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[Seite der Druckausgabe: 12]

5. Die Rolle der Großwohnsiedlungen im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung

Nachhaltigkeit, definiert in der Charta von Aalborg, ist eine dauerhaft umweltverträgliche Entwicklung, d.h.:

  • die Verbrauchsrate erneuerbarer Ressourcen darf nicht höher sein als ihre Regenerationsrate,
  • der Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen darf nicht schneller als die Schaffung regenerierbarer Substitute erfolgen,
  • die Schadstoffemission darf die Aufnahmefähigkeit der Umweltmedien nicht übersteigen.

In Anbetracht des Anteils der Großwohnsiedlungen am Gesamtwohnungsbestand in der Bundesrepublik ist das Thema der Nachhaltigkeit bei der Weiterentwicklung dieser Wohngebiete ein wichtiger Punkt. Die Zahlen in der Übersicht (Tabelle 2) über den prozentualen Anteil des Gebietstypus der Großwohnsiedlungen in Deutschland und in drei Städten in den neuen Bundesländern veranschaulichen noch einmal die Größenordnung.

Tabelle 2: Der Anteil der Großwohnsiedlungen am Gesamtwohnungsbestand

Bundesrepublik Deutschland ges.

7%

Alte Bundesländer

3%

Neue Bundesländer

22%

Schwedt

85%

Magdeburg

40%

Rostock

70%

Bezogen auf die Siedlungsentwicklung wird Nachhaltigkeit als Gleichklang von Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit verstanden. Diese Prinzipien sind auch auf den Typus der Großwohnsiedlungen übertragbar. Daraus abzuleiten sind konkrete Richtlinien für den Umgang mit Großwohnsiedlungen im Sinn der Nachhaltigkeit.

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5.1. Die Maxime der Nachhaltigkeit und ihre Anwendung auf Großwohnsiedlungen

Umweltverträglichkeit

Der Erhalt der Großwohnsiedlungen ist ein wichtiges Element der Innenentwicklung und trägt zu einer ressourcen- und flächensparenden Siedlungstätigkeit bei.

Die Entwicklung dieser Stadtteile ist stärker auf die Energieeinsparung und die Vermeidung umweltbelastender Emissionen auszurichten.

Behutsamer Umgang mit der gebauten Umwelt

Der Umbau und die Weiterentwicklung der Großwohnsiedlungen ist als ein langfristiger Prozeß zu begreifen, der bestandsorientiert und behutsam mit Rücksicht auf die sozialen Bedürfnisse der Bewohner und auf das städtebauliche Erbe erfolgen muß.

Stabilisierung heterogener Bevölkerungsstrukturen

Zur Schaffung und Erhaltung von sozialer Vielfalt und Kohäsion innerhalb der Bevölkerung sind vielfältige Angebote an Wohnungen, Arbeitsplätzen, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen in die Großsiedlungen zu bringen.

Stärkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit und der wirtschaftlichen Nutzungsmischung

Langfristig sind die Plattenbaugebiete nur dann zu stabilisieren, wenn es gelingt, sie durch die Schaffung von lokalen Arbeitsmöglichkeiten für die Bewohner und Gewerbetreibenden ökonomisch tragfähig zu gestalten. Die vorhandenen Flächen- und Gebäudepotentiale sind als Ansatzpunkte für weitere Nutzungsmöglichkeiten zu betrachten. Durch die Aktivierung von kleinteiligen Mischstrukturen können größere Aktions-, Erlebnis- und Bebauungsdichten geschaffen werden.

Integration in das Stadtgefüge der Gesamtstadt

Entscheidend für die Entwicklung der Großwohnsiedlung ist ihre Anbindung an die jeweilige Stadt. Ihre Integration muß auf der Verkehrsebene, der Ebene ihres städtebaulichen Zusammenhangs mit benachbarten Quartieren und in Bezug auf die funktionalen Verflechtungen mit der Gesamtstadt erfolgen.

Offene Städtebaukonzepte und vielfältige Organisationsformen

Die funktionale und gestalterische Vielfalt und die Veränderbarkeit der baulich-räumlichen Strukturen der Siedlungen benötigen ein planerisches und organisatorisches Konzept entsprechend der jeweiligen Bedarfslage. Um der Vielschichtigkeit der städtebaulichen und sozialen Probleme und den Bewohnern gerecht zu werden, sind unterschiedliche und kleinteilig gestaltete Organisationsformen zu wählen.

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Die Erhaltung und Weiterentwicklung der Großsiedlungen trägt mit dazu bei, den Prinzipien der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Dadurch werden die enormen Rohstoffmengen in der baulichen Substanz der Gebäude (die vor allem mit Mitteln der öffentlichen Hand bezahlt wurden) langfristig genutzt.

Die Standsicherheit und baulich-technische Funktionsfähigkeit der Gebäude ist langfristig durch Instandhaltung und Instandsetzung gewährleistbar. Sie entsprechen damit einem ressourcenschonenden und flächensparenden Städtebau.

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5.2. Die Zukunftsperspektive für Großwohnsiedlungen

Innerhalb der Stadtpolitik und in den meisten Fachkreisen gehen Überlegungen bezüglich der Zukunftsperspektive der Großwohnsiedlungen bereits bis in das Jahr 2030. Das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, das Sächsische Staatsministerium des Innern und die Stadt Leipzig führen dazu ein Planspiel anhand der Großwohnsiedlung "Leipzig-Grünau" durch. Inhaltliche Grundlage sind die erwähnten Maximen der nachhaltigen Stadtentwicklung.

Bei dem Planspiel geht es darum, durch einen innovativen Entwicklungsprozeß, Ideen für die Zukunft der großen Plattenbausiedlungen zu finden und sich über die Leitvorstellungen für die Gebietsentwicklung zu einigen. Ziel ist die Entwicklung von bestimmten Utopien, die zukunftsweisende Perspektiven für diesen bestimmten Gebietstyp aufzeigen und gleichzeitig realistisch sind in Bezug auf die städtebauliche Machbarkeit.

Ein Beispiel für einen Versuch, eine Großwohnsiedlung zu stabilisieren um sie langfristig zu erhalten und sie in Richtung eines eigenständigen Stadtteils zu lenken, ist die Großwohnsiedlung Köln-Chorweiler.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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