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TEILDOKUMENT:
4. Maßnahmen der Bundesregierung zur Erhaltung der Großwohnsiedlungen 4.1. Förderprogramme und Maßnahmen Städtebauförderungsprogramm "Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete in den neuen Bundesländern und Berlin (Ost)" Als erstes ist hier das Förderprogramm der Städtebauförderung im Programmbereich Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete zu erwähnen. Die wichtigsten Ziele diese Programms sind "... ein kinder- und familienfreundliches Wohnumfeld und die Weiterentwicklung bisheriger Schlafstädte zu lebendigen Stadtquartieren, dazu gehört auch die Ansiedlung von Handel und Gewerbe." (Töpfer 6/1996) Dabei hat die Erhaltung einer gesunden sozialen Mischung der Bevölkerung in den Großsiedlungen höchste Priorität. Das Programm existiert seit 1993 und der Bund hat bisher dafür 340 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Zusammen mit den Mitteln der Länder und Gemeinden, die diese zusätzlich aufgrund der Förderbedingungen aufzubringen haben, betrug der gesamte Förderbetrag seit 1993 mehr als eine Milliarde DM. Dieses Geld ist in 158 Neubaugebiete in 127 Städten geflossen für Maßnahmen in Gebieten mit 580.000 Wohnungen. Dieses Förderprogramm zur Städtebaulichen Weiterentwicklung der großen Neubaugebiete in den neuen Ländern wird von weiteren Maßnahmen des Bundes komplettiert. Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zur Ergänzung der Wohnumfeldverbesserung werden Maßnahmen zur Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen gefördert. Hierfür werden Kredite mit besonders günstigen Zinsen bereitgestellt. Dieses Programm ist allmählich ausgebaut worden und hat inzwischen eine Größenordnung von 60 Milliarden DM erreicht. Dreizehn Milliarden DM davon wurden für Plattenbausiedlungen bereitgestellt. Insgesamt sind aus diesen Mitteln der KfW 3,5 Millionen Wohnungen in den neuen Länder instandgesetzt und modernisiert worden, davon sind 700.000 Plattenwohnungen. Ein anderes Programm der KfW, das KfW-Infrastrukturprogramm, konzentriert sich auf die Verbesserung des ruhenden und fließenden Verkehrs und um die Erneuerung der Wasserversorgung in den Großwohnsiedlungen. Weitere Fördermaßnahmen Ein Teil der Mittel des Sozialen Wohnungsbaus wird neben dem Neubau von Wohnungen auch für die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen zur Pflege des vorhandenen Bestandes ausgegeben. [Seite der Druckausgabe: 8] In diesem Rahmen sind vom Bund von 1991 bis 1996 ca. 6,1 Milliarden DM für die neuen Länder bereitgestellt worden. Im Jahr 1997 kommen weitere 810 DM Millionen dazu. Die Großsiedlungen profitieren auch von steuerlichen Vergünstigungen im Rahmen des Fördergebietsgesetzes. Dieses Gesetz wirkt sich allerdings nur dann aus, wenn Wohnungsbestände an Investoren verkauft werden. Seit 1997 bevorzugt das Fördergesetz die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen gegenüber dem Neubau. Die künftige Förderung Ost, die im Jahr 1999 an die Stelle des Fördergebietsgesetzes tritt, wird ebenfalls die Modernisierung und Instandsetzung von Plattenwohnungen unterstützen. Eine andere Maßnahme des Bundes zur Sicherung des Wohnungsbestandes bestand darin, die Wohnungsunternehmen von ihren Altschulden durch das Altschuldengesetz zu befreien. Den Wohnungsunternehmen wurden fünf Milliarden DM zur Bezahlung ihrer Zinsen zur Verfügung gestellt. Außerdem wurden 30 Milliarden DM von den Schulden der Wohnungsunternehmen auf den Erblastentilgungsfond übertragen. Weiterhin wurden die Wohnungsunternehmen durch eine veränderte Gesetzgebung bezüglich der Miethöhe in die Lage versetzt, ihre Mieteinnahmen zu steigern. Dadurch können sie die Betriebskosten vollständig auf die Mieter umlegen. Demzufolge müssen sie einen Teil ihrer Mieteinnahmen nicht mehr zur Bezahlung der Betriebskosten verwenden und können aufgrund ihrer verbesserten Einnahmesituation investive Maßnahmen durchführen. Einige der erwähnten Programme sind neben den Großwohnsiedlungen auch für andere Stadtbereiche relevant, wie z.B. für die Innenstädte bei der Wohnungsinstandsetzung und auch für Neubaugebiete in städtischen Randlagen. Durch die Förderung sind die Mieten dort relativ günstig, und es entstand ein wachsender Konkurrenzdruck für die Wohnungen in Großwohnsiedlungen.
4.2. Die Mietpreiskonkurrenz für Großwohnsiedlungen durch mit öffentlichen Mitteln geförderte Neubauten und sanierte Altbauwohnungen
Es wird allgemein befürchtet, daß es bei steigendem Angebot von sanierten Altbau- und Neubauwohnungen mit einem den Plattenbauwohnungen ähnlichem Mietpreisniveau, zu erhöhtem Leerstand bei Plattenbauwohnungen kommt. Zum Beispiel gibt es in Magdeburg Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau für ca. 9 DM/qm. Auch Plattenbauwohnungen kosten nach der Sanierung ca. 9 DM/qm. Auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt sind bereits für 11 [Seite der Druckausgabe: 9] DM/qm sanierte Altbauwohnungen zu mieten. (Herr Knoblauch, SPD Landtagsfraktion 26.6.97). Die Übersicht (Tabelle 1) vergleicht die Nettokaltmieten der verschiedenen Wohnformen in Magdeburg im Jahr 1995. Tabelle 1: Konkurrenzsituation der Mieten in Magdeburg 1995
Quelle: StadtBüro Hunger, Städtebauliche Rahmenplanung Magdeburg Neu Olvenstedt. Zwischenbericht. Februar 1997. S. 8 Die Mietpreisproblematik sollte nicht verharmlost werden. Jedoch sieht das BMBau die Mietpreiskonkurrenz zwischen Plattenbauwohnungen und mit öffentlichen Mitteln sanierten Alt- und Neubauwohnungen nur als lokales Problem. Neue Wohnungen und modernisierte Altbauten können nur durch die öffentliche Förderung günstig vermietet werden. Aufgrund der Knappheit der öffentlichen Mittel können Neubauten in Zukunft nicht mehr im gleichen Maß wie in den letzten Jahren gefördert werden. Weiterhin ist zu beachten, daß die Wohnungen, die durch öffentliche Mittel gefördert werden, mit einer Belegungsauflage verbunden sind. Das heißt, sie stehen nur bestimmten Wohnungssuchenden mit begrenztem Einkommen zur Verfügung. Preisgünstige Neubau- und Altbauwohnungen sind daher keine Alternative für Besserverdienende aus den Plattenbausiedlungen. Trotzdem entschied sich das BMBau zur Minderung dieser Konkurrenz, Änderungen in der Städtebauförderung vorzunehmen.
4.3. Die Reaktion der Bundesregierung auf den wachsenden Konkurrenzdruck für Wohnungen in Plattenbauten
Die entscheidendste Maßnahme ist die Verlagerung des Förderschwerpunkts bei der Städtebauförderung zugunsten des vorhandenen Wohnungsbestands. [Seite der Druckausgabe: 10] Eine entsprechende Umstellung erfolgte auch bei den Mitteln des Sozialen Wohnungsbaus, die nur noch für die Erhaltung von vorhandenen Mietwohnungen ausgegeben werden dürfen. Die künftige Förderung Ost fördert verstärkt die Wohnungsmodernisierung und -instandsetzung durch eine Investitionszulage in Höhe von 15 Prozent. Die Investitionszulage beim Neubau wird nur noch in einer Höhe von zehn Prozent gewährt. Das neue Baugesetzbuch und das neue Wohngesetzbuch bevorzugen ebenfalls die Erhaltung des Wohnungsbestandes vor dem Wohnungsneubau. Weitere Veränderungen im Baugesetzbuch sind darauf bedacht, die Ausweitung der Städte durch Neubauten in Randlagen einzudämmen. Zum Beispiel sieht die neue Förderung Ost vor, daß der Neubau von Wohnungen künftig auf die Innenstädte konzentriert wird. Obwohl die große Anzahl von neu entstandenen Eigenheimen ebenfalls Konkurrenz für die Plattenbauwohnungen darstellen, wird die Förderung für den Eigenheimbau nicht gekürzt. Die Bundesregierung rechtfertigt diese Entscheidung mit der Begründung, daß den Bürgern bei der Art ihres Wohnens eine freie Wahl eingeräumt werden muß. Die große Steuerreform wird ebenfalls dazu beitragen, den vorhandenen Wohnungsbestand zu pflegen, anstatt den Wohnungsneubau anzuregen. Durch Neuregelungen soll zukünftig verhindert werden, daß Investoren ihre Entscheidungen vor allem an den Möglichkeiten zur Steuerersparnis ausrichten. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, den Konkurrenzdruck auf die Plattensiedlungen nicht zu groß werden zu lassen und ihnen gute Chancen für ihre Entwicklung einzuräumen. Eine anderer Punkt, der bei Diskussionen um die Städtebauförderung in Deutschland oft kritisch gesehen wird, ist die Konzentration auf rein städtebauliche Maßnahmen. In diesem Bereich gibt es bereits ein Umdenken der Bundesregierung, jedoch ist die Förderung von Sozialmaßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung bisher nicht möglich
4.4. Der Mangel von sozialen Maßnahmen in der Städtebauförderung
Das BMBau erklärt hierzu, daß die Lösung von sozialen Problemen nicht Aufgabe der Städtebauförderung ist. Es ist gesetzlich festgelegt, daß die Städtebauförderung nur investive Maßnahmen fördern darf. [Seite der Druckausgabe: 11] Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Kriminalitätsprävention sind Aufgaben anderer Politikbereiche wie z.B. der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Jedoch wird im Bundesbauministerium gegenwärtig geprüft, ob die Städtebauförderung weiterentwickelt werden soll, so daß neben der Modernisierung und Instandsetzung auch soziale Probleme gelöst werden können. Zur Orientierung dienen Vorbilder aus Frankreich und das URBAN-Programm [Fn.1: URBAN - Förderprogramm der EU, das sich auf die Lösung von sozialen Problemen in heruntergekommenen Stadtvierteln konzentriert.] der EU. Doch weist das BMBau darauf hin, daß durch neue oder veränderte Programme im Rahmen der Städtebauförderung die Investitionen in den Großwohnsiedlungen nicht eingeschränkt, sondern ergänzt werden sollen. Dabei geht es u.a. um die bessere Betreuung von Kindern und Jugendlichen, von alten Menschen und die Verbrechensbekämpfung. Im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes sind bereits die ersten Veränderungen vorgenommen worden, um in diesen Bereichen neue Möglichkeiten zu schaffen. Interessant ist, daß die Städtebauförderung ursprünglich so angelegt war, sie mit Maßnahmen anderer Politikbereiche zu verbinden, um dadurch Synergieeffekte zu erreichen. Diese Form des Zusammenwirkens muß in Zukunft wieder verstärkt werden. Im Beitrag des BMBau wurde bereits der Nachhaltigkeitsaspekt als ein Grund für die Förderung der Großwohnsiedlungen erwähnt. Im folgenden Abschnitt wird der Begriff "Nachhaltigkeit" definiert und die Bedeutung der Großwohnsiedlungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung erklärt. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |