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3. Generationenproblem Bildung und Ausbildung

3.1 Die Krise des heutigen Bildungssystems

Der Zugang zu Bildung und Ausbildung ist heute ohne Zweifel der Schlüssel für die Zukunft junger Menschen. Angesichts stetig steigender Anforderungen an die Qualifikation von Berufsanfängern nimmt die Bedeutung einer fundierten Ausbildung kontinuierlich zu. Wer heute über keine qualifizierte Ausbildung verfügt, der findet sich besonders schnell als Arbeitsloser ohne realistische Chancen auf dem Arbeitsmarkt wieder. Die Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit bestätigen den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Qualifikation und Berufschancen. Ein überdurchschnittlich großer Teil der Dauerarbeitslosen ist schlecht oder gar nicht qualifiziert. Der Anspruch der jungen Generation innerhalb eines funktionierenden Generationenvertrages beinhaltet daher als zentrale Forderung den ungehinderten Zugang zu Bildung und Ausbildung.

Der Präsident der Universität Hamburg unterstreicht, daß der Generationenvertrag nicht nur die Verpflichtung der Jüngeren beinhaltet, den Lebensstandard der älteren Generation zu sichern, sondern ebenso von den Älteren fordert, die nachkommenden Generationen so gut wie irgendmöglich auszubilden. Der Blick auf die Realität in Deutschland läßt jedoch berechtigte Zweifel aufkommen, ob diese Anforderungen heute erfüllt sind. 1997 hat die Zahl der fehlenden Lehrstellen einen neuen Höchststand erreicht. Verschärfend hinzu kommt, daß auch die Zahl der arbeitslosen Jungakademiker noch nie so hoch war wie heute. Trotz dieser abschreckenden Situation auf dem Arbeitsmarkt der Akademiker ist der Drang an die Universitäten ungebrochen. Auf diesen Zulauf können die Universitäten aufgrund fehlender Mittel kaum angemessen reagieren. Der Sparkurs der Bundes- und der Länderregierungen in der Bildungs- und Forschungspolitik läßt hierzu fast keinen Spielraum.

Dies alles läßt auf eine schwere Krise des bundesdeutschen Bildungssystems schließen. Eine Entwicklung, die nicht nur für die Betroffenen dramatische Folgen hat, sondern zugleich die Gefahr in sich birgt, daß die Bundesrepublik Deutschland ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beraubt wird. Denn, so führt die ehemalige

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Rektorin der Fachhochschule Erfurt aus, die Frage nach den finanziellen Mitteln für Bildung und Forschung hat eine außerordentlich große Zukunftsbedeutung für unser Land. Deutschland sei bekanntlich ressourcenarm und exportabhängig und müsse aufgrund seiner Lohnkostenstruktur innovative und intelligente Produkte produzieren, um auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig zu sein. Dies setze die Qualifizierung junger Leute auf hohem Niveau ebenso wie eine hochqualifizierte Forschung voraus, um immer schneller innovative Produkte herstellen zu können.

Der SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses mahnt einen grundlegenden Wandel in der Einstellung zum Faktor Bildung an. Bildung und Wissenschaft dürften nicht als ungeliebter oder gar unnötiger Kostgänger der staatlichen Haushalte angesehen werden, sondern müßten als ein wichtiger Wirtschafts- und Kulturfaktor für den Standort Deutschland anerkannt werden. Zentrale Voraussetzung für eine zukunftstaugliche Bildungspolitik in Deutschland sei, daß das Recht auf Bildung durch eine angemessene Finanzierung dauerhaft sichergestellt werde. Ausgaben für die Bildung müßten als Investitionen in die Zukunft einer Gesellschaft angesehen werden. Die Finanzierung dieser Investitionen sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die im Rahmen eines funktionierenden Generationenvertrags über das Steuersystem aufgebracht werden müsse.

Nur auf Basis einer gesicherten Finanzierung könnten die Hochschulen auf Dauer arbeitsfähig gehalten und eine dem zu erwartenden Zulauf entsprechende Zahl an Studienplätzen geschaffen werden. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, daß Hochschulen auch ganz direkt positive Beschäftigungseffekte erzeugten. Allein in Berlin seien rund 100.000 Arbeitsplätze in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und Kultur vorhanden. Daran lasse sich ablesen, daß Forschung und Wissenschaft wichtige gesamtwirtschaftliche Faktoren seien, die gepflegt werden müßten und nicht primär unter kurzsichtigen Finanzierungsfragen diskutiert werden dürften.

Die Schaffung eines ausreichenden Angebots an Studienplätzen sei auch deshalb wichtig, um den Druck auf die Ausbildungsplätze reduzieren zu können. Andernfalls sei eine spiralförmige Entwicklung zu erwarten, bei der der Mangel an freien Plätzen an den Hoch-

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schulen "nach unten" auf die Ausbildungsplätze weitergeleitet werde. Denn je mehr Abiturienten sich aufgrund fehlender Studienplätze um einen Ausbildungsplatz bemühten, umso schwieriger werde es für Real- und insbesondere Hauptschüler, dieser direkten Konkurrenzsituation Stand zu halten. Eine Studierendenvertreterin der Humboldt-Universität Berlin betont, daß die Problembereiche "überfüllte Hochschulen" und "fehlende Ausbildungsplätze" nicht getrennt diskutiert werden dürfen. Es sei inkonsequent, einerseits die Überfüllung der Hochschulen zu kritisieren, wenn man nicht anderseits realisiere, daß in Deutschland immer weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Der Zusammenhang zwischen beiden Entwicklungen sei evident.

Der Präsident der Universität Hamburg erinnert an die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Bildungs- und Ausbildungsfinanzierung. Aufgrund der kontinuierlich steigenden Lebenserwartung werde die Zahl der alten Menschen, deren Renten von einer erwerbstätigen Person erwirtschaftet werden müßten, bis 2030 erheblich ansteigen. Zumindest in den nächsten zehn Jahren werde aber auch die Bildungsnachfrage noch einmal dramatisch anwachsen. Vor diesem Hintergrund sei die Finanzierung der Ausbildung der nächsten Generationen langfristig nur unter einem wachsenden Kostendruck zu leisten. Es drohe die Gefahr, daß die wachsenden Kosten des Altersversorgungssystems zu Lasten der Bildungsausgaben aufgebracht werden müßten.

Eine solche Politik, die den Bildungsausgaben Nachrang zugunsten etwa der sozialen Sicherungssysteme oder anderer gesellschaftlicher Aufgaben einräume, sei nicht nur eine ruinöse Politik zu Lasten der Wachstumschancen der Volkswirtschaft, sondern zugleich ein Bruch des Generationenvertrages, weil gerade der Generation die Bildungschancen vorenthalten würden, die die sozialen Sicherungssysteme einmal finanzieren soll. Gerade vor diesem Hintergrund müsse die Bildungsfinanzierung der jetzigen Generation oberste Priorität haben. Die Politik der letzten zwanzig Jahren habe jedoch geradezu das Gegenteil getan. Die Anteile der Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt und an den öffentlichen Ausgaben seien in den zurückliegenden zwanzig Jahren um ein Viertel zurückgegangen, obwohl sich die Bildungsnachfrage im selben Zeitraum nahezu

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verdoppelt habe. Im Zeitraum von 1982 bis 1998 ist der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Relation zum Bundeshaushalt von 4,7 Prozent auf 3,2 Prozent gesunken. Preisbereinigt wird er 1998 15,7 Prozent unter den Ausgaben von 1982 liegen. Diese Politik sei bereits ein Bruch des Generationenvertrages zu Lasten der jungen Generation und zugunsten der heute 40 bis 60jährigen, die dadurch ihre Konsumchancen nicht verringern mußten.

Die Berliner Finanzsenatorin bezeichnet diese Situation als den eigentlich zentralen gesellschaftlichen Konflikt, der aber noch nicht wirklich in das Bewußtsein eingedrungen sei. Und dieser gesellschaftliche Konflikt müsse dahingehend gelöst werden, daß Zukunftschancen für die junge Generation eröffnet würden und Bildung und Ausbildung in ausreichendem Maße vorgehalten und finanziert würden.

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3.2 Die berufliche Ausbildung

Die berufliche Ausbildung steckt ebenso wie die Situation an den Hochschulen in einer schweren Krise. Seit einigen Jahren herrscht ein erheblicher Mangel an Ausbildungsplätzen. Weder gutgemeinte Appelle des Bundeskanzlers oder anderer Repräsentanten der Gesellschaft an die Wirtschaft, neue Ausbildungsplätze einzurichten, noch der im letzten Herbst für Nordrhein-Westfalen zwischen der Landesregierung und den Wirtschaftvertretern ausgehandelte Ausbildungskonsens vermochten eine Trendwende einzuleiten. Und auch gesetzliche Maßnahmen der Bonner Regierungskoalition zum Abbau angeblicher Ausbildungshemmnisse konnten das Ausbildungsangebot nicht wie versprochen steigern, sondern führten im Ergebnis zu einer weiteren Reduktion der Ausbildungsquantität- und -qualität.

Zwei Drittel der über 500.000 arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Situation, die fast zwangsläufig zu einer unsicheren Existenz am Rande der Gesellschaft führt. Das kann zugleich auch eine zunehmende Gefährdung dieser Gruppe durch Drogen und das Abrutschen in die

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Kriminalität bedeuten. Die Wahrung der sozialen Demokratie muß allen Jugendlichen eine Qualifizierungschance geben und dies sollte die ältere gegenüber der jüngeren Generation als Verpflichtung ansehen.

Derzeit sind die Chancen für einen erfolgreichen Berufsstart ungünstiger denn je. Laut Angaben der Bundesanstalt für Arbeit wurden bis Ende März 1997 nur 444.221 Berufsausbildungsstellen gemeldet. Das sind 6,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Demgegenüber stieg jedoch die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um 7 Prozent auf 604.935. Die Schere zwischen schrumpfendem Angebot und steigender Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt klafft immer weiter auseinander. Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres 1997 suchten noch 320.000 Jugendliche eine Lehrstelle. Gleichzeitig wurden nur 135.000 freie Plätze gemeldet; die meisten davon in wenig zukunftsträchtigen Berufen. Noch nie war die Zahl der fehlenden Lehrstellen so hoch - alarmierender Höhepunkt einer seit Jahren feststellbaren Tendenz. Aufgrund dieses immensen Mangels an Lehrstellen bleibt einem Teil der jungen Generation der Zugang zu einer Ausbildung und damit der Einstieg in das Berufsleben verwehrt.

Abbildung 5: Lehrstellen-Not

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Fast zwei Drittel aller Jugendlichen, die die allgemeinbildende Schule verlassen, streben eine Berufsausbildung im dualen System an. Das duale System stellt den Kern des Bildungssystems in der Bundesrepublik da. Es bleibt trotz des Angebots an vollzeitschulischen Ausbildungsmöglichkeiten und trotz der Studienmöglichkeit an Fachhochschulen und Universitäten für die meisten Jugendlichen die Grundlage für den Einstieg ins Berufsleben. Umso alarmierender die Tatsache, daß nur noch ein Viertel aller Betriebe ausbilden.

Um die Situation bei den Ausbildungsplätzen zu verbessern und das duale System der Berufsausbildung zu erhalten, plädiert eine SPD-Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg für die Einführung einer "Ausbildungsplatzabgabe", wie sie breite Teile der SPD fordern.

Das Modell einer Ausbildungsplatzabgabe sähe zunächst vor, daß alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber per Gesetz verpflichtet werden, auszubilden. Die Ausbildungsquote je Betrieb werde sich nach der voraussichtlichen allgemeinen Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bemessen. Erreiche ein Betrieb diese Mindestquote nicht, so müsse er in einen zentralen, von der Bundesanstalt für Arbeit und damit von Arbeitgebern und Gewerkschaften verwalteten Berufsbildungsfonds eine Abgabe zahlen. Die Beiträge dieser Abgabe sollen der Finanzierung überbetrieblicher Ausbildungsplätze dienen. Die Höhe des Beitrags bemesse sich nach dem Anteil, den die Betriebe und Verwaltungen bezogen auf ihre Bruttolohn- und Gehaltssumme für Berufsausbildung zahlen sollten. Die eigenen Aufwendungen für die Berufsausbildung wie Einzahlungen in Branchenfonds zum Zwecke der Berufsausbildung, tarifvertragliche Regelungen und Kammerumlagen würden vom Ausgleichsbetrag abgezogen. Somit zahlten faktisch nur diejenigen, die nicht ausbildeten, in diesen Fonds ein. Dies führe zu einem gerechten Leistungsausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben und Verwaltungen.

Der Hauptgeschäftsführer der baden-württembergischen Papierverbände befürchtet, daß die Erhebung einer derartigen Ausbildungsplatzabgabe mit einer inakzeptablen Bürokratisierung verbunden sei. Ein solches Instrument sei vollkommen ineffizient und führe zu

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keinen sinnvollen Ergebnissen. Sinnvoll sei jedoch, den Ansatz einer Ausbildungsplatzabgabe branchenspezifisch zu regeln. Beispiele für Branchen, in denen eine solche Umlage seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt werden, seien die Papierindustrie und die Schornsteinfeger-Innung. Die dortige Bereitschaft zu einem solchen Verfahren resultiere nicht aus Zwang, sondern aus der Einsicht, daß Ausbildung wichtig sei und zur Verantwortung für die Zukunftssicherung des Unternehmens bzw. der Branchen gehöre.

Die SPD-Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg entgegnet der Befürchtung vor einer inakzeptablen Bürokratisierung, daß kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehe. Denn nach dem Abgabemodell finanziere die öffentliche Hand im laufenden Jahr - also nach dem Stichtag 30. September - die "zugekauften" Ausbildungsplätze vor und lasse sich die entstehenden Kosten im darauffolgenden Jahr über die Bundesanstalt für Arbeit von den Betrieben, die unterdurchschnittlich ausbilden, zurückerstatten.

Der Leiter des Bereichs Arbeit und Sozialrecht der Daimler-Benz AG bezweifelt ebenfalls, daß die Einführung einer generellen Ausbildungsplatzabgabe geeignet sei, die anstehenden Probleme zu lösen. Vor allem sei mit Mitnahme-Effekten zu rechnen, weil die Unternehmen, die ohnehin ausbildeten, hierfür aus der Umlage Geld erhielten und die Gefahr drohe, daß zukünftig am Bedarf vorbei ausgebildet werde. Ein Bewertung, die nach Einschätzung des SPD-Bundestagsabgeordneten aus Bietigheim-Bissingen gerade aus dem Munde des Vertreters eines Großunternehmens mehr als zynisch sei. Denn in der Praxis seien es gerade die Großunternehmen, die sich der Pflicht zur Ausbildung entzögen und zur Deckung ihres Bedarfs an Nachwuchspersonal den ausbildenden mittelständischen Unternehmen deren junge Fachkräfte abwerben.

Der Vertreter der Daimler-Benz AG gibt zu bedenken, daß die Ausbildungsprobleme sowohl regional als auch branchenspezifisch sehr unterschiedlich sind. Auch müßten marktgerechte Berufsbilder geschaffen werden, die die dynamische Entwicklung in innovativen Bereichen berücksichtigten. Die angestaubten Berufsbilder entsprächen längst nicht mehr den Anforderungen moderner Dienstleistungs- und High-Tech-Unternehmen. Sowohl in traditionellen als

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auch in neuen Berufsfeldern müßten neue Qualifikationsprofile entstehen. Ebenso wichtig sei jedoch, daß die Perspektiven für Ausbildung erweitert würden. Es sei notwendig, über das klassische deutsche Muster der Berufsausbildung hinauszudenken und neue Perspektiven zum weiteren beruflichen Aufstieg parallel zur Universität oder zur Fachhochschule zu schaffen. Nur so könne dem berechtigten Anspruch des lebensbegleitenden Lernens Geltung verschafft werden.

Hierzu schlagen die ehemalige Rektorin der Fachhochschule Erfurt und der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Jena die Einführung eines modularen Systems vor. Unter einem modularen System versteht man Ausbildung, die sich aus mehreren unterschiedlichen Bausteinen zusammensetzt. Ein modulares Ausbildungssystem könne beispielsweise in Form eines Stufenmodells in drei Schritten erfolgen:

Nach einer zwei- bis zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Fachwerker sehe der Stufenplan ein weiteres Jahr bis zur Gesellenprüfung vor. Im Anschluß daran sorgten sogenannte Pflicht- und Wahlmodule für eine spezialisierte Fortbildung, die schließlich den Meisterbrief ersetzen solle. Auch der Abschluß Fachwerker solle bereits zu einer qualifizierten Berufstätigkeit befähigen, wovon sich die Initiatoren eine Integrierung auch Lernschwächerer in das qualifizierte Berufsleben versprechen. Diese Gruppe werde zur Zeit immer mehr ausgegrenzt bzw. erhalte keine Chance zum Einstieg in das Berufsleben.

Ein SPD-Bundestagsabgeordneter aus Jena betont, daß es bei der beruflichen Ausbildung nicht um Almosen, sondern um Zukunftschancen gehe. Daher müsse Hilfe und Unterstützung zur Ausbildung gerade auch für benachteiligte und lernbehinderte Jugendlichen in einem Sozialstaat eigentlich selbstverständlich sein. Die sich aus den Änderungen des sogenannten Arbeits- und Strukturförderungsgesetzes der Bundesregierung ergebenden Benachteiligungen dieser Personengruppe müßten daher rückgängig gemacht werden.

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3.3. Hochschulen und Hochschulpolitik in Deutschland

3.3.1. Der gegenwärtige Zustand an den deutschen Hochschulen

Wie in den vergangenen Jahren ist an den deutschen Hochschulen auch in Zukunft mit einer Konfrontation der Begriffe wie "Studentenschwemme", "überfüllte Hörsäle", "Personalmangel" und "veraltete Lehrmethoden", die die Schwierigkeiten der Massenuniversitäten beschreiben, zu rechnen. Fast zwei Millionen Studierende sind heute an Deutschlands Universitäten immatrikuliert. Auf einen Studienplatz kommen 2 Studierende. Die Kultusministerkonferenz prognostiziert für die nächsten zehn Jahre einen Zuwachs von rund 25 Prozent; jeder Zweite eines Jahrgangs will in Zukunft studieren. Nach einer Studie vom August 1997 liegt die Bundesrepublik dennoch mit einem Anteil von 2,2 Prozent Studierenden an der Gesamtbevölkerung der entsprechenden Altergruppe im westeuropäischen Vergleich an drittletzter Stelle. Offensichtlich läßt sich die Kritik, es gäbe in Deutschland zu viele Studierende, im internationalen Vergleich nicht aufrechterhalten. Dennoch sinken die staatlichen Zuschüsse seit Jahren, obwohl gleichzeitig die große Bedeutung von Wissenschaft, Forschung und Lehre für die Zukunftsperspektiven Deutschlands unterstrichen wird. Diese Diskrepanz führt letztlich dazu, daß deutsche "Akademikerwerkstätten" ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit mehr und mehr beraubt werden. Das bundesdeutsche Hochschulwesen befindet sich einem keinem guten Zustand. Dies bestätigt auch die letzte OECD-Bildungsanalyse; in einem internationalen Vergleich von dreizehn Ländern der vom Staat aufgebrachten Kosten pro Studierenden belegt Deutschland mit ca. 7.900 Dollar nur Rang neun. Handlungsbedarf ist dringend geboten.

Der Präsident der Universität Hamburg kritisiert, daß die derzeit vorgenommenen Reformen im Hochschulbereich oft zu Lasten der zukünftigen Hochschulgeneration gehen, da ihnen faktisch der Zugang an die Hochschulen erschwert oder gar verwehrt wird. Denn jede heute gestrichene Stelle im Lehrkörper führe in der Konsequenz zum Abbau eines Studienplatzes in der Zukunft. Zwar gebe es heute noch einige Fächer, bei denen die Studienplätze im Augen-

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blick nicht voll ausgelastet werden. Dies werde sich aber in den nächsten zehn Jahren drastisch ändern, da Deutschland mit einem weiteren Zuwachs der Studiennachfrage konfrontiert werde. Vor diesem Hintergrund müsse die Politik beantworten, welche Qualifikationsmöglichkeiten sie denjenigen bieten könne, die in Zukunft nicht mehr an die Universitäten gelangen könnten. Dieses Problem müsse angesichts des Lehrstellenengpasses dringend gelöst werden.

Zudem gebe es schon heute an den Universitäten eine faktische Beschränkung der Chancen der Nachwuchsakademiker. Da die an den Hochschulen Beschäftigten über eine geschützte Rechtsposition verfügten, laufe die Sparpolitik derzeit auf eine zeitlich überzogene Einschränkung der Personaletats an den Hochschulen hinaus. Diese Blockierung des akademischen Nachwuchses habe erhebliche negative Auswirkungen auf die wissenschaftliche Reproduktion der Gesellschaft und grabe damit der Entwicklung auch von Problemlösungen für die Zukunft das Wasser ab. Wenn aus finanzpolitischen Gründen hochschulpolitische Einschränkungen unvermeidlich seien, müßten diese im Rahmen von Vereinbarungen mit den Hochschulen so angelegt werden, daß nicht die Lasten einseitig von den Studierenden und den Nachwuchswissenschaftlern und damit von der kommenden Generation gezahlt würden. Es sei nicht akzeptabel, daß die Nachwuchswissenschaftler und die Studierenden quasi die höchsten Belastungen zu tragen hätten, obwohl sie faktisch keine oder nur eingeschränkte Chancen hätten, den gewünschten Studienplatz zu bekommen oder ihre wissenschaftlichen Berufe zu verwirklichen.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin kritisiert, daß die Hochschulpolitik der letzten Jahre zu erheblichen Fehlentwicklungen geführt hat. Dies gelte insbesondere für das Verhältnis von Fachhochschulen und Universitäten. Zur Zeit seien in Berlin 70 Prozent der Studierenden an den Universitäten eingeschrieben und lediglich 30 Prozent an den Fachhochschulen. Eigentlich müßte dieses Verhältnis genau umgekehrt sein, da der größte Teil der jungen Menschen, die ein Studium aufnähmen, eine berufsqualifizierende Ausbildung anstrebten. Diese Ausbildung bekämen Studenten jedoch an den Fachhochschulen, deren Aufgabe eben die berufsorientierte Qualifizierung sei.

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Der Kanzler der Universität Potsdam teilt diese Einschätzung. Es sei zutreffend, daß die Universität mehr sei als eine Berufsausbildungsstätte und deshalb müsse das Verhältnis des Studentenaufkommens zwischen Universitäten und Fachhochschulen umgekehrt werden.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin betont, es sei eben nicht die Aufgabe der Universitäten, eine berufsqualifizierende Ausbildung zu vermitteln. Auftrag der Universitäten sei die Heranbildung ihres eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses und die Qualifikation und Entlassung von methodisch-analytisch gut geschulten Absolventen in Wirtschaft und Gesellschaft. Universitäten lieferten im Prinzip eine Art Eliteausbildung für die Bestgeeigneten im Staate. Umso bedenklicher sei die derzeitige Überfüllung der Hochschulen mit Studierenden. Angesichts dieser Entwicklung habe es sich als falsch erwiesen, in den 70er Jahren die Universitäten extrem auszubauen und nicht die Fachhochschulen. Ein genauso folgenschwerer Fehler sei es jedoch, den Fachhochschulen jetzt auch noch die finanziellen Mittel zu kürzen. Auf mittlere Sicht sei es unumgänglich, Struktur und Anzahl der Hochschulen den realen Bedürfnissen anzupassen. Hierzu sei eine Halbierung der Zahl der Universitäten durchaus realistisch. Zudem müßten Teilzeitprofessuren und nicht beamtete Professuren eingeführt werden. Dies könne jedoch nicht sofort umgesetzt werden, sondern bedürfe eines langfristigen Prozesses.

