FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
5. Interessendialog, Partizipation und Mitbestimmung in einer globalisierten neuen Arbeitswelt Industrielle Beziehungen, gesetzliche Grundlagen, soziokulturelle Rahmenbedingungen und Traditionen entscheiden darüber, bis zu welchem Grad Arbeitnehmer und Gewerkschaften an unternehmens-, betriebs- und arbeitsplatzbezogenen wie auch gesellschaftspolitischen Entscheidungen beteiligt werden. Auch auf diesen Feldern sind die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA markant. 5.1 Neue Interessenkoalitionen in den USA Über die industriellen Beziehungen in den USA ist bereits vieles ausgesagt worden. Es zeigte sich: Gewerkschaften und Arbeitgeber sind in den USA zwar nicht gerade verfeindet, aber um ihr Verhältnis ist es nicht allzu gut bestellt. Das Muster der industriellen Beziehungen ist voluntaristisch, beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und nicht auf organisierten Beziehungen und Interessen wie in Deutschland. Die Wirklichkeit ist vielgestaltig, in einem Konzern reichen die Beziehungen zwischen Management und Arbeitnehmervertretern von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit bis hin zu einer eisigen Frontenbildung. Ein regionales Beispiel aus der Stadt Milwaukee in Wisconsin vermittelt dagegen einen Eindruck, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber auch die Politik zu einer neuen Form der Zusammenarbeit finden können, um die Folgen des wirtschaftlichen und sozialen Wandels zu steuern. Auf diese Steuerung kann auch in den USA trotz der guten Wirtschaftskonjunktur nicht verzichtet werden. Wie sich der Wandel in den USA vollziehen wird und welche ökonomische und gesellschaftliche Zukunft die Amerikaner erwartet, ist noch nicht ausgemacht. Das lehrt die wirtschaftliche Nachkriegsgeschichte, die einem Wechselbad gleicht. Die amerikanische Wirtschaft steht heute im weltweiten Vergleich besonders gut da. Die USA zeigt ökonomische Stärke, aber das war nicht immer so. In den 60er Jahren fürchteten die Amerikaner sogar, daß sie von der sowjetischen Wirtschaft überrollt werden könnten. In den 70er und 80er Jahren wirkte der Erfolg der japanischen, aber auch der deutschen Wirtschaft auf die USA bedrohlich. Die Verbesserung der makroökonomischen Rahmenbedingungen haben die amerikanische Wirtschaft heute dagegen zu einer erfolgreichen gemacht. Zum Ende des Jahrhunderts sind die Amerikaner in der Weltwirtschaft ein ökonomisches Vorbild. In zehn Jahren oder schon früher könnte dagegen die fernöstliche Ökonomie eine Meßlatte werden, die den USA erneut Kopfzerbrechen bereitet. Variable ökonomische Rahmenbedingungen ändern aber auch die Einstellungen und Haltungen der wirtschaftlichen Akteure. Dieses Wechselverhältnis erhält in den USA eine besondere Relevanz. Amerikanische Arbeitgeber sind gewinnorientiert und setzen auf die Kräfte der freien Marktwirtschaft. Das ist an sich nichts besonderes. Diese Attitüde ist allerdings bei amerikanischen Arbeitgebern stark ausgeprägt, was dazu führt, daß der soziale Auftrag unternehmerischen Handelns ins Hintertreffen gerät. Der gegenwärtige Mangel an bzw. die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften gibt allerdings Anlaß zu der Hoffnung, daß sich amerikanische Arbeitgeber auch verstärkt beschäftigungs- und sozialpolitischen Themen zuwenden und ihre Bedeutung anerkennen. Diese Erwartung scheint nicht ganz unbegründet. Fortschrittliche amerikanische Arbeitgeber sind ein Beispiel dafür, daß die Arbeitgeber auch vor dem Hintergrund der amerikanischen industriellen Beziehungen nicht immer als die natürlichen Gegner der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften auszumachen sind, wie aus ausländischer Perspektive bisweilen vorschnell unterstellt wird. Sie gewähren den Beschäftigten zunehmend Rentenzuschüsse oder führen Gewinnbeteiligungsmodelle und Leistungsanreizsysteme ein. Diese materiellen Unterstützungsleistungen tragen nämlich mehr zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeitnehmer bei, als die amerikanische Wohlfahrts- und Arbeitspolitik bisher politisch zu leisten vermochte. In den USA besteht in vielen Bereichen ein Politikdefizit. Daher stellt sich verstärkt die Frage, welche neue Partnerschaften erreicht werden können, um Beschäftigten- und Arbeitgeberinteressen, aber auch kommunalpolitische Handlungsbedarfe besser zusammenzubringen bzw. zu vernetzen. Eines der Hauptprobleme ist in diesem Zusammenhang, daß die Schnittmengen in den unterschiedlichen Interessenlagen durchaus erkannt werden, die Zusammenarbeit der Akteure aber oftmals unter Startschwierigkeiten leidet. Beispielsweise ist es nicht so leicht, Arbeitgeber bzw. ihre betrieblichen Vertreter an einen runden Tisch zu bekommen und wirksame, gestaltungsorientierte Dialogformen zu entwickeln. Hier wirken die transformierten industriellen Beziehungen sowie die Ressentiments gegenüber den amerikanischen Politikmustern nach. Einerseits besteht ein gewisser Vertrauensverlust gegenüber der politischen Handlungsfähigkeit. Andererseits sind viele Arbeitgeber darin sozialisiert, einen Meinungsaustausch mit Gewerkschaften möglichst zu umgehen. Hinzu kommt der Macht- und Bedeutungsverlust der amerikanischen Gewerkschaften. Von einer geschwächten Gewerkschaftsbewegung sind auch die Gewerkschaftsführer betroffen. Die Arbeitgeber konstatieren inzwischen eine Verknappung an qualizierten Gewerkschaftsführern, die für sie kompetente und legitimierte Verhandlungspartner wären. Die Aufgabe besteht demnach darin, Vertreter der Industrie, Gewerkschaften und Politik trotz der Blockaden, die den Dialog erschweren, zusammenzubringen und eine neue Partnerschaft zu etablieren. Dies scheint in Milwaukee zu gelingen. Die regionale Arbeitsmarktsituation hat dort eine neue Liaison zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften gefördert. Das Ziel dieses Vorhabens ist, alternative Arbeitsmöglichkeiten für Erwerbslose aufzuspüren. Die Arbeitslosenquote liegt in den USA gegenwärtig zwar auf niedrigem Niveau, allerdings konzentriert sich Arbeitslosigkeit besonders auf die Innenstädte. Eine Strategie auf dem Feld der Beschäftigungspolitik und eine politische Antwort auf die Frage, wie mit diesem Urbanisierungsproblem umgegangen werden könnte, ist nicht in Sicht. Häufig versuchen daher auch die fortschrittlichen Arbeitgeber, auf diesem Terrain doch noch etwas zu bewegen. Im Rahmen einer Milwaukee Job Initiative haben Vertreter der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und kommunale Gruppen mit einem zielgerichteten Dialog begonnen. Dieser bringt die unterschiedlichen Interessen auf einer gemeinsamen Diskussionsplattform und in einem Schnittpunkt zusammen. Die Arbeitgeber suchen nach Lösungen, die den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften beseitigen können. Gleichzeitig begrüßen Gewerkschafter und Vertreter der Kommunen das Vorhaben, neue Arbeitsplätze für die Problemgruppen des Arbeitsmarktes zu schaffen, die sich in der Innenstadt ballen. Der Kooperationsansatz in Milwaukee ist daher ein Beispiel, wie in den USA neue Koalitionen unbeschadet von alten Vorurteilen funktionieren könnten. Bevor über den Wandel der Arbeitsgesellschaft und die gesellschaftlichen Gestaltungschancen spekuliert wird, sind solche Koalitionen in den USA erst einmal eine besonders wichtige Grundvoraussetzung. Sie rufen einen sozialen Dialog ins Leben, der ansonsten meist brachliegt und fördern den sozialen Konsens. Mit ihm wird sich auch die neue Arbeitsgesellschaft besser steuern lassen. 5.2 Kooperations- und Mitbestimmungsrenditen in Deutschland Sozialer Konsens wird in Deutschland auch über die Mitbestimmung hergestellt. Sie gehört neben der Tarifautonomie zu den Grundpfeilern des deutschen Modells industrieller Beziehungen. Die Geschichte der Mitbestimmung ist durchaus auch eine Erfolgsgeschichte. Mit ihr sind die Folgen des Strukturwandels und der Restrukturierungsmaßnahmen in den Unternehmen sozialverträglich abgefedert worden. Auf dem deutschen Mitbestimmungsystem lastet nach Einschätzungen deutscher Mitbestimmungsforscher aber auch ein erheblicher Reformdruck. Um nur einige Aspekte zu nennen:
