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Teildokument zu: Sozialdemokratische Sparpolitiken in Westeuropa


Österreich: "Sparen ja, aber gerecht"

Noch 1992 war der österreichische Staatshaushalt relativ gesund mit einem Defizit in Höhe von 1,9% des BIP und einer Staatsschuld von ca. 58%. Die Rezession 1993-95, die Steuerreform von 1994 (u.a. Abschaffung der Vermögens- und Gewerbesteuer sowie Absenkung weiterer Steuern), die Ausweitung der Sozialleistungen (u.a. Pflegeversicherung) und der EU-Beitritt verschlechterten die Lage, so daß 1995 das Defizit auf 6,2% des BIP und die Verschuldung auf 69,4% angewachsen war.
Diese Entwicklung beunruhigte in erster Linie die Finanzpolitiker, aber auch die Wirtschaft, die sich nach dem EU-Beitritt stärker der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt sah. Ein breiter Konsens bestand auch zugunsten der Teilnahme an der EWWU, also zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien, der die Ausarbeitung der Konsolidierungspolitik erleichterte.
Die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ konnten sich erst nach den Wahlen, die einen überraschenden Sieg der SPÖ brachten, einigen. Die Regierung bezog die Sozialpartner in die Diskussion um das Konsolidierungsprogramm ein und erhielt auch die Unterstützung der Gewerkschaften. Letztere honorierten sowohl die Tatsache, daß der Gesetzgeber kurz zuvor (1993) noch die sozialpolitischen Leistungen erheblich verbessert hatte, als auch die relative Ausgewogenheit und die Ziele des Sparprogramms. In der öffentlichen Begründung unterstrich die SPÖ die konjunkturellen und sozialpolitischen Ursachen der Haushaltskrise und thematisierte kaum die Steuerreform von 1994 und den EU-Beitritt.
Das Sparprogramm selbst war sehr umfangreich mit einem Volumen von 4,7% des BIP bzw.
100 Mrd. Schilling. Ausgabenkürzungen sollten zwei Drittel, eine Erhöhung der Einnahmen ein Drittel aufbringen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick:


Die quantitativ wichtigsten Ausgabenkürzungen erfolgten in der allgemeinen Verwaltung, bei den Pensionen und in der öffentlichen Personalpolitik. Die höchsten zusätzlichen Einnahmen sollen aus der Lohn-, Körperschafts- und der neuen Energiesteuer kommen.
Trotz aller unabweisbarer Härten auch und gerade für die Empfänger von Sozialleistungen versuchte die SPÖ auf zwei Ebenen, die Lasten des Sparprogramms sozial gerecht zu verteilen:

1. Die Streichung von Abzugsmöglichkeiten bei der Einkommenssteuer, insbesondere für hohe Einkommen über 700.000 S (=100.000 DM), sowie die Erhöhung der Erbschafts- und Kapitalertragssteuer belasten vor allem die reicheren Schichten.
2. Flankierende Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung und Investitionsförderung sollen die rezessive Wirkung der Kürzungen lindern (z.B. ein Schieneninfrastrukturfonds der ÖBB, Investitionsfreibeträge, Wohnungsbauförderung).

Wirtschaftspolitische Prioritäten der vier sozialdemokratischen Parteien

Die eingangs unterschiedenen vier Ziele für Sparpolitiken (Finanzpolitische Handlungsfähigkeit; Erfüllung der Maastrichtkriterien, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowie Beschäftigung) spielten bei allen Parteien eine Rolle, allerdings mit einer unterschiedlichen, innenpolitisch bestimmten Gewichtung. Der folgende Versuch einer Rangfolge ist aber angesichts der engen Verflechtung der Ziele weder zu eng zu interpretieren noch gar als Ausdruck einer Zielkonkurrenz zu verstehen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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