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TEILDOKUMENT:
Michael Windfuhr:
Natürlich muß der Bericht eines Mitglieds einer NRO anders aussehen als der eines Völkerrechtsprofessors. Ich bin dankbar dafür, daß Prof. Simma deutlich gemacht hat, wie schwer es ist, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte auf UN-Ebene zu einem Instrument der Stärke auszuprägen. Das kann natürlich für uns als NROs in der Beurteilung nicht zureichend sein. Wir müssen viel präziser und auch schon viel früher benennen können, was eigentlich Verletzungen dieser Rechte sind. Dabei hat uns allerdings die Arbeit gerade des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sehr geholfen, weil er das Verständnis des normativen Gehalts dieser Rechte und auch der sich daraus ergebenden Verpflichtungen erheblich präzisiert hat in den letzten Jahren. Es ist dadurch möglich, als Nichtregierungsorganisation diese Rechte in der Bedeutung wahrzunehmen, die ihnen eigentlich zukommt und das wird auch Teil sein von dem, was ich jetzt vortrage. Ich möchte am Anfang auf einige Mißverständnisse eingehen, die uns in der Praxis der Verteidigung dieser Rechte immer wieder entgegengehalten werden von Regierungen, von Diplomaten, von Verantwortlichen für diese Verletzung, und möchte dann erläutern, wie aus unserer praktischen Erfahrung Staatenpflichten noch präziser zu beschreiben sind. Ich möchte darlegen, was für uns die Voraussetzung dafür ist, daß man diese Rechte tatsächlich härter macht oder daß sie so hart verstanden werden, wie sie eigentlich sind. Im letzten Teil werde ich sagen, was das für den Prozeß dieses Sozialgipfels bedeutet. Der Sozialgipfel, der im März 1995 stattfinden wird und der den Pakt und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in den momentanen Entwürfen der Abschlußtexte mehrfach erwähnt, kümmert sich dann aber eigentlich gar nicht mehr im Detail um Rechtsformulierungen oder gar um Staatenpflichten. In dem ganzen Pakt wird über Armut immer so geschrieben, als sei man arm geboren. Es wird nie darüber geschrieben, wie Armut entsteht, welche Prozesse dazu führen. Gehen wir zunächst einmal auf die Mißverständnisse ein, die diesen Rechten entgegengebracht werden. Prof. Simma hat schon einige erwähnt, die ich nicht mehr selbst beantworten muß, wie z. B. die Behauptung, diese Rechte seien nicht justiziabel. Was mir in der politischen Debatte im Bereich des Sozialgipfels jetzt immer wieder von Regierungsdelegationen gesagt wurde und für mich das wichtigste Mißverständnis zu sein scheint, ist, daß immer unterstellt wird, es seien nur positive Rechte im Sinne einer politischen Zielsetzung. Wir haben dazu auch schon einige Sätze gehört. Sie könnten nur vom Staat gewährt sein. Sie seien viel zu teuer für arme Staaten. Wer könne überall das Recht auf Behausung oder auf Wohnung oder auf Nahrung realisieren? Das würde zu Staatsapparaten führen, also ganz entgegen der Idee von Deregulierung, die immer gefordert wird. All diese Elemente weisen auf ein profundes Mißtrauen gegen diese Rechte hin. Man könnte es so zusammenfassen, daß es auf eine staatsaktionistische Bürokraten-Beamtenmaschinerie hinausliefe. Dieses Spektrum an Argumenten tritt uns immer wieder in der politischen Debatte über diese Rechte entgegen und es kommt hinzu, daß viele sagen, in dem Pakt stehe dann noch drin, sie seien nur "nach und nach" zu realisieren. Das "nach und nach", auf Englisch 'progressively', klingt im Originaltext schon wesentlich besser, und ich werde auch gleich noch einmal darauf eingehen, was das in bezug auf den Verpflichtungscharakter heißen könnte. Gehen wir aber konkret auf Staatenpflichten ein; ich