Die Vorteile, die die deutsche Mitbestimmung besitzt, zeigen aber, wie lebens- und zukunftsfähig sie trotzdem ist und warum sie nicht auf dem Altar der Globalisierung und des strukturellen Wandels geopfert werden sollte. Betriebliche Mitbestimmung und Unternehmensmitbestimmung sind gesetzlich geregelt:
Neben diesen beiden gesetzlichen Formen repräsentativer Mitbestimmung haben sich vielfältige Ansätze von direkter Beschäftigtenpartizipation etabliert. Sie sind vergleichbar mit den neuen Beteiligungschancen, die amerikanischen Arbeitnehmern auf der Grundlage von HPWS angeboten werden. Die Mitsprache am Arbeitsplatz eröffnet einzelnen Beschäftigten oder Gruppen unmittelbare Mitgestaltungsmöglichkeiten: unter Einbezug, aber auch ohne den Betriebsrat. Direkte, managementinitiierte Beteiligung war unter Gewerkschaftern und betrieblichen Interessenvertretern längere Zeit ein sehr umstrittenes Beteiligungsterrain. Da die Arbeitgeber die Beteiligungsverfahren relativ euphorisch und flächendeckend implementierten, bestand die Befürchtung, daß durch Team-, Gruppen- oder Projektarbeit unter der Überschrift neue Unternehmenskultur auch eine schleichende Aushöhlung der Mitbestimmung von Betriebs- und Personalräten beabsichtigt ist. Diese Ängste sind inzwischen zerstreut worden, zumal es vielfach gelungen ist, durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen die Mitbestimmung von Betriebs- und Personalräten an und in den neuen Verfahren zur direkten Beschäftigtenbeteiligung abzusichern. Solche Vereinbarungen garantieren, daß die Interessenvertretungen in den Beteiligungsprozeß einbezogen werden und ihn aus der Perspektive kollektiver Arbeitnehmerinteressen beeinflussen können. Die direkte Beteiligung der Beschäftigten hat die betrieblichen Arbeitsbeziehungen angereichert. Wenn eine neue Arbeitsteilung zwischen Interessenvertretung und Vertretenen funktioniert, erfährt die repräsentative Interessenvertretung unter günstigen Bedingungen sogar einen Vitalisierungs- und Dynamisierungsschub. Betriebs- und Personalräte werden entlastet und erhalten mehr Freiräume für strategisch-betriebliches Handeln. Dies bleibt zunächst festzuhalten. Die Wirkungen der repräsentativen Mitbestimmung hat ein Projekt der Hans-Böckler-Stiftung und der Bertelsmann-Stiftung untersucht. Die Stiftungen richteten 1996 gemeinsam eine Kommission Mitbestimmung ein mit dem Ziel, eine empirische Bestandsaufnahme der Mitbestimmungspraxis und ihrer Folgen zu erstellen sowie Zukunftsperspektiven für das deutsche Mitbestimmungssystem zu formulieren. [ An dieser Kommission haben Vertreter bzw. Repräsentanten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, aus Gewerkschaften, Arbeits mini sterium, Wissenschaft sowie der Präsident des Bundesarbeitsgerichts mitgewirkt.] Ohne die Befunde und Schlußfolgerungen ausführlich darzustellen, bestätigen schlagwortartige Highlights aus der Kommissionsarbeit die eingangs getroffene Anmerkung, daß mit der deutschen Mitbestimmung in der Praxis erfolgreich gearbeitet werden kann. Die Kommission kommt zu dem Resultat:
Die Mitbestimmung hat ihren Praxistest offenbar bestanden. Worauf es aber in Zukunft ankommt, ist die Mitbestimmung als Wettbewerbsvorteil politisch zu fördern, auszubauen und ihre vertrauensbildende Funktion und ihren sozialen Schutzcharakter zu stärken. Noch ist nämlich ungesichert, ob und wie sich die deutsche Mitbestimmung im Rahmen der europäischen Integration behaupten wird. Die Zeichen sind uneindeutig, ob sie vom deutschen Erfolgs- zum europäischen Auslaufmodell oder eine Richtschnur für die industriellen Beziehungen in Europa wird. Im internationalen Vergleich lautet eine vielgestellte Kernfrage: Geht es mit oder ohne die Mitbestimmung (vor allem die deutsche) besser?