Völlig falsch sei es dagegen, von den Universitäten eine Rückkehr zur Einheit von Forschung und Lehre zu fordern. Einheit von Forschung und Lehre hieße in der Praxis, daß im Grundstudium Methoden erlernt würden, um später auf Basis dieser Kenntnisse in der Forschung zu arbeiten. Ein solche Ausbildung könne jedoch nur in relativ kleinen Gruppen geleistet werden, und nicht in Hörsälen mit 1000 Studenten und mehr. Ansonsten sei vorprogrammiert, daß die Universitäten eine wesentlich schlechtere Ausbildungsqualität lieferten als die Fachhochschulen. Der zunehmende qualitative Unterschied zwischen der Ausbildung von Universitäten und Fachhochschulen werde inzwischen längst von den Studierenden wahrgenommen, die sich somit als aufmerksamer erwiesen als die Hochschulplaner. In den Wirtschaftswissenschaften beispielweise sei die

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Tendenz festzustellen, daß immer mehr Studierende an die Fachhochschulen drängten. Die Folge sei, daß die Fachhochschulen für den Zugang zu den Wirtschaftswissenschaften im Numerus Clausus-Verfahren eine Auswahl bei einem NC von 1,3 bis 1,4 träfen, während die übrigen Bewerber mit einem Notendurchschnitt von bis zu 3,2 an die Universität gingen.

Ein Vertreter des DGB bestätigt den grundsätzlichen Reformbedarf hinsichtlich der Struktur der Fachhochschulen und Universitäten. Die Landeshochschulstrukturkommission habe Vorschläge zur Stärkung der Fachhochschulen vorgelegt, die jedoch nicht umgesetzt wurden. Für das Scheitern der Reformbemühungen seien letztlich aber auch die Hochschulen und die Universitäten verantwortlich, die sich vehement gegen eine Schwächung ihrer eigenen Position gewehrt hätten. Diese Erfahrung zeige, daß sich die Reformbereitschaft der Universitäten bei konkreten Vorschlägen nicht immer mit den öffentlichen Forderungen ihrer Präsidenten decke.

Ein Vertreter des Studentenwerks Berlin erläutert, daß die Probleme der Massenuniversitäten nicht nur negative Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung hätten, sondern zugleich zu erheblichen Belastungen für den studentischen Alltag führten. Aus einem neueren Bericht des Studentenwerks Berlin über die soziale und psychologische Situation der Studierenden gehe hervor, daß neben den persönlichen Problemen und Zukunftsängsten der betriebliche Alltag an den Universitäten zunehmend als Belastung empfunden werde. So fehle es an einer adäquaten Betreuung durch die Hochschullehrer. Der persönliche Kontakt mit den Professoren werde von den Studierenden insbesondere im Hinblick auf Rückmeldungen zur Bewertung von erbrachten Leistungen als mehr als dürftig bezeichnet. Derartige Bestätigung oder Kritik sei jedoch bekanntlich von großer Bedeutung für die Selbstbestätigung des einzelnen in einer Gesellschaft. Nicht zuletzt wegen dieses Defizits steige daher das Interesse der Studierenden an einer Werktätigkeit parallel zum Studium kontinuierlich an, was in der Konsequenz natürlich zu einer Verlängerung des Studiums beitrage. Zur Verbesserung der Kommunikation an den Universitäten sollte deshalb ein Mentorensystem eingerichtet werden.

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Ein Professor der FU Berlin bezeichnet die Kommunikationsprobleme an den Hochschulen als eine zentrale Ursache für die schnelle Demotivierung der Studierenden. Welche positiven Impulse durch eine funktionierende Kommunikationsstruktur zu erzielen seien, zeige ein Blick in die USA. Die Atmosphäre auf einem amerikanische Campus sei vollkommen anders, weil Professoren und Studierende dort in einem kontinuierlichen Dialog miteinander stünden. In Deutschland beschränke sich diese Kommunikation bestenfalls auf die Sprechstunden der Professoren, deren regelmäßiges Abhalten jedoch an vielen deutschen Hochschulen nicht einmal selbstverständlich sei. Das obligatorische "n.V." ("nach Vereinbarung") werde von den Studierenden oftmals zu Recht mit "nicht vorgesehen" übersetzt. Hier müßten dringend Maßnahmen im Sinne einer substantiellen Verbesserung der Atmosphäre an den Universitäten hin zu einer neuen Form der Servicefreundlichkeit gegenüber Studierenden ergriffen werden.

Der Leiter des Fachbereichs Erziehungswissenschaften an der Freien Universität Berlin unterstreicht das Problem anonymer Strukturen an deutschen Universitäten. Dies liege vor allem an der Größe und Unübersichtlichkeit der Hochschulen. Diese Anonymisierung führe in der Praxis schnell zu einem nachlässigen Umgang der Hochschullehrer mit ihren Pflichten den Studierenden gegenüber. Die physische Präsenz der Hochschullehrer an der Universität sei in der Tat gerade in den Geisteswissenschaften erschreckend gering. Betrachte man den dortigen Auslastungsgrad der Räume, dann könne in diesem Bereich leicht ein Drittel eingespart werden können. Diese Haltung vieler Professoren sei auf Dauer nicht akzeptabel. Gerade angesichts von Massenuniversitäten sei daher eine Änderung des Berufsverständnisses der Hochschullehrer dringend notwendig.

3.3.2. Reformvorschläge - Die Krise als Chance

Ein SPD-Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses fordert eine grundlegende Neuorientierung der Hochschulpolitik. Hierzu bedürfe es insbesondere einer Klärung der zentralen Frage, welche Funktion Bildung in einer Marktwirtschaft einnehmen müsse. In der aktuellen

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Diskussion über die Rolle des Staates sowie Ausgestaltung und Reichweite staatlicher Aufgaben werde die Frage nach Funktion und Inhalt von Bildung zunehmend auf die nach der Qualifikation für eine möglichst marktgerechte Verwertung reduziert. Bildung sei aber auch ein Mittel zur Herausbildung der geistig-seelischen Gestaltung eines Menschen mit zentraler Bedeutung im Sozialisationsprozeß für die demokratische Gesellschaft. Schulen und Hochschulen müßten in diesem Sinne insbesondere Fachkenntnisse, Kritikfähigkeit und Verantwortungsbewußtsein für Aufgaben in allen gesellschaftlichen Bereichen und für die berufliche Praxis vermitteln. Eine Beschränkung auf ein rein marktorientiertes Spezialwissen sei ein zu kurzsichtiger Ansatz.

Die demokratischen Hochschulen müßten handlungsfähig gemacht werden. Die Gruppenuniversität sei - völlig unbestritten - reformbedürftig. Für die Selbstverwaltungsgremien sei grundsätzlich eine paritätische Besetzung anzustreben. Gleichzeitig müßten die Leitungsfunktionen gestärkt und nach professionellen Aspekten besetzt werden. Die Praxis an den Hochschulen zeige, daß die Beweggründe für die Auswahl eines Dekans derzeit zumeist weniger in dessen Managementfähigkeiten und sonstiger Eignung begründet seien, sondern vielmehr dem Proporzdenken unter den Hochschullehrern entspringe. Parallel sei die verstärkte Mitwirkung Externer zur Kontrolle der Hochschule als Einrichtung der Gesellschaft erforderlich.

Im Bereich der Forschung beständen unverändert archaische Strukturen, die beseitigt werden müßten. Junge Nachwuchswissenschaftler würden immer noch in einer Art mittelalterlicher Lehnverhältnisse gehalten und könnten nicht eigenständig forschen. Die Erkenntnisse ihrer Arbeit würden in der Regel durch die Professoren verwertet, unabhängig davon, wie deren eigener Beitrag hierzu de facto aussehe.

Außerdem müßte zur Reform der Hochschulen insbesondere die lebenslange Professur im Beamtenstatus als Regelzustand abgeschafft werden. Die Beschäftigung von Hochschullehrern im Angestelltenverhältnis sowie auf Zeit, die Schaffung von Teilzeitstellen und eine regelmäßige Evaluation der Lehr- und Forschungsergebnisse wür-

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den die Flexibilität und Innovationskraft der Hochschulen erhöhen und die Qualität von Lehre und Forschung sichern helfen. Zudem seien eigenständige Forschungsmöglichkeiten für den wissenschaftlichen Nachwuchs notwendig. Die Habilitation sei abzuschaffen, weil sie in der Regel nur zu einer erheblichen Verlängerung des Berufswerdegangs von Wissenschaftler führen würde.

Die an den Hochschulen vorherrschende Behördenmentalität müsse überwunden werden. Hierzu sollte die Hochschulfinanzierung von den Zwängen der jährlichen Verabschiedung des Landeshaushaltes abgekoppelt werden. Stattdessen sollten langfristige Leistungsvereinbarungen zwischen Staat und Hochschule getroffen werden. Bedingung hierfür sei, daß sich die Hochschulen entsprechend verpflichteten, Studienplätze und ähnliche Leistungen zu garantieren. Den Hochschulen müsse zudem ein erweiterter Spielraum für eigene Bewirtschaftung und die Heranziehung von Eigenmittel gegeben werden.

Schließlich müsse der Lehrplan an den Hochschulen überarbeitet werden, um der schädlichen Tendenz zur Herausbildung eines "seichten Einheitsbreis" wirksam zu begegnen. Die Förderung eigener Profile in Lehre und Forschung sei essentiell für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen und ihrer Absolventinnen und Absolventen. Hierzu müsse jedoch der Spielraum der Hochschulen vergrößert werden, in dem die Rahmenprüfungsordnungen auf Bundesebene auf das absolute Mindestmaß reduziert würden. Gleiches gelte im übrigen für die Regelungsdichte des Hochschulrahmengesetzes, die den Ländern derzeit keinen Spielraum für eine individuelle Weiterentwicklung der Hochschulen lasse. Insbesondere die Frage der Studienreform werde durch die sehr enge Rechtsaufsicht der Länderministerien blockiert, die sich in der Regel als Fachaufsicht darstelle. So seien in Berlin von den Universitäten verschiedene Studiengänge mit entsprechenden Prüfungsordnungen neu eingerichtet worden, die dann zumeist durch die aufsichtsführende Verwaltung unter Verweis auf Rahmenordnungen auf Bundesebene nicht anerkannt werden.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin teilt die Einschätzung, daß die von dem SPD-Landtagsabgeordneten aus Berlin

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angesprochenen Problembereiche innerhalb der Hochschulen in der Tat reformwürdig sind. Die zur Verbesserung der Situation vorgeschlagenen Lösungswege bewertet er jedoch überwiegend als kontraproduktiv. Es sei nicht sinnvoll, die Probleme der 90er Jahre mit den Schlachtrufen aus den Spätsechzigern lösen zu wollen.

3.3.3. Autonomie an den Hochschulen - Lastenverlagerung auf die junge Generation?

Die Finanzsenatorin von Berlin verweist darauf, daß die derzeitige Reformdiskussion unter dem Blickwinkel der allseits leeren Kassen gesehen werden muß. So gebe es im Haushalt des Landes Berlin derzeit bei einem Gesamtetat von 42 Mrd. DM eine Deckungslücke von ungefähr 10-12 Mrd. DM, die nicht durch eigene Einnahmen gedeckt werden könne. In einer solchen Situation werde natürlich ein erheblicher Druck auf alle aus öffentlichen Kassen finanzierten Einrichtungen ausgeübt. Bei allem Wehklagen über die fehlenden finanziellen Mittel dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß vieles von dem, was in Deutschland an Innovation und Veränderung erreicht werde, erst durch diesen Druck der leeren öffentlichen Kassen initiiert werde. Auch im Hochschulbereich führe die Finanzknappheit ganz unbestritten zu einer Reihe neuer Probleme, biete andererseits aber die Chance zu Strukturveränderungen, die allen und insbesondere auch denjenigen zugute komme, die an den Hochschulen ausgebildet werden.

Profitieren könne die junge Generation in den Hochschulen davon jedoch nur dann, wenn die Möglichkeiten, die beispielsweise den Hochschulen in Berlin mit den Hochschulverträgen eingeräumt würden, auch aktiv dazu genutzt würden, um Strukturreformen im Rahmen der bestehenden Finanzierungsgrößen wirklich in Angriff zu nehmen. Diese Reformen könnten von den Hochschulen in eigener Autonomie aufgegriffen werden. In der Konsequenz führe dies jedoch dazu, daß politische Konflikte von der eigentlichen politischen Ebene in die Hochschulen hinein verlagert würden. Gleichzeitig erwachse den Hochschulen daraus die Chance, im Rahmen eines feststehenden und verläßlichen Finanzrahmens tatsächliche Struktur-

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veränderungen eigenverantwortlich zu ihrem eigenen Vorteil und zum Wohle der Studierenden in Angriff zu nehmen.

Der SPD-Politiker des Berliner Abgeordentenhauses plädiert für eine Abkoppelung der Hochschulfinanzierung von der jährlichen Verabschiedung des Landeshaushaltes auf Basis langfristiger Leistungsvereinbarungen zwischen Staat und Hochschule. Dies sei ein Schritt zur Überwindung der Behördenmentalität an den Hochschulen. Solche Leistungsvereinbarungen setzten aber die Verpflichtung der Hochschulen voraus, Studienplätze und ähnliche Leistungen zu garantieren. Wenn diese Garantie gegeben sei, könne sich die staatliche Aufsicht über die Vereinbarungen auf eine reine Rechtsaufsicht beschränken. Auf diesem Wege könne den Hochschulen ein erweiterter Spielraum für eigene Bewirtschaftung und die Heranziehung von Eigenmittel gegeben werden.

Der Kanzler der Universität Potsdam hält eine Autonomie der Hochschulen im Sinne einer Staatsunabhängigkeit dann für positiv, wenn der Staat sich dort heraushalte, wo er vom Fachlichen her keinen Nutzen zu bringen vermag und die Universität dies von sich selbst heraus besser machen könne. Wenn sich die gewährte Autonomie jedoch nur darauf beschränke, die Universitäten mit einem Globalzuschuß abzuspeisen, dann dokumentiere dies einen völlig falschen Begriff von Autonomie. Statt echte Autonomie zu gewähren, entziehe sich der Staat dann lediglich seiner Verantwortung.

Ein Redakteur der TAZ kritisiert, daß das Grundmuster beinahe aller sozialstaatlicher Reformen in den Industrieländern nach folgendem Muster ablaufe: Der Staat ziehe sich zurück und gebe Aufgaben wie den Bereich der Bildung an Schulen und Universitäten an die Allgemeinheit zurück. Das mache der Staat allerdings nur unter der Bedingung, daß die Institutionen in der Gesellschaft, die zukünftig die Aufgaben zu übernehmen hätten, die Ressourcen effizienter und präziser einsetzen müssen. Dies sei stets der Preis dieser größeren Autonomie.

Die Finanzsenatorin von Berlin erläutert, daß Autonomie die Bereitstellung eines bestimmten Budgets durch den Staat voraussetzt, und daß die jeweilige Einrichtung, in diesem Falle die Hochschule, dann

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frei über dieses Budget verfügen kann. Darüber hinaus müsse gewährleistet sein, daß die Einrichtungen die Möglichkeit hätten, zusätzliche Einnahmen zu akquirieren, über die sie ebenfalls frei verfügen könnten. So könne die Eigeninitiative entscheidend gestärkt werden. Der Vorwurf, die Hochschulen würden lediglich mit einem Globalzuschuß abgespeist, sei insofern unzutreffend.

Die Frage nach Art und Umfang der Autonomie der Hochschulen hänge zudem von der Gewährung echter Entscheidungskompetenz ab. Dabei komme es im Kern darauf an, wer besser geeignet sei, sachorientierte Entscheidungen vor Ort zu treffen. Die Praxis lehre, daß in der Regel die vernünftigeren Entscheidungen von denjenigen getroffen würden, die näher an den Problemen dran seien. So zeige beispielsweise die Erfahrung beim Verkauf von Universitätsimmobilien, daß dies nur dann sinnvoll funktioniere, wenn die Hochschulen an den Erträgen beteiligt würden. Eine solche Beteiligung der Hochschulen führe dazu, daß aus den Hochschulen heraus Vorschläge zur Zusammenlegung von Abteilungen gemacht würden, wodurch viele Vermögensveräußerungen überhaupt erst möglich gemacht würden. Erst aufgrund der finanziellen Beteiligung hätten die Hochschulen ein eigenes Interesse daran, auch die Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, die mit einer solchen Entscheidung möglicherweise verbunden seien. Die Gewährung von Autonomie biete daher für die Hochschulen und den Staat erhebliche Vorteile. Aber Autonomie sei nur zu erlangen, wenn man sich auf Budgetierung verständige und Globalbeträge zuweise.

Ein Studierendenvertreter der Freien Universität Berlin sieht in den Bemühungen um eine erweiterte Autonomie bei der derzeitigen Hochschulverfassung vor allem einen Zuwachs an Autonomie der Professoren. Dies gelte sowohl für die Vereinbarung von Globalhaushalten als auch für das Zurückfahren von juristischen Regelungen beispielsweise im Bereich der Zulassungsrechte. Die Praxis an den Hochschulen erwecke den Anschein, daß die meisten Professoren und Hochschullehrer bislang nicht wahrgenommen hätten, daß das Grundgesetz neben der "Freiheit von Forschung und Lehre" auch andere Grundrechte definiere. Dazu gehöre insbesondere der Artikel 12 GG, der das Recht auf freie Berufswahl garantiere und damit ziemlich direkten Einfluß auf Zulassungsfragen an den Hoch-

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schulen habe. Vor dem Hintergrund dieser einseitigen Interessenwahrnehmung der Professoren müsse man Vorschläge für eine Ausweitung der Autonomie der Hochschulen sehr kritisch betrachten. Die Autonomiediskussion müsse daher sehr eng mit der Frage nach Demokratie an den Hochschulen verbunden werden. Eine verstärkte Autonomie könne dann sinnvoll sein, wenn die Studierenden einen relevanten Einfluß auf den Bereich der Lehre bekämen. Denn Studierende könnten bestimmte Zukunftsfragen wie Umweltgestaltung viel besser beantworten, da es sie sehr viel stärker betreffe als die jetzt herrschende Generation. Deshalb müsse man den jüngeren Generationen eben auch das Vertrauen entgegenbringen, die für sie relevanten Fragen mitzuentscheiden.

Ohnehin müsse bezweifelt werden, ob der Staat wirklich bereit sei, den Hochschulen völlige Autonomie zu gewähren. Beim Ausloten der Möglichkeiten seien die Studierenden jedoch selbst gefordert, da die sogenannte Experimentierklausel in Berlin jetzt die Möglichkeit biete, aus den Hochschule heraus Vorschläge beim Senator anzumelden. Der Senator habe diese Vorschläge zu genehmigen und spätestens nach einem halben Jahr bestehe dann Klarheit darüber, ob die verbalen Bekenntnisse für eine verstärkte Autonomie der Studierenden ernst gemeint seien oder es lediglich darum gehe, daß die Hochschulen den von den Politikern vorgegebenen Mangel verwalten sollen.

Der Präsident der Universität Hamburg bezeichnet die gegenwärtige Tendenz zur Ausweitung der Autonomie von Hochschulen als richtigen Weg. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf eine sehr viel stärkere Finanzautonomie. Dabei stehe außer Zweifel, daß die Politik diesen Schritt nie gemacht hätte, wenn es nicht den Druck durch die leeren öffentlichen Kassen gegeben hätte. Sonst wären die Politiker wohl kaum bereit gewesen, ihren direkten Einfluß auf die Hochschulen zurückzufahren. Die Hochschulen müßten jetzt diese historische Chance nutzen, um auf Dauer mehr Selbststeuerungsfähigkeit zu erhalten. Hierfür müßten sie auch den Preis akzeptieren, diesen Zuwachs an Autonomie in einer Zeit zu erhalten, in der es primär darum gehe, Einsparungen und Einschränkungen auf eine möglichst sinnvolle Weise zu erzielen. Und am vernünftigsten wäre es, diese Einsparungsnotwendigkeiten zu qualitati-

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ven Veränderungsprozesse in den Hochschulen zu nutzen, um hierdurch bessere Arbeitsprozesse und -formen zu gestalten, die sich schließlich in besseren Ergebnissen niederschlagen.

Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, daß hierdurch keine kontinuierliche negative Spirale initiiert werde. Erfahrungen aus Firmen und öffentlichen Institutionen zeigten, daß Einschränkungen oftmals notwendige Veränderungen erst möglich machten, deren Erfolg dann als Alibi dafür mißbraucht werde, erneute Einschränkungen vorzunehmen. Diese Entwicklung sei derzeit auch in der Hochschulpolitik erkennbar.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin verweist darauf, daß Autonomie auch die Ausbildung neuer Formen der Kontrolle beinhalten muß. Es sei nicht denkbar, daß die stärkere Autonomie von Gremien überwacht oder geleitet werde, die de facto keine Verantwortung hätten und sich nicht für ihre Entscheidungen rechtfertigen müßten. Dabei sei es unwichtig, ob diese Gremien aus Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder auch völlig anderen Personen bestehe. Dies entspreche im Prinzip der Aufgaben der Kuratorien.

Das Procedere könne dann so aussehen, daß der Staat mit den Hochschulen Ziele vereinbare, die im besten Fall quantitativ meßbar sein sollten. Auf Basis einer solchen Regelung könnten die Hochschulen dann autonom agieren. Würden keine derartigen Zielvereinbarungen getroffen, bliebe dem Staat nur die Möglichkeit, seine politischen Ziele mittels einer permanenten Intervention durchzusetzen. Eine weitere Möglichkeit wäre, daß die Kuratorien mit dem Abgeordnetenhaus und dem Senat in Berlin konkrete Ziele vereinbarten und diese Ziele mit entsprechenden Budgets honoriert würden. Dann könne jeweils zum Jahresende überprüft werden, ob die anvisierten Ziele erreicht wurden. So ließe sich ein Wettbewerb der Universitäten initiieren, weil mit modernen Controlling-Systemen berechnet werden könnte, welches Ziel mit welchen finanziellen Mitteln realisierbar sei.

Derzeit mangele es jedoch an klaren Zielvorgaben. Die einzige Vorgabe, die es in Berlin im Moment gebe, sei die Festlegung auf eine

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Gesamtzahl von 85.000 Studienplätze. Mit dieser Globalvorgabe könne jedoch nicht praktikabel gearbeitet werden, da nicht einmal definiert sei, ob diese Studienplätze an Fachhochschulen oder an, Universitäten Hochschulen vorgehalten werden sollen oder ob es Studienplätze in teuren oder billigen Disziplinen sein sollen.

Ein Doktorand der Freien Universität Berlin vertritt in Übereinstimmung mit der Berliner Finanzsenatorin die Auffassung, daß Autonomie nur dann zu erreichen ist, wenn die Trägerschaft und vor allem die Finanzierung geändert wird. Wenn man die Hochschulen wirklich aus den Anforderungen des staatlichen Finanzierungssystem herauslösen wolle, müßte man ihnen auch die Möglichkeit zur freien Refinanzierung geben. Hierfür sei es wichtig, daß die Hochschulen die Einnahmen, die sie auf dem freien Markt akquirierten auch selbst verwalten könnten. Diese Einnahmen könnten sowohl von den Nutzern der Hochschulausbildung in Anspruch genommen werden, als auch von den Nutzern der Forschung.

Ein Vertreter der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Berlin sieht einen erheblichen Widerspruch zwischen dem Ansatz, den Hochschulen im Rahmen einer echten Hochschulreform mehr Autonomie zuzugestehen und der Tendenz, die Hochschulen auf der anderen Seite unter einen dramatischen Sparzwang zu setzen. Dieser -Widerspruch führe zum Aufbau regelrechter Opferpotentiale durch die Kultusverwaltungen und zum Entstehen solch eigentümlicher Gebilde wie dem Solidarpakt in Baden-Württemberg, wo Stellen und Haushaltstitel ständig umverteilt würden. Solche Umgangsmuster führten jedoch in der Praxis lediglich zu einer synergetischen Inkompetenz, die nichts mehr mit Autonomie zu tun habe. Trotz allem sei die Gewerkschaft für eine Stärkung der Autonomie. Zudem sei zu begrüßen, daß Aspekte wie das Controlling in den Hochschulen oder die Frage der Haushaltstransparenz endlich diskutiert würden.

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3.3.4. Effizienz an den Hochschulen - Nutzen oder Lasten für die zukünftige Generation?

Im Mittelpunkt der Kritik an den Hochschulen und den Vorschlägen zur Verbesserung ihrer Arbeit steht seit Jahren der Vorwurf mangelnder Effizienz der Hochschulen. Der Präsident der Universität Hamburg bestätigt, daß die Probleme im Hochschulbereich generell nur dann lösbar sind, wenn energisch an der Verbesserung der Effizienz des deutschen Hochschulsystems gearbeitet wird. Diese Einschätzung dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es der Politik in den letzten 10 bis 15 Jahren gelungen sei, ihre eigenen Versäumnisse in der Hochschulpolitik in das Vorurteil eines Effizienzversagens der Hochschulen umzukehren. Ein Vergleich der Kosten, mit denen heute Absolventen ausgebildet würden, mit denen der 70er und 80er Jahre widerlege diese Schuldzuweisung eindrucksvoll. Denn heute bildeten die deutschen Hochschulen die doppelte Zahl von Absolventen zur Hälfte der Kosten von damals aus. Und wenn man die Qualität der heutigen Abschlußarbeiten mit denen der 70er Jahre vergleiche, dann zeige sich, daß die heutige Arbeiten anspruchsvoller und besser seien als die damaligen. Dies werde auch vom Arbeitsmarkt honoriert. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Effizienzverbesserungen an den Universitäten dürfe daher nicht als Zustimmung zur populistischen Aussage der Politik, Universitäten seien heute ineffizient, mißverstanden werden.

Ein Studierendenvertreter der Freien Universität Berlin unterstreicht die Einschätzung, daß die Abschlußarbeiten an deutschen Universitäten nach wie vor in guter Qualität abgeliefert würden. Dies liege angesichts der schlechten Betreuungsverhältnissen an den Hochschulen hauptsächlich daran, daß Studierende heute zwangsläufig sehr viel selbständiger mit Wissenschaft umgingen, da heutzutage ein erheblicher Mangel an Hochschullehrern vorhanden sei, die für eine qualifizierte Betreuung der Studierenden notwendig seien. Aus dieser Entwicklung müsse die Konsequenz gezogen werden, den Studierenden auch formal die Kompetenz sowohl für ihr eigenes Lernen als auch für die soziale Organisation des Lernens einzuräumen. Der Kanzler der Universität Potsdam bemängelt, daß der Begriff der Effizienz heute gleichzeitig immer mit Begriffen wie Flexibilisierung und Globalisierung verbunden wird. Flexibilisierung

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und Globalisierung von Hochschulhaushalten seien jedoch keine Effizienzmomente, wenn sie ausschließlich zur Kaschierung von Unterfinanzierung der Hochschulhaushalte dienten. Die entscheidende Frage sei jedoch, was mit diesen Instrumenten eigentlich gemacht werde. In Brandenburg würden derzeit Effizienzmittel eingeführt, weil sich das Land in einer schwierigen finanziellen Situation befinde. Zum anderen habe die Finanzministerin in Brandenburg keinen Zweifel daran gelassen, daß die Landesregierung einen Effizienzgewinn von rund 20 Prozent voraussetze, der bei der Zuschußbemessung vorab abgezogen werde. Dieser Ansatz sei jedoch sehr problematisch, da das Instrument ja eigentlich dazu dienen sollte, die Effektivität und die Innovationsfähigkeit der Hochschule zu steigern. Wenn man aber damit lediglich eine vorhandene Unterfinanzierung ausgleichen wolle, werde sich an den Hochschulen nichts ändern.

Bekanntlich stehe das Streben nach effizienten Strukturen in einem engen Verhältnis zur Demokratie. Manchmal werde dies so verstanden, daß "Vorstandsmodelle" gemacht würden, bei der die Demokratie völlig ausgeschaltet werde. Deshalb sei es sinnvoll, deutlich zwischen der Zielfindungsebene und der Ebene der exekutiven Ausführung zu trennen. Die Einführung betriebswirtschaftlicher Elemente im exekutiven Bereich der Hochschule sei sicherlich ein sinnvoller Ansatz. Wenn es aber um Zielfindungen gehe, müsse die Gruppenuniversität, die ja bereits ein erheblicher Fortschritt gegenüber der Ordinarienuniversität gewesen sei, unbedingt auch für die Zukunft erhalten bleiben. Die Hochschule verfüge im Bereich der Zielfindung über die notwendige Kompetenz.

Unzweifelhaft komme der Vereinbarung von Zielen und der Definition von meßbarem Output entscheidende Bedeutung zu. Derartige Definitionen blieben an den Hochschulen jedoch stets künstliche Konstrukte, da Hochschulen eben keine Produkte anfertigten. Vielmehr sei Wissenschaft auch immer etwas Prozessorales. Lediglich ein Teil des Aufgabengebietes einer Hochschule könne mit Kennziffern gemessen werden. So sei es zwar möglich zu zählen, wieviele Veröffentlichungen ein Professor pro Jahr publiziert; wesentlich schwieriger sei hingegen die Quantifizierung und Bewertung des Prozesses, Studenten in die Wissenschaft einzuführen. Für diese

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nicht meßbaren Bereiche müßten daher andere Zielvereinbarungen getroffen werden. Insgesamt lasse sich jedoch festhalten, daß rund 80 Prozent der Aufgaben an den Hochschulen durch Kennziffern definiert werden und im Rahmen einer Budgetierung bewertet werden könnten. Eine solche Budgetierung der einzelnen Fakultäten und Institute an den Universitäten initiiere zudem eine Kultur des Mitgestaltens und des Mitwirkens. Budgetierung schaffe Verantwortung, was erhebliche positive Auswirkungen auf die unnötige Verschwendung von Ressourcen habe, wodurch wiederum die Effizienz verbessert werde.

Ein solch betriebswirtschaftlicher Aspekt dürfe jedoch nicht der einzige Ansatz der Hochschulreform sein. Einsparungen seien lediglich die eine Seite der Medaille. Denn die Schaffung neuer Strukturen, die jungen Akademiker bessere Berufschancen verschafften, koste wiederum Geld. Solche Investitionen dürften jedoch nicht aus rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten unterbleiben. Eine Gesamtreform sollte vielmehr beinhalten, daß im evolutionären Sinne die Elemente bewahrt würden, die sich bewährt hätten, um auf dieser Basis Strukturverbesserungen einzuleiten. Dafür bedürfe es nicht des perfekten Modells, vielmehr sollte man experimentell vorgehen und verschiedene Ansätze in der Praxis überprüfen.

Ein Studierender erläutert, daß bereits jetzt im Hochschulrahmengesetz eine grundlegende Anforderung an die Effizienz der Hochschulen vorgegeben ist. Darin heißt es, daß die Hochschulen auf die berufliche Tätigkeiten vorbereiten sollen. Dies täten die Universitäten jedoch in der heutigen Praxis nur zu einem geringen Teil; so würden lediglich 4 Prozent der ausgebildeten und zum Richteramt befähigten Juristen diesen Beruf einschlagen. Bei den ausgebildeten Betriebswirten arbeiteten lediglich 20 Prozent in Tätigkeiten, die ein wissenschaftliches Studium erforderten, während 80 Prozent in Jobs tätig seien, für die sie eigentlich mit einem, zudem kürzeren Fachhochschulstudium besser ausgebildet werden. Die mangelnde Effizienz der deutschen Hochschulen zeige sich zudem daran, daß ausländische Studierende in zunehmenden Maße nicht mehr wie früher in Deutschland studierten, sondern andere Länder vorzögen. Dieser Rückgang des Interesses ausländischer Studierender an einem Studium in Deutschland lasse sich nicht mit dem Hinweis auf Sprachde-

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fizite, wachsende Ausländerfeindlichkeit oder mangelnde Kompatibilität der Abschlüsse erklären.

Der Präsident der Universität Hamburg bezweifelt diese Einschätzung. Deutsche Universitäten brauchten den internationalen Vergleich nicht zu scheuen und könnten immer noch mit den besten internationalen Universitäten konkurrieren. Ob dies auf Dauer so bleibe, sei jedoch fraglich; denn gegenwärtig drohten die Universitäten, finanziell ruiniert zu werden. Die rückläufige Zahl ausländischer Studierender liege primär am deutschen Ausländerrecht, das heute alleine für die Einreise die Hinterlegung einer Sicherheitsgebühr in Höhe von 10.000 DM verlange.

Eine Studierendenvertreterin der Humboldt-Universität Berlin drückt ihre Skepsis gegenüber quantitativen Zielvorgaben aus. Der qualitative Zustand einer Hochschule sei weder in Zahlen noch in Zielvorgaben faßbar. Kennzahlensysteme könnten subjektive hochschulpolitische Entscheidungen nicht ersetzen. Es sei unmöglich, die Hochschulen mit einem Globalhaushalt zu versehen und sie dann in einen Elfenbeinturm zu entlassen. Deshalb müsse bei der Diskussion über die Effizienz der Hochschulen bedacht werden, daß Hochschulen eine gesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen hätten. Diese erhebliche gesellschaftliche Bedeutung müsse sich auch in einem entsprechenden Einfluß der Studierenden widerspiegeln.

3.3.5. Neue Steuerungsmodelle und Controlling - Der Königsweg zur Effizienzsteigerung?

Die Finanzsenatorin von Berlin erläutert, daß die Umstellung der Hochschulfinanzierung auf Budgetierung gewiß ein neues Politikmuster darstelle. Budgetierung und eigene Finanzverantwortung der Hochschulen könne jedoch nicht bedeuten, daß dadurch ein Teil der staatlich finanzierten Mittel aus der Gesamtverantwortung der Politik für den öffentlichen Haushalt herausgenommen werden könne. Die Tatsache, daß bei Einsparungen im Gesamthaushalt auch die Budgets reduziert werden müßten, ergebe sich zwangsläufig aus der Systematik der öffentlichen Finanzierung. Die Alternative zur Budgetierung sehe so aus, Jahr für Jahr von oben herab Einzelhaushaltsti-

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tel vorzugeben, die klar definieren wieviel konkret ausgegeben werden dürfe.

Eine Studierendenvertreterin der Humboldt Universität Berlin bezeichnet die augenblickliche Debatte um neue Steuerungsmodelle in Berlin als Diskussion um staatliche Verantwortungslosigkeit. Denn im Kern gehe es darum, den Hochschulen die Mangelverwaltung zu übertragen, die der Senat und somit die Politik nicht mehr zu leisten bereit sei.

Dem widerspricht die Berliner Finanzsenatorin energisch und weist darauf hin, daß die Budgetierung nur der Anfang eines neuen Politikmusters sei, weil mit der Vorgabe der Beträge, die in den Hochschulverträgen vereinbart würden, noch keinerlei output-orientierte Steuerung erreicht werde, die jedoch das eigentliche Ziel sei. Deshalb müßten Kennziffernsysteme geschaffen werden, um eine output-orientierte Steuerung bei den Hochschulen zu erzielen. Sicherlich sei es nicht ausreichend, in den Hochschulverträgen nur eine Gesamtzahl von 85.000 Studienplätzen festzuschreiben, sondern es müßten Zielvereinbarungen getroffen und definiert werden, was die einzelne Hochschule konkret leisten solle. Auf der Basis dieser Vereinbarungen sollten dann die Zuweisungen an die Hochschulen bestimmt werden, um dadurch einen Wettbewerb zwischen den Hochschulen zu initiieren. Dies sei alles andere als staatliche Verantwortungslosigkeit, sondern vielmehr ein Schritt hin zu der Autonomie, die im Interesse all derer sei, die diese Einrichtung nutzen.

Die Umstellung auf dieses neue System müße jedoch in kleinen Schritten vollzogen werden. Der Ansatz in Berlin sehe so aus, daß nicht gewartet werden solle, bis ein möglicherweise perfektes System erarbeitet sei, sondern erste Schritte einzuleiten, um damit Erfahrungen zu sammeln und das System Schritt für Schritt zu verbessern. Wichtig dabei sei jedoch, dem ersten Schritt auch wirklich weitere folgen zu lassen, um langfristig zu einer effizienten outputorientierten Steuerung zu kommen. Denn sonst drohe ein dauerhafter Streit unter den Hochschulen über die Höhe der zugewiesenen Etats, bei dem nicht berücksichtigt werden könne, daß einige Hochschulen bessere Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen hätten. Deshalb müßten unbedingt Leistungskennziffern eingeführt werden,

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damit ein Verteilungssystem aufgebaut werden könne. Wenn die Diskussion über diese Leistungskennziffern dauerhaft herausgeschoben würde mit dem Argument, die Hochschulen seien nicht in der Lage, solche Kennziffern zu entwickeln, dann wäre dies in der Tat ein schwerer politischer Fehler.

Ein Studierendenvertreter hält eine Unterscheidung zwischen inhaltlicher und finanzieller Autonomie für dringend notwendig. Bei den Hochschulen bestehe relativ unbestritten eine inhaltliche Autonomie bei der Bestimmung der Inhalte von Forschung und Lehre. Allerdings plädiere er bei der Lehre für einen größeren Einfluß der Studierenden. An die Finanzautonomie müsse wesentlich differenzierter herangegangen werden. Es reiche eben nicht, nur allgemein eine Autonomie vorzugeben, sondern sie müsse eine tatsächliche effiziente Bewirtschaftung zulassen, allerdings ohne Vorgaben von diffusen Stellenplänen. Demgegenüber sollten die Universitäten jedoch sehr wohl Rechenschaft ablegen, inwieweit sie ihre gesellschaftlichen Aufgaben auch quantitativ erfüllen, also wieviele Studienplätze sie mit dem Geld, das sie bekommen, tatsächlich bereitstellen. Er halte das Modell der Output-Steuerung für weniger geeignet, da man Studierende nicht wie "Stückgut" betrachten könne. Die erbrachten Leistungen der Hochschulen müßten gesamt beurteilt werden. Zudem könne man auch noch einmal differenzieren zwischen Kostengruppen, zwischen teuren und billigen Studienplätzen und dann den Hochschulen bestimmte Kontigente zuweisen.

Ebenso sei für ihn bei dieser Diskussion die Trennung der Zuweisung von Geldern für Forschung einerseits und Lehre andererseits unentbehrlich. Es sei heute schon schwierig nachzuvollziehen, wie Geld zwischen Forschung und Lehre hin und her geschoben wird. Einsparungen in der Lehre, die zur Vernichtung von Studienplätze führten, seien nicht hinnehmbar.

Demgegenüber äußert die Finanzsenatorin ihre Überraschung angesichts der Position des Studierendenvertreters. Ihrer Meinung nach könne es doch gar nicht im Interesse der Studierenden sein, bei der Zuweisung der Mittel nur auf die Anzahl der Studienplätze abzustellen. Dies könne nur ein erster Schritt sein. Vielmehr müsse es doch gerade im Sinne der Studentenschaft sein, daß eine output-

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orientierte Steuerung erfolge, die sich wirklich an qualitativen Merkmalen festmache. Gerade die Studierenden müßten doch angesichts der gegenwärtigen Situation zum Beispiel in der Berufungspolitik, wo nur die Forschungsqualifikation eine Rolle spiele und die Lehre absolut vernachlässigt werde, ein Interesse daran haben, daß die Zuweisungssysteme an den Hochschulen outputorientiert seien. Es dürfe eben nicht nur der Forschungserfolg einer Universität gemessen werden, sondern auch der Studienerfolg.

Die output-orientierte Steuerung dürfe nicht nur im Verhältnis Zuweisung von Seiten des Staates an die Universität eine Rolle spielen, sondern sie müsse darüber hinausgehend auch ein Kriterium für die Mittelverteilung innerhalb der Universität sein. Diese nur zum Kriterium für die Aufteilung des Gesamtbudgets auf die Berliner Hochschulen zu machen, sei schlicht zu wenig. Vielmehr müsse es auch für die unmittelbar Betroffenen erkennbar sein, daß sich die Erfüllung bestimmter Leistungskriterien positiv auf die Zuteilung in ihrem jeweiligen Bereich auswirke.

Der Präsident der Hamburger Universität konstatiert, daß die Umstellung auf eine output-orientierte Steuerung auch unter extremen Sparbedingungen ein Segen für die deutschen Hochschulen sei. Denn Effizienz habe immer eine quantitativ und eine qualitativ meßbare Dimension. Zudem ermögliche die ergebnisorientierte Steuerung, bei der eben nicht vorher planend festgelegt werde, was wofür eingesetzt werden müsse, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, daß ein Budget zur Verfügung stehe mit der Verabredung, bestimmte Ziele zu verwirklichen. Hieraus erwüchsen den Hochschulen enorme operative Freiheiten.

In der Vergangenheit habe es nichts Hindernderes und Unerträglicheres im deutschen Hochschulsystem gegeben als die Wissenschaftsverwaltung, die im staatlichen Bereich aus Angst vor der geschaffenen Mitbestimmung installiert worden sei. Und insofern gebe es nichts Sinnvolleres als die Kombination von Budgetierung und Abbau der adminstrativen Übersteuerung des Hochschulsystems.

Er warne aber vor der Illusion, hierdurch ließen sich nun alle Probleme lösen. Man schaffe lediglich die Chance zur Problembewälti-

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gung. Es werde mindestens ein Zeitraum von zehn Jahren benötigt, bis ein ausgereiftes System zur Verfügung stehe. Aber es sei richtig, diesen ersten Schritt zu tun, auch wenn noch kein konkretes Bild des endgültigen Systems vorliege. Dies sei der positive Unterschied gegenüber den Reformen der 70er Jahre, die immer erst den Totalentwurf konsensfähig und dann den Vollzugsschritt machen wollten. Lernprozesse habe man sich damals nie zugetraut.

Generell dürfe in dieser Diskussion das quantitativ Meßbare jedoch nicht überschätzt werden. Quantitativ meßbar seien eben nur sehr wenige Dimensionen der Leistungen der Hochschulen. Dort wo dies möglich sei, müsse es aber konsequent versucht werden. Gleichzeitig müsse neben der intensiven Diskussion über Leistungsindikatoren und ergebnisorientierte quantitative Messungen auch über Prozesse und prozeßhafte Verfahren gesprochen werden. Und diesen Prozeß werde niemand von außen erzwingen können, da die Motivation das Kernstück in so hochdifferenzierten Prozessen wie Lehre, Forschung und Studium sei. Hier könnten sich die Hochschulen an der Betriebswirtschaftlehre orientieren, die längst erkannt habe, daß qualitative Veränderungsprozesse über sogenanntes "change management" verwirklicht werden könnten; ein Management, das versuche, die Kompetenz der am Prozeß Beteiligten in der qualitativen Einschätzung von Stärken und Schwächen zu aktivieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Erkenntnisse in veränderte Arbeitsprozesse einzubringen. Und dafür biete die deutsche mitbestimmte Universitätsstruktur eigentlich die ideale Voraussetzung. Wenn die Politik diese Dinge fördern wolle, dann müsse sie umgekehrt den Hochschulen verläßliche Rahmenbedingungen geben. Zudem dürfe auch nicht aus dem Blick verloren gehen, wie wenig in unserer Gesellschaft gegenwärtig in die Aufgabe, "Ausbildung und Bildung der nächsten Generationen" investiert werde.

Für den Präsidenten der Technischen Universität Berlin bedeutet Output-Steuerung, daß die betroffenen Entscheidungsträger gemeinsam Zielvorgaben bestimmen. Hierzu benötige man unbedingt quantitative Faktoren. Solange nur über Ziele diskutiert werde, gehe wertvolle Zeit verloren. In der heutigen Situation müsse angefangen werden, mit dem Trugschluß aufzuräumen, man könne die Leistungen von Forschung und Lehre nicht anhand von geeigneten

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Kennziffern sichtbar machen. Es gebe schon jetzt durchaus sinnvolle Kennziffern, allerdings müsse eingeräumt werden, daß ein solches Kennziffernsystem nicht einheitlich für alle Fachbereiche sein könne.

Ein wesentliches Kriterium bei allen anwendungsorientierten Wissenschaften sei sicherlich die Verfügbarkeit von Drittmitteln. Wer als Wissenschaftler in anwendungsorientierten Wissenschaften arbeite und über keinerlei Drittmittel verfüge, habe offenbar seinen Ruf an die Universität verfehlt. Im Bereich der Mathematik oder der Geisteswissenschaften sei das Kriterium Drittmittel dagegen wenig aussagekräftig über den Forschungserfolg. Hier gebe es jedoch andere geeignete Kriterien wie die Zahl der Publikationen in guten Journalen, deren Qualität sich wiederum anhand ihres Zurückweisungsgrades bemessen ließe. Wer als Wissenschaftler in einer Fachpublikation mit einem Zurückweisungsgrad von über 96 Prozent veröffentliche, dokumentiere damit, wie erfolgreich er in der Forschung sei. Der Vorteil solcher Indikatoren sei zudem, daß sie völlig demokratisch seien.

Ein weiterer geeigneter Prüfstein sei zudem, ob ein Professor Gutachter der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) sei. Da diese von allen Wissenschaftlern urwahlmäßig in Deutschland gewählt würden, zeige die Wahl eines Wissenschaftlers zum DFG-Gutachter eine große Reputation. Der Forschungserfolg der Mathematiker lasse sich beispielsweise an dem kleinen Örtchen Wolfrathshausen festmachen, wo jedes Jahr die Mathematikertagungen stattfinden. Wer zu diesem Kongress eingeladen werde, gehöre zu den 10 Prozent der Mathematikerelite in Deutschland und wer dorthin mehrmals eingeladen werde, sei fast ein Star. Dies zeige, daß sich im Forschungsbereich durchaus geeignete Indikatoren finden ließen.

Ebenso ließen sich auch für die Lehre bestimmte Kriterien festmachen, an denen der Output gemessen werden könne und die dann auch qualitativ bewertet werden müßten. Die Anzahl der Absolventen alleine sei nicht aussagekräftig. Es bedürfe vielmehr Qualitätskontrollen, sogenannte pear-refuses. Jeder Fachbereich müßte hierzu in regelmäßigen Abständen bewertet werden, möglichst von ausländischen Gutachtern, um eventueller "Vetternwirtschaft" vorzubeugen. Solche Bewertungen seien hocheffizient und führten zu

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einer weiten Skala der Bewertung. Dies zeige, daß es schon heute reichhaltige Möglichkeiten gebe, output-Definitionen vorzunehmen. Allerdings stießen sie eben auf erheblichen Widerstand, zum einen in der Universität selbst, zum anderen aber auch in der Ministerial- und Verwaltungsbürokratie, die sich durch die von den Universitäten vorgenommenen Zieldefinitionen überflüssig mache.

Ein Professor einer Berliner Universität hält diese Vorschläge für eine output-orientierte Steuerung für nicht praktikabel, da aus ihr keine Konsequenzen gezogen werden können. So gebe es beispielsweise an einer Universität einen Mathematikfachbereich mit 12 Professoren, 24 wissenschaftlichen Mitarbeitern, 30 studentischen Hilfskräften und 10 nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern. Bei der Überprüfung der Forschungsleistung anhand des genannten Prüfsteins stelle man fest, daß zehn Jahre lang keiner von ihnen zur Mathematikertagung in Wolfrathshausen eingeladen wurde und zudem die Qualität der Arbeiten und die Zahl der Arbeiten unter dem Standard liege. Nach der heutigen Gesetzeslage könnten in einem solchen Fall keine Sanktionen wie Kündigung oder geringere Zuweisungen erfolgen. Zudem führe eine Kürzung der finanziellen Zuweisung in der Konsequenz zu noch schlechterer Qualität.

Der Leiter der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät an der FU Berlin betont, daß Autonomie und output-orientierte Steuerung noch keine qualitativ hochstehende Lehre und auch keine qualitativ hochstehende Forschung garantiere. Es käme vielmehr darauf an, ein transparentes System von Information und Kontrolle in der Institution zu schaffen. Und dieses System müsse Sanktionen, sowohl negativer als auch positiver Art beinhalten. Nur so könne die Verteilung nach internen Leistungskriterien geleistet werden. In seinem Fachbereich, den Erziehungswissenschaften, werde dieses System der output-orientierten Steuerung schon seit sechs Jahren für die nicht personalgebundenen Mittel angewendet. Ein Erfolg oder Mißerfolg könne jedoch nicht aufgezeigt werden, da angeblich die Datenschutzgesetze verhinderten, sich gegenseitig über den Sachstand zu informieren. Insofern habe das System in der Praxis gar keine orientierende und informierenden Funktion.

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3.3.6. Studiengebühren - Instrument zur Effizienzsteigerung oder schlichte Kostenverlagerung auf die junge Generation?

Seit Jahren ist das Thema Studiengebühren ein Reizthema in der Diskussion über die Reform des Hochschulsystems. Der Präsident der Technischen Universität Berlin spricht sich für die Einführung von Studiengebühren aus, da er sich davon auch Impulse zur Verbesserung von Effizienz und Demokratie in den Hochschulen verspricht. Die vielfach befürchteten unsozialen Auswirkungen von Studiengebühren ließen sich dadurch vermeiden, daß jedem Studenten, der die Zulassung an einer staatlichen Hochschule schaffe, ein Darlehen in Höhe der anfallenden Studiengebühren gewährt werde. Nach Abschluß des Studiums würde dieser Kredit dann in Abhängigkeit des Einkommens zurückgezahlt, so daß der Sozialarbeiter mit vier Kindern nichts zu zahlen habe, während gut verdienende Universitätspräsidenten oder Zahnärzte das Darlehen zurückzuzahlen hätten. Eine solche Beteiligung derjenigen, die auf der Basis ihres Studiums einen hochdotierten Beruf ausübten, an den Kosten ihrer Hochschulausbildung sei ein Gebot der intergenerativen Gerechtigkeit. Heute existiere eine höchst ungerechte Schieflage zu Lasten derjenigen, die im Alter von 16 Jahren eine Lehre zum Facharbeiter beginnen und ab ihrem 18. Lebensjahr Steuern bezahlten, mit denen dann der Komfort der Studierenden finanziert werde. Die Forderung vieler Studierender nach einem Gratisstudium vor dem Hintergrund der Tatsache, daß sie dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit später zu den Beziehern hoher Einkommen zählten, sei kaum nachvollziehbar. Denn unverändert gebe es in Deutschland eine klare Korrelation zwischen hoher Ausbildung und hohem Einkommen. Dagegen müsse ein Meister für seine Prüfung heute trotz Meister-BAFÖG ein Summe zwischen 40.000 und 70.000 DM aufbringen. Diese derzeitige Umverteilung von unten nach oben sei die eigentliche Ungerechtigkeit in der derzeitigen Hochschulfinanzierung.

Zur Umsetzung dieses Studiengebührensystems müsse ein Fonds aufgelegt werden, aus dem die zu zahlenden Darlehen ausgeliehen werden. Auf Basis der heutigen Steuerstatistik müsse davon ausgegangen werden, daß rund zwei Drittel der Darlehen zurückgezahlt

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werden müßten. Für das letzte Drittel der Sozialfälle müßte dann der Bund aus dem Sozialetat aufkommen. Die Studierenden würden an ihrer Fakultät einen halbwegs kostendeckenden Preis von ca. 15.000 DM pro Jahr bezahlen; die Kosten für ein Vollstudium mit 8 Semestern beliefen sich somit auf 60.000 DM pro Studierenden. Die Auswirkungen eines solchen Systems auf die Finanzierungssituation der Universitäten wäre enorm.

Als Folge von Effizienzsteigerungen in den Universitäten aufgrund des neuen Wettbewerbs um Studierende seien auch niedrigere Kosten vorstellbar. Denn das neue Studiengebührensystem hätte zwangsläufig gravierende Effekte auf das Verhältnis zwischen der Hochschule und den Studierenden. Wenn nach Inkrafttreten einer solchen Finanzierungsreform lediglich 50 Studierende aufgrund einer qualitativ unzureichenden Lehre den Fachbereich verließen und zu einer Fachhochschule wechselten, fehlten der Fakultät plötzlich 7,5 Mio. DM, während die Fachhochschule mit den hinzukommenden finanziellen Mitteln sofort ihre Dienste aufstocken könnte. Das lästige Procedere, nach einem Anstieg der Studierendenzahl erst einmal beim Senat zusätzliche finanzielle Mittel anzufragen, um die Qualität der Lehre auch bei größeren Studienzahlen beizubehalten, entfalle für die Fachhochschule künftig. Und innerhalb der Fakultät, die die Abwanderung der 50 Studierenden zu beklagen hat, folge die sofortige Einleitung von Reformen, damit weitere Verluste an Studierenden und damit an finanziellen Mitteln verhindert werden. Ein solches System führe zwangsläufig zu einer völlig neuen Serviceorientierung bei den Professoren. Denn Professoren, die sich aufgrund unzureichender Lehre in der Praxis als "Saalräumer" erwiesen, würden sich innerhalb ihrer Fakultät mit massiven Motivationsmaßnahmen konfrontiert sehen, weil die Fakultät natürlich finanzielle Verluste vermeiden wolle.

Die Einführung eines solchen Modells von Studiengebühren hätte daher eine Fülle von Effizienzverbesserungen und einen Zuwachs an Demokratie zur Folge, da die Studierenden künftig in die Lage versetzt würden, eine sehr wirksame Abstimmung mit den Füßen vorzunehmen, die zugleich wegen der finanziellen Bedeutung erhebliche positive Effekte auf die betroffenen Hochschulen hätte. Leider würden diese positiven Steuerungseffekte von Studiengebühren bis-

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lang nicht von allen Beteiligten erkannt. Das Thema Studiengebühren laufe Gefahr, ein Tabuthema zu werden. Dies sei umso bedenklicher, als der Betrug an den jungen Leuten heute ja gerade darin bestehe, daß ihnen zwar formell ein Recht zum Studium garantiert werde, das aber materiell durch den Numerus Clausus massiv eingeschränkt werde.

Eine Studierendenvertreterin weist den Vorschlag nach Einführung von Studiengebühren zurück. Die hiervon erhofften Steuermöglichkeiten seien sicherlich auch auf anderen Wegen zu erreichen. Zudem sei Bildung eine gesellschaftliche Aufgabe, die - als Teil des Generationenvertrages - auch von der Gesellschaft über Steuern finanziert werden müsse. Ein SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses ergänzt, daß die Frage der Studiengebühren nicht mit der Frage nach der Qualität der Lehre verknüpft werden dürfe. Das Haupthindernis für eine Verbesserung der Lehrqualität bestehe heute darin, daß man gegen die sogenannten "Saalräumer" an den Universitäten wegen deren lebenslang verbrieften Beamtenstatus keine Handhabe habe. Die Einführung von Studiengebühren sei zudem auch deshalb abzulehnen, weil sie die Chancengleichheit verringern würden.

Der Kanzler der Universität Potsdam hält die Einführung von Studiengebühren für möglich, soweit sie im Sinne der Chancengleichheit für sozial Schwächere refinanziert werden. Studiengebühren nach dem vorgeschlagenen Modell des Präsidenten der TU Berlin hätten auch Auswirkungen auf die Art, wie Angebote wahrgenommen würden, wenn man dafür bezahle. Und es verbessere auch die Position der Studenten, Leistung einzufordern.

Der Präsident der Universität Hamburg verweist darauf, daß kreditfinanzierte Studiengebühren, die die jüngere Generation zahlen solle, vor dem Hintergrund des Generationenvertrages nichts anderes seien als der Versuch der jetzt berufstätigen Generation, der nächsten Generation die Last ihrer Ausbildung selber aufzuladen. Hier läge eine Umverteilung zu Lasten der nächsten Generation vor, die zudem auch noch die Lasten für die Alterssicherung einer immer größer werdenden älterer Generation tragen müsse. Sinnvoller sei daher das Modell eines durch staatliche Anreize gefördertes Bil-

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dungssparens. Das Modell basiere auf der Bereitschaft der jetzigen Generation, durch dieses Bildungssparen ein Bildungsguthaben für die nächste Generation anzusparen. Wenn diese nächste Generation das Bildungsguthaben in den Hochschulen und für ihren Lebensunterhalt ausgibt, dann ergäben sich die gleichen Steuerungseffekte, aber ohne Umverteilung zu Lasten der nächsten Generation. An solchen Konzepten ohne jedwede Umverteilung zu Lasten der jüngeren Generationen müsse gearbeitet werden, um den Anforderungen eines echten Generationenvertrags gerecht zu werden.

3.3.7. Belastungen der jungen Generation durch Versorgungslasten der Universitäten

Ein weiteres Beispiel für die Belastung der jungen Generation durch Fehlentwicklungen in der Vergangenheit sind die Versorgungslasten der Universitäten.

Dabei handelt es sich um die Frage, wer für die Versorgungslasten der bereits im Ruhestand befindlichen Pensionäre der Hochschulen aufzukommen habe. Die Berliner Landesregierung hat beschlossen, daß diese Versorgungslasten zu einem Teil von den Berliner Universitäten selbst getragen werden müssen.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin kritisiert, daß zur Zeit in Deutschland einzig die Berliner Universitäten von selten der Landesregierung die Versorgungslasten aufgebürdet bekämen. Im gesamten Bundesgebiet müßten lediglich die Berliner Universitäten die Versorgungskosten für ihre ehemaligen Professoren und beamteten Verwaltungsangestellten selber tragen. Diese Belastung mit den aus der Vergangenheit stammenden Versorgungslasten bedeute faktisch eine zusätzliche Budgetkürzung, die je nach Hochschule zwischen 5 und 10 Prozent des Budgets ausmache. Alleine bei der TU Berlin wüchsen die Versorgungslasten in den nächsten zehn Jahren von derzeit etwas über 30 Millionen auf weit über 50 Millionen. Das hierfür benötigte Geld müsse bei Forschung und Lehre eingespart werden. Dies sei ausgerechnet in einer Zeit, in der das demographische Problem virulent werde, ein unverantwortlicher Umgang mit der jungen Generation. Hier müßten die politisch

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Verantwortlichen im Berliner Senat und die Universitäten eine andere Lösung erarbeiten. Die Versorgungslasten seien weiterhin aus dem Landeshaushalt zu zahlen.

Die Berliner Finanzsenatorin weist diese Kritik zurück. Es entspräche einer allgemeinen Forderung im Rahmen dessen, was im Zusammenhang mit zwingend notwendigen Verwaltungsreformen diskutiert werde, daß die Kosten, die für eine Einrichtung entständen, auch tatsächlich für diese Einrichtung ausgewiesen würden und dort anfallen müßten. Nur durch Kosten-Leistungs-Rechnungen in allen Bereichen könne eine wirkliche Kostentransparenz erreicht werden. Dies gelte sowohl für die Hochschulen als auch für die gesamte Finanz- und Senatsverwaltung. Als zuständige Senatorin sei es Ihr Bestreben, generell die Versorgungslasten den jeweiligen Aufgabengebieten anzulasten.

Der Präsident der Technischen Universität wirft der Finanzsenatorin vor, sie habe mit dieser Auffassung die Vertragsgrundlage gewechselt. Denn bisher habe die Vertragsgrundlage so ausgesehen, daß der Staat für die Versorgungslasten im Wege von zur Verfügungsstellung entsprechender Budgets aufzukommen habe. Dies könne nicht einfach abrupt aufgehoben werden, ohne Spielraum für weitergehende Reformen zu bieten. Denn natürlich seien Modelle denkbar, um den aus den Versorgungslasten erwachsenden Problemen Herr zu werden. Hierfür bedürfe es jedoch erweiterter Befugnisse der Hochschulen. So könnte beispielsweise ein Pensionsfonds gebildet werden, in den jedes Jahr die Summe der potentiellen Pensionskosten eingezahlt werden würde. Auf diesem Wege ließen sich auch andere Finanzierungsprobleme lösen, da der Pensionsfonds zur Zwischenfinanzierung genutzt werden könne.

Ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes unterstützt die Kritik an der Zuordnung der Versorgungslasten. Es könne in der Praxis nicht funktionieren, den Hochschulen Lasten von heute zu zahlenden Pensionen aufzubürden, ohne vorher die notwendigen Vorauszahlungen zu schaffen. Die Senatsverwaltung müsse ihre Altlasten schon selber tragen, damit die Hochschulen zunächst das zahlenmäßige Verhältnis von angestellten und beamteten Professuren regulieren könne, um somit auch entscheiden zu können, wel-

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che Lasten sie zukünftig tragen könnten und wollten. Es sei auch nicht zu verstehen, weshalb der Übergang zur neuen Autonomie in Berlin beispielsweise nicht für eine Eröffnungsbilanz der Hochschulen genutzt wurde.

Der SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses unterstreicht, daß die Verbeamtung von Professoren in der Vergangenheit von der Senats- und Innenverwaltung vorgegeben wurde, da keine Autonomie existierte. Daher müsse überlegt werden, ob nicht gewisse Altlasten für eine Übergangszeit "gedeckelt" werden könnten. Generell zeige die Argumentation in der Diskussion über die Zuordnung der Versorgungslasten jedoch, daß die von den Universitätsverantwortlichen vollmundig geforderte Autonomie in der Praxis doch nicht zu weit gehen solle. Diese Diskrepanz zwischen Worten und Taten könne jedoch hingenommen werden, da Anreize geschaffen werden müßten, um endlich von den beamteten Professuren wegzukommen. Falls die Universitäten jedoch weiterhin die irrige Meinung verträten, Beamte seien billiger als Angestellte, dann müßten sie konsequenterweise auch die Lasten der Versorgungsleistungen selber tragen.

3.3.8 Kuratorien - Effiziente Kontrollorgane an den Universitäten?

Der Präsident der TU Berlin verweist im Zusammenhang einer out-put-orientierten Steuerung auf die Kuratorialverfassungen der Berliner Universitäten. Diese gehörten eindeutig zu den intervenierenden Mitteln des Staates und seien daher die falsche Wahl. Bei einer output-lndikation müsse es ein System von Personen geben, die weder aus Berlin kämen, noch in die Berliner Hochschulpolitik involviert wären. Geeignet wäre ein Kuratorium, das aus renommierten Wissenschaftlern, Bundespolitikern und Vertretern der Wirtschaft -aus allen politischen Lagern - bestehe. Dies scheitere jedoch wohl am Widerstand des Berliner Senats und dem Abgeordnetenhaus, weil befürchtet werde. Mitbestimmungsrechte zu verlieren. Darum werde an der jetzigen Kuratoriumsverfasssung um jeden Preis festgehalten.

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Dagegen sieht der SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses die Mitbestimmungsrechte nur über das Kuratorium sichergestellt. So negativ könne das Berliner Kuratoriumsystem nicht sein, angesichts der Überlegungen anderer Bundesländer ähnliche Strukturen erst einzuführen.

Der Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes hält das Kuratorium für das wichtigste Organ für die Autonomie der Hochschulen. Er appelliert daher an die anwesenden Hochschulleiter, nicht in den gleichen Fehler zu verfallen wie ein Präsident einer anderen Hochschule, der als ersten Punkt der Erprobungsklauseln gleich die Kuratorialverfassung abgeschafft habe.

Der Kanzler der Universität Potsdam verweist auf seine Erfahrungen mit der Berliner Kuratorialverfassung in der Vergangenheit und beurteilt seine jetzige Situation in Brandenburg nach einem Vergleich der Systeme als wesentlich günstiger. "Ich möchte nicht wieder unter Kuratel stehen". Das Kuratorium sei ein reines Funktionärsgremium, das überhaupt nicht in der Lage sei, die anstehenden Probleme zu lösen. Die sich anschließende Frage des SPD-Politikers des Berliner Abgeordnetenhauses, ob er seine heutige Brandenburger Situation ohne ein Kuratorium für besser erachte, beantwortete er mit einem klaren Ja.

Eine Studierendenvertreterin der Humboldt- Universität Berlin äußert keine generellen Bedenken gegen ein Kuratorium. Allerdings bedürfe es Reformen hinsichtlich der Rahmenbedingungen. Das nun angedachte Aufsichtsratsmodell halte sie nicht für sinnvoll, da es eine Mehrfachaufsicht der Senatsverwaltung beinhalte. Die Aufsicht der Senatsverwaltung müsse auf Rahmenvorgaben und die Rechtsaufsicht beschränkt werden. Dann sei das Berliner Kuratoriumsmodell sicherlich eine gute Alternative.

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3.4 Demokratie - Sicherung des Generationenvertrags durch Mitbestimmung der jungen Generation

Mit dem Slogan "Laßt uns mehr Demokratie wagen" gewann einst Willy Brandt die Bundestagswahlen. Auch in den Universitäten sollte mehr Demokratie gewagt werden und der "Muff von tausend Jahren

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unter den Talaren" beseitigt werden. Durch die Definition von verschiedenen Interessengruppen, die ihre Ansprüche in einem Gremium installieren konnten, entstand die Gruppenuniversität. Unverändert steht seitdem die Frage nach Art und Intensität der Mitbestimmung der Studierenden auf der Tagesordnung der hochschulpolitischen Diskussionen.

Ein SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses unterstreicht, daß zur Sicherung des Generationenvertrags an den Hochschulen auch die Stärkung der Mit- und Selbstverantwortung der Studierenden und des wissenschaftlichen Nachwuchses gehöre. Patriarchalische Strukturen, wie sie zur Zeit noch an vielen Hochschulen bestünden, müßten beseitigt werden. Wenn Bildung als gesellschaftliche Aufgabe anerkannt werde, dann stellten sich zwangsläufig die Frage nach der gesellschaftlichen Kontrolle der Hochschulen und die Forderung nach der Schaffung demokratischer Strukturen an den Hochschulen. Hierzu sei eine grundlegende Demokratisierung der Hochschulen notwendig. Ziel einer solchen Reform müsse sein, die Innovationsfähigkeit der Hochschulen zu stärken, statt etablierte Oligarchien zu fördern. Denn die Praxis bestätige immer wieder eindrucksvoll, daß die Gruppe der Hochschullehrer alles andere als der progressive Faktor an den Universitäten in Deutschland sei.

Ein Redakteur der taz vergleicht die Autonomie-, Effizienz- und Demokratiebemühungen der Universitäten mit einem Tanker. Die Universitäten seien in diesem Modell große unbewegliche Tanker, die bisher vom Staat im Flottenverband geführt wurden, und die nun aufgrund der gewährten Autonomie frei in alle Richtungen fahren dürften. Zudem seien sie durch Effizienzsteigerungen mit größeren Motoren ausgestattet. Die entscheidende Frage sei jedoch, ob alle Mitglieder auf der Brücke gleichberechtigt an Entscheidungen beteiligt würden. Er warne vor dem Szenario, daß auf hoher See die demokratischen Struktur zugunsten der Diktatur des Kapitäns abgelöst werde.

Demgegenüber betont ein Berliner Hochschulprofessor, daß es an den Hochschulen keine Demokratie geben könne. Der Begriff Demokratie werde im Hinblick auf die Hochschulen zu Unrecht verwendet. Demokratie in der Hochschule wäre nur durch die Vergabe

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von gleichen Stimmrechten für alle zu erreichen. In der Konsequenz würde dies bedeuten, daß jeder Student dasselbe Stimmrecht wie ein Professor habe. Er halte deswegen das Wort Mitbestimmung in der Diskussion um mehr Demokratie an den Hochschulen für wesentlich geeigneter.

Ein Studierendenvertreter der FD Berlin plädiert für die Beibehaltung und Ausweitung der Gruppenuniversität mit ihren paritätisch besetzten Gremien. Er sehe nämlich die Gefahr, daß im Rahmen der Autonomie- und Effizienzbestrebungen der Universitäten diese mit dem Argument der Mehrkosten beschnitten würden. Der Einfluß der Studierenden existiere vor allem innerhalb der Hochschulen, im akademischen Rat und den Fachbereichen und nicht auf den verschiedenen politischen Ebene. Diesen Einfluß zu beschneiden, bedeute ein Demokratieverlust für die Studierenden.

Ein SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses betont, daß durchaus über Reformen diskutiert werden könne, bei denen jedoch der Grundsatz der Beteiligung erhalten bleiben müsse. Insofern müsse auch das Verfassungsgerichtsurteil von 1973, das die Grundlage der jetzigen Mitbestimmung an den Hochschulen darstelle, den gesellschaftlichen Realitäten im Jahre 1997 angepaßt werden. Hier sei die Politik klar gefordert, neue Wege zu suchen, um über das Verfassungsgerichtsurteil von 1973 hinaus zu einer echten paritätischen und somit demokratischen Hochschule zu gelangen.

Der Präsident der Technischen Universität Berlin verweist darauf, daß Entscheidungskompetenz und Verantwortung auch in der Hochschulpolitik zusammengehören müssen. In der Praxis sei die Gruppen-Universität jedoch die organisierte Unverantwortlichkeit. Solange, wie Gremien Beschlüsse fassen könnten, für die sie negativ wie positiv nicht sanktioniert werden könnten, handelten solche Gremien verantwortungslos. So sei es heute durchaus möglich, in einem NC-Studienfach oder einem anderen Studiengang, der dem Verteilungsverfahren unterliegt, die fragwürdigsten Entscheidungen hinsichtlich der Studien- und Prüfungsordnungen zu fällen, ohne daß deshalb ein einziger Studierender weniger an diese Hochschule gelange. Zur Beseitigung dieses Mißstandes müßten effektive Sankti

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onsmöglichkeiten geschaffen werden. Das oben beschriebene Studiengebührenmodell würde die Studierenden in die Lage versetzen, eine Hochschule finanzwirksam zu verlassen. Die Auswirkungen einer solchen Möglichkeit auf die Lehrqualität dürften erheblich sein; schließlich gebe es keine wirksamere Art der Mitbestimmung als die des Käufers von Dienstleistungen.

Ein SPD-Politiker des Berliner Abgeordnetenhauses verweist darauf, daß es eine insbesondere innerhalb der jeweiligen Exekutive weit verbreitete Einschätzung sei, daß demokratische Strukturen und ihre Kontrollfunktion hinderlich seien. Dessen ungeachtet müsse gerade an den Hochschulen, die eine gesellschaftliche Aufgabe haben und an denen verschiedene Generationen miteinander arbeiten müssen, demokratische Mitbestimmung möglich sein. Inwieweit dies auf jedes Tagesereignis anwendbar ist, sei eine andere Frage, aber langfristig müßten die Hochschulen auch demokratisch kontrolliert werden.

Eine Studierendenvertretende bezeichnet die Frage der Paritäten in den Gremien als wichtigen Aspekt bei der Diskussion um die Demokratisierung der Hochschulen. In den Fachbereichen sei immer wieder zu beobachten, daß die hierarchische Personalstruktur personelle Abhängigkeiten schaffe. Dies führe dazu, daß die professoralen Mehrheiten selbst dann wirkten, wenn die Professoren persönlich gar nicht anwesend wären. Dies liege primär daran, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter in direkter Abhängigkeit zu ihrem Professor, dem Lehrstuhlinhaber, ständen. Aus dieser Analyse folge, daß die Veränderung der Paritäten alleine noch keine Veränderung der Machtverhältnisse bedeute. Wenn es um Professonalisierung gehe, werde immer darauf verwiesen, man solle mehr Entscheidungen aus den Gremien heraus verlagern, weil diese ineffizient seien. Dies sei jedoch der falsche Weg. Vielmehr solle auf verbesserte Kommunikationsstrukturen gesetzt werden. Das Beispiel der Studienbüros an der Technischen Universität Berlin dokumentiere, wie Mitbestimmung funktionieren könne und wie sinnvolle Beratungsstellen genutzt werden, um Gremienentscheidungen professionell vorzubereiten.

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Der Präsident der Universität Hamburg resümiert, daß die hochschulpolitische Diskussion daran krankt, daß eine Fülle von Gewißheiten mit endgültig definiertem Anspruch auf Richtigkeit aufeinanderprallen. Was fehle, sei etwas wie die gemeinsame Suche nach neuen Antworten. Das Musterbeispiel hierfür sei die Paritätendiskussion. An der Universität Hamburg gebe es derzeit eine Tendenz, Lösungen im Konsens zwischen allen zu verabschieden. In Deutschland bestünden derzeit Deformationen an den Gruppenuniversitäten, die nicht an den Paritäten lägen, sondern an einer Deformation der Kommunikation. Die Kommunikation verharre dabei, sich einander vorzuhalten, was wer falsch mache. Aus diesem Dilemma könne nur ausgebrochen werden, wenn sich die an der Hochschuldiskussion beteiligten Parteien im Gespräch miteinander um Lösungen bemühten. Eine andere Stimmung und eine andere Mentalität an deutschen Universitäten hänge weder von Studiengebühren noch von vorhandenen Paritäten ab, sondern von einer anderen Art der Kommunikation zwischen den Beteiligten.


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