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3. Usbekistan: Karimov- ein moderner Amir Timur?


Die politische Entwicklung Usbekistans von der Sowjetherrschaft zur Unabhängigkeit ist die Geschichte der Machtkonsolidierung Islam Karimovs. Karimov wurde 1989 erster Sekretär der usbekischen KP und am 24. März 1990 vom Obersten Sowjet zum Präsidenten gewählt. [Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): „Autoritäre Stabilisierung in Usbekistan, in: Politikinformation Osteuropa, Nr. 62, Bonn Juli 1996, S. 2]
Seitdem steht Karimov an der Spitze des Staates. Wie seine Amtskollegen in Turkmenistan und Kasachstan ließ auch Karimov seine Amtszeit per Referendum im März 1995 bis ins Jahr 2000 verlängern. Bei dem Referendum erhielt Karimov sogar eine Zustimmung von 99,6 v. H. Schließlich wurde er im Januar 2000 mit 91,9 v. H. erneut im Amt bestätigt. [Vgl. http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/uz.html]
Allerdings wird Karimovs Gegenkandidat bei dieser bisher letzten Wahl, Abdulhafiz Dschalalov (der 4,2 v. H. erhielt) als Marionette eingeschätzt, die aufgeboten wurde, um den demokratischen Anschein der Wahlen aufrechtzuerhalten, andere Kandidaten konnten nicht teilnehmen. [Dschalalov bekannte nach der Wahl sogar, dass er seine Stimme dem amtierenden Präsidenten gegeben hatte. Vgl. Jahresbericht FES-Zentralasien 2000, S. 8]
Die OSZE hatte sich geweigert, Wahlbeobachter zu entsenden, da die Wahlen aufgrund des Fehlens von pluralistischen Verhältnissen ihrer Ansicht nach von vornherein als undemokratisch einzustufen waren. [Vgl. http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/ 51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/a568e01086a79323c1256aa000463ddb?OpenDocument]
Die Wahlen entsprachen also nicht OSZE-Standards. Damit ist die Situation in Usbekistan auch bereits verkürzt illustriert: Karimov ist allgegenwärtig und regiert de facto ohne Begrenzung, die Opposition ist entweder inszeniert oder verboten bzw. verfolgt.

„L’ état c’ est moi" auf Usbekisch

Aber Karimov ist nicht einfach „nur" Präsident: auch um seine Person wird versucht einen Kult aufzubauen, der ihn zum „Helden Usbekistans" und „Mann des Jahrtausends" macht. [Vgl. Eschment, Autoritäre Präsidialregime, S. 29] Parallelen zur Situation in Turkmenistan drängen sich hier nicht nur angesichts dieses Führerkults auf, sondern auch, wenn man die innenpolitischen Verhältnisse und die Verteilung der Macht betrachtet. Besser gesagt: die Macht ist in Usbekistan nicht „verteilt", sondern im Amt des Präsidenten konzentriert. Die am 08. Dezember 1992 verabschiedete Verfassung macht das Land zu einer Präsidialrepublik und sieht eine entsprechend stark zentralisierte Exekutive vor, in der das Präsidialamt die eigentliche Entscheidungsinstanz darstellt und die Ministerien lediglich den Charakter nachgeordneter Verwaltungsbehörden haben. Der Präsident ist sowohl Staatsoberhaupt als auch Vorsitzender des Ministerkabinetts, welches von ihm ernannt und entlassen wird, und somit oberste exekutive Autorität im Land. Er hat den Oberbefehl über die Streitkräfte, Sondertruppen und die Sicherheitsdienste inne, nominiert die Richter des Obersten Gerichtshofes, ernennt direkt die Gebietsgouverneure (Hakime) der 14 Gebiete (Vilayate) und hat das Recht zur Auflösung des Parlamentes. [Vgl. Uwe Halbach: Politische Entwicklungen im nachsowjetischen Mittelasien: Usbekistan, Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BBIOst /1994) 50, S. 8f]

Bei der Volksvertretung (Oli Majlis/Hohe Versammlung) handelt es sich um ein Einkammer-Parlament mit 250 Abgeordneten, dessen Tätigkeit sich in der Akklamation der vom Präsidenten verfügten Entscheidungen erschöpft. Eine Opposition stellt das Parlament nicht dar: nach Einschätzung der US-amerikanischen Central Intelligence Agency unterstützen alle im Oli Majlis vertretenen Parteien den Präsidenten. [Vgl. http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/uz.html/: Diese Einschätzung wird von Wolfgang Schreiber bestätigt, der das parlamentarische System Usbekistans „zur Zeit [als] eine Farce" bezeichnet." Vgl. das Interview, das der Verfasser im Oktober 2001 in Taschkent mit dem Repräsentanten der Konrad-Adenauer-Stiftung für Usbekistan, Wolfgang Schreiber, geführt hat.]
Zudem sind im Parlament die Lokalräte vertreten, die auf einer vom Präsidenten erstellten Wahlliste antreten, was dem Regime zusätzliche Einflussmöglichkeiten gewährt. [Die Lokalräte stellen die größte parlamentarische Gruppe mit 98 Vertretern der Verwaltungseinheiten. Da sie vom Präsidenten abhängig sind und vorausgewählt wurden, befinden sich unter ihnen ausschließlich regimeloyale Kräfte.]

Die Parteienlandschaft ist nur scheinbar pluralistisch: neben der Volksdemokratischen Partei Usbekistans (VDP / Vorsitzender Islam Karimov), die direkte Nachfolgerin der Kommunistischen Partei Usbekistans mit anderen ideologischen Vorzeichen ist, existieren noch andere Parteien, die vom Regime geduldet werden, wie die 1995 gegründete, sozialdemokratisch orientierte „Adolat" (Gerechtigkeit) oder Fidokorlar. Daneben gibt es

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noch mehrere Pseudo-Oppositionsparteien, wie z. B. „Vatan Taraqqijati" (Fortschritt des Vaterlands), deren Gründung vom Regime initiiert wurde. [Alle genannten Parteien sind im Oli Majlis vertreten, wobei die stärkste Fraktion von der VDP gestellt wird, die seit den letzten Wahlen vom 95. Dezember 1999 insgesamt 32 Abgeordnete stellt. Danach folgen Fidokorlar (19), Vaterlandsfortschrittspartei (9) Adolat (9) und kleinere Gruppierungen. Vgl. http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/uz.html]

Der Schein eines Mehrparteiensystems wird in Usbekistan also gewahrt, echte oppositionelle Bewegungen oder Parteien [Die älteste Gruppe ist die1988 gegründete „Birlik" (Einheit), der es 1989 gelang, Zehntausende auf die Straßen zu bringen. Daneben ist „Erk" zu nennen, eine Gruppierung, die sich 1989 von „Birlik" abspaltete und deren Vorsitzender Mohammed Solih als Gegenkandidat zu Karimov bei den Wahlen 1991 immerhin 12,3 v. H. erhielt. Vgl. FES, Politikinformation Osteuropa: Usbekistan, S. 2] werden aber spätestens seit Frühjahr 1992 unterdrückt. Ihnen wird nicht selten vom Regime das Etikett „stabilitätsgefährdend" aufgedrückt, was in Usbekistan einem politischen Todesurteil gleichkommt. Obwohl die Verfassung von ihrem Geist her durchaus liberal und demokratisch anmutet [Sie gewährt z. B. demokratische Grundrechte und fordert, dass sich das gesellschaftliche Leben „auf der Grundlage der Vielfalt politischer Institutionen, Ideologien und Meinungen" vollziehen soll. Ferner betont sie „die humanitären Prinzipien", die „den unveräußerlichen Rechten des Menschen absolute Priorität einräumen" (Artikel 13). Zit. n. Götz/Halbach, Politisches Lexikon GUS, S. 418], wurden in Usbekistan seit 1991 praktisch keine Demonstrationen mehr genehmigt, die Meinung des Präsidenten bestimmt die regierungsabhängigen Medien und die Aussagen der regierenden Elite. [Vgl. Eschment, Autoritäre Präsidialregime, S. 26]

Keine Aussichten für einen „Taschkenter Frühling"

„Usbekistan ist ein Polizeistaat, in dem es weder Rede- noch Pressefreiheit gibt und Opposition nicht geduldet wird." [Jahresbericht FES-Zentralasien 2000] In der Rangliste der Organisation Freedom House erhielt Usbekistan nach Turkmenistan die schlechtesten Noten der zentralasiatischen Länder. [Vgl. http://www.freedomhouse.org/survey99/tables/indeptab.html]
So ist es nicht verwunderlich, dass die usbekische Opposition sich angesichts dieser repressiven Situation entweder selbst zensiert oder sich vom Regime sogar kooptieren lässt, teilweise im Untergrund operieren muss oder ins Exil (Moskau, Türkei etc.) gehen musste, wo sie allerdings auch nicht vor dem langen Arm des usbekischen Geheimdienstes sicher ist.

Gegenüber Kritik aus dem Ausland an undemokratischem Verhalten und Menschenrechtsverletzungen werden als Alternative vom usbekischen Regime die Destabilisierung ganz Zentralasiens durch nationalistische und islamisch-fundamentalistische Kräfte oder der Zerfall in stammesmäßige und lokale Partikularkräfte angeführt. Diesen beiden Szenarien stellt Karimov die momentan praktizierte Politik der Stabilitätswahrung entgegen, die als „usbekischer Weg zur Demokratie" beschönigt wird. Erste islamistisch motivierte Gewalttaten wie der Bombenanschlag in Taschkent im Februar 1999 und die bewaffneten Einfälle von Freischärlern der „Islamischen Bewegung Usbekistans" haben das Bild vom sicheren, stabilen Usbekistan allerdings zerstört, liefern dem Regime andererseits jedoch eine willkommene Rechtfertigung für die autoritären und repressiven Machtstrukturen.

In der Beurteilung der Repression bzw. Freizügigkeit der Glaubensgemeinschaften gehen die Einschätzungen allerdings stark auseinander: während amnesty international vor allem (aber nicht ausschließlich) islamische (verbotene) Parteien und Religionsgemeinschaften zunehmender staatlicher Gewalt und ihre (mutmaßlichen) Mitglieder willkürlichen Verhaftungen und Folterungen bis hin zu Todesfällen in der Haft ausgesetzt sieht, sehen andere Beobachter zumindest für den Bereich „Religionsausübung" keine Eingriffe durch den Staat. [Vgl. http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/ a568e01086a79323c1256aa000463ddb?OpenDocument/ Wolfgang Schreiber und auch das deutsche Auswärtige Amt weisen dagegen auf die Religionsfreiheit und religiöse Toleranz in Usbekistan hin. Vgl. KAS-Interview und http://www.auswaertiges-amt.de]

Zusammenfassend kann für Usbekistan festgehalten werden, dass für das autoritäre Präsidialregime Islam Karimovs voraussichtlich kein „Taschkenter Frühling" bevorsteht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2001

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