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Teildokument zu: Sozialdemokratische Sparpolitiken in Westeuropa


Schweden: Weniger zahlen, mehr leisten

Die schwedischen Sozialdemokraten kehrten 1994 an die Macht zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der Staatshaushalt nach einer massiven Rezession (ca. 5% BIP-Schrumpfung) stark defizitär (12% des BIP 1993), die traditionell eher bescheidene Staatsverschuldung war auf fast 80% angestiegen und die Arbeitslosigkeit hatte das für Schweden sehr hohe Niveau von über 8% (12% nach schwedischer Definition) erreicht. Die abgelöste bürgerliche Regierung hatte in den 90er Jahren eine Reihe von sozialpolitischen Kürzungen vorgenommen, darunter die Einführung eines Karenztages bei der Krankenversicherung.
In ihrem Wahlprogramm schlugen die Sozialdemokraten eine Kombination von Steuer- und Abgabenerhöhungen und Einsparungen auch im Sozialbereich vor, die das Haushaltsdefizit um insgesamt 61 Mrd. Kronen (3,8% des BIP) verringern sollten. Davon entfielen die Hälfte auf höhere Einnahmen (Krankenversicherung und Steuern) und die Hälfte auf Einsparungen.
Die meisten der vorgesehenen Maßnahmen setzte die Regierung 1995 um:

  • Sondersteuer für Besserverdienende
  • Erhöhung der Unternehmenssteuer
  • Senkung des Arbeitslosen-, Kranken und Elterngeldes von 80 auf 75%
  • Senkung des Kindergeldes
  • Höhere Eigenleistungen im Krankheitsfall

Das Haushaltsdefizit sank darauf auf ca. 7% im Jahr 1995. Die Wirtschaft entfaltete ein kräftiges, exportgeleitetes Wachstum - dank Abwertung und Kostensenkungen (die Anzahl der Krankmeldungen von 1-7 Tagen Dauer sank von 1991 bis 1994 um 96%!). Die Arbeitslosigkeit ging allerdings trotz flankierender Maßnahmen (Sonderprogramme für arbeitslose Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Immigranten, Steigerung des Teilnehmerkreises der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf 5,6% der Erwerbsbevölkerung) kaum zurück.
Die Sparpolitik der schwedischen Sozialdemokraten ist durch folgende spezifische Grundsätze gekennzeichnet:

  • Ziele und Prinzipien des schwedischen Wohlfahrtsstaates werden nicht in Frage gestellt, sondern die Einschränkungen werden klar als zeitweilig und notgedrungen angesehen.
  • Die Rückführung der Staatsquote stellt daher kein Ziel dar. Um das Defizit zu reduzieren, werden auch die Steuern erhöht.
  • Sozialpolitische Einschränkungen konzentrieren sich auf geldliche Transfers, während sachliche Leistungen in den Bereichen der Versorgung von Kindern und Alten, Erziehung und Gesundheitswesen von Einsparungen weitgehend verschont bleiben.
  • Die oberste Einkommensschicht muß überproportional zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen (25% für die reichsten 10%, 12% für das zweitreichste Dezil und 6-9% für jedes der acht ärmeren Dezile, d.h. die ärmsten 80%).

Die Priorität der schwedischen Sozialdemokraten liegt beim Beschäftigungsziel, zu dessen Erreichung sie Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und finanzpolitische Handlungsfähigkeit benötigen. Die Erfüllung der Maastrichtkriterien tritt dem gegenüber in den Hintergrund.
Die Sozialdemokraten formulieren ihre Sozialpolitik in enger Abstimmung mit den schwedischen Gewerkschaften (vor allem LO). Der neue LO-Vorsitzende, Bertil Jonsson, wurde auf dem Parteikongreß im März 1996 in den engsten, siebenköpfigen Führungskreis der Partei, den Geschäftsführenden Ausschuß, gewählt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998

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