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TEILDOKUMENT:
Dr. Lea Ackermann
Wenn jährlich Hunderttausende Deutsche in Länder der sogenannten Dritten Welt reisen, dann zeigt dies eine ungesunde wirtschaftliche Entwicklung: Deutsche und andere Urlauber aus westlichen Ländern können sich Urlaubsreisen in Länder der Dritten und Vierten Welt leisten, sie haben das nötige Geld und die entsprechende Freizeit. Die Menschen in der Dritten Welt haben in den letzten Jahren eine Entwicklung mitgemacht, die ihre Länder und sie selbst immer mehr in die Verelendung trieb. Fallende Rohstoffpreise auf den Weltmärkten, Landflucht der Bauern, einseitige Subventionierung exportorientierter Wirtschaftssektoren, Vernachlässigung der Subsistenzwirtschaft und der Entwicklung ländlicher Gebiete, aber auch der Ausbau des Massentourismus haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Gerade die Armut auf der einen Seite ermöglicht es den Reichen auf der anderen Seite, von der Misere zu profitieren und Billigsturlaub in diese "Ferienparadiese" zu machen. Der Tourismus in die Länder der Dritten Welt ist seit Jahren steigend; steigend ist auch die Zahl der Frauen und Kinder in der Prostitution für die Touristen. Das Zusammenwirken von Massentourismus, Prostitutionstourismus und der epidemischen Ausbreitung von Aids ist ebenfalls nachgewiesen. Um das Ausmaß in Zahlen zu belegen, zitiere ich aus der Untersuchung: "Umfeld und Ausmaß des Menschenhandels mit ausländischen Mädchen und Frauen", Schriftenreihe des Bundesministeriums für Frauen und Jugend, Bd. 8 Stuttgart 1992. Diese Untersuchung habe ich zusammen mit Dr. Dagmar Heine-Wiedenmann erarbeitet. "Thailand konnte 1990 über fünf Millionen Touristen verzeichnen, 70% der Besucher sind Männer. Quantitativ angelegte Untersuchungen haben zeigen können, daß zwischen 50% und 70% der männlichen Besucher vornehmlich wegen der sexuellen Kontakte kommen." Der Tourismus ist schon seit 1982 der Devisenbringer Nr. 1 in Thailand. Mit über 20% Steigerung jährlich wurden für 1988 ca. 6 Milliarden DM an Deviseneinnahmen verzeichnet. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß laut dem Ergebnis einer Untersuchung an der Bangkoker Universität 56% der Deviseneinnahmen von 1987 wieder für Importe, Zinsen und Profite ausgegeben wurden und ins Ausland zurückflossen. Diese Dominanz des Tourismussektors in Thailand geht zu Lasten der Landwirtschaft, die wirtschaftspolitisch vernachlässigt wird. Immer mehr Menschen, gerade aus dem verarmten agrarischen Norden, strömen in die Städte. In Thailand wird die Zahl der Prostituierten auf mindestens 1,5 Millionen Frauen geschätzt. Sie ist parallel zu den Touristenzahlen angestiegen. Wie in den meisten Entwicklungsländern, ist auch in Thailand die Prostitution offiziell verboten. Im Hinblick auf die enormen Deviseneinnahmen und weil viele Politiker und angesehene Geschäftsleute in das Sexgeschäft involviert sind, wurde das Thema Prostitution in Thailand lange zurückhaltend behandelt. Dementsprechend groß war gerade in den letzten Jahren auch der Widerstand von bestimmten politischen Gruppen und Teilen der Bevölkerung, das Aids-Problem anzugehen. Politiker, die sich für Aids-Kampagnen stark machten, wurden verunglimpft, aus der Angst heraus, das Sexgeschäft könnte Schaden nehmen. Seit gut zwei Jahren hat sich hier etwas geändert. Im Vergleich mit anderen asiatischen Staaten hat Thailand die meisten Aids-Infizierten. Die Philippinen wurden 1990 von über einer Million Touristen besucht, davon 27.000 Deutsche; 67% davon waren männliche Besucher. Das Land ist verarmt und hochverschuldet. Obwohl auch hier Untersuchungen belegen, daß die Devisen der Touristen nur zu einem geringen Teil im Land bleiben, werden alle Anstrengungen unternommen, den Tourismus weiter auszubauen. Heute schon werden die Frauen in der Prostitution auf 500.000 geschätzt, auch die Zahl der Kinder in der Prostitution ist erschreckend hoch. Eine andere verheerende Entwicklung ist der Export von weiblichen Arbeitskräften ins Ausland. Um dem Ausland gefällig zu sein, wird nichts unternommen, wenn Arbeitsverträge mit diesen emigrierten Arbeiterinnen gebrochen werden oder sie in die Illegalität und die Prostitution getrieben werden. Weil durch diese Arbeitskräfte im Ausland die meisten Devisen erwirtschaftet werden, gefolgt von den Devisen des Tourismus, werden viele Zugeständnisse gemacht, die eigentlich gegen das Gesetz verstoßen. Ein anderes begehrtes Urlaubsziel für deutsche Touristen ist Kenia. 1990 kamen 695.000 ausländische Touristen ins Land, an der Spitze die Deutschen mit 123.000. Auch hier sehen sich die Frauen durch wirtschaftliche Not gezwungen, in der Prostitution Geld zu verdienen. Hier ist die Zahl der Aids-Infizierten in den letzen Jahren stets steigend. Die offiziellen Zahlen über Aidskranke bleiben weit hinter der Wirklichkeit zurück. 1990 war zum dritten Mal der "World-Aids-Day". In den Zeitungen war von 500.000 Aids-Infizierten zu lesen. Die Dominikanische Republik hat sich bei den Pauschalanbietern zum absoluten 'Renner' entwickelt. Erst seit wenigen Jahren wird deutschen Touristen die Karibikinsel angeboten, aber bereits 1990 konnten 100.000 deutsche Besucher gezählt werden. 1991 wird mit 130.000 Deutschen gerechnet, entsprechende 'Preisknüller' sorgen dafür. Auch andere Karibikinseln können Zuwachsraten von 30% bis 100% verbuchen. Die Dominikanische Republik zählt 30.000 Arbeitslose und 20% bis 40% unterbeschäftigte Arbeitskräfte. Dabei werden bereits 500.000 Arbeitskräfte "exportiert", vor allem in die USA. Mit den neuen Einreisebeschränkungen der USA wird diese Devisenquelle weiter limitiert, so daß diese Karibikinsel nun ganz auf den Tourismus setzt. Die Arbeitslosigkeit der Frauen ist in den Städten doppelt so hoch wie die der Männer. Beschäftigung als Dienstpersonal wird so schlecht bezahlt, daß sich niemand davon ernähren kann. Daher verwundert nicht die hohe Anzahl von Frauen, die der Prostitution nachgehen müssen. Die Frauen pendeln zwischen den Karibikinseln oder werden auch von der Hauptstadt aus angeheuert und von Schleppern ins Ausland gebracht. Dabei kam es 1987 zu einem tragischen Unglücksfall: 28 von 60 Prostituierten, die von St. Martin nach St. Thomas in Containern verpackt verschifft wurden, sind darin erstickt. Offiziellen Schätzungen zufolge sollen mindestens 6.000 dominikanische Frauen in Haiti und in europäischen Großstädten arbeiten. Gegen den Frauenhandel wird von staatlicher Seite aus nichts unternommen. Die Deviseneinnahmen durch die Gelder, die die Exildominikaner nach Hause schicken, übersteigt heute bereits den Erlös, der aus dem Zuckerexport gewonnen wird. Nach Auskunft der brasilianischen Botschaft reisen jährlich 100.000 deutsche Besucher nach Brasilien. Auf dem internationalen Heiratsmarkt in Deutschland wird auch mit Brasilianerinnen gehandelt. Um das Hindernis Einschleusung (Ausländergesetz §90) zu umgehen, verbinden viele Heiratshändler und Heiratshändlerinnen die Vermittlung mit einem Reiseangebot. Sowohl in Thailand als auch auf den Philippinen und in Kenia ist Prostitution verboten. In Mombasa z.B. wird regelmäßig mindestens einmal im Monat eine Razzia der Polizei durchgeführt. Die Frauen werden festgenommen und/oder "abkassiert" wegen "Bummelns zum Zweck der Prostitution". Dabei sind Höchststrafen bis zu 200,- DM oder Gefängnis bis zu sechs Monaten möglich. Die Prostitutionstouristen bleiben ungeschoren, sie werden weder festgenommen noch "abkassiert". Sie sollen nicht verprellt werden, daher werden ihnen gegenüber viele Zugeständnisse gemacht. Denn sie bringen schließlich die erwünschten Devisen. Ein Zugeständnis der Regierung ist die Einrichtung einer Klinik, um Prostituierte auf Geschlechtskrankheiten hin zu untersuchen. Sie müssen sich alle zwei Wochen dort vorstellen und erhalten - wenn sie gesund sind - eine grüne Karte. Diese Karte müssen sie in den Hotels dem Portier vorzeigen. Eine afrikanische Frau ohne Männerbegleitung kann sonst in kein Hotel, vor allem in kein "gutes" Hotel. Das ist eine Diskriminierung der afrikanischen Frau im afrikanischen Land Kenia. Die Touristen bringen Devisen; dies scheint ihnen eine Art Narrenfreiheit zu garantieren. Der Tourist und besonders der Prostitutionstourist kommt aus einem der westlichen, d.h. reichen Länder in ein Land der Dritten Welt, dessen größter Bevölkerungsanteil in Armut und Elend lebt. Auch wenn der Tourist seine Urlaubsreise nur mühsam zusammengespart oder auf Pump gemacht hat, wird er versuchen, in Afrika oder Asien seinen vermeintlichen Reichtum zur Schau zu stellen. Gegenüber den armen Menschen dort kann er durch sein Geld seine eigene Bedeutung zeigen und sein Selbstbewußtsein stärken. Seiner Meinung nach muß es eine deutsche Überlegenheit geben, wenn so viele Deutsche eine so weite Reise unternehmen können. Mit dieser arroganten und unrealistischen Ansicht kommen sicher viele Touristen von ihren Urlaubsreisen zurück. Diese Einstellung führt sicher nicht zur Völkerverständigung, sondern zur Ausländerfeindlichkeit, die viele Deutsche mehr und mehr erschreckt. Touristen sind die Botschafter der reichen Welt. Sie werden gesehen und beobachtet als Vertreter ihrer Welt: sie sind nicht alle klug und gut ausgebildet, haben aber trotzdem Geld. So glauben die Einheimischen, daß die Touristen in ihren Ländern das Geld leicht verdienen. Denn sie selbst arbeiten viel und schwer und verfügen dennoch über wenig Geld. Sie verdienen kaum das Nötigste zum Überleben. Sie gehen zu Fuß, um das Fahrgeld für den Bus zu sparen. Sie leben oft in Elendsquartieren ohne Wasser und Licht. Für die Touristen wird eine Phantasiewelt geschaffen, von der die Einheimischen nur träumen können und die sie doch mitbezahlen. Es gibt viele Mechanismen der Ausbeutung, die am heutigen Elend der Menschen in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern schuld sind, die meisten sind hier bei den Gästen der Friedrich-Ebert-Stiftung sattsam bekannt. Es sind materielle Not und patriarchale Strukturen, die gerade die Frauen in die Verelendung treiben. Da scheint ein Ehemann aus dem reichen Westen, oder ein Arbeitsplatz in Europa oder Amerika der Ausweg aus dem Elend und der Not zu sein. Wie hoch der Preis ist, den sie zahlen, wird den Frauen oft erst später bewußt. Der Handel mit den Frauen geschieht sowohl durch Prostitutionstouristen als auch durch internationale Ehevermittlung und illegale Arbeitsanwerbung. Die Frauen werden wie Ware angeboten. So wirbt die Reisebranche versteckt und offen mit den Frauen. Die Hotels sind darauf eingerichtet. Gelegentlich werden Ehepaare gewarnt: "Das sehr lebhafte Hotel ist für Ehepaare nicht geeignet". Der Reiseberater "Thailand/Burma" ermutigt den Unentschlossenen: Als alleinreisender Mann sei es Ihnen vergönnt, während Ihres Thailandaufenthaltes eine einheimische Freundin zu finden. Lassen sie sich dabei nicht irre machen vom Gezeter mancher Frauenverbände, die vorschnell eine Ausnutzung der thailändischen Frau sehen...". So mancher Prostitutionstourist bringt sich eine Frau wie ein Urlaubsmitbringsel mit. In unsere Kontaktstelle für gehandelte Frauen "Solwodi - Solidarität mit Frauen in Not" kommen sehr häufig diese Frauen. So brachte sich ein Kölner von seinem Urlaub in Kamerun eine Frau mit, die er am Strand kennengelernt hatte. Sie verkaufte selbstgebackene Kuchen, sie schien ihm fleißig und pflegeleicht. In Deutschland lebte er allein und hatte einen pflegebedürftigen Vater zu versorgen. Er heiratete die Frau aus Kamerun und brachte sie mit nach Deutschland. Hier sollte sie den Haushalt versorgen, seinen Vater pflegen und ihm eine liebende Ehefrau sein. In Deutschland schämte er sich seiner schwarzen Frau. Sie durfte höchstens einmal am Abend mit ihm auf die Straße. Unterhalten konnte er sich nicht mit ihr. Der Sprachkurs, den sie gerne machen wollte, war ihm zu teuer. Er gab ihr kein Geld. Er tätigte selber alle Einkäufe. Sein Vater bedurfte ständiger Betreuung und so schloß er die Frau mit dem Vater in der Wohnung ein. Vier Jahre hat sie mitgespielt, dann ist sie ausgebrochen. Das war ihm nicht recht, er beschwerte sich bei der Ausländerbehörde, die ihr dann die Aufenthaltsgenehmigung entzog. Ein arbeitsloser Anstreicher aus Bonn hatte sich Ähnliches ausgedacht. Er kam gerade aus dem Knast, nahm einen Kredit auf und flog in die Dominikanische Republik. Dort heiratete er eine sehr junge Frau und brachte sie mit nach Deutschland in seine Ein-Zimmer-Kellerwohung. Sein Plan war einfach: die Frau sollte sich in Deutschland für ihn prostituieren, und er wollte ein neues bequemes Leben beginnen. Die Frau hat die Flucht ergriffen und lief verzweifelt in den Straßen Bonns umher. Eine aufmerksame Passantin sprach sie an. Über Frauen vom Sozialdienst katholischer Frauen kam sie zu Solwodi. Die Reihe gescheiterter Hoffnungen und entwürdigender Lebenserfahrungen der Frauen könnte beliebig verlängert werden. An dieser Stelle sollen diese beiden Beispiele modellhaft für andere stehen. Internationale Ehevermittlung ist eine Form modernen Frauenhandels, auch wenn das Koblenzer Landgericht 1990 in einem Urteil scheinbar anders entschieden hat. Dort heißt es: "Eheanbahnung ist kein Menschenhandel". Es ging dabei um die Vermittlung heiratswilliger Philippinas. Das Urteil ist aber nur richtig einzuordnen, wenn man weiß, daß der Begriff Menschenhandel ein feststehender Rechtsbegriff ist, der einen Verbrechenstatbestand der erzwungenen Zuführung zur Prostitution in einem fremden Land unter Strafe stellt. Der Heiratshandel mit Asiatinnen, Südamerikanerinnen oder Frauen aus dem Ostblock ist nicht per se Menschenhandel, wohl aber häufig ein nicht legaler Handel mit Frauen. Diese Tätigkeit verstößt gegen § 92 des Ausländergesetzes, wenn die Ausländerin als Touristin einreist und kein Visum zum Zweck der Heirat, also für einen Aufenthalt für über drei Monate erworben hat. In diesen Fällen betreibt der Heiratsmakler eine illegale Einschleusung ausländischer Frauen, die er gegen Vergütung Heiratswilligen vermittelt. Dieses Delikt wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug oder mit einer Geldstrafe geahndet. Es besteht ein riesengroßer Unterschied zwischen nationalen Ehevermittlungen und internationaler Vermittlung. Die ausländischen Frauen werden hier einseitig an Männer vermittelt, nicht umgekehrt. Hier sucht der Mann aus und bezahlt für die Frau. Der Akt des Bezahlens scheint dabei wichtig zu sein, er macht den Mann zum "Besitzer" der Frau. Die Frauen bleiben bei diesem Handel weitgehend passiv. In den meisten Fällen kennen sie den zukünftigen Partner nicht einmal vom Bild her, sie haben so gut wie keine Auswahlchancen. Oftmals werden sie direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland an die sich interessierenden Kunden weitergegeben. Eine "Umtausch-Garantie" ermöglicht es dem Kunden, die Frau "zurückzugeben", wenn sie ihm, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder (nach dem "Ausprobieren") nicht mehr zusagt. Umgekehrt werden Bedenken der Frauen den Männern gegenüber von seiten des Heiratsvermittlers in der Regel erst nach zähen Verhandlungen und Boykotten der Frauen nachgegeben. Hinzu kommen noch die Hilflosigkeit und die Verständigungsschwierigkeiten der ausländischen Frauen, die auch in Bezug auf Gesetze und eigene Entscheidungsspielräume nicht oder ungenügend aufgeklärt wurden. Eine weitere Rolle spielt die Isolation und die Abhängigkeit der Frauen, erst vom Heiratshändler, dem sie die Einreisekosten schulden und der deshalb die Pässe und Rückflugtickets einbehält, und später vom Ehemann. Sie fühlen sich zu freundlichem Entgegenkommen verpflichtet und akzeptieren teilweise die Männer als ihr Schicksal. Die Frauen stehen unter einem enormen Druck, denn sie reisen als Touristinnen ein (jetzt auch mit Sichtvermerk) und müssen innerhalb der drei Monate Aufenthaltsdauer einen Partner finden. Die Gesetze verfestigen diese Abhängigkeit, denn den Frauen kommt mit der Eheschließung kein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Nach dem neuen Ausländergesetz von 1991 muß eine Ausländerin mindestens vier Jahre mit ihrem deutschen Ehepartner zusammengelebt haben, um im Scheidungsfall einen eigenständigen Aufenthaltsstatus zugesprochen zu bekommen. In Härtefällen genügen drei Ehejahre. Durch die Ausstellung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis hat die Ausländerbehörde Kontakt zu den Aufenthaltssuchenden und kann dabei feststellen, ob die Ehe noch existiert. Von einer Trennung würde sie andernfalls nur durch Zufall erfahren. Wird die Ehe durch den Tod des deutschen Partners oder durch eine Trennung bzw. eine Scheidung nach Ablauf dieser Drei- bzw. Vierjahresfrist aufgelöst, so wird die Aufenthaltserlaubnis der Ausländerin um ein Jahr verlängert, eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe steht dem nicht im Wege. Ein typisches Beispiel für internationale Heiratsvermittlung ist der Fall von Lina. Über einen Anruf aus einer Arztpraxis erfuhren wir von ihr. "Wir haben hier eine Philippina, der es sehr schlecht geht. Ihr Ehemann erzählt freimütig, daß er sie für 5.000,- DM erstanden hat und jetzt soll sie doch mal zeigen, daß sie das Geld wert ist. Er nimmt sie also 'ran, wo es nur geht', vor allem im sexuellen Bereich. Die Frau ist nervlich und psychisch völlig fertig, kurz vor einem Zusammenbruch. Könnt ihr da nicht helfen?" Solche Hilferufe erreichen uns bei Solwodi häufig. Wir verhalfen Lina zur Flucht und nahmen sie auf. Lina war total verängstigt, sie wollte nur noch nach Hause, zurück auf die Philippinen. Aber selbst dort fühlte sie sich nicht sicher vor dem Mann, der ihr gedroht hatte, daß sie seinen Hof nicht lebend verlassen würde. Sie hatte nur eine kleine Handtasche dabei, ihren Paß hatte sie sich auf den Bauch gebunden. Sie konnte schlecht gehen, denn der Ehemann hatte ihr am Vorabend mit einer Zigarette 15 Brandwunden an den Oberschenkeln zugefügt, um sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Wir brachten Lina zu einer Ärztin, die wie wir entsetzt war. Lina war auf den Philippinen zusammen mit einer Freundin angesprochen worden, in Deutschland einen ledigen, fleißigen, gutsituierten deutschen Mann zu heiraten. Allein hätten die beiden Frauen vielleicht den Mut nicht gehabt, aber gemeinsam wollten sie es wagen. Es ging beiden wirtschaftlich schlecht, daher wollten sie gerne ins Ausland, um gut bezahlte Arbeit oder einen Mann zu finden. Das Eheinstitut in Deutschland, so sagte die Anwerberin, könne ihnen leicht helfen, andere Philippinas hätten nur die beste Erfahrung gemacht. Lina und ihre Freundin kamen in Frankfurt an. Am Flughafen wartete der Vermittler und brachte Lina zu ihrem künftigen Ehemann. Ihr Rückflugticket wurde ihr am Flughafen schon abgenommen. Erst als sie mit dem Mann allein in dessen Wohnung war, wurde sie sich ihrer hilflosen Situation bewußt. Die Ehevermittlerin wimmelte sie ab, sie solle sich nicht so anstellen. Der Mann drohte ihr mit der Polizei, wenn sie ihm nicht zu Willen sei. Sie hatte kein Geld, wußte nicht wo sie war, konnte kaum Englisch sprechen und niemand verstand sie. Ihre Freundin kam nach Luxemburg. Der Mann war nett und gefiel ihr gut, nur war er leider noch nicht geschieden. Das sind keine Einzelfälle. Eine Frau in unserer Beratungsstelle war die neunte Frau, die derselbe Kunde vom Heiratshändler zur "Ansicht" hatte. In der Bundesrepublik gibt es schätzungsweise ca. 60 Heiratsvermittlungsinstitute mit insgesamt 200 Adressen, Niederlassungen oder Lizenznehmern, die sich auf die Vermittlung "ausländisch-exotischer" Frauen spezialisiert haben. In den letzten Jahren wurden überwiegend Philippinas "angeboten" - als treue, familienorientierte und streng katholische Ehefrauen. Seltener vermittelten Institute auch Thailänderinnen oder hatten sich gar ganz darauf spezialisiert. Dies ist auf eine gewisse Nachfrage und unterschiedliche Klischeebildung zurückzuführen. Philippinas wurden bislang als Quasi-Europäerinnen, unter Bezugnahme auf die spanische Kolonialzeit, betrachtet. Thailänderinnen wurden dagegen als "exotisch-erotische Orchideengeschöpfe" für das Sexgeschäft vorgestellt. Diese strikte Trennung scheint im Bewußtsein der Männer jetzt immer weiter aufzuweichen. Diese Entwicklung ist auch als eine Reaktion der Händler auf die Visumspflicht und auf verschärfte Kontrollen anzusehen. Auch die Statistik des Statistischen Bundesamtes über deutsch-thailändische Eheschließungen belegt diesen Trend. Neben den asiatischen Frauen werden nun auch verstärkt Brasilianerinnen und Polinnen vermittelt. Daneben finden sich immer wieder Anzeigen zu Mexikanerinnen, Indonesierinnen, Ungarinnen und seltener auch zu Ghanesinnen. Der Visumzwang für die asiatischen Länder hat scheinbar auch bei den Heiratshändlern zu einem breiteren "Angebot" geführt. Angeblich sind von 1982 bis 1987 12.000 Asiatinnen über Heiratshändler vermittelt worden. Die offizielle Eheschließungsstatistik des Statistischen Bundesamtes weist für den angegebenen Zeitraum nur 8.558 Eheschließungen zwischen Thailänderinnen bzw. Philippinas und deutschen Männern aus. Die tatsächliche Anzahl liegt sicher höher, da viele Ehen der Einfachheit halber im Ausland geschlossen werden. Nach Auskunft der deutschen Botschaft in Manila wird aufgrund der ausgestellten Ehefähigkeitszeugnisse für deutsche Staatsangehörige sowohl für 1989 wie 1990 von 100 Eheschließungen pro Monat ausgegangen. Die deutsche Botschaft in Bangkok geht von 240 deutsch-thailändischen Eheschließungen im Jahr aus. In der zitierten Studie haben wir 66 Maßnahmen vorgeschlagen, um den Problemen des Handels mit Frauen besser begegnen zu können. Unsere Empfehlungen zum Bereich Prostitutionstourismus und Heiratsvermittlungen werden nachfolgend aufgeführt (Studie, S. 331 ff). © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek | 9.1. 1998 |