[ Diese Frage betrifft bekanntlich z.B. schon seit längerem den Bereich europäischer Aktiengesellschaften. Hier lauert eine weitere Gefahr für die deutsche Mitbestimmung, denn es ist noch nicht klar, wieviele deutsche Unternehmen von den Möglichkeiten eines Übergangs in das Statut europäischer Aktiengesellschaften Gebrauch machen und sich dem Kernbereich der Mitbestimmung entziehen werden.]
Die Mitbestimmung ist nach der Auffassung der Kommission ein wichtiger Bestandteil von marktwirtschaftlicher Unternehmensführung. Mitbestimmung wird zugleich von den deutschen Gewerkschaften als Möglichkeit gesehen, die Interessen der Stakeholder zum Wohl einer langfristigen Strategie auch von international operierenden Unternehmen gegenüber kurzfristigen Gewinninteressen der Shareholder zur Geltung zu bringen. Welche wirtschaftlichen Effekte die Mitbestimmung zeitigt, läßt sich allerdings nicht so eindeutig beziffern wie vielleicht erhofft. Zwar sind keine negativen wirtschaftlichen Effekte zu verbuchen, umgekehrt können aber auch positive Wirkungen im Hinblick auf die ökonomische Performance nicht eindeutig empirisch nachgewiesen werden. Allerdings kennen deutsche Mitbestimmungsforscher, Gewerkschafter und mitbestimmungsfreundliche Arbeitgeber auch an, daß nicht nur diejenigen Unternehmen erfolgreicher sind, in denen die Beschäftigten und ihre Vertreter systematisch und umfassend beteiligt werden. Auch Unternehmen ohne Mitbestimmungspraxis gehören durchaus zu den erfolggekrönten Unternehmen in Deutschland. Dies zeigt sich insbesondere bei kleinen und neuen Unternehmen. Es gibt aber andere, eindeutigere Zusammenhänge zwischen Mitbestimmung und ökonomischen Erfolgsaussichten, die die deutsche Mitbestimmung mehr in das rechte Licht rücken. Die an der Kommissionsarbeit beteiligten Arbeitgeber weisen darauf hin, daß die Mitbestimmung eine Art Extrarendite bringt. Nach ihren Beobachtungen hat die Mitbestimmung und der gewerkschaftliche Einfluß der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen nicht geschadet, sondern sie gefördert. Dies gilt besonders für die großen deutschen Industrieunternehmen, die sich im Weltmarktwettbewerb behaupten müssen. Die Extrarendite wird auf der Grundlage des deutschen Mitbestimmungssystems nämlich durch Partizipation, Kooperation und Konsens erzielt und entpuppt sich somit als eine Kooperationsrendite. [ Ein Indiz dafür ist, daß in Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten überwiegend ein Betriebsrat existiert, dagegen Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten eher im Ausnahmefall über einen Betriebsrat verfügen.] Selbstverständlich gibt es auch kritische Stimmen zur deutschen Mitbestimmung, die nicht verschwiegen werden sollten. Mit ihnen werden vor allem die manchmal langen und zeitraubenden Wege der Aushandlung und Entscheidungsfindung artikuliert. Mitbestimmung kostet Zeit. Die Kooperationsrendite ist nicht umsonst zu haben, wie bei allen Renditen, muß vorher erst einmal etwas investiert werden. Ein Schlüssel zum Verständis der Mitbestimmungsfolgen liegt aber in der vernetzten Beteiligungsstruktur und kultur in den Unternehmen. Gerade in Deutschland muß im Gegensatz zu den USA der Trend zu mehr direkter Partizipation in der Arbeit mit der Mitbestimmung kombiniert werden, um mit ihrem historischen Entwicklungspfad nicht zu brechen und den erreichten Konsens zu riskieren. Damit schließt sich ein Kreis. Mit zunehmender Komplexität der Unternehmensorganisation rentiert es sich, das Terrain der Arbeitnehmerbeteiligung nicht zu vernachlässigen. Steigende Komplexität von Unternehmen erfordert neue Ankerpunkte, die die Organisation stabilisieren, die Beschäftigten an das Unternehmen und seine strategischen Ziele binden und gleichzeitig das Gold in ihren Köpfen erschließen. Das wird kaum ohne eine verläßliche Vertrauensorganisation zu bewerkstelligen sein. Vertrauen ist unentbehrlich, wenn die Beschäftigten unter schwierigen, unsicheren wirtschaftlichen Bedingungen mehr Verantwortung fürbetriebliche und arbeitsplatzbezogene Innovationen und damit auch für den Unternehmenserfolg übernehmen sollen. Nicht nur aus Sicht der deutschen Gewerkschaften bedeutet eine verläßliche Vertrauensorganisation deshalb auch, daß sich repräsentative Mitbestimmung und individuelle Mitgestaltungschancen ergänzen sollten. Ihr Verhältnis muß stets neu ausgelotet werden, direkte und delegative Beteiligungsformen dürfen keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden. In einem guten Zusammenspiel wirken sie vertrauensfördernd im Rahmen der betrieblichen Organisation und seiner Ziel- und Zwecksetzung. Mitarbeiterorientierte Unternehmenskulturen weiten im Prinzip die Mitbestimmung auf den Arbeitsplatz aus. [ Neue Formen von arbeitsplatznaher Mitbestimmung liegen im übrigen ganz im Trend der Interessen von hochqualifizierten Beschäftigten mit einem hohen Bildungsstandard, die über die repräsentativen Formen der Interessenvertretung hinaus selbst mitentscheiden wollen. Damit sind sie mit dem Trend zur Wissensökonomie äußerst kompatibel. ] Dann ist aber eine konkrete Grundbedingung zu erfüllen. Direkte Beschäftigtenbeteiligung muß zugleich eine Öffnung der repräsentativen Interessenvertretung von Betriebs- und Personalräten nach unten bedeuten. Sie darf sich nicht gegen die Interessenvertretungsarbeit wenden oder sie gar aushebeln. Diese Voraussetzung ist in denjenigen Fällen erfüllt, in denen sich Mitbestimmung, kooperativer Führungsstil und HRM in einem eingespielten bzw. eingeschwungenen Zustand befinden. Es zeigt sich also: Eine direkte Beschäftigtenbeteiligung in dezentralen Arbeitsformen (Team- und Gruppenarbeit), kombiniert mit einer kooperativen Mitbestimmungspraxis durch die gewählten Interessenvertreter, begünstigt und verstärkt regelmäßig das HRM der Unternehmen. Zeitgleich wird die Kommunikation im Unternehmen verbessert, nicht nur zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, sondern auch zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung. Im Gegensatz zu amerikanischen Unternehmen, die gegenwärtig neue Konfliktlösungsinstrumente (ADR) implementieren, sind in deutschen Betrieben viele Konfliktlösungen schon seit langem in die Kommunikations- und Kooperationstruktur zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung verlagert. Auch in diesem Sinne ist Mitbestimmung gewissermaßen eine Erweiterung von Optionen, denn die Unternehmen können die Mitbestimmung als eine kommunikative Infrastruktur nutzen. Der Reformdruck, der trotz ihrer Vorteile heute auf der deutschen Mitbestimmung lastet, sollte von Sozialpartnern und Politik gemeistert werden können. Im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft könnten nämlich besonders diejenigen Gesellschaften begünstigt sein, die in ihrer historischen Entwicklung Institutionen aufgebaut haben, die im Rahmen kooperativer Arbeitsbeziehungen Vertrauen herstellen können.
[ So der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser.]
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2000 |