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Gustavo Gallón
Mit Hilfe der Internationalen Gemeinschaft kann Kolumbien aus seiner Krise herausfinden




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Die ernste Lage der Menschenrechte

In Kolumbien sterben im Durchschnitt über 10 Menschen täglich aus politischen Gründen. Hiermit ist die Situation im Land eine der weltweit besorgniserregendsten. Seit 1980, als jeden vierten Tag ein politischer Mord geschah, hat sich die Lage allmählich und zusehends verschlechtert. 1985 waren es bereits vier politische Morde pro Tag und von 1988 bis heute sind es durchschnittlich zehn. Dieser Durchschnitt hielt sich auch 1994: täglich kamen fünf politische Aktivisten, Gewerkschafter oder Bauern ums Leben, drei weitere Personen fielen im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen und jeden zweiten Tag starb ein Mensch, der aufgrund seiner Armut und Verwahrlosung für einen Kriminellen gehalten wurde. Außerdem verschwand jeden dritten Tag eine Person und jeden zweiten Tag wurde jemand gefoltert. Die 1994 begangenen politischen Morde, deren Täter bekannt sind, wurden zu fast 35% von der Guerrilla verübt und zu 65% von Mitgliedern der Ordnungskräfte und paramilitärischen Gruppen.

Kolumbien verzeichnet die höchste Tötungsrate der Welt: 78 auf je 100.000 Einwohner. Im Jahre 1980 waren es 10.000 Morde (politische und sonstige), 1988 waren es bereits mehr als 20.000 und gegenwärtig sind es fast 30.000 pro Jahr, wie aus dem Bericht des Verteidigungsministeriums an den Kongreß vom August 1994 hervorgeht. Darüber hinaus sind Entführungen zu einer fast alltäglichen Praxis geworden: 1994 waren es über 1.200, d.h. fast vier pro Tag. Die Hälfte dieser Verbrechen wird der Guerrilla zugeschrieben. In vielen der übrigen Fälle waren amtierende oder ehemalige Staatsbedienstete beteiligt.

Seit über 30 Jahren tobt in Kolumbien ein verlustreicher bewaffneter Konflikt. Nach 1990 wurden mit einigen aufständischen Gruppen Friedensvereinbarungen getroffen. Die Aussichten, mit den restlichen Guerrillabewegungen einen umfassenden Frieden zu erreichen - eine Zielsetzung der neuen Regierung - erschweren sich u.a. aufgrund der anhaltenden, von beiden Seiten verübten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Obwohl der Verteidigungsminister schon im August 1993 die Wahrung des humanitären Völkerrechts anordnete, bringen die Streitkräfte dennoch häufig Zivilpersonen um und behaupten heuchlerisch, es habe sich um im Kampf gefallene Guerilleros gehandelt. 11 dieser Fälle wurden zwischen Januar und September 1994 registriert. Die Guerrillabewegungen begehen jedoch ebenfalls Grausamkeiten: Entführungen, Minenlegungen, die die Zivilbevölkerung gefährden, und Ermordung von Privatpersonen, die für Kollaborateure der Armee gehalten werden, gehören dazu.

Selbst in Gebieten, die unter militärischer Kontrolle stehen, operieren paramilitärische Gruppen, von denen einige erst 1994 gegründet wurden, wie z.B. die sogenannten "Colombia sin Guerrilla" (Kolumbien frei von Guerrilla - Colsingue) und "Muerte a Comunistas y Guerrilleros" (Tod den Kommunisten und Guerilleros - Macogue). Die letztgenannte Gruppe ermordete am 9. August 1994 in Bogotá den kommunistischen Senator Manuel Cepeda. Der VN-Berichterstatter, beauftragt mit der Verifikation der außergerichtlichen Exekutionen, empfahl der Regierung bereits 1989, vorbehaltlich der entsprechenden Gerichtsverfahren, die Mitglieder der öffentlichen Sicherheitsorgane, die an der Organisation paramilitärischer Gruppen beteiligt sind, aus dem Dienst zu entlassen. (Dok. E/CN.4/1990/22/Add.1, Absatz 67 der Menschenrechtskommission der VN). Vorhergehende Regierungen ignorierten diese bedeutsame Empfehlung. Die neue Regierung hat aber mit ihrer Umsetzung begonnen, indem sie im Januar 1995 einen in die grauenvollen Morde von 1990 und 1991 in der Gemeinde Trujillo verwickelten Oberst entließ. Dieses löste eine empörte Reaktion bei mehr als 30 hierüber aufgebrachten Generälen aus, weil sich die Angehörigen des Militärs nunmehr nicht nur vor der nationalen, sondern auch vor der internationalen Justiz zu verantworten hätten. (Tageszeitung "El Tiempo", 2. Februar 1995, S. 1A).

In dem nach ihrem Kolumbienbesuch im Oktober 1994 verfaßten Bericht machen die VN-Berichterstatter mit Blick auf Folter und außergerichtliche Exekutionen darauf aufmerksam, daß "die Gewalt, sowohl politisch motiviert als auch infolge der allgemeinen Kriminalität, in der jüngsten Vergangenheit ständig zugenommen und alarmierende Ausmaße erreicht hat, trotz Rechtsreformen und anderer Initiativen ... Die große Mehrheit der von ... den Vereinten Nationen ausgesprochenen Empfehlungen ... wurde nicht berücksichtigt. Die Ahndung von Menschenrechtsverletzungen untersteht weiterhin der Militärgerichtsbarkeit ... Die gegenwärtige Regierung erkennt den Ernst der Menschenrechtslage an, hat die Ursachen - insbesondere die Straffreiheit - identifiziert und ihren Willen bekundet, radikale Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Situation abzuhelfen. Es steht außer Frage, daß die Regierung auf Widerstand seitens verschiedener mächtiger Gruppen, die ihre Interessen verteidigen werden, stoßen wird" (Dok. E/CN.4/1995/111, Absätze 131 und 132 der Menschenrechtskommission der VN).

Die Arbeitsgruppe über vermißte Personen weist darauf hin, daß von insgesamt 912 der kolumbianischen Regierung zwischen 1980 und 1994 gemeldeten Fällen weiterhin 713 ungeklärt sind. "1994 hat die Arbeitsgruppe 21 neue Fälle gemeldet ... Im selben Zeitraum hat die Gruppe 8 Fälle aufgeklärt, ... sechs Personen wurden tot aufgefunden und zwei waren aus der Haft entlassen worden ...". Im Juli 1994 hat die Regierung Einwände gegen einen Gesetzentwurf über vermißte Personen erhoben. Diese Einwände standen im Widerspruch zur Amerikanischen Konvention über vermißte Personen und der Welterklärung zum gleichen Thema. Die Arbeitsgruppe stellt fest, daß "sie ihre Besorgnis über diese Situation in zwei verschiedenen, an die Regierung gerichteten Briefen zum Ausdruck brachte ... Nichtsdestotrotz hat man von der Regierung bisher keine Stellungnahme dazu erhalten ... Im Oktober 1994 ratifizierte der Senat die Einwände und ... eine Entscheidung des Repräsentantenhauses steht noch aus". (Dok. E/CN.4/1995/36, Absätze 126 und 135 und Anhang III der Menschenrechtskommission der VN).

Ein weiteres, besonders schwerwiegendes Problem ist die gewaltsame Vertreibung der Bevölkerung. Nach Angaben der Katholischen Kirche gibt es in Kolumbien fast 600.000 intern Vertriebene, größtenteils Witwen und Waisen. Der für diese Problematik zuständige Bevollmächtigte des Generalsekretärs besuchte das Land 1994 und vermerkte, "die Maßnahmen für einen stärkeren Schutz der Menschenrechte sind weiter zu verbessern ... Der Bevollmächtigte möchte die von vorherigen Menschenrechtsmissionen im Land formulierten Empfehlungen sowie die über den Ernst der Menschenrechtssituation zum Ausdruck gebrachte Besorgnis hervorheben. Diese Angaben weisen darauf hin, daß die Wirksamkeit der bereits getroffenen Maßnahmen sich voll und ganz beweisen muß ...". Der Bevollmächtigte führte weiterhin aus, die Regierung sei bei der Behandlung dieses bedeutenden Problems nicht monolithisch ... Regierungsbeamte hätten in ihren Gesprächen mit dem Bevollmächtigten häufig das Wort "unglücklicherweise" bei der Beschreibung der Situation benutzt, was darauf schließen ließe, daß sie sich ihrer bewußt sind und keine großen Hoffnungen hegen ... Der Bevollmächtigte müsse darauf hinweisen, daß alle - unbestreitbar vorhandenen - Schwierigkeiten, die Regierung nicht von ihrer Verantwortung freisprechen. (Dok. E/CN.4/1995/50/Add.1, Absätze 114 und 124 der Menschenrechtskommission der VN).

Die Mission zur Bewertung der Beratungsdienste an die kolumbianische Regierung von 1988 bis 1992 seitens des VN-Menschenrechtszentrums hatte dazu bereits folgendes bemerkt: "Die Mission stellt fest, daß der Förderung der Menschenrechte in vielen Bereichen Priorität zuerkannt und wesentliche Arbeit in diesem Sinne geleistet wurde. ... Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte hatten, genau genommen, nicht den gleichen Stellenwert". (Dok. E/CN.4/1993/61/Add.3, Absätze 116 und 118 der Menschenrechtskommission der VN). Daher riet die Mission, die schon in zahlreichen Empfehlungen an die kolumbianische Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte umzusetzen. (ebd., Absatz 125).

Besonders schwerwiegend ist das Ausmaß der Straffreiheit in Kolumbien. Laut offizieller Statistik beträgt sie 97% bei gemeinen Verbrechen und 100% bei Menschenrechtsverletzungen, für deren Ahndung die Militärgerichtsbarkeit zuständig ist. Daher haben sich die Kolumbianer bei der Suche nach Gerechtigkeit an internationale Gerichtsinstanzen gewandt. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat seit 1987 zehn Resolutionen verabschiedet, in denen sie die Verantwortung des kolumbianischen Staates in klar beschriebenen Fällen darlegt. Vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte ist die Regierung wegen des von der Armee im Februar 1989 zu verantwortenden Verschwindens der Erzieher Isidro Caballero und María del Carmen Santana angeklagt worden. Der Prozeß soll noch in diesem Jahr, 1995, zu einem Urteil kommen.

Die neue Regierung, die seit August 1994 im Amt ist, hat den Ernst der Menschenrechtskrise erkannt und ihre Entscheidung bekanntgegeben, dieser Krise mit einer globalen Politik - mithin keiner Scheinpolitik, wie es bei der vorherigen Regierung der Fall war - zu begegnen. Sie veranlaßte die Annahme des II. Zusatzprotokolls der Genfer Abkommen. Sie hat Menschenrechtseinheiten in den Sicherheitsorganen eingesetzt und einen Ausschuß zur Aufklärung des zwischen 1990 und 1991 in der Gemeinde Trujillo veranstalteten Blutbades ins Leben gerufen.

Aber die Regierung hat ebenso, unter Mißachtung internationaler Normen, 1994 die Billigung einer Gesetzesvorlage durch den Senat über die Aufrechterhaltung der Militärgerichtsbarkeit und die Gültigkeit des Prinzips des unbedingten Gehorsams im Rahmen von Verbrechen über unfreiwilliges Verschwinden von Personen begünstigt. Über diese Gesetzesinitiative wird weiterhin im kolumbianischen Kongreß beraten. Nach wie vor gibt es eine Sondergerichtsbarkeit, die sich aus geheimen Richtern zusammensetzt, in der geheime Zeugen aussagen und geheime Beweise eingereicht werden. Diese Gerichtsbarkeit ist Ziel der Kritik der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen. (E/CN.4/1995/31 Add.2, Beschluß Nº 26/1994). Beamte, die offenkundig für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, üben weiterhin öffentliche Funktionen aus. Es handelt sich eindeutig um ein Problem von großer Tragweite, angesichts dessen die Durchsetzung der angekündigten Politik unzulänglich und zum Teil auch widersprüchlich ist.

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Der Vorschlag eines Sonderberichterstatters für Kolumbien

Ein geeignetes Gremium für die Ausarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Kolumbien ist die Menschenrechtskommission, als Hauptinstanz der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet, deren Richtlinien Mechanismen und Instrumente vorsehen, um gravierenden und andauernden Situationen wie der in Kolumbien zu begegnen. Der angemessene Mechanismus angesichts einer solchen Situationen ist die Bestellung eines Sonderberichterstatters, beauftragt mit der Erstellung eines Berichts über die Menschenrechtslage im Land zur Vorlage bei der Menschenrechtskommission der VN. Dieses klassische Mandat eines Sonderberichterstatters kann im Fall Kolumbiens durch den Auftrag ergänzt werden, der Berichterstatter möge - zusätzlich zur Erstellung seines Berichts - eine positive Rolle bei der Lösung des Problems spielen und entsprechende Vorschläge dazu unterbreiten. So hätte er die Möglichkeit und das Mandat, mit den Behörden und der Bevölkerung Kolumbiens bei der Suche nach Wegen zur Überwindung der schweren Menschenrechtskrise zusammenzuarbeiten, insbesondere in folgenden Bereichen:

(a) Bei der Verabschiedung von Gesetzen zur Weiterentwicklung der Verfassung von 1991, mit besonderer Betonung auf eine Harmonisierung mit den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht.

(b) Bei der notwendigen Bekämpfung der paramilitärischen Gruppen und ihrer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Sonderberichterstatters in Sachen summarische und willkürliche Exekutionen, daß Angehörige des Militärs und der Polizei, die den genannten Gruppen angehören und an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren und sind, vorbehaltlich der entsprechenden gerichtlichen Untersuchung aus dem Dienst zu entlassen sind.

(c) Bei der Suche nach einer Lösung des internen bewaffneten Konflikts und bei der Förderung der Erzielung eines Abkommens zwischen den Parteien über die zuverlässige Achtung der Menschenrechte und die Anwendung des humanitären Völkerrechts.

(d) Bei der Entwicklung von Mechanismen, die den intern vertriebenen Menschen echten Schutz bieten, ihre sichere Rückkehr in ihre Heimatorte fördern und die humanitäre Arbeit von Nichtregierungsorganisationen diesbezüglich gewährleisten.

(e) In der Rechtsprechung im Rahmen der Bemühungen, eine unabhängige und unparteiisch rechtsprechende Gewalt zu schaffen und zu gewährleisten, die Effizienz und die entsprechende Achtung der Garantien und Rechte der Menschen miteinander verbindet.

(f) Bei der Umsetzung der Empfehlungen der Sachverständigen und Gutachter der Vereinten Nationen oder anderer internationaler Instanzen.

Die Zweckmäßigkeit, einen Sonderberichterstatter für Kolumbien zu bestellen, wurde der Menschenrechtskommission der VN von den Berichterstattern in Sachen Folter und summarische Exekutionen nahegelegt. In dem im Februar 1995 vorgelegten Bericht, nach ihrem gemeinsamen Besuch in Kolumbien im Oktober 1994, heißt es dazu: "Die Menschenrechtskommission sollte die Menschenrechtslage in Kolumbien einer ständigen, besonders aufmerksamen Untersuchung unterziehen im Hinblick auf die Ernennung eines Sonderberichterstatters, es sei denn, die Situation würde sich in der nächsten Zukunft grundlegend verbessern. Dieser Sonderberichterstatter sollte die ständige Überwachung und Kontrolle der Menschenrechtssituation sowie die regelmäßige Berichterstattung hierüber übernehmen und eng mit dem Programm über technische Hilfe zusammenarbeiten". (Dok. E/CN.4/1995/111 der Menschenrechtskommission der VN, Absatz 132).

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Die Bedeutung eines internationalen Mechanismus, der dazu beiträgt, Politiken zur grundlegenden Verbesserung der Menschenrechtslage anzuregen und zu stärken

Manchem Kolumbianer wäre die Ernennung eines Sonderberichterstatters unwillkommen, weil diese auf internationaler Ebene als Sanktion verstanden werden könnte, den Handel gefährden und auf nationaler Ebene jene Gruppen der Opposition, die dem Thema der Menschenrechte feindlich gesonnen sind, stärken könnte. Außerdem würde ein solcher Schritt bedeuten, unsere Fähigkeit zur Lösung unserer Probleme, frei von Einmischung seitens Dritter in Frage zu stellen.

Die Ernennung eines Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für ein bestimmtes Land hat tatsächlich in vielen Fällen den Beigeschmack einer Sanktion, auch wenn dieses nicht so sein sollte: Es handelt sich hierbei um einen von der Menschenrechtskommission geschaffenen Mechanismus, um bei schwerwiegenden und anhaltenden Situationen von Menschenrechtsverletzungen Abhilfe zu leisten, in der Absicht, zur Erhaltung des Weltfriedens entsprechend der Charta der Vereinten Nationen beizutragen. Es ist also eine Maßnahme der internationalen Kooperation und keine Strafe. Aber sie hat den Beigeschmack einer Sanktion erhalten infolge des Widerstandes von Ländern, die ein systematisches Bild von Menschenrechtsverletzungen vorweisen, diese Maßnahme in ihrem Fall zur Anwendung kommen zu lassen. Wird ein solcher Widerstand nicht geleistet, verliert die Maßnahme ihren Sanktionscharakter und ihr Vermögen, bei der Lösungssuche entscheidend mitzuwirken, tritt deutlicher zutage. So war es im Fall Boliviens. Auf Ersuchen der eigenen Regierung zählte das Land von 1981 bis 1984 auf die Mitarbeit eines Sonderberichterstatters (entsprechend den Resolutionen 1981/34, 1982/33 und 1983/33 der VN-Menschenrechtskommission "Sonderbeauftragter" genannt), um nach dem Militärregime von García Meza den Rechtsstaat zu stärken, was zweifellos auf bewundernswerte Weise gelang. Eine neugewählte Regierung, wie die kolumbianische, die seit August 1994 im Amt ist, könnte eine ähnliche Haltung zeigen und auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zurückgreifen. So könnte sie die vorhandenen Hindernisse sowohl innerhalb der Regierung als auch in der Gesellschaft ausräumen und Entscheidungen fördern, deren ernsthafte Zielsetzung es ist, die Quellen der Menschenrechtsverletzungen zu beseitigen.

Ein solches Verhalten würde nicht nur das Aufkommen des Beigeschmacks einer Sanktion, sondern ebenfalls die Befürchtung vor wirtschaftlichen Repressalien aufgrund der Menschenrechtsverletzungen völlig im Keime ersticken. Das beste Argument, mit dem solche Repressalien zu vermeiden sind, besteht in der zuverlässigen Achtung der Menschenrechte, und der beste Beweis für den Willen, dieses zu garantieren, ist der Antrag auf Mitwirkung der Vereinten Nationen, damit sie in Einklang mit ihren Richtlinien den zu diesem Zweck vorgesehenen Mechanismus einsetzen, nämlich einen Sonderberichterstatter für das Land bestimmen. Verfügt man über einen legitimen Mechanismus wie diesen, wird wohl eine einseitig von einem Land oder einer Ländergruppe verhängte Wirtschaftssanktion kaum einen Anflug von Berechtigung haben.

Wenn auf internationaler Ebene der Sanktionscharakter des Sonderberichterstatters in dem Maße zurücktritt, wie die Regierung einer solchen Maßnahme aufgeschlossen gegenübersteht, sollte auf nationaler Ebene ähnliches der Fall sein. Eine Regierung, die ernsthaft zum Schutz der Menschenrechte bereit ist, kann durch einen Sonderberichterstatter allein an Kraft gewinnen und ist weit davon entfernt, geschwächt zu werden. Für jene Kolumbianer, die gegenüber diesem Thema eine abwehrende Haltung einnehmen, wird es dadurch offenkundig, daß die Sorge um die Menschenrechte im Land nicht nur die Zwangsvorstellung einiger in ihren Augen ausgegrenzter und radikalisierter Gruppen oder irgendeines die Wirklichkeit verkennenden Beamten, sondern ein Anliegen der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit ist.

Einem Druck seitens der internationalen Gemeinschaft ist weitaus schwerer zu widerstehen als den andauernden inneren Beschwerden über die Grausamkeiten der Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn es viele in ihrem Nationalstolz kränken wird, soviel ist gewiß: wir haben hinreichend bewiesen, daß wir nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft die Menschenrechtskrise zu überwinden. Es trifft zwar zu, daß infolge interner Abkommen 1991 eine neue Verfassung verabschiedet wurde, die eine bedeutsame Rechtscharta enthält, und daß tagtäglich die Sorge um das Thema im Land zunimmt. Doch kann nicht geleugnet werden, daß sich diese Sorge gerade aufgrund internationaler Anstöße entwikkelte und verbreitete und schließlich auch in konkreten Maßnahmen ausdrückte.

Selbst wenn man die Behauptung der gegenwärtigen Regierung hinnimmt, ihr Engagement für die Menschenrechte sei nicht eine Antwort auf den Druck des Auslands, sondern das Ergebnis ihrer eigenen Überzeugung, muß anerkannt werden, daß der gegenwärtige Stellenwert des Problems der Menschenrechte in der Landespolitik auf die diesbezügliche internationale Sorge zurückzuführen ist, die sich 1994 besonders intensiv manifestierte:

* in einer Jahreskampagne von Amnesty International zum Thema Kolumbien, gestartet im März jenen Jahres;

* im Zweiten Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, vorgelegt im Monat Juni des gleichen Jahres;

* in der Furcht der vorhergehenden Regierung vor eventuellen wirtschaftlichen Reaktionen seitens der Europäischen Gemeinschaft und das in Bogotá durchgeführte Treffen mit den Botschaftern Kolumbiens in Europa, ebenfalls im Juni;

* in dem Widerspruch zwischen der Zustimmung Kolumbiens zur Amerikanischen Konvention über Vermißte, von der OAS im Juni beschlossen, und den Bedenken, die der Präsident im darauffolgenden Monat Juli gegen das Gesetz über vermißte Personen vorbrachte;

* in der wiederholten Erwähnung Kolumbiens im Verlauf der Sitzung der VN-Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten im August, als das Land gleich nach dem Iran Gegenstand größter Besorgnis war;

* in der Entscheidung vom September 1994, einen Bericht über Kolumbien in das IV. Kapitel des Jahresberichts der Interamerikanischen Menschenrechtskommission an die Vollversammlung der OAS aufzunehmen.

Diese Anhäufung von Sorgebekundungen beruhte zudem auf dem Umstand, daß die Verschärfung des Menschenrechtsproblems in Kolumbien ständig zunahm und das Ausland der Ausflüchte der Regierung, die jegliche Verantwortung auf die Guerrilla und den Drogenhandel abzuwälzen versuchte, müde war. Eine entscheidende Rolle spielte dabei auch die Untersuchung dieser Menschenrechtsverletzungen durch gewisse Völkerrechtsinstanzen, wie z.B. der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, die seit 1987 zehn Resolutionen verabschiedet hat, in denen die Verantwortung des kolumbianischen Staates in genau beschriebenen Fällen festgestellt wird, und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, vor dem im Dezember 1992 die Regierung wegen des von Armeeangehörigen im Februar 1989 erzwungenen Verschwindens der Erzieher Isidro Caballero und María del Carmen Santana angeklagt wurde. Mit der Urteilsfällung wird noch in diesem Jahr, 1995, gerechnet.

Jüngstes und vielsagendes Beispiel für die Bedeutung, die der Teilnahme der internationalen Gemeinschaft an der Überwindung der Menschenrechtskrise in Kolumbien zukommt, ist der Bericht der Untersuchungskommission über das Massaker in Trujillo. Obwohl die Anzeige in diesem Fall noch von einer Stellungnahme der Interamerikanischen Menschenrechtskommission abhängt, hatten Regierung und Ankläger vereinbart, die erwähnte, sich aus Beamten und Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen zusammensetzende Kommission unter dem Vorsitz des "Defensor del Pueblo" (Verteidiger des Volkes) und unter der Aufsicht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zu bilden, die in der kurzen Zeit von nur drei Monaten Akten durchsah, Verantwortungen klärte und Möglichkeiten überprüfte, zugunsten der Täter gefällte Gerichtsentscheidungen zu annullieren. Die Untersuchungskommission, in der die Generalinspekteure der Streitkräfte und der Polizei mitwirkten, stellte einstimmig staatliche Mitverantwortung fest und empfahl, unter anderen Maßnahmen, das Entfernen des damaligen Armeemajors und späteren Obersten Antonio Urueña aus dem Dienst. Die Regierung befolgte die Empfehlungen der Kommission, die letztgenannte mit eingeschlossen, was eine empörte Reaktion des aus über 30 Generälen bestehenden militärischen Oberkommandos auslöste, die gegenüber dem Verteidigungsminister "den glänzenden Lebenslauf" des Offiziers rühmten, der Grundlage der Entscheidung über sein Verbleib im Dienst oder sein Ausscheiden sein sollte. Sie brachten auch ihre Besorgnis zum Ausdruck, daß sich Militärangehörige nunmehr nicht allein vor der nationalen Rechtsprechung, sondern auch vor der internationalen verantworten müssen. (El Tiempo, 2. Februar 1995, S. 1A).

Es ist nur billig, das Beharren der Regierung auf der Umsetzung der Empfehlung ungeachtet der Einwände der Generäle anzuerkennen. Zweifelsohne wäre diese Entscheidung aber nicht denkbar gewesen, hätte nicht die Glaubwürdigkeit der kolumbianischen Regierung gegenüber der Interamerikanischen Menschenrechtskommission auf dem Spiel gestanden. Auch darf nicht in Vergessenheit geraten, daß Oberst Urueña und andere Beteiligte bereits in erster und zweiter Instanz freigesprochen worden waren, in Gerichtsverfahren, die laut Untersuchungskommission nicht die Merkmale der Objektivität erfüllten und in dessen Verlauf der Hauptzeuge "verschwand". In diesem Zusammenhang muß die Frage gestellt werden, ob die Regierung bereit ist, weiterhin internationale Verpflichtungen zur Aufklärung, Verurteilung und Entschädigung der Opfer der unzähligen Massaker der letzten zehn bis fünfzehn Jahren einzugehen. Und es steht außer Zweifel, daß die Bestellung eines Sonderberichterstatters durch die VN-Menschenrechtskommission von großem Vorteil wäre, um sowohl die Bereitschaft zu stärken, besagte Verpflichtungen einzugehen, wie auch bei der grundsätzlichen Lösung der Menschenrechtsprobleme in Kolumbien voranzuschreiten.

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Die Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft

Aus diesem Grund fand sich eine beträchtliche Anzahl von Menschen am 27. Februar 1995 am Sitz der Vereinten Nationen in Genf ein, ein gelbes Tuch um den Arm gebunden, um ihre Trauer um die zahlreichen Opfer der Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien zum Ausdruck zu bringen, ihre Bestürzung über das Ausbleiben einer angemessenen Reaktion durch die Menschenrechtskommission angesichts einer solch schwerwiegenden Krise zu manifestieren, und ihr Anliegen und ihre Hoffnung, daß die Kommission in dieser ihrer 51. Sitzungsperiode letztendlich der kolumbianischen Lage die ihr gebührende Aufmerksamkeit in Form der Bestellung eines Sonderberichtserstatters schenkt, deutlich zu machen.

Mit der Bestellung eines Sonderberichterstatters hätte die Kommission die Umsetzung der bereits ausgesprochenen internationalen Empfehlungen gewährleisten und dazu beitragen können, daß das kolumbianische Volk so bald als möglich aus seiner gegenwärtig schwierigen Zeit herausfindet. Das stimmt genau mit dem überein, was der Bevollmächtigte des Generalsekretärs in der Einleitung des Berichts über die intern Vertriebenen, im Anschluß an seinen Kolumbienbesuch, äußerte: "Wenn Regierungen den leidenden Massen keinen Schutz und keine Hilfe bieten wollen oder können und auf internationale Unterstützung hin nicht ansprechbar sind, ist zu hoffen, daß die internationale Gemeinschaft wirksame Maßnahmen ergreift, um die moralische Lücke zu schließen, die durch das Unvermögen dieser Regierungen, den der Souveränität eigenen Verantwortungen gerecht zu werden, entsteht." (E./CN.4/1995/50/Add. 1, Abs. 3 und 4).

Auch aus diesem Grund ist die kolumbianische Regierung 1995 erstmals gegenüber der VN-Menschenrechtskommission eine, wie sie es selbst nannte, "acta de compromiso" (Verpflichtungserklärung) eingegangen. Der Kommissionsvorsitzende verlas öffentlich in der Sitzung vom 6. März 1995 einen Brief der kolumbianischen Regierung, der anschließend einstimmig angenommen wurde. In diesem Brief verpflichtet sich die Regierung, noch in diesem Jahr drei thematische Berichterstatter zu einem Besuch Kolumbiens einzuladen und eine Vereinbarung mit dem Hohen Kommissar für Menschenrechte zu schließen. Zwei dieser Berichterstatter, nämlich jene für die Bereiche Folterungen und außergerichtliche Exekutionen, sollen die Kommission über die Umsetzung der Empfehlungen unterrichten, die sie anläßlich ihres jüngsten Besuchs 1994 aussprachen. Für den dritten Berichterstatter, zuständig für Autonomie und Unabhängigkeit der Justiz, wird es der erste Besuch in Kolumbien sein.

Diese Verpflichtung entspricht vor allem der erschreckenden Verbreitung der Gewalt und dem Ausmaß, das die Straffreiheit in Kolumbien angenommen hat; Entwicklungen, die von der neuen Regierung als schwerwiegende und dringend zu lösende Probleme erkannt werden. Eine überwältigende Anzahl von Staaten und Nichtregierungsorganisationen hat während der 51. Sitzungsperiode unter Punkt 12 der Tagesordnung, der die schwersten Fälle von Menschenrechtsverletzungen in der Welt behandelt, wiederholt ihre Besorgnis hierüber geäußert.

Diese Verpflichtung kam jedoch deshalb zustande, weil erstmalig eine bedeutende Gruppe von Ländern die Initiative ergriff, einen Entschließungsvorschlag der Kommission über den Fall Kolumbien einzubringen. Dieses sollte in Form einer Erklärung des Kommissionsvorsitzenden geschehen. Die Europäische Gemeinschaft erklärte sich hiermit einverstanden. Obgleich die kolumbianische Regierung dieses Vorgehen nicht ganz billigte, mußte sie es hinnehmen, daß der Vorsitzende einen Text verlas, der diese Verpflichtung verdeutlichte und festhielt.

Dies sind bedeutsame Fortschritte, da ein Hauptziel der Bemühungen gegenüber den Vereinten Nationen im Hinblick auf die Überwindung der Menschenrechtskrise in Kolumbien erreicht wurde: die Aufmerksamkeit der Kommission und ihrer verschiedenen Organe auf Kolumbien lenken, um auf diese Weise die kolumbianischen Behörden zur Erzielung positiver Ergebnisse zu veranlassen. Da zum ersten Mal in der Geschichte der Menschenrechtsproblematik in Kolumbien auch die Landesmedien intensiv über die Verhandlungen in Genf berichteten, nahm die Bevölkerung von dieser Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft für ihre Land umfassend Kenntnis. 1995 nimmt diese Aufmerksamkeit konkrete Formen an, nämlich durch den Besuch der drei Berichterstatter und die beabsichtigte Vereinbarung mit dem Hohen Kommissar. Dies alles trägt zu einer Erhöhung der Chancen bei, daß die Kommission den Fall Kolumbien 1996 erneut einer Überprüfung unterzieht, da eine solche Entscheidung bei dieser Gelegenheit nicht ausdrücklich gefällt wurde.

Doch handelt es sich trotz dieser Feststellungen um eher bescheidene Ergebnisse. Der Ernst der Situation in Kolumbien ist eigentlich Grund und Anlaß genug, einen Sonderberichterstatter für das Land zu bestellen oder anhand ähnlicher Mechanismen die Entwicklung genauestens zu verfolgen. Dies wurde bereits von zahlreichen bedeutenden internationalen und nationalen Organisationen, die sich intensiv mit diesem Thema befassen, wiederholt vorgeschlagen, so auch von den VN-Berichterstattern, zuständig für die Problematiken der Folter und der außergerichtlichen Exekutionen, in dem im Anschluß an ihren Besuch Kolumbiens verfaßten Bericht. Da sich kein Mitglied der Menschenrechtskommission entschließen konnte, einen so oder ähnlich lautenden Resolutionsentwurf einzubringen, konnte es sich die kolumbianische Regierung erlauben, selbst den Erklärungsentwurf des Vorsitzenden abzulehnen. Die Einigung auf eine moderatere Vorgehensweise, nämlich die Verlesung durch den Kommissionsvorsitzenden eines einseitig von der Regierung ausgearbeiteten Dokuments, ist kein geeigneter Präzedenzfall und trägt nicht gerade zur Stärkung der VN-Organe bei.

Es muß jetzt auch darauf geachtet werden, daß die sich abzeichnende Vereinbarung mit dem Hohen Kommissar nicht als Ablenkungsmanöver mißbraucht wird. Die Mitwirkung des Hohen Kommissars kann in diesem Zusammenhang von großem Nutzen sein, wenn sie sich durch Unabhängigkeit und Autorität gegenüber der kolumbianischen Regierung auszeichnet. Ihr Hauptaugenmerk sollte sich auf die Förderung und Überprüfung der Umsetzung der zahlreichen internationalen Empfehlungen richten. Dabei handelt es sich eher um ein Problem des politischen Willens als der technischen Beratung. Die Vereinten Nationen berieten Kolumbien zwischen 1988 und 1992 umfassend in Sachen Menschenrechte. Dennoch nahmen in jenem Zeitraum die Menschenrechtsverletzungen zu. Regierung und Kommission lehnten es ab, diese Beratungsdienste von einem unabhängigen Experten überprüfen zu lassen. Die damalige Erfahrung wurde bereits 1992 von einer offiziellen Mission als negativ bewertet, und es wäre schlimm, würde sie sich wiederholen. Außerdem besteht in Kolumbien Unklarheit darüber, wofür die Regierung die Gelder, die sie im Rahmen dieser Beratungsdienste erhielt, verwandt hat, wie auch über die Frage, welches Schicksal die damals ausgesprochenen Empfehlungen erfuhren. Es liegt am Hohen Kommissar, diese Risiken auszuschließen.

Ein weiterer Grund zur Sorge ist die Polarisierung, die sich innerhalb des Landes im Zusammenhang mit dem Vorschlag über die Bestellung eines Sonderberichterstatters entwickelt. Gewisse Regierungskreise und Pressevertreter beurteilen eine solche Maßnahme verbissen als einen Sanktionsversuch und lassen durchblicken, daß sie deren Befürworter für Vaterlandsverräter halten. Nachteilig wirkte sich hierbei das zeitliche Zusammentreffen der Genfer Debatte mit einer in Washington geführten Polemik aus, die sich wegen der Konditionierung der von den USA erstellten 'Bescheinigung' für Kolumbien, aufgrund der unzulänglichen Politik zur Bekämpfung des Rauschgifthandels, entzündete. Hierbei handelt es sich sehr wohl um eine Sanktion, einseitig von einem Staat verhängt wegen eines Problems, an dem mehrere Parteien beteiligt sind. Die Ernennung eines Berichterstatters durch die Menschenrechtskommission kann hingegen eher als 'Therapie' denn als Sanktion bezeichnet werden. Es ist eine legitime, von der internationalen Gemeinschaft getroffene Maßnahme, die der kolumbianischen Regierung umfassende Garantien bietet. Das zeitliche Zusammentreffen beider Diskussionen im März 1995 erschwerte es der Öffentlichkeit, die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen zwei Maßnahmen richtig zu erkennen: einige konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, es handele sich in beiden Fällen um den Ausdruck imperialistischer Aggression, dem man sich zu widersetzen habe. Vielleicht war es diesmal noch der Eindruck einer Minderheit, doch muß verhindert werden, daß er auf die Mehrheit der Bevölkerung übergreift, um zu gewährleisten, daß das Vorgehen der Vereinten Nationen in Kolumbien auf dem Gebiet der Menschenrechte beste Ergebnisse vorweisen kann.

Wer das Szenario der Vereinten Nationen kennt, weiß, daß die Ernennung eines Sonderberichterstatters für Kolumbien fast aussichtslos ist, so aussichtslos wie der Versuch, in einer Schachpartie einen Computer zu besiegen: unmöglich ist es nicht, aber es grenzt an Unmöglichkeit. Deshalb ist das, was im März 1995 erreicht wurde - trotz all seiner Mängel - sehr wertvoll. Es ist darüber hinaus ein bedeutender Schritt hin zur Bestellung eines Berichterstatters, einer Maßnahme, auf der weiterhin bestanden werden muß, da die äußerst ernste Lage in Kolumbien intensivste Bemühungen erforderlich macht. Mit einer Lösung ist nicht in einem Jahr zu rechnen, ungeachtet des guten Willens einiger Beteiligter.

Hierzu ist es erforderlich, das hohe Niveau und die Qualität der in diesem Jahr geleisteten Arbeit beizubehalten. Die Brüsseler Konferenz vom 9. und 10. Februar, die im Europäischen Parlament unter Beteiligung der kolumbianischen Regierung und nationaler und internationaler Organisationen stattfand, spielte eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und Fortführung der von der Regierung und den Organisationen im Jahr 1994 unternommenen Bemühungen. Hierdurch beflügelt, nahm eine beträchtliche Gruppe von Kolumbianern geschlossen an den Sitzungen der Kommission teil. Sie konnten auf die entschlossene Unterstützung von fast zwanzig bedeutenden internationalen Organisationen zählen. Zum ersten Mal fanden sich am 28. Februar über 150 Personen in den Sitzungssälen und Gängen des Gebäudes der Vereinten Nationen in Genf ein - ein gelbes Tuch mit dem Namen Kolumbiens und einem Fragezeichen dahinter um den Arm gebunden - um ihre Trauer um die Opfer der Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien, ihre Bestürzung über die bisherige Passivität der Kommission und ihre hoffnungsvolle Bitte, dieses Mal eine Entscheidung zu treffen, zum Ausdruck zu bringen. Es war nicht umsonst.

Wichtig ist nun, daß das Erreichte auch etwas bewirkt. Hieraus entsteht die Notwendigkeit, die Einhaltung der von der Regierung gegenüber der Kommission eingegangenen Verpflichtung zu überprüfen, Sorge zu tragen, daß die angebotenen Mechanismen bestmöglich wirksam werden und weiterhin darauf zu bestehen, daß die Menschenrechtskommission und ihre Unterkommission im August Kolumbien die Beachtung schenken, die ihm unter den gegebenen Umständen gebührt.


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