möchte das am Beispiel des Rechts auf Nahrung tun, weil wir an diesem Problem arbeiten. Prof. Simma hat schon vorgelesen, was im Artikel 11 über das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie einschließlich Ernährung steht, aber was vor allen Dingen im Absatz 11.2 noch einmal aufgenommen wird. Dort heißt es, in Anerkennung des grundlegenden Rechts eines jeden, vor Hunger geschützt zu sein, werden die Vertragsstaaten einzeln und im Wege internationaler Zusammenarbeit die erforderlichen Maßnahmen durchführen, um diese Rechte zu gewährleisten. Im Hinblick auf das Recht auf Nahrung ist es wichtig, davon auszugehen, daß es eben nicht darum geht, daß dies nur positive Rechte sind, daß der Staat etwas geben soll, wie das immer formuliert wird. Es ist also kein 'right to be fed', es ist 'the right to have access to food'. Dies ist von der Formulierung her etwas völlig anderes. In der "Declaration of the Right to Development" ist das noch einmal ausdrücklich, und zwar sehr früh im Artikel 2 benannt: daß das menschliche Wesen das zentrale Subjekt von Entwicklung ist und - so ist es formuliert - 'should be the active recipient and beneficiary of the right', ja 'of the rights'. Ich glaube, das ist der entscheidende Begriff. Es geht zunächst darum, daß Menschen die Möglichkeit haben, durch eigene Anstrengung, 'own efforts', wie es in der "declaration" heißt, und durch Nutzung eigener Ressourcen, 'own ressources', diese Rechte wahrzunehmen. FIAN verteidigt den Zugang zu Ressourcen, den Leute vorher hatten und der ihnen durch staatliche Politikmaßnahmen oder auch Politikmaßnahmen Dritter zerstört wurde. In fast 80 Prozent aller Fälle, wo wir als Menschenrechtsorganisation angerufen werden, von Bauernorganisationen, Farmer-/Landarbeiterorganisationen, haben wir es im Grunde mit einer Abwehrfunktion zu tun. Ein Begriff, den man bei den staatsbürgerlichen, politischen Rechten benutzt, da sie negative Rechte sind, die definieren, daß der Staat nicht handeln soll. Wir haben genau dieses Problem bei den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten auch. Wir würden uns oft Unterlassen staatlichen Handelns wünschen als Basis dafür, daß die Leute diese Rechte in Anspruch nehmen können. Gerade im Hinblick auf das Recht auf Nahrung hat eine Studie einige Präzisierung gebracht, die der Präsident des Norwegischen Zentrums für Menschenrechte, SPNI, 1987 vorgelegte. Es war die erste Studie zu einem Spezialthema, die dann auch von der Menschenrechtskommission als solche angenommen und auch inzwischen im UNO-Spektrum veröffentlicht wurde. Er versucht zunächst zu definieren, was Recht auf Nahrung überhaupt heißt; daß es mehr ist als das Recht, eben ernährt zu werden. Das hat natürlich auch etwas mit der Möglichkeit der Messung von Recht zu tun. Brasilien z.B. kann leicht sagen, das Recht auf Nahrung sei kein Problem, wenn als Indikator Kilokalorien pro Kopf genommen werden. Sie haben dort nämlich über 3000 Kalorien pro Kopf, also eigentlich keine Schwierigkeiten mit dem Recht auf Nahrung. Aber genau darum geht es eben nicht, wenn wir über diese Rechte sprechen. SPNI definiert zunächst, daß die Nahrung unter zwei Aspekten ausreichend sein muß, nämlich quantitativ und qualitativ. Mit qualitativ meint er natürlich auch frei von schädlichen Substanzen. Ich nenne als Stichwort den Export radioaktiv verstrahlten Molkepulvers aus Deutschland nach Afrika. Hat das etwas mit diesem Recht zu tun? Wir NGOs, die wir in Afrika gesprochen haben, sehen dies so. Der Zugang zur Nahrung soll auch kulturell akzeptabel sein und er soll vor allen Dingen nachhaltig sein für die Betroffenen. Es geht um nachhaltigen Zugang zu diesen Rechten in Menschenwürde. SPNI sagt (und beruft sich dabei auf eine rechtsphilosophische Unterscheidung eines amerikanischen Philosophen), wenn man die staatlichen Pflichten noch einmal präziser klassifizieren wollte, müßte man im Grunde drei Niveaus von Staatenpflicht unterscheiden, die tatsächlich so für die bürgerlichen und politischen wie für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte relevant sind. Zunächst muß der Staat, beispielsweise bezogen auf das Recht auf Nahrung, den existierenden Zugang seiner Bürger zu Ressourcen und zur Nahrung respektieren. Er muß sie auf einem zweiten Niveau schützen vor Übergriffen Dritter, und er muß dann auf einem dritten Niveau etwas für diejenigen tun, die überhaupt keinen Zugang zur Nahrung haben. In 80 Prozent der Fälle, ich sagte es bereits, finden wir die Situation vor, daß es zunächst darum geht, daß der Staat den Zugang seiner Bürger respektieren oder schützen muß. Respektieren heißt, um es zu präzisieren, daß es z.B. nicht zur staatlich verordneten Landvertreibung kommt. Die Zahl der Fälle, die uns durch NROs z.B. aus Lateinamerika und Afrika präsentiert werden, ist außerordentlich hoch, in denen immer wieder indianische Landrechte und Landrechte von Kleinbauern durch Projekte staatlicherseits zerstört werden. Wir haben auch Fälle, wo nicht nur Vertreibungen anstehen, sondern wo z.B. die Ressourcen, die den Menschen zur Verfügung stehen, also ihr Land, durch staatliche Nutzung wegen anderer Interessen zerstört werden. Das kommt z.B. in der Erdölproduktion im Amazonastiefland vor, wo inzwischen so viel Erdölmüll anfällt, daß die Rechte und Möglichkeiten der Indianer, sich dort zu ernähren, innerhalb von wenigen Jahren komplett zerstört wurden. Es kann sich aber auch um andere Gruppen handeln, wie etwa Fischer. Am Amazonasdelta plant man gerade eine große Garnelenzuchtanlage. Das wird über 400.000 Kleinfischern, die bislang an den Ufern des Amazonas fischten, den Zugang zu ihren alten Ressourcen zerstören. Für sie gibt es keine Alternative; zumindest staatlicherseits hat man sich nichts überlegt. Immer dann, wenn Vertreibung oder Zerstörung von Ressourcen oder des Zugangs zu Ressourcen stattfinden, ohne daß es Entschädigung für die betroffenen Leute gibt, sind die staatlichen Pflichten verletzt, d.h. im wesentlichen geht es zunächst auch hier - genau wie bei den bürgerlichen und politischen Rechten - um Abwehrrechte. Das gleiche gilt auch für den Schutz in der Erdölproduktion Ecuadors, ich habe das erwähnt; es ist nicht nur der Staat selber aktiv mit seiner staatlichen Erdölgesellschaft Petro Ecuador, sondern auch viele ausländische Ölgesellschaften. Ich führe dieses Beispiel an, weil die Indianerorganisation des Amazonastieflandes gerade letzte Woche in den USA eine Schadenersatzklage gegen Texaco über 1,5 Milliarden US-Dollars eingereicht hat. Denn das Gesamtausmaß der Schäden, die durch Öl verursacht werden, wird im Amazonastiefland weitaus größer sein, als die des Tankerunglücks von Exxon Valdez, wo es ja zu großen Schadenersatzklagen kam. Der Staat muß die Menschen also schützen, er müßte auch Kleinbauern in Brasilien schützen, die durch Großgrundbesitzer vertrieben werden. Wir haben Fälle, in denen multinationale Nahrungsmittelproduzenten im Zuge der Ausdehnung ihrer Plantagen z.B. umliegende Kleinbauern systematisch vertreiben. In solchen Fällen müßte der Staat schützen, genau wie bei den bürgerlichen und politischen Rechten: Durch ein funktionierendes Rechtssystem, durch funktionierende Polizei, die sich dafür einsetzt. Es ist dies eine Verpflichtung wie bei den bürgerlichen und politischen Rechten, und ich glaube, gerade diese Gegenüberstellung der Staatenpflichten macht deutlich, wie ähnlich sich auch in der Natur, im Charakter wirtschaftlich-soziale und bürgerlich-politische Rechte sind. Kommen wir zum dritten Bereich der staatlichen Verpflichtungen: Was geschieht mit den Menschen, die überhaupt keinen Zugang zu Ressourcen haben, um sich selbst zu ernähren? Das ist der Bereich, wo über die wirtschaftlichen und sozialen Rechte immer am meisten geklagt wird, da hier der Staat intervenieren und viel investieren müsse, was ein armer Staat nicht könne. Ich glaube, wie auf allen drei Ebenen, ist es auch hier wichtig, präzise zu formulieren - und bei diesen Formulierungen beziehe ich mich zum Teil auf Astrid Eiding, zum Teil auf das, was inzwischen aus den Kommentaren des UN-Ausschusses hervorgegangen ist. Zunächst ist wichtig zu sehen, was es eigentlich heißt, sich um die zu kümmern, die keinen Zugang zu den Ressourcen haben. Hierzu will ich noch einmal kurz die Formulierung aus dem Artikel 2 des Paktes vorlesen. Sie lautet: "die Staaten sind verpflichtet, unter Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, daß nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allen durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte erreicht wird." Die qualifizierende Bemerkung hier ist also 'unter Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen'. Es handelt sich also nicht darum, daß die Verpflichtung lediglich besagt: 'nach und nach'; dieses 'Nach und Nach' macht, wir haben es ja schon gehört, mit präzisen Zeitvorgaben einen zusätzlichen Aspekt aus. D. h., die Staaten sind verpflichtet, wie es im Englischen heißt, 'to the maximum of its available resources', sich für diese Menschen einzusetzen, und dies 'progressively', also fortschreitend zu tun. Genau dies ist es, was das Komitee versucht mit den Guidelines zu überprüfen, und was auch wir als Menschenrechtsorganisation dann abzuprüfen versuchen. Wir hatten schon gehört, daß entsprechend diesen Guidelines Staaten in Zukunft verpflichtet sind, zunächst zu zeigen, welche Gruppen überhaupt betroffen sind. Dann sollen sie zeigen, welche Politikmaßnahmen sie für diese ergriffen haben, ob sie erfolgreich waren oder nicht; das ist dann im Grunde der dritte Schritt: die Evaluierung. Aber sie müssen zunächst einmal darlegen, daß sie die Gruppen identifiziert haben und was sie für sie getan haben. Ich glaube, dieser Dreischritt von 1) Identifizierung, 2) Politikmaßnahmen, 3) Evaluierung und Beurteilung dieser Politikmaßnahmen ist wichtig. Er hilft auch bei der Fragestellung, ob die Staaten tatsächlich das Maximum der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen genutzt haben. Ein weiterer Aspekt, der mir an dieser Stelle wichtig ist: Ressourcen muß nicht immer nur Geld heißen. Ressourcen kann ebenso Zugang zu Land z.B., Zugang zu produktiven Ressourcen heißen oder, wie UNDP es mit seinem Partizipationsbegriff ausdrückt, der im letzten Bericht über menschliche Entwicklung formuliert wurde: Zugang zu allen möglichen Ressourcen überhaupt, an 'people friendly markets' teilhaben zu können. Genau diese Aspekte sind gemeint. Werfen wir unter diesem Gesichtspunkt noch einmal einen Blick auf Brasilien. Dort stehen zwar 3.000 Kalorien im Schnitt pro Kopf der Bevölkerung zur Verfügung. Aber wenn man unter der Maßgabe "Maximum der verfügbaren Ressourcen" sich den Bericht der 'Landpastorale' ansieht, die feststellt, daß eine landwirtschaftliche Nutzfläche vom doppelten Ausmaß der von Frankreich und Deutschland zusammen in Brasilien einfach brach liegt - z.B. für die Landspekulation - und wenn man dann dem die Zahl von vier bis fünf Millionen landlosen Familien gegenüberstellt (und das schätzt die Landpastorale derzeit in Brasilien), dann muß man feststellen, daß der Staat wesentlich mehr Möglichkeiten hätte. Es ist nicht immer nur das Geld, es ist vor allem auch Zugang zu anderen Ressourcen. Wenn man dieses 'obligations to fullfill' konkret machen will, heißt dies für uns als Menschenrechtsorganisation, zunächst muß es auf einem ersten Niveau, ich nenne das einmal A-level, überprüfbar sein. Wie wirken sich tatsächlich makroökonomische Politikentscheidungen eines Staates auf die Bürger aus, wo sind die eigentlichen Probleme? Was hier jeder Staat schaffen müßte, wäre so etwas wie ein 'economic security system', wie UNDP das nennt, für die, die keinen Zugang zu irgendetwas haben. Auf der zweiten oder B-Ebene ist der Staat verpflichtet, seinen Bürgern tatsächlich diesen Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen. Wir haben den Begriff 'enabling system' genannt. Der betreffende Staat muß wirklich nachweisen, daß er Politikmaßnahmen ergreift, die im Grunde denjenigen, die keinen Zugang zu Ressourcen haben, einen Zugang ermöglichen; eine solche Maßnahme könnte z.B. ein Agrarreformgesetze sein. Erst an dritter Stelle kommt im Grunde auf der C-Ebene ein System hinein, durch das man Nothilfemaßnahmen für die Menschen bereitstellt, die durch die Lücken des Systems gefallen sind, denen man nicht in irgendeiner Form Jobs oder anderen Zugang zu Ressourcen sichern konnte. Das wird unserer Meinung nach auch in den Guidelines zum ersten Mal aufgegriffen. Man beginnt, sich darüber Gedanken zu machen und nicht nur Durchschnittswerte anzuführen. Kommen die Staaten den Verpflichtungen nach, beginnen sie qualitativ, Politikmaßnahmen in Angriff zu nehmen? Meiner Meinung nach ist das eines der größten Probleme in dem Prozeß des Sozialgipfels: Niemand will eine solche Festschreibung des Maximums der verfügbaren Ressourcen. Es würde sich ein sehr starker interner Faktor der Ursache von Armut ergeben. Das ist natürlich ein sehr sensibler Punkt. Wir merken, daß es, wenn man über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte spricht, eben nicht nur um Absichtserklärungen und grobe Zielvorstellungen geht, sondern zunächst darum, den Zugang zu Ressourcen nicht zu zerstören, ihn zu schützen vor Übergriffen Dritter und dann mit nachprüfbaren Politikinstrumenten auch zu zeigen, was man versucht, - um den Begriff nochmals zu verwenden - um den Zugang der Bürger zu Ressourcen zu ermöglichen, ein 'enabling system' zu garantieren. Ich glaube, darauf kommt es an und erst im allerletzten Punkt ist dann darüber nachzudenken, worin das Notsystem bestehen könnte. Zum Schluß nur noch einige wenige Anmerkungen: Die erste betrifft den Punkt 2 der Nachmittagsdebatte auf der Tagesordnung. Wir wollen am Beispiel der Bundesrepublik zunächst die nationalen Verpflichtungen beleuchten und dann in einem zweiten Schritt auf die internationalen Verpflichtungen kommen. Aus unserer Perspektive der praktischen Erfahrungen mit Menschen und mit Verletzungen des Rechts auf Nahrung wissen wir, daß die Staaten einzeln und auch im internationalen Kontext verpflichtet werden müssen; das ist im Pakt in Artikel 2 auch so formuliert. Zu den internationalen Verpflichtungen gehören, in einigen Stichworten, Projekte wie der Namada-Staudamm, der hier in Deutschland auch am meisten diskutiert wurde, da er Zerstörung des Zugangs zu Ressourcen bedeutet. 240.000 Menschen sollten umgesiedelt werden. Ersatz gab es dann für fünf bis zehn Prozent. Oder wir haben Fälle wie diesen: Vor kurzem erreichte uns ein Notruf von den Bauernorganisationen in Honduras. Dort wird im Rahmen der Strukturerfassungsprogramme ein Agrarmodernisierungsgesetz vorangetrieben, das auch einige sehr positive Elemente enthält, aber eben auch eine Entwertung vieler alter Landrechtstitel mit sich bringen wird, und zwar durch eine schnelle Privatisierung, die traditionelle Landrechtskategorien nicht anerkennt. Es werden sehr viele Kleinbauern dadurch den Zugang verlieren. Als man begann, was bei Strukturanpassungsprogrammen auch wichtig ist, über 'lean management government' nachzudenken, war die erste Behörde, die in Honduras verkleinert wurde, die Behörde für Agrarreform, also die zuständige Behörde für die Betreuung, für die Hilfestellung bei der Vergabe von Krediten usw. Da zeigt sich im Detail, wieviel intensiver man auch über diese staatlichen Verpflichtungen im Bereich internationaler Hilfe nachdenken sollte. Wir wollen nicht das absolute Kontrollsystem etablieren. Es geht mir darum, im Sinne eines konstruktiven Dialoges, auch internationale Organisationen oder 'intergovernmental institutions' mit einzubinden in solche Verfahren. Als Schlußfolgerung aus diesem ganzen kann man sagen, es haben sich auch einige der Forderungen entwickelt, die Nichtregierungsorganisationen jetzt gegenüber dem Sozialgipfel formuliert haben. Wir haben ein Papier ausgelegt mit dem Titel 'the quality benchmarks'; das sind 12 Basisforderungen, die inzwischen von mehreren hundert NROs unterschrieben wurden (und weitere kommen ständig hinzu). Ich will einmal zwei, drei Punkte daraus erwähnen. In Dokumenten des Human Rights Caucus der NROs wird gefordert, daß diese Rechte in den Texten des Sozialgipfels viel stärker als Prinzip anerkannt werden müßten und vor allen Dingen die Rechte als Staatenverpflichtung erwähnt werden müssen. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, daß man nicht über Profitminderung und 'social disintegration' reden kann, wenn man nicht die Prozesse, die zur Verarmung führen, wie Vertreibung, 'forced eviction' usw. im Auge hat. Es war die Subcommission, die letztes Jahr im August gerade 'forced eviction', mit denen Habitat International sehr viel zu tun hat, als 'gross violation of human rights' bezeichnet hat. Das Verständnis dessen, was eigentlich passiert im Bereich wirtschaftlicher und sozialer Rechte, verbessert sich stark bei den Vereinten Nationen. Das muß unserer Meinung nach auch in den Ergebnissen des Sozialgipfels wieder aufgenommen werden. Für uns heißt das auch, zu überlegen, wie ein follow-up dieses Sozialgipfels - das wäre der dritte Punkt unserer Tagesordnung - für NROs heute aussehen. Es müßten tatsächlich die Ergebnisse, die dort festgeschrieben werden, auch überprüft werden können, und unserer Meinung nach wäre eben gerade der UN-Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einer der möglichen Orte, wo eine solche Überprüfung stattfinden könnte (das ist jetzt zur Forderung internationaler NROs geworden). Denn dort hat es im Grunde begonnen mit der Entwicklung von Sachverständnis darüber, was diese Rechte eigentlich sind. Es gibt inzwischen auch Guidelines für Staatenberichte und es wäre, glaube ich, viel für den gesamten Gipfel gerettet, wenn man diese Aspekte, die im UN-System schon entwickelt wurden, auch übernehmen könnte. Die letzte Forderung der NROs, die erwähnt werden soll, ist die Forderung, daß auch dieses System der Überprüfung auf internationale Institutionen ausgedehnt werden sollte. Also auch 'international financial institutions' und Handelssysteme sollten in Zukunft im Hinblick auf die 'accountability to human rights' überprüft werden. Daraus ergibt sich im Grunde das Hauptforderungspaket der NROs. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek |