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[Seite der Druck-Ausgabe: S. 52 (Fortsetzung)]

6. Fallbeispiele der Standortkonversion

Grundsätzlich kann bei der Folgenutzung von militärischen Liegenschaften zwischen einer zivilen und einer militärischen Weiterverwendung unterschieden werden. Diese Entscheidung wird nicht immer frühzeitig und transparent gefällt. Beispielsweise rechneten die Kommunalpolitiker des größten Truppenübungsplatzes der ehem. DDR Lieberose bei Cottbus bereits mit einer militärischen Nachnutzung durch die Bundeswehr. Diese Planung wurde dann aber vom Bundesverteidigungsministerium im Zuge der Revision des Stationierungskonzeptes aufgegeben. Hierdurch konnte der Truppenübungsplatz erst 1994 in die Konversionsförderung durch die Landesregierung Brandenburg aufgenommen werden. Weiter müssen die politi-

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schen Entscheidungsträger Einigkeit darüber herstellen, welche Art der Nutzung angestrebt wird. In diesem Bereich besteht durchaus nicht immer ein Konsens, wie der Fall des ehemaligen sowjetischen Truppenübungs- und Bombenabwurfplatzes bei Wittstock demonstriert, auf den in Kapitel 6.3 näher eingegangen wird.

Ein großer Teil der Gebäude, Flächen und sonstiger Infrastruktur wird aus dem militärischen Bereich freigesetzt und läßt sich deshalb zivil nutzen. Bei der zivilen Fortnutzung ehemaliger militärischer Liegenschaften - und zwar sowohl aus Bundeswehrbesitz als auch aus dem Besitz stationierter ausländischer Truppen - nehmen die Städte und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Planungshoheit Einfluß. Die Ausübung dieser Planungshoheit erfordert Handlungsfähigkeit und Initiative sowie Planungs- und Konversionswissen. Bei der Erfüllung dieser Voraussetzungen unterstützen die Bundesländer ihre Kommunen. Hierzu hat z.B. das Land Brandenburg einmal den "Ratgeber Konversion" entwickelt, der u.a. zur Erfüllung des Informationsbedarfs der Städte und Gemeinden hinsichtlich der vielfältigen Konversionsprobleme, hinsichtlich der Konversionskonzepte von EU, Bund und Land sowie hinsichtlich entsprechender Gesetze und Verordnungen beitragen soll. Zum anderen wird in vielen Beratungsgesprächen Orientierungshilfe geleistet, zum Handeln ermutigt und auch Unterstützung durch Investoren vermittelt sowie personelle Unterstützung gewährt.

Wichtig ist, daß die Entscheidung über die Art der Konversion militärischer Liegenschaften und die Planung der Umstellungsprozesse in möglichst enger Rückkopplung mit der Marktfähigkeit der vorgesehenen Nutzung erfolgen sollten. Der Markt schließt bestimmte Nutzungsalternativen aus und engt damit die nutzbaren Verwertungsspielräume ein. Dies kann zu erheblichen Problemen bei der Umsetzung von Konversionskonzepten führen, wie das Beispiel der militärischen Flugplätze verdeutlicht. Von den bundesweit etwa 200 Militärflugplätzen, die insgesamt 8 % der Konversionsflächen ausmachen, werden derzeit 50 freigezogen. Daß nicht jeder dieser nicht mehr militärisch genutzten Standorte seine Funktion als Flugplatz behalten kann, erscheint aus wirtschafts-, verkehrs- und umweltpolitischen Gründen heraus unmittelbar einsichtig. Allein in Rheinland-Pfalz werden nach Angaben der Oberfinanzdirektion Koblenz von April 1993 zehn ehemalige militärische Flugplätze unterschiedlicher Größenordnung stillgelegt, für die sich das Problem einer zivilen Folgenutzung stellt; dabei stehen u.a. Rollbahnen, Infrastruktureinrichtungen, Wohn- und Verwaltungsgebäude sowie Gebäude zur Unterbringung und Wartung des Fluggerätes (Hangars, Garagen, Werkstätten, Tankstellen

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etc.) zur Disposition. Insbesondere bei den großen freiwerdenden Militärflugplätze - also Bitburg und Hahn/Büchenbeuren mit jeweils etwa 500 ha Fläche, Sobernheim (knapp 400 ha), Zweibrücken und Sembach (je knapp 300 ha) und Mainz-Finthen (214 ha) - kann allein wegen der relativ engen Nachbarschaft nicht in jedem Fall die Aufnahme eines zivilen Flugbetriebs erfolgen. Realistischer erscheint es vielmehr, daß sich maximal ein Standort mit einer derartigen zivilen Folgenutzung durchsetzen kann. Daß diese Ausgangslage mit gravierenden Konversionsproblemen verknüpft ist, soll im folgenden beispielhaft für die Flugplätze Bitburg und Hahn aufgezeigt werden.

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6.1 Konversionsprojekt Airbase Bitburg
- Nutzungsmöglichkeiten und -hemmnisse


Die amerikanische Airbase Bitburg wurde in den Jahren 1951/52 gebaut. Sie erstreckt sich über ca. 500 ha. Hauptbestandteil ist die 3 km lange Start- und Landebahn. Daneben gibt es auf der Liegenschaft über 100 Gebäude; hierzu zählen

  • der Bereich Wohnen mit vier von den Amerikanern als Gästehäuser genutzten Hotels,
  • Sport- und Freizeitanlagen,
  • große Reparatur- und Wartungshallen,
  • Munitionslager und Bunker sowie
  • bombensicher gebaute Shelter (Flugzeuggaragen).

In den Spitzenzeiten, also noch vor zwei Jahren, waren 12.000 amerikanische Soldaten und Familienangehörige in Bitburg stationiert. Etwa genauso hoch ist die Anzahl der deutschen Einwohner. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern wird als sehr gut bezeichnet. Das spiegelt sich u.a. darin, daß während der 40 Jahre Airbase 2.500 gemischte Ehen geschlossen wurden. In vielen Bitburger Familien gibt es also amerikanische Angehörige. Und auch die Tatsache, daß ein erheblicher Teil der Amerikaner, die die Armee verlassen können, in Deutschland bleiben will, verdeutlicht die freundschaftlichen Verbindungen und das positive Zusammenleben.

Vor zwei Jahren beschäftigte die Airbase noch 800 deutsche Mitarbeiter. Vor einem Jahr, als die Aufgabe des Flughafens bekanntgegeben wurde, waren es noch 700 Mitarbeiter. Etwa die Hälfte dieser Personen hat inzwischen einen Ersatzarbeitsplatz gefunden. Weitere 200 gekündigte Mitarbeiter sind noch arbeitslos, und noch 150

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Mitarbeiter sind von dem etwa 15 km entfernten US-Flugplatz Spangdahlem übernommen worden, der nach offiziellen amerikanischen Angaben auf jeden Fall bis ins nächste Jahrtausend weiter genutzt werden soll - nach sich verdichtenden Gerüchten ist aber auch hier 1997 mit einer Schließung zu rechnen.

Der Investitionsaufwand beider Flughäfen Bitburg und Spangdahlem belief sich auf 200 Mio. DM/Jahr. Hinzu kommen Konsumausgaben, Mietwohnungsbau und Dienstleistungsverträge. Die Handwerkskammer Trier beziffert die Nachfragewirkung beider Flughäfen auf 380 Mio. DM/Jahr. Es wird geschätzt, daß sich durch die Schließung der Airbase Bitburg diese Nachfrage mindestens halbieren wird. Konsequenz ist die Gefährdung von etwa 2.400 Arbeitsplätzen. Folgen hat der Weggang der Amerikaner insbesondere für die Bauwirtschaft: In den vergangenen 40 Jahren haben viele Einwohner Häuser mit Einliegerwohnungen gebaut, die dann an Amerikaner vermietet wurden. 1990 gab es über 5.000 private Mietverhältnisse - eine für eine dünn besiedelte Region sehr hohe Anzahl. Neben den privaten Bauherren wurden insbesondere die gewerblichen Bauunternehmen von der Airbase-Schließung betroffen, die weitgehend für den Flugplatz tätig waren. Bei diesen Unternehmen fehlen jetzt die umfangreichen Aufträge, die zuvor regelmäßig von der US-Armee vergeben worden waren. Positiv wirkt sich aus, daß die amerikanische Wohnsiedlung in Bitburg von Soldaten aus Spangdahlem weiter genutzt wird. Damit bleiben etwa 4.500 Amerikaner für die Betriebe der Stadt als Kunden erhalten.

Die Freigabe des Flughafens wurde im Juni 1993 mit dem Schließungstermin 30.9.1994 bekanntgegeben. Es war also nur ein gutes Jahr Zeit, sich auf die Situation einzustellen. In dieser Zeit wurde von unterschiedlichen Seiten eine Vielzahl von Ideen für die künftige Nutzung der Liegenschaft entwickelt. Viele Vorschläge kamen aus der Bevölkerung - insbesondere von deutschen Mitarbeitern der Airbase, die aufgrund ihrer langjährigen Kenntnisse vor Ort zum Teil realistische Nutzungskonzepte vorlegten. Weiter entfalteten politische Funktionsträger unterschiedliche Initiativen - wie Kontaktaufnahmen zu potentiellen Investoren und ansiedlungsinteressierten Unternehmen. Von der AOK stammt der Vorschlag, auf dem Gelände ein Reha-Zentrum zu errichten; allerdings wurde nicht überprüft, ob es Investoren und Bedarf für ein solches Zentrum in der Region gibt. Andere nicht pragmatische Vorschläge wurden in der Diplomarbeit eines Architekturstudenten entwickelt; diese sehen u.a. die Errichtung einer europäischen Architekturakademie und eines komplexen Fracht- und Güterverteilzentrums mit großen Speditionsfirmen

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vor, wobei auch hier die Fragen des Bedarfs und der praktischen Umsetzung unbeantwortet bleiben.

Mit der RWE-Tochter ETEC (Essener Technologie- und Entwicklungs-Centrum) wurde Verbindung aufgenommen, weil nach Auffassung von Kommune und Landkreis bei einem großen Konzern wie der RWE mit seinen vielfältigen Verästelungen bessere Aussichten als bei einem mittelständischen, weniger diversifizierten Unternehmen bestehen, daß eine sinnvolle Nutzung für den gesamten Flughafenkomplex oder zumindest für große Teilbereiche gefunden wird. Die ETEC hat inzwischen ein Konzept für den Flugplatz entwickelt und beabsichtigt, auch die Vermarktung vorzunehmen. Allerdings sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. Ein konkreter Nutzungsvorschlag wurde noch nicht vorgelegt.

Der Bund hat von Anfang an erklärt, daß er bei der Konversion der US-Airbase Bitburg helfen wird. Er hat eine internationale Immobilienfirma mit der Entwicklung eines Konzeptes und der Durchführung der Vermarktung beauftragt. Die Planungen umfassen hierbei im wesentlichen die Bereiche

  • Freizeit/Tourismus mit Renaturierung und Anlagen für den Sportflugverkehr
    sowie
  • Vorrangflächen für die großräumige Ansiedlung von Gewerbe und Industrie, insbesondere aus dem Kfz-Bereich.

Die Start- und Landebahn soll auf knapp 2 km zurückgebaut werden. Diese Länge reicht für einen Sportflugverkehr aus, nicht aber für Lastmaschinen und größere Passagiermaschinen. Der wegfallende Teil der Start/Landebahn soll mit ergänzenden Flächen zu einem Motodrom entwickelt werden. Hierfür haben Zulieferbetriebe aus dem Kfz-Bereich (u.a. Werkstätten, Produktionsbetriebe wie Reifenhersteller) sowie motorsportliche Veranstalter (z.B. für Geländewagen, Geschicklichkeitsprüfungen) Interesse bekundet. Es gibt aber auch Kritik an dem Motodrom-Projekt, weil es die komplette Nutzung der Start- und Landebahn ausschließt. Insbesondere kollidiert dieses Konzept mit den Plänen der Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft Flughafen Bitburg EBFB, die auf die Entwicklung eines zivilen Flugplatzes mittlerer Größe abzielen. Für dieses Projekt bleiben die Fluglizenzen vorerst erhalten.

Der Bitburger Bürgermeister plädiert dafür, daß man sich nicht sofort für eine bestimmte Alternative entscheidet, sondern verschiedene der skizzierten Konzepte am

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Markt auf ihre Tragfähigkeit hin testet. Damit sollen alle sinnvollen Lösungsvorschläge eine Chance erhalten und verhindert werden, daß aussichtsreiche Alternativen von vornherein völlig aus den Planungsprozessen ausgeblendet werden. Stellt sich dann bei den Überprüfungen z.B. heraus, daß hinsichtlich der fliegerischen Nutzung große Zurückhaltung besteht, während die Motodrom-Lösung von ausreichend vielen Unternehmen unterstützt wird, dann kann man sich ex post für die letztgenannte Variante entscheiden und muß diese dann auch planungsrechtlich absichern.

Von entscheidender Bedeutung ist, daß die zivile Nutzung der Airbase Bitburg durch eine Reihe von Hemmnissen behindert wird. Hierzu zählt einmal die Kurzfristigkeit der Bekanntgabe der Aufgabe des Flugplatzes. Noch im November 1992 hatte der amerikanische Verteidigungsminister erklärt, daß Bitburg eine von drei weiter betriebenen Airbasen in Deutschland sein werde. Völlig unerwartet wurde dann im Juni 1993 die Entscheidung der Schließung zu Ende September 1994 mitgeteilt.

Allen Beteiligten, also Bund, Land und insbesondere den betroffenen regionalen Gebietskörperschaften fehlten Konversionserfahrungen. Zur Überbrückung dieses Defizits sowie zur besseren Abstimmung und intensiveren Zusammenarbeit wurde von der Stadt Bitburg, dem Landkreis und verschiedenen Gemeinden ein Zweckverband gegründet. Dieser soll u.a. einen regionalen Ansatz entwickeln, mit dem das mehrdimensionale Problemfeld einer Konversion der Airbase in Angriff genommen werden kann.

Einen besonders problematischen Faktor stellen die Altlasten dar. Diese sind zwar inzwischen erfaßt. Offen ist jedoch noch die Gefahrenerforschung, die nach Angaben des Bitburger Bürgermeisters Millionenbeträge kosten wird, sowie die anschließende noch teurere Gefahrenbeseitigung. Das Land ist zuständig für die schutzgutbezogene Erforschung, die sich auf die Allgemeinheit bedrohende Gefährdungen bezieht. Die nutzungsbezogene Gefahrenerforschung müssen die Kommunen im Zusammenhang mit ihren Bauleitplanungen in Auftrag geben; hier reduziert sich aber der Forschungsbedarf dadurch, daß bei der vorgesehenen Nutzung als Industrie- und Gewerbegebiet die anzuwendenden Kriterien erheblich niedriger sind als z.B. bei der Nutzung einer Konversionsfläche als Kindergarten. Abgelehnt wird von den kommunalen Instanzen der Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz, daß die Kommunen zusätzlich zu der ohnehin von ihnen durchzuführenden nutzungsbezogenen Gefahrenforschung gegen eine 50- bis 100prozentige Bezuschussung auch die schutz-

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gutbezogene Gefahrenforschung übernehmen sollen. Begründet wird diese Ablehnung von den örtlichen Gebietskörperschaften damit, daß ihnen der Apparat und die Erfahrungen für die Abwicklung der notwendigen Forschungen fehlen.

Auch die hohen Erschließungskosten, die auf 40 bis 50 Mio. DM geschätzt werden, stehen einer umfassenden und raschen Konversion der Airbase entgegen. Solche Beträge können Stadt, Landkreis und Gemeinden nicht allein aufbringen. Zur Zeit wird versucht, mit dem Bund einen Erschließungsvertrag abzuschließen. Diese Verhandlungen erweisen sich jedoch als äußerst problematisch.

Mit hohen Kosten ist auch beim Abbruch der 72 vorhandenen Shelter zu rechnen. Diese werden mit 250.000 DM/Anlage, also insgesamt mit 18 Mio. DM veranschlagt - ein Betrag, der für die Gebietskörperschaften nicht finanzierbar ist. Deshalb wird hier nach anderen Lösungen gesucht. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Absicht eines Unternehmers, etwa die Hälfte der Shelter für eine Pilzzucht zu nutzen.

Weitere Hemmnisse einer raschen Umnutzung resultieren nach Auffassung des Bitburger Bürgermeisters aus der vollen Ausschöpfung der Verhandlungsspielräume durch die Amerikaner als Eigentümer der Airbase. Verdeutlicht wurde dies am Beispiel des auf dem Flugplatzgelände vorhandenen Bowling-Centers. Diese Anlage soll nach Auffassung der Gemeindeverwaltung erhalten bleiben und weiter genutzt werden. Die Amerikaner erklärten zunächst, sie würden großzügig verhandeln und keine Einrichtungen in dem Objekt demontieren. Über ein offizielles Ausschreibungsverfahren wurde dann ein privater Interessent als Käufer gefunden. Jetzt beharrten die Amerikaner auf den Ausschreibungsbedingungen, die u.a. den Ausbau der Bowling-Einrichtungen innerhalb von zwei Wochen durch den Bieter vorsehen. Als Voraussetzung für die Weiternutzung der Immobilie als Bowling-Center wurde festgelegt, daß der Unternehmer sein Angebot dem zusätzlichen Vorteil entsprechend aufstockt.

Beeinträchtigungen des Konversionsprozesses ergeben sich schließlich auch daraus, daß es zu viele Beteiligte mit unterschiedlichen Interessenlagen gibt:

  • Die Amerikaner bauen - entgegen den ursprünglichen Bekundungen - alles aus, was einen Ausbau zuläßt. Hierfür ist neben dem erwähnten Bowling-Center der Flughafentower ein weiteres Beispiel. Hier wurde eine der EBFB gegebene Zusage, daß alle Instrumente installiert bleiben und später für den

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    angestrebten zivilen Flugbetrieb weiter genutzt werden können, nicht eingehalten. Alle Geräte wurden kurzfristig ohne Information demontiert.

  • Die NATO hat Interesse bekundet, die Airbase als Reserveflugplatz zu nutzen. Der Bund legt Wert auf eine möglichst kostengünstige Unterhaltung und Vermarktung der Liegenschaft.
  • Das Land Rheinland-Pfalz nimmt über vier Ressorts - nämlich über das
    Innen-, Wirtschafts-, Umwelt- und Arbeitsministerium - Einfluß auf das Konversionsobjekt und will keine Konkurrenz zum zivilen Flugplatz Hahn (vgl. Kapitel 6.2) entstehen lassen.
  • Die Bezirksregierung besteht auf der Beachtung der Grundsätze zur Stadtentwicklung und Städteplanung.
  • Für die Kreisverwaltung ist die Raumkonversion entscheidend. Sie plädiert z.B. für eine Förderung auch von weiter entfernten Kläranlagen mit Konversionsmitteln.
  • Die Stadt Bitburg hat Interesse an der Schaffung von Arbeitsplätzen, an der Ansiedlung von gewerbesteuerzahlenden Betrieben und an der Verhinderung von Brachen.
  • Die Verbandsgemeinde will die Aufhebung von Lärmschutzzonen.
  • Zwei Ortsgemeinden sprechen sich gegen Fluglärm und gegen eine Nutzung für Motorsport aus.
  • Die IHK und die Handwerkskammern fordern Maßnahmen, mit denen die Auftragsausfälle aufgefangen werden können.
  • Flugsportvereine aus Bitburg und Luxemburg möchten eine fliegerische Nutzung durchsetzen.
  • Schließlich soll nach den Planungen der EBFB die Liegenschaft für einen kommerziellen Flugbetrieb genutzt werden.

Unbestritten behindern diese und weitere Hemmnisse den Konversionsprozeß in der Bitburger Region. Trotz dieser Beeinträchtigungen konnte aber in dem einen Jahr nach der Bekanntgabe der Airbase-Aufgabe auch eine Reihe positiver Schritte zurückgelegt werden. So wurden viele Initiativen und Konzepte entwickelt. Optimistisch stimmen auch die Anfragen von zahlreichen Investoren, die inzwischen vorliegen.

Einerseits steht fest, daß es den Generalerwerber für die Airbase nicht geben wird. Gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage wird es schwierig sein, die bereits eingetretenen und sich abzeichnenden weiteren Nachfragerückgänge und

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Umsatzeinbußen auszugleichen. Einig sind sich Stadt und Landkreis auch darüber, daß die Konversionsprobleme nur in langfristigen Prozessen gelöst werden können, bei denen den Aktivitäten vor Ort eine entscheidende Bedeutung zukommt. Andererseits wird aber mit einem sukzessiven Verkauf der Liegenschaft primär für gewerbliche Nutzungen gerechnet. Eine Vielzahl von kleinen und mittleren Betrieben des Produktions- und Dienstleistungsbereiches wird zwar nicht sofort zum Zeitpunkt der Freigabe der Airbase, aber im Verlauf der nächsten Jahre neue Arbeitsplätze schaffen. Darin wird die Chance des Bitburger Raumes und seiner Bürger für die Zukunft gesehen - einer Zukunft, die dann nicht mehr vom Kalten Krieg und weltpolitischen Krisensituationen abhängt.

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6.2 Nutzungskonzepte für den ehemaligen US-Flugplatz Hahn und Konversionshindernisse

Der US-Flugplatz Hahn im Rhein-Hunsrück-Kreis war einer von früher acht Nato-Flugplätzen in diesem Bundesland. Er umfaßt eine Fläche von 565 ha, auf der sich über 600 genutzte Gebäude sowie 680 Wohnungen in der Housing befinden. Hier taten etwa 6.500 Militärangehörige Dienst; hinzu kommen ca. 5.000 Familienangehörige. Bis zu Beginn der 90er Jahre war der Flugplatz mit über 800 Zivilbeschäftigten der größte Arbeitgeber im Landkreis; weitere 1.500 bis 2.000 Arbeitsplätze waren indirekt vom Flugbetrieb abhängig. Seit der offiziellen Schließungsnachricht im Mai 1991 setzte ein permanenter Stellenabbau ein. Die wirtschaftliche Bedeutung für die Region spiegelt sich in einem Ausgabenvolumen von 250 Mio. DM/Jahr, darunter allein 50 Mio. DM für das Baugewerbe und ca. 24 Mio. für Mieten für über 3.300 Privatwohnungen.

Ende September 1993 wurde der militärische Flugbetrieb eingestellt und die letzten Arbeitskräfte in amerikanischer Beschäftigung verließen den Flugplatz. Damit wurde Hahn zum größten Konversionsprojekt des Landes Rheinland-Pfalz. Die Bewältigung der strukturellen Folgen ist in den nächsten Jahren eine wichtige Aufgabe der Kommunen und des Landes, bei der nach Auffassung des zuständigen Landrates auch der Bund seine Hilfe nicht versagen darf. Alle Verantwortlichen sind aufgerufen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten konstruktiv zusammenzuarbeiten. Nur dann besteht eine Chance, die große wirtschaftliche Herausforderung im Interesse der Bevölkerung zu bewältigen.

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Nach den Planungen des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften soll der Flugplatz als ziviler Fracht- und Charterflughafen fortgeführt werden. Da es sich beim Flugplatz Hahn nicht um das einzige große Konversionsprojekt in Rheinland-Pfalz handelt - es sind allein fünf von acht ehemaligen Militärflugplätzen aufgegeben worden -, müssen die Anschlußkonzepte für die verschiedenen zuvor militärisch genutzten Anlagen zur Vermeidung von Fehlinvestitionen aufeinander abgestimmt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Wichtig ist weiter, daß die einzelnen sich ergänzenden Nutzungen additiv konzipiert werden, damit der Mißerfolg bei einem Schwerpunkt nicht automatisch das Scheitern des Gesamtprojekts bedeutet.

Zur Förderung der Konversionsaktivitäten zum Militärflughafen wurde Anfang 1992 die Entwicklungs- und Betreibergesellschaft Flugplatz Hahn (EBGH) gegründet, die die planerischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Umnutzung schaffen und Investoren akquirieren soll. Bei der Entwicklung des zivilen Flugbetriebes kommt der Erteilung einer luftrechtlichen Genehmigung für Flugzeugstarts und -landungen eine zentrale Bedeutung zu. Für den Tagesflugbetrieb von 6 bis 22 Uhr wurde eine solche Genehmigung im Juli 1993 erteilt, gegen die allerdings eine bisher noch nicht entschiedene Klage erhoben wurden. Gebrauch von der Tagesflugerlaubnis machte ein bekannter Reiseveranstalter, der von Hahn Charterflüge zu verschiedenen Zielen in den Mittelmeerraum durchführt. Insgesamt gab es 1993 über 1.000 Starts und Landungen größerer und kleinerer Maschinen.

Um die Vermarktungschancen des Projekts zu verbessern, erteilte das zuständige Wirtschafts- und Verkehrsministerium Rheinland-Pfalz im April 1994 eine Änderungsgenehmigung, die unter bestimmten Einschränkungen und Auflagen (Zulassung nur für leise Flugzeuge, zusätzliche Schallschutzmaßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung bei mehr als 40 Starts und Landungen) einen 24-Stunden-Betrieb zuläßt. Diese erweiterte Konzession wird von Umweltinitiativen abgelehnt; entsprechende gerichtliche Klagen wurden eingereicht. Der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit soll weiter ein Präzisionslandesystem dienen, das zur Zeit installiert wird.

Diese Aktivitäten zeigen bereits erste Beschäftigungseffekte: Bei der EBGH fanden über 50 Personen einen Arbeitsplatz in der Abwicklung des Flugbetriebes sowie in der Pflege und Instandhaltung der Gesamtliegenschaft. Zur Abwicklung des Charter

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flugbetriebes werden weitere 30 Arbeitskräfte befristet beschäftigt. Und über 90 Arbeitsplätze wurden bei den 11 Unternehmen geschaffen, die inzwischen auf dem Gelände angesiedelt werden konnten. Gemessen an den oben erwähnten direkten und indirekten Beschäftigungswirkungen des US-Flugbetriebs sind diese Erfolge noch als relativ bescheiden zu bewerten.

Weitere Beschäftigungsimpulse verspricht die Verlegung der Landespolizeischule Rheinland-Pfalz von Koblenz nach Hahn. Mit der Renovierung von Wohngebäuden und vorhandenen Schulen für dieses Projekt wurde bereits begonnen. Nach der Aufnahme des Schulungsbetriebes sollen hier etwa 700 Schüler und Studenten ausgebildet werden. Man rechnet damit, daß durch diese Maßnahme ca. 100 Dauerarbeitsplätze entstehen.

Seit November 1993 werden intensive Verhandlungen mit einer international tätigen Unternehmensgruppe geführt, die die gesamte Liegenschaft übernehmen, entwickeln und vermarkten will. Vorgesehen ist die Entwicklung unterschiedlicher, aufeinander abgestimmter Nutzungen. Anschließend sollen die entsprechenden Objekte dann vermietet oder verpachtet werden. Im Mittelpunkt des Konzeptes steht der Aufbau eines internationalen Fracht- und Personencharterflughafens, der ergänzt wird um verschiedene gewerblich/industrielle Nutzungen. Insgesamt sehen die Planungen der Unternehmensgruppe folgende Entwicklungsschwerpunkte vor:

  • Passagierbetrieb/Frachtbetrieb,
  • Industrie/Dienstleistungen, Sport/Freizeit,
  • Wohnen und Fliegen,
  • Schulung/Forschung/Lehre sowie
  • Kongresszentrum und Hotel.

Wichtig für die Kommunalvertreter der Region ist, daß die heimische Wirtschaft in die vorgesehenen Ausbauaktivitäten intensiv eingeschaltet wird.

Die Entscheidung über das Projekt wird für September 1994 erwartet. Sollte diese Entscheidung negativ ausfallen, wird es für das Land und die Region mangels eines weiteren Interessenten kaum möglich sein, abgestimmte komplexe und dauerhafte Ansiedlungsimpulse zu realisieren. In den nächsten 10 bis 15 Jahren müßte mit Millionenbeträgen für die Unterhaltung der Liegenschaft, für Sanierungsmaßnahmen sowie für den Ausbau des Flugbetriebes gerechnet werden, deren Rentabilität fraglich ist. Entspannungen dieser Situation könnte zwar die Ansiedlung von Klein-

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und Kleinstunternehmen auf dem Konversionsgelände bringen. Aber viele solcher Interessenten haben nur unausgereifte Entwicklungskonzepte und nicht genügend Eigenkapital.

Die Konversionsbemühungen zum Projekt Hahn entwickeln sich trotz einiger gelungener Ansiedlungen bisher im wesentlichen nur sehr schleppend. Interessierte Unternehmer wollen vor Investitionsbeginn Rechtssicherheit hinsichtlich der Genehmigungs- und Gerichtsverfahren haben, die ihnen aber wegen der noch offenen Entscheidungen zur Zeit noch nicht garantiert werden kann. Hinzu kommt, daß die derzeitige Konjunkturlage sich bei vielen Betrieben bremsend auf die Bereitschaft zur Umsetzung von Investitionsplänen auswirkt. Außerdem erweisen sich bei einem Überangebot an militärischen und sonstigen für eine gewerblich/industrielle Nutzung vorgesehenen Liegenschaften vorhandene Infrastrukturvorteile auch bei hohen Boden- und Immobilienpreisen als entscheidende Investitionskriterien. Hier aber hat das Konversionsprojekt Hahn mit zwar vorhandenem Bundesstraßenanschluß, aber einer fast 40 km großen Entfernung von der Autobahn und nur eingleisigem Bahnanschluß gravierende Defizite. Der beschleunigte Ausbau der Autobahn 60 könnte nach Einschätzung des zuständigen Landrates hier die Standortgunst nicht nur für den Flugplatz Hahn, sondern für die gesamte Eifel-Hunsrück-Region durchschlagend erhöhen.

Ungünstig wirkt sich weiter aus, daß noch unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des Kaufpreises für die Konversionsliegenschaften bestehen. Das Land fordert vom Bund eine kostenlose Überlassung oder günstige Zahlungskonditionen. Begründet wird dies mit den erheblichen Investitionen, die für die Vermarktung der Großanlage Hahn notwendig sind. Nach Auffassung der Landesregierung tut sich aber die Bundesvermögensverwaltung bzw. das Bundesfinanzministerium bei der Bewertung der Liegenschaften und den Verhandlungen von Kaufpreisen schwer. Der Bund weist insbesondere auf bereits eingeräumte Sonderkonditionen und nutzungsbezogene Verbilligungsmöglichkeiten hin.

Ein zusätzliches Investitionshemmnis ist auch beim Flugplatzgelände Hahn in dem Altlastenrisiko zu sehen. Nach einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Bund und dem Land über Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für eine systematische Verdachtsflächenerfassung gab das Land im Mai 1992 eine Altlastenüberprüfung bei einem Ingenieurbüro in Auftrag. Der ein Jahr später vorgelegte Prüfungsbericht weist 86 Altlastenverdachtsflächen auf. Für einige dieser Flächen sind weitere Sanierungsuntersