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[Seite der Druckausgabe: 19 / Fortsetzung]


4. Stadt- und Stadtteilentwicklung in Hamburg

4.1 Die Leitbilder der „Stadtentwicklung entlang von Achsen" und der „durchmischten, multifunktionalen Stadt" in Hamburg

Die Stadt Hamburg entwickelte sich bis zum zweiten Weltkrieg mehr oder weniger konzentrisch vom historischen Zentrum zu ihren Randbereichen. Während der Wiederaufbauphase nach 1945 wurde man sich hier allerdings des Problems bewußt, daß die konzentrische Stadt in dieser Weise keinen Bestand mehr haben würde. Als neues Stadtentwicklungskonzept wurden daher die Vorstellungen Schuhmachers einer „natürlichen Entwicklung des Organismus’ Stadt" entlang von Entwicklungs- bzw. Verkehrsachsen aufgenommen, an denen sich neue lokale Bezirks- oder Subzentren bilden sollten. Die Berücksichtigung des Achsenmodells und funktionalistischer Leitbildvorstellungen der Stadtentwicklung hatte dabei - so der Vertreters Hamburgs - weniger mit einer nicht mehr beherrschbaren Stadtgröße zu tun, sondern folgte eher den Notwendigkeiten der Entwicklung neuer (schienengebundener) Verkehrsmittel wie der Schnellbahn.

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Bei der Umsetzung des Konzeptes zeigte sich allerdings relativ früh, daß die geplante Form der Zentrenbildung entlang von Entwicklungsachsen in der Realität nicht plangemäß funktionierte. Als Negativbeispiel wurde das Zentrum Mümmelmannsberg genannt, das in den Zwischenraum zweier Achsen gebaut wurde. Die Errichtung dieses Viertels folgte weniger Belangen der Stadtentwicklung, sondern war vielmehr Ergebnis von Grundstücksgeschäften der Neuen Heimat, wie der Vetreter Hamburgs ausführte. Als weitere achsenferne Siedlung entstand das City-Entlastungszentrum Steilshoop bzw. City Nord. Diese Beispiele zeigten recht früh, in welchem Ausmaß das Schuhmacher’sche Achsenmodell auf Akzeptanzprobleme stieß, denn spätestens mit Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs wurden vor allem die Achsenzwischenräume aufgrund niedrigerer Grundstückspreise und ihrer „grüneren" Lage besonders attraktiv.

Die aktuelle Planung Hamburgs (Stadtentwicklungskonzept Hamburg von 1996) orientiert sich dennoch am Leitbild der „Stadt entlang der Achsen" und weist in einem hierarchisch abgestuften Zentrensystem neben den Bezirkszentren die Entwicklung verdichteter, gemischter Nutzungsbereiche sowie Bezirkszentren entlang der Entwicklungsachsen aus. Wenngleich die Zentrenplanung der Stadt aus den genannten Gründen nicht ausnahmslos nach Plan durchzusetzen war und ist, hat Hamburg dennoch den Vorteil, bereits auf einer historischen Zentrenentwicklung aufbauen zu können. So waren beispielsweise die heutigen Bezirkszentren Altona, Bergedorf, Harburg und Wandsbeck bereits vor ihren Eingemeindungen ausgeprägte größere Städte mit eigener Zentralität. Den ebenfalls eingemeindeten Dörfern im weiteren Umkreis ist dagegen die geplante Bildung von Unterzentren nicht in gleichem Maße gelungen; hier hat sich oftmals nur entlang der Hauptverkehrsstraßen Einzelhandel entwickelt, ohne aber weiterreichende zentrale Bedeutung zu erlangen.

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4.2 Zur Entwicklung der Metropolitanregion Hamburg

Die gegenwärtigen Entwicklungen Hamburgs gehen weit über den Stadtraum hinaus und reichen im Rahmen des Regionalen Entwicklungskonzeptes tief in die Region hinein. Die Randkreise Hamburgs bilden zusammen mit der Stadt die Metropolregion Hamburg. Insgesamt findet hier ein Prozeß statt, der auf die Urbanisierung der gesamten Region innerhalb eines vergleichsweise kleinen Zeitraums hinausläuft. Während in anderen Großstadtregionen das Be-

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völkerungswachstum während der Jahre 1994 bis 1997 abnahm, verzeichnete Hamburg im gleichen Zeitraum die Zuwanderung von 60.000 Personen, die verstärkt in die Randbezirke der Metropolitanregion drängten. Die südlichen, zu Niedersachsen gehörenden Gemeinden verzeichneten vor allem im Rahmen von umfangreichen Suburbanisierungsprozessen Wachtumsraten von bis zu 11%, und auch einige nördliche Gemeinden wiesen ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum auf, das mit einem starken Flächenverbrauch pro Kopf einherging. Die Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrsflächen nahm beispielsweise in Rotenburg (Wümme) während der Jahre 1986 bis 1997 genauso stark zu wie in Hamburg, was das Tempo des Suburbanisierungsprozesses veranschaulicht. In einigen Landkreisen wie Harburg, Lüneburg, Cuxhaven, Uelzen und Rotenburg (Wümme) lag der jeweilige Flächenverbrauch für Verkehrsflächen zwischen 1986 und 1997 sogar über den Hamburger Werten.

Nach Ansicht des Vertreters Hamburgs ist der Versuch, mit herkömmlichen städtischen Instrumenten - vor allem dem Bodenrecht - gegen diese Entwicklungen auf den Landesflächen anzugehen, aussichtslos. Der Suburbanisierungsprozeß ist im wesentlichen von den beiden Steuerungsgrößen Bodenpreis und Benzinkosten abhängig. Da die Höhe der Bodenpreise in Richtung regionaler Randbereiche abnimmt und die Kosten des Individualverkehrs seit den 50er Jahre in Relation zur Einkommensentwicklung kontinuierlich gesunken sind, entzieht sich die Dynamik des Suburbanisierungsprozesses kommunaler Steuerungsinstrumente. Vielmehr muß die Stadt daher ein Konzept zur Gegenlenkung entwickeln, das auf Attraktivitätssteigerung der Kernstädte durch Ausbau innerstädtischer Eigenschaften wie Dichte, Multifunktionalität, Kommunikationsmöglichkeiten und Fühlungsvorteile - für die Medienstadt Hamburg stark nachgefragte Standortfaktoren - basiert. Die bereits angesprochenen Rückwanderungstendenzen einkommensstärkerer Bevölkerungsschichten müssen gefördert werden, indem u.a. verdichtete Quartiere für höhere Einkommen geschaffen werden. Als erfolgreiches Beispiel wurde die Besiedlungsmaßnahme „Am Torweg" mit Eigentumswohnungen zu Verkaufspreisen von bis zu DM 9.000,-/m² genannt.

Zumindest in Hamburg scheint die gleichzeitige Verfolgung des Leitbildes der „Entwicklungsachsen" zur Verkehrsoptimierung sowie der „durchmischten, multifunktionalen Stadt" - u.a. als Standortfaktor für die Medienbranchen - erfolgreich zu sein. Das Leitbild der

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„funktionsdifferenzierten Stadt" dagegen beschleunigt aus Sicht des Vertreters Hamburgs den Suburbanisierungsprozeß.

Im Vordergrund gegenwärtiger Stadtentwicklungspolitik zur (Wieder-) Herstellung von Zentralität müsse die Einflußnnahme auf Prozesse anstelle einer Fokussierung auf ordnungspolitische Steuerungsinstrumente stehen. Dazu gehöre auch die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure, um Funktionen zur Stärkung der Innenstädte bis hin zu Malls und Urban Entertainment Centers in den kernstädtischen Bereich integrieren zu können. Dies sei nicht allein über städtische Flächenpolitik möglich.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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