als ökonomisch krank und nur durch massive Kapitalzufuhr auf wunderbare Art und Weise heilbar. Wir müssen aber bedenken, daß, obwohl die Institutionen in diesen Ländern erschreckend kraftlos erscheinen, der Grad der menschlichen Entwicklung in vielen Fällen recht bemerkenswert ist.

In einer Veröffentlichung der UNDP über den Human Development Index ist für Polen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 71,8% ausgewiesen, eine Bildungsrate von 98% bei Erwachsenen, ein durchschnittlicher Schulbesuch pro Bürger von 7,3 Jahren und im Gesamtwert ein Human Development Index von 0,863. Indem wir diese sogenannten "Wirtschaftssysteme" im Aufbruch umstrukturieren wollen, dürfen wir auf keinen Fall solche Werte und Eigenschaften zerstören, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden und womöglich die einzigen bleibenden Errungenschaften des Kommunismus darstellen. Wenn früher diese Länder Kommunismus mit einem menschlichen Gesicht anstrebten, müssen wir heute gewährleisten, daß die Abkehr vom Kommunismus ebenfalls menschliche Züge aufweist.

Meiner Meinung nach gibt es drei Anforderungen, denen wir gerecht werden müssen, bevor Osteuropa eine freiere und dauerhaftere Entwicklungsform finden kann. Diese sind:

  1. Umweltschutz.
  2. Entwicklung nachhaltiger Energiequellen.
  3. Aufbau lokaler Möglichkeiten und Fähigkeiten für eine nachhaltige Entwicklung.

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Die Umweltprobleme, die durch die derzeitigen Produktionsmethoden in Osteuropa verursacht worden sind, sind gravierend und furchterregend. Die Oder, die zwischen Polen und Ostdeutschland verläuft, ist fast völlig tot, bis zu 80% ihres Wasserlaufes. Es gibt Gebiete in Polen, Ostdeutschland und Rumänien, in denen die Menschen wegen ungeheuerer Umweltverschmutzung ernsthafte Gesundheitsschäden haben. Mehr als 25% der gesamten Landfläche Polens ist eine einzige ökologische Katastrophe. Es wird geschätzt, daß mindestens 15% des Bruttosozialprodukts in Osteuropa durch Invalidenrenten, Gesundheitsfürsorge und niedrige Produktivität verlorengeht und was direkt auf Umweltschäden zurückzuführen ist. Diese Umweltschäden können erst dann beseitigt werden, wenn wir die gegenwärtigen Herausforderungen vorurteilsfrei angehen. Eine bloße Zufuhr von Kapital wird nicht genügen. Es ist nur etwa vier Jahrzehnte her, daß der Rauchnebel über London, von Industrieabgasen erzeugt, ungeheuer viele Menschen geschädigt oder gar getötet hat. Ein anderes Beispiel: die Katastrophe von Donora, Pennsylvania. Die Stadt Pittsburgh galt in den 60er Jahren als unbewohnbar, und es war sehr viel später, daß Bürgerinitiativen und Gesetzgeber einen bedeutenden Wechsel hervorbrachten und alle industriellen Verunreinigungen im Westen bekämpft wurden.

Worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, daß krasser Kapitalismus ohne die Beteiligung und Zustimmung der Bürger und der lokalen Institutionen, sowie ohne angemessene legislative Schutzbestimmungen, das Leben der Menschen in Osteuropa mit noch größerer Umweltverschmutzung gefährden könnte. Die dringende Aufgabe und Herausforderung der Weltöffentlichkeit liegt also darin, die Menschen in Osteuropa für Umweltfragen zu sensibilisieren, und daß Bestimmungen zum Umweltschutz aufgestellt werden. Also müßten große Bemühungen unternommen werden, einerseits die Menschen zu erziehen, und andererseits die Institutionen so aufzubauen, daß die Probleme von den Bürgern dieser Länder selbst gelöst werden können. Dabei würde auch gewährleistet, daß Unternehmen und Konzerne von zweifelhaftem Ruf die Lage in diesen Ländern nicht auf Kosten der Umwelt ausnützen.

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Die Energieprobleme Osteuropas sind eng mit Umweltfragen verbunden. Wenn man beispielsweise die ehemalige DDR betrachtet, wird man feststellen, daß die Hauptenergiequelle dort Braunkohle war und heute noch ist. Der Gesamtanteil von Braunkohle bei dem primären Energieverbrauch in der DDR betrug 1988 ungefähr 74%. Flüssiger Brennstoff lag bei 13%, Erdgas bei 10% und andere Quellen wie Kernkraft und Wasserkraft bei 3,5%. Der allgegenwärtige Wunsch nach Selbständigkeit bei der Energieversorgung hatte das Land in einen unhaltbaren Energieverbrauchsengpaß getrieben. 1988 lag der Prokopf-Energieverbrauch in der DDR an dritter Stelle nach Kanada und den USA. Die Politik der Selbständigkeit wurde teuer erkauft. Der Preis waren nicht nur Umweltprobleme, sondern auch hohe Kosten für Förderung, Transport und Veredelung von Braunkohle. Und das, obwohl konkurrenzfähigere und umweltfreundlichere Ersatzstoffe durch Importe erhältlich gewesen wären. Ein Viertel aller Industrieinvestitionen in der DDR wurde auf dem Energiesektor gemacht, während in der Bundesrepublik bloß 10% des Volumens gebraucht werden, um eine adäquate Energieversorgung zu gewährleisten. Der relativ hohe Schwefelaschegehalt in der Braunkohle verursachte verheerende Luftverunreinigungen. 1988 betrugen der Pro-Kopf-Ausstoß von Schwefeldioxyd [SO2] in der DDR etwa 311 Kilo, das bedeutete eine Gesamtmenge von ungefähr 5 Millionen Tonnen. Und das waren etwa 8,3% Prozent des SO2-Ausstoßes in Europa Dementsprechend hoch war die Menge der abgegebenen Stäube, bis zu 2 Millionen Tonnen. Es gab also eine Menge von Kohlenstäuben in Höhe von 156 Kilo pro Kopf in der DDR, im Gegensatz zu 11 Kilo pro Kopf in der Bundesrepublik. Der Ausstoß von Kohlendioxid war ebenfalls hoch: 21,98 Tonnen pro Kopf in der DDR und nur 12,16 Tonnen in der Bundesrepublik.

Eine vollständige und schnelle Modernisierung der Energiewirtschaft in Osteuropa ist längst fällig. Übertragungs- und Verteilungsverluste sind in den osteuropäischen Ländern viel höher als im Westen. Ähnlich verhält es sich mit der Konversion des Stromes. Fast 50% der mit flüssigem Brennstoff betriebenen Kraftwerke sind mehr als 20 Jahre

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alt, und die durchschnittliche Leistungsfähigkeit dieser Anlagen ist dementsprechend niedrig. Auf dem Energiesektor müßten also wichtige Veränderungen einsetzen, nicht nur in der Betriebsleitung, sondern auch auf dem Gebiet der Preisfestlegung und Tarife. Niedrige Energiepreise mit hohen Subventionen haben nicht nur zu unhaltbar hohem Energieverbrauch geführt, sondern sie haben auch die Finanzkraft der Energieversorgungsinstitute geschwächt. Mit dem Ergebnis, daß sie weder Modernisierungsmaßnahmen, noch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit in Angriff nehmen können.

Die wichtigste Herausforderung in Osteuropa ist also eine Verstärkung und Entwicklung der Institutionen und Organisationen. Im wesentlichen ist die Situation mit der eines Kindes vergleichbar, das geschützt aufgewachsen ist und dann plötzlich einer aggressiven und unfreundlichen Umwelt ausgesetzt wird. Die Zwänge der Marktwirtschaft könnten sehr wohl eine hemmende, negative Wirkung auf die existierenden Institutionen ausüben. Ein Beispiel, das mir zu Ohren gekommen ist, betrifft das Gasversorgungssystem in Moskau, und wirft Fragen von furchterregender Tragweite auf. Eine Firma in den USA trägt sich mit dem Gedanken, einen Vertrag mit dem Moskauer Institut zu unterzeichnen, wobei sie die Betriebsführung der Gasversorgung der Stadt übernehmen wird. Dabei werden Verbesserungen vorgenommen, die höhere Gewinne einbringen sollen, und gleichermaßen von der Firma und dem Moskauer Institut geteilt werden sollen. Zweifelsohne gäbe es viele solche Möglichkeiten, wenn man die jetzige schlechte Lage der Wirtschaft in Osteuropa und der Sowjetunion bedenkt. Aber wollen wir eine neue Form des Kolonialismus einführen, die möglicherweise das ohnehin niedrige Selbstvertrauen der Menschen einer ganzen Region zerstören könnte? Oder wollen wir schrittweise vorgehen, das Kind langsam und behutsam Laufen lehren, ohne wegzulaufen und es im Stich zu lassen? Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, daß anhaltende Entwicklung bloß auf der Basis von Import von Know-how und institutionellen Fähigkeiten durchgeführt werden könnte. Man darf dabei die lokalen Stärken und die Ressourcen in diesen Ländern nicht ignorieren. Sicher

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bedürfen sie einer gründlichen Umstrukturierung, aber keiner Vernachlässigung. Ich befürchte, daß gerade dieser Punkt die geringste Aufmerksamkeit der Multis und der Finanzstarken auf sich ziehen wird, da sie sehr auf ihre eigenen Berater und sogenannte Experten schwören. Ich kann nur hoffen, daß ein Staatsmann vom Format Willy Brandts etwas in Gang setzen kann, das wiederum gewährleisten könnte, daß der menschliche Geist bei der gegenwärtigen Entwicklung nicht einfach zerstört wird, sondern daß ihm, ganz entgegen der derzeitigen Entwicklung in Osteuropa, der Vorrang eingeräumt wird.

... und in der Dritten Welt?

Die Entwicklungsländer der Welt, meine Heimat eingeschlossen, haben seit Jahrhunderten gegen koloniale Ausbeutung und Unterdrückung gekämpft. Als wir unsere Zukunft als ein unabhängiges Land aufbauen wollten, haben wir uns für eine offene und demokratische Ordnung entschieden, wobei die Industrieländer unsere Verbündeten sein sollten. Wir avisierten eine bessere Zukunft für die Menschheit im allgemeinen und für unsere eigenen Landsleute im besonderen. Wir waren generell gegenüber Investitionen und dem Technologieimport aus dem Westen offen, obwohl beides oft mit unmöglichen Bedingungen und Zwängen verbunden war, so daß wir uns oft nicht rational entscheiden konnten. Die verheerenden Folgen solcher Zwänge hat man allzuoft erleben können, da ganze Fabriken, die im Westen nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik waren, in die Entwicklungsländer verfrachtet wurden. Mir kam neulich eine Fallstudie in die Hände, die Indiens Auswahl für die Herstellung von Diesellokomotiven in den 60er Jahren untersuchte. Zwei Technologien standen zur Wahl, beide aus den USA. Die eine Fabrik mit der gewünschten Technologie befand sich im Bundesstaat New York und sollte bald abgerissen werden. Als die US-Regierung Indien günstige Bedingungen für den Import von Maschinen und Technologie anbot, machte sie gleichzeitig hinreichend klar, daß die Wahl zugunsten der Fabrik in New York fallen sollte. Wie es sich herausstellte, war der Gouverneur von New York ein starker Mann und genoß großes Ansehen in Washington. Vielleicht

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ist es nicht fehl am Platz zu erwähnen, daß die besagte amerikanische Firma bald nach der Errichtung des Projekts in Indien in Konkurs ging. Ganze Bänder könnten darüber Aufschluß geben, wie eine oft falsche, wenn nicht geradezu kriminelle, Technologieauswahl getroffen wurde. Die furchtbare Katastrophe von Bhopal wird immer eine starke Mahnung bleiben.

Ich nenne solche Beispiele, nicht etwa um die Sache unnötig zu dramatisieren, sondern um zu zeigen, wie die Wirklichkeit aussieht, und wie hoch der Preis ist. Dabei kümmern wir uns wenig um die Gesamtwirkung von Projekten, die wiederum manches Entwicklungsland in eine Schuldenkrise gebracht hat. Heute gibt es eine eigenartige Tendenz, daß nämlich Kapital aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer einfließt. Dies gilt nicht nur für die Handelsbanken in den Industrieländern, sondern auch für die multinationalen Organisationen wie die Weltbank. Wir brauchen uns

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nur an die 70er Jahre erinnern, als die Schuldenprobleme der Dritten Welt gewaltige Ausmaße annahmen. Mitte und Ende der 70er Jahre gab es eine Entwicklung, bei der mehrere ölexportierende Länder plötzlich große Gewinne im Ölexport machten und als Folge dessen die Ölpreise in die Höhe schossen. Diese Länder legten ihr Geld in den Handelsbanken der westlichen Länder an. Einige solcher Investitionen brachten geringe, wenn nicht negative Gewinnraten, und so konzentrierte sich das Geld mehr und mehr in den Händen der internationalen Banken.

Diese suchten wiederum nach Möglichkeiten, ihr Geld in aufnahmewilligen Ländern der Dritten Welt zu investieren. Leider gingen ihnen viele, in der Hoffnung Kapital für Großprojekte zu leichten Bedingungen zu bekommen, in die Falle. Viele Länder Lateinamerikas bekamen ungeheuere Summen für Hydroprojekte und ähnliche grandiose Programme. Diese Handelskredite wurden nicht durch Nachfrage gesteuert, sondern lediglich durch das Vorhandensein von überschüssigen Geldern bei den Banken. Dieses Beispiel unterstreicht aufs stärkste die Meinung von J. K. Galbraith, daß die Großunternehmen eine starke Machtstellung einnehmen, indem sie zuerst durch Werbung und andere Mittel eine Nachfrage für bestimmte Produkte hervorrufen, und dann durch höhere Produktion dieser Nachfrage nachkommen. Ähnlich verhält es sich mit den Banken, die bei den entscheidenden Stellen in Entwicklungsländern Nachfrage hervorrufen. Wenn ein Land arm an Kapital und Rohstoffen ist, sind seine Politiker und Machthaber darauf aus, daß Fremdkapital einfließt. Erst viel später wird den unglücklichen Bürgern des Landes bewußt, welchen Preis sie auf die Dauer dafür zahlen müssen, von der Schuldenfalle ganz zu schweigen. Wir in der Dritten Welt sind in unterschiedlichem Maße Opfer dieses Syndroms gewesen.

Alles in allem müssen diese Probleme als eine ethisch-moralische Frage angesehen werden. Entwicklungshilfe ist eine ethische Frage und muß von den Industrieländern in diesem Kontext gesehen werden. Sie soll und darf nicht nur den langfristigen Wirtschaftsinteressen dieser Länder dienen, sondern muß als eine moralische Kraft fungieren, die

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einige der schlimmsten Auswüchse der Vergangenheit beseitigen hilft, als Abenteurer und Ausbeuter den Reichtum der Dritte-Welt-Länder rücksichtslos plünderten. Viele Kommissionen und bedeutende Staatsmänner haben immer wieder betont, daß die Industrieländer eine höhere Entwicklungshilfe gewähren sollten. Die Brandt-Kommission hat dies hervorgehoben, hat aber auch für eine gerechtere Ordnung im internationalen Handel plädiert. Sie hat mit Recht die Bedeutung einer stabilen Preisstruktur derjenigen Güter hervorgehoben, die die Hauptexporte der Entwicklungsländer darstellen. Leider hat die Welt die ausgezeichneten Vorschläge der Brandt-Kommission nicht ernst genommen, als ob man diese harten Tatsachen durch eine Vogel-Strauß-Politik aus der Welt schaffen könnte.

Man kann das Ergebnis dieser Gleichgültigkeit aus der Tatsache ersehen, daß die Entwicklungshilfe der meisten Industrieländer immer geringer geworden ist.

Falls wir die Welt als eine Einheit betrachten und eine enge Zusammenarbeit für ihre Rettung ansteuern, müssen wir uns auf allen Gebieten sehr anstrengen.

Zunächst muß die Erste Welt davon abkommen, die Dritte Welt lediglich als Absatzmarkt zu betrachten, in dem ignorante Eingeborene mit ein bißchen Geld, aber ohne Verstand handeln. Ferner muß sie den Verkauf von alten abgenutzten Technologien genauer prüfen, um zu verhindern, daß die Multis damit überzogene Gewinne machen können.

Japan hat sich einer großen Säuberungsaktion unterzogen und besitzt einige der strengsten Umweltschutzgesetze in der Welt Zwischen 1970 und 1975 verdoppelte sich der prozentuale Anteil der Ausgaben für Umweltschutz am Bruttosozialprodukt von 1 % auf 2%. Privatunternehmen ihrerseits investierten ungefähr 3,3 Milliarden Dollar für Schutzmaßnahmen.

Diese Tatsache wäre an sich lobenswert, wenn nicht einige japanische Firmen im Ausland so gewissenlos handeln würden.

Eine japanische Firma gründete beispielsweise eine Filiale in Malaysia,

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nachdem sie in der Nähe von Tokio den Boden schwer verunreinigt hatte. Und ein Bergwerk mit japanischer Beteiligung hat chronische Schwermetallschäden in Ostmalaysia verursacht. Nachdem die umliegenden Felder und Dörfer schwer betroffen wurden, wurde die ganze Sache von einem japanischen Journalisten an die Öffentlichkeit gebracht, und die Firma mußte sich schuldig bekennen. Schließlich willigte sie ein, den Bauern 2 Millionen Malay-Dollar zu zahlen.

Während der letzten Jahre wird es zunehmend deutlich, daß einige Firmen aus dem Norden ihre Tätigkeit in solche Gebiete verlagern, wo die Umweltgesetzgebung weniger streng ist. Es gibt schlagende Beweise dafür, daß z.B. mehrere japanische Firmen in Malaysia und den Philippinen arbeiten, weil die Schutzbestimmungen dort entweder sehr lasch sind oder gar nicht durchgesetzt werden.

Wenden wir uns nun den Multis und dem Technologietransfer zu. Diese Multis beherrschen ein Drittel der Weltproduktion und 40% des Handels. Sie sind so eng miteinander verwoben, daß sie sogar voneinander kaufen. Die Importe kosten mehr und die Exporte weniger, und dadurch rauben sie der Dritten Welt Milliarden Dollar. Eine pharmazeutische Firma benutzt die Anlage von Rosy Periwinkle in Madagaskar und verdient Millionen dabei. Madagaskar bekommt nichts davon. Gefährliche Einrichtungen werden sorglos eingesetzt, obwohl ihr Einsatz im Westen mit größerer Achtsamkeit vonstatten gehen muß. Ich brauche Ihnen gar nichts über Union Carbide und die Bhopaltragödie zu sagen. Tatsache aber ist, daß dabei Hunderttausende von Indern entweder getötet oder verletzt wurden, und die Entschädigung dafür läßt immer noch auf sich warten. Selbst wenn eine Technologie sich als gefährlich herausstellt und durch eine neue, sichere Technologie ersetzt wird, wird die alte nicht immer stillgelegt. Sie wird an die Dritte Welt verkauft. Im Westen hat man seit langem das Senfgas, Phosgen, als Grundstoff von Insektiziden aufgegeben und neue Stoffe eingeführt, aber die Dritte Welt bekommt diese nicht. Die Illustrierte "Newsweek" warnt in der Zigarettenwerbung ihrer westlichen Ausgaben vor den Gefahren des Rauchens, aber nicht in der Edition für uns. Da das Rauchen im Westen

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zurückgeht, versucht man mit allen Mitteln, Zigaretten in Afrika und Asien zu vertreiben. Die Firma Rothmans hat z.B. neue Produktionseinrichtungen in Indien etabliert und obwohl es hinreichend bekannt ist, daß Kindernahrung in Dosen schädlich ist, macht die Firma Nestle große Geschäfte bei uns.

Der Westen fördert die Erniedrigung der Umwelt auf verschiedene Art und Weise. Wir brauchen uns nur sein unhaltbares Konsumverhalten vor Augen zu führen. Dazu wird der Abfall einfach in andere Länder transportiert.

Der Westen verursacht absichtlich Umweltverschmutzung in den Entwicklungsländern. Beispielsweise wird im Westen zwar das Phosvelinsektizid hergestellt, aber wegen seines hohen Giftgehaltes nirgends vertrieben. Es wird aber in der Dritten Welt im Gemüseanbau benutzt. Obwohl es vom Westen bedenkenlos exportiert wird, werden Tomaten aus Mexiko in den USA wegen ihres Phosvelgehaltes nicht importiert. Beispiele dieser Art häufen sich.

Mehr als 4 Millionen Tonnen der gefährlichsten Chemieabfälle aus dem Westen werden entweder in den Entwicklungsländern oder in den Meeren gelagert. 300.000 Tonnen solcher Abfälle wurden seinerzeit von Westberlin in die DDR gebracht. Ich frage mich, wo sie sie jetzt hinbringen werden. Tausende von Tonnen chemischer Abfälle wurden von Italien nach Nigeria gebracht. Die USA deponiert ihre Abfälle in Mexiko. Bei einer internationalen Konferenz über solche Fragen wurden die Entwicklungsländer dafür verantwortlich gemacht, daß sie ihre Grenzen nicht ausreichend gegen Abfalltransporte schützten, aber kein Wort wurde über den Stopp solcher Aktivitäten seitens des Westens verloren.

Der internationale Handel müßte rationeller gestaltet werden. Die Dritte Welt lebt von ganz wenigen Handelswaren. Ihre Preise auf dem Weltmarkt werden aber von der Ersten Welt bestimmt und schwanken ganz gewaltig, generell nach unten. 1989 waren die Preise für Tee, Kaffee, Kakao, Erze usw. viel niedriger als 1980. Zweitens müßten die Tarife rationalisiert werden. Wenn wir versuchen, bestimmte Produkte zu verarbeiten oder gar herzustellen, werden allerlei Quoten festgelegt.

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Z.B. wird der Export frischen Obstes ohne weiteres erlaubt, aber Konserven werden durch Tarife geregelt. Die Einfuhr von Tuch wird erlaubt, aber bei Konfektionswaren in der Bekleidungsindustrie werden strenge Kontrollen ausgeübt.

Die hohe Schuldenlast hat zunehmend dazu geführt, daß viele Länder ökologisch leichtsinnige Maßnahmen ergriffen haben, die sie wiederum in noch größere Schulden treiben. Wenn wir die komplexe Beziehung zwischen Schuldenlast und Umweltvernichtung richtig verstehen wollen, müssen wir uns die wechselnden Bedingungen im Welthandel vor Augen führen, und uns darüber klar werden, welchen Einfluß der Handel auf ein Land ausüben kann.

Das Agrarsystem in manchen Ländern der Dritten Welt spiegelt die Ausbeutung dieser Länder während der Kolonialzeit wider. Die Industrielle Revolution in England baute sehr stark auf die Rohstoffe aus den Kolonien. Aus Indien bekamen sie Jute, aus Kenia Sisal, Zucker aus der Karibik und Weizen aus Kanada. Die unterdrückten Völker wurden ermutigt – manchmal sogar gezwungen – ihre traditionelle Agrarwirtschaft aufzugeben und Produkte wie Zucker, Kaffee, Baumwolle, und Weizen, für die es im Norden eine große Nachfrage gab, anzubauen. Es ist noch heute nichts Ungewöhnliches, daß einige Länder ernsthafte Nahrungsmittelknappheit erleiden, weil sie ihre Agrarwirtschaft auf den Export ausgerichtet haben. So wird z.B. mehr als die Hälfte des bebaubaren Bodens in Mauritius für den Zuckerrohranbau gebraucht.

Wenn ein Land einmal vom Teufelskreis des Konsums erfaßt wird, wird seine Zukunft unsicher. Oxfam hat in einem Bericht "For Richer, for Poorer" deutlich gezeigt, daß "der böse Teufelskreis des Konsumhandels" mit der Schuldenkrise engstens zusammenhängt. Er kann auf das Jahr 1973 zurückgeführt werden, als die Ölpreise sich vervierfachten. Die Ölproduzenten hatten plötzlich ungeheuer große Devisenreserven, die sie in Handelsbanken im Westen deponierten. Die Banken ihrerseits wollten daraus Kapital schlagen und fingen an, große Anleihen zu großzügigen Zinsbedingungen an die Regierungen der Entwicklungsländer zu machen. Damit konnten diese wiederum das teuere Öl kau-

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fen, um neue Fabriken, Staudämme, Flughäfen, Straßen usw. zu bauen. Dem Aufschwung folgte aber sehr bald ein Abschwung. Ende der 70er Jahre stiegen die Zinsraten mächtig an, und die Länder mit hoher Schuldenlast mußten immer mehr Geld aufbringen, um diese Schulden zu tilgen.

In dem Maße, in dem Zinsraten und Importpreise sich erhöhten, wurden die Entwicklungsländer gezwungen, mehr Geld zu verdienen. Eine Möglichkeit, aus diesem Engpaß herauszukommen, war die Erhöhung ihrer Produktivität. Wegen der harten Handelsbestimmungen, die die Industrien im Norden schützen sollen, bleiben den Entwicklungsländern kaum Möglichkeiten, ihre Produkte zu verarbeiten oder gar zu verfeinern, und sie müssen daher meist ihre Produkte unbearbeitet verkaufen. Da es auch unter den Entwicklungsländern Konkurrenz gab, gingen die Preise schlagartig zurück – um ein Fünftel zwischen 1980 und 1985. Gleichzeitig reduzierten die westlichen Länder ihre Importe wegen einer Konjunkturschwäche.

Nach Oxfam heißt es: "Um die Einnahmen durch Exporte auf dem gleichen Niveau zu halten, muß man immer größere Mengen verkaufen. Für viele Länder bedeutet das, daß sie immer mehr bebaubares Land hoher Qualität für Exportgüter einsetzen." Während der letzten 20 Jahre hat sich die Baumwollproduktion in Mali verachtfacht, aber die Produktion von Nahrungsmitteln ging zurück. Etwas ähnliches hat auch in Burkina Faso stattgefunden. 1986 hatte der Sudan so viel Baumwolle angebaut, daß er sie nicht absetzen konnte. Und das zu einer Zeit, als diese Länder unter Hungersnot litten.

Viele Länder sind gezwungen, ihre Exporteinkünfte in zunehmendem Maße für die Schuldentilgung auszugeben, z.B. in Ghana mehr als die Hälfte der Deviseneinkünfte. In der Tat waren während des furchtbaren Jahres 1985 die Schulden der 29 ärmsten Länder Afrikas doppelt so hoch wie ihre Einkünfte durch Entwicklungshilfe. In einem Bericht über Jamaika hat Oxfam festgestellt, daß die Rückzahlung der Schulden zusammen mit der Preissenkung für Bauxit zur Erhöhung der Nahrungsmittelpreise, Senkung der Löhne und Zunahme der Unterernährung von Kindern geführt hat.

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Oxfam hat weiterhin festgestellt, daß die Schuldenlast einer der Hauptgründe für die Hungersnot im Sudan war.

All dies ist eine furchtbare Belastung für die Umwelt. Der arme Bauer in Panama mag zwar die Axt schwingen, um den tropischen Dschungel dort niederzuhauen, aber die Entscheidung, tropische Wälder in Farmen für Viehzucht zu verwandeln, wird in Washington bzw. Panama City gefällt. In einem Interview mit der BBC zeigten sich jedoch die Leute in der Zentrale der Inter-American Development Bank nicht genau informiert, was eigentlich mit ihren Krediten in Panama geschieht. Während die Weltbank und andere regionale Banken manchmal Gelder für Projekte, die verheerende Folgen für die Umwelt haben, zur Verfügung stellen, verschwenden viele Entwicklungsländer die angenommene Hilfe zum Kauf von Rüstungsgütern, oder verwenden sie für hochtrabende Projekte von geringem oder gar keinem Nutzen für ihre Landsleute. Auf der anderen Seite treiben die reichen Nationen der Welt oft eine Handelspolitik, die den Armen Schaden zufügen.

Der Westen muß mit seiner Politik der Gehirnwäsche "Mehr ist besser" aufhören.

Der Westen hat den größten Schaden für die Umwelt dadurch angerichtet, daß er eine Ideologie von Entwicklung propagiert hat, die von der Führungselite in der Dritten Welt bedenkenlos aufgenommen worden ist. Die Axiome dieser Ideologie sind einfach: Zunehmendes Wachstum ist gut. Ein Rückgang desselben ist besorgniserregend. Negatives Wachstum ist katastrophal.

Dabei wird die Beziehung zwischen Wachstum und Wohlfahrt außer Acht gelassen. Ist die hergestellte Ware wertvoll und nützlich? Kommt sie allen zugute? Werden die negativen Auswirkungen dieser Waren durch ihren Nutzen wieder wettgemacht? Wenn jemand solche Fragen stellt, wird er für verrückt erklärt. Nach diesem Modell heißt es: Bäumefällen führt zur Verbesserung des Bruttosozialprodukts. Gibt es mehr kranke Menschen, dann werden mehr Heilmittel produziert und verkauft, und das ist dem Bruttosozialprodukt förderlich. Ich bin mir dessen bewußt, daß es doch einige

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Menschen im Westen gibt, die solche Fragen bezüglich der Entwicklung in der Dritten Welt stellen. Aber ich möchte ihnen raten, zuerst die Leute im Westen davon zu überzeugen, bevor sie mit ihren Ratschlägen zu uns kommen. Sonst könnte das wie eine Verschwörung zur Hemmung der Entwicklung in der Dritten Welt aussehen. Die Armen werden immer versuchen, den Reichen alles nachzumachen, egal ob es für sie gut oder schlecht ist.

Der Verkauf von Waffen an arme Länder muß aufhören. Z.B. sieht der indische Haushaltsplan 27% für Waffenkäufe, aber nur 1% für das Gesundheits- und Erziehungswesen vor. Um diese Waffen zu vertreiben, werden auch Scheinkriege entfacht. Es ist allgemein bekannt, daß Senfgas in Vietnam und Luftschutzgewehre in Afghanistan getestet wurden. Beide Kriege waren unnötig. Der Irak ist auch so ein Fall. Es gibt kaum eine Waffe, die Hussein nicht verkauft wurde, und es gibt kaum eine Waffe, die nicht eingesetzt wurde, um die Waffen zu vernichten, die man ihm schon vorher verkauft hatte!

Die Erste Welt muß sich über ihr eigenes Konsumverhalten Gedanken machen. Denn das beinhaltet sowohl den Energieverbrauch als auch die Abfallbeseitigung.

Der Konsum im Westen muß dringendst unterbunden werden. Er muß nicht nur sinken, sondern auch rationalisiert werden. Die östlichen Länder bekommen immer wieder gesagt, daß ihre Armut und die Zerstörung ihrer Umwelt das Ergebnis ihrer hohen Bevölkerungszahl seien. Aber Umweltverschmutzung wird nicht von der Zahl der Menschen verursacht, sondern hängt von der Art ihrer Tätigkeit ab. Ein Kind im Westen konsumiert mehr als 125 Kinder im Osten. Jeder westliche Bürger verbraucht 300 Kilo Papier im Vergleich zu 5 Kilo im Osten. Kohlendioxyd wird von den entwickelten Ländern durch Verbrauch fossiler Brennstoffe erzeugt.

Es muß alles rationalisiert werden. Ist es wirklich notwendig, jeden Tag Obst per Laster von Italien nach Schweden zu transportieren? Ist es eine Notwendigkeit, einen Zweitwagen zu haben? Ist es notwendig, Kunstfasern oder Wegwerfwindeln zu benutzen? Ist es notwendig,

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einen so wertvollen Rohstoff wie Öl auf solch leichtfertige Weise zu verfeuern, daß die Ölpreise in die Höhe schießen, und die Schuldenlast der Dritte-Welt-Länder noch schlimmer wird und ihre Entwicklungsmöglichkeiten mindert?

Ist es notwendig, daß ein großer Teil unserer Metallvorkommen in der Waffenindustrie verbraucht wird, und dann die Länder im Osten gezwungen werden, diese zu kaufen? Ist es notwendig, gefährliche Chemikalien zu produzieren, die die westlichen Länder selbst nicht benutzen, aber bei Nacht und Nebel in die Dritte-Welt-Länder verfrachten?

Ist es notwendig, Indien oder Thailand zu zwingen, ausländische Zigarettenmarken zu kaufen? Ist es notwendig, daß Brasilien seine Wälder abholzt, damit die USA billiges Rindfleisch genießen können? War es notwendig, uns die FCKW-Technologie zu verkaufen, obwohl zehn Jahre davor der Westen festgestellt hatte, daß FCKWs die Ozonschicht vernichten?

Wie können wir mit den Konsumproblemen fertig werden? Westliche Regierungen müssen kontrollieren, was dem Osten gegeben oder verkauft wird. Einzelne Menschen sowie Firmen im Westen müssen verschwenderische Ausgaben unterbinden.

Multinationale Konzerne, die im Osten ihre Fabriken bauen, müßten sich genauestens auf die Sicherheitsmaßnahmen hin überprüfen lassen. Hunderte von Fabriken in Indien verpesten täglich das Wasser. Und dann natürlich Union Carbide – sie haben in Indien einen chemischen Stoff hergestellt, den sie in ihrem eigenen Land nicht produzieren durften, und das auf eine unglaublich leichtsinnige Art und Weise.

Das UNEP [United Nations Environment Program] bedarf der Straffung. Momentan erscheint es bei Konferenzen, hat aber praktisch keine handfesten Erfolge zu verbuchen. Aber es hat die Macht der UN. Es müßte die Macht bekommen, Sanktionen durchzudrücken. Wenn die Mitglieder der UN Sanktionen gegen den Irak und gegen Südafrika erlassen haben, dann sollten sie bedenken, daß Umweltverschmutzung und unnötiger Konsum auch eine Art Kriegsakt sind, die die Menschenrechte im Osten verletzen.

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Das UNEP müßte darüber wachen, daß abgenutzte Maschinen und gefährliche Chemikalien nicht in den Osten gebracht werden. Wo auch immer man feststellen kann, daß ein Entwicklungsland zum Konsum gezwungen wurde, müßte man seine Schuldenlast sofort abschreiben. Es könnte auch den östlichen Ländern dabei behilflich sein, die neuesten Technologien gemäß ihren Bedingungen einzuführen. Es könnte auch das Prinzip durchsetzen, daß derjenige, der Umweltverschmutzung verursacht, auch dafür bezahlt. Mit der Zeit wird das eine heilende Wirkung auf die östlichen Regierungen und Firmen haben. Es könnte schließlich Lösungen entwickeln, die das Leben erhalten und nicht zerstören.

Die Probleme der Entwicklungsländer werden bei der Frage des Abbaus der Ozonschicht ganz dramatisch verdeutlicht. Wissenschaftler haben uns schon seit 1974 vor den Schäden gewarnt, die FCKWs anrichten können. Die Weltgemeinschaft nahm dies aber kaum zur Kenntnis, und es blieb nur bei langen Diskussionen. Es kam zu keinem Abkommen darüber, da jedes Land seine eigenen Wirtschaftsinteressen schützen wollte. Jedes Jahr aber werden viele Millionen Tonnen FCKW in die Stratosphäre freigelassen. Während dieser Zeit erkannten die westlichen FCKW-produzierenden Firmen die Gefahren dieser Technologie, haben aber trotzdem die Technologie an die Dritte-Welt-Länder, einschließlich meines eigenen, verkauft.

1987 wurde das Montreal Protocol zur Reduzierung der FCKWs unterzeichnet. Die Entwicklungsländer sollten das Protocol auch unterzeichnen, obwohl sie weder über die Technologie verfügten, noch die Möglichkeiten besaßen, das Protocol bei sich durchzusetzen. Indien und China weigerten sich zuerst, das Protocol mit zu unterzeichnen, mit der Begründung, daß ihnen zunächst Ersatztechnologien und Gelder zur Verfügung gestellt werden müßten. Letztes Jahr haben sie ihre Unterschrift geleistet, da diese Bedingungen – wenn auch widerwillig – akzeptiert wurden. Ich habe selbst unterschrieben, nachdem die vier Hauptländer des Protocols ihre Einwilligung gegeben hatten. Aber bis heute hat keines von diesen Ländern die Änderungen unterzeichnet und wir fahren mit der Be-

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nutzung von FCKWs fort. Bis dieses internationale Protocol nicht in die Tat umgesetzt wird, bis das Prinzip "Der Verantwortliche für die Verschmutzung zahlt" durchgesetzt wird, wird die Konferenz in Brasilien (UNCED 1992) nächstes Jahr nur eine Farce bleiben. Keine sinnvolle Tagesordnung ist ausgearbeitet worden, um die Konferenz mit bestimmten Aufgaben zu beauftragen. Nur so könnte man die Rolle jedes Landes zur Erhaltung dieser Welt genau definieren. Aber nein, die Erste Welt wird nicht über Lebensstilfragen sprechen, und die Dritte Welt nicht über Bevölkerungsprobleme. Die Erste Welt wird nicht über Verschmutzung durch Verkehrsmittel oder über Chemikalien sprechen, und die Dritte Welt wird über das Problem von Methan schweigen. Wir haben schon diese extrem teuere Konferenz zu einer Art Kaffeerunde degradiert, und damit die Welten noch weiter entfremdet.

Umweltverschmutzung kennt keine Grenzen, und daher leiden viele Länder unter Umweltschäden, die vom Verhalten ihrer Nachbarn herrühren. Der Rhein wird oft als Europas größte Kloake bezeichnet. Als 1986 bei einem Brand in der chemischen Anlage von Sandoz in Basel größere Mengen von Insektizid und Quecksilber in den Fluß gerieten, mußten die Deutschen die Fahrlässigkeit ihres Nachbarn ausbaden. Der saure Regen ist wohl der bekannteste und größte Urheber grenzübergreifender Verschmutzung. Großbritannien ist der Hauptschuldige dabei und Skandinavien das Hauptopfer. Rund 18.000 Seen in Schweden sind durch den Säureregen vergiftet worden, und 9.000 haben keine Fische mehr. Überall in Europa werden die Wälder vernichtet. In Deutschland ist die Hälfte des Waldgutes entweder tot oder liegt im Sterben. 1984 wurde in der Schweiz ein Sechstel der Wälder abgeholzt. 300.000 Hektar Waldgebiet in der Tschechoslowakei sind vernichtet worden, und zusätzlich eine Million Hektar ist angegriffen.

Flußverschmutzung in England, Bodenerosion in den USA, giftige Abfälle in Rußland, schmutziges Wasser in Portugal, mit solchen Problemen müssen die nationalen oder regionalen Regierungen fertig werden. Aber viele Umweltprobleme gehen über die nationalen Grenzen

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hinaus. Z.B. verursacht das Fällen der Bäume in Nepal Erosion und damit auch Überschwemmungen in Bangladesch. In solchen Fällen können die Probleme nur international gelöst werden.

Wenn wir davon ausgehen, daß wir nur diese "Eine Welt" haben, und unsere Hauptsorge darin liegt, jedem Mitglied dieser "Einen Welt" gleiche Chancen für Glück und Gesundheit einzuräumen, dann müssen wir uns dessen bewußt werden, daß Umweltmißbrauch und übermäßiges Ausbeuten der Ressourcen durch einen sehr kleinen Teil dieser Welt zu Armut geführt haben. Wir haben jetzt ein Stadium erreicht, in dem Armut Umweltschäden verursacht und umgekehrt. Deswegen müssen sich die Lobbyisten für Entwicklungsfragen und für Umweltschutz zusammentun, und zusehen, daß nicht nur die Ökonome die politischen Entscheidungen bestimmt, sondern die umweltinteressierten, indem sie Umweltprobleme auf die Tagesordnung aller politischen Konferenzen setzen. Die nächsten zehn Jahre müßten dafür benutzt werden, eine Reihe von Abkommen über einzelne Probleme auszuarbeiten, z.B. Chemikalien, Wassernutzung, Landnutzung, giftige Abfälle und ihre Beseitigung [Genfer Konvention]. Jedes Land muß seinen Teil dazu beitragen, diese Welt auf gerechte Art und Weise zu retten.

Aber um den globalen Umweltfragen gerecht werden zu können, wird ein neues Modell internationaler Verhandlungen benötigt. Nach Jessica Mathews wird es vielleicht das Schwierigste sein, erfolgreich in einer Situation wissenschaftlicher Unsicherheit zu verhandeln. Das jetzige Modell ist statisch: nach jahrelangen Verhandlungen kommt man zu einem Entschluß. Das neue Modell wird flexibler sein müssen, bei dem kurzfristige Abkommen abgeschlossen werden können, damit sie sich schneller den wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen können. Es wird von einer aktiveren politischen Rolle seitens der Biologen und Chemiker abhängen, sowie von einer weit größeren technischen Kompetenz der Machthaber in der Frage der Erhaltung natürlicher Lebensbedingungen.

Als eine einsame Stimme aus der Ferne begrüße ich diese Gelegenheit, meine Gedanken mit Ihnen zu

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teilen, sowie an den aufregenden Entwicklungen in Ihrer Gegend teilzunehmen. Wir sind im Geiste völlig mit Ihnen, selbst wenn wir wenig dabei helfen können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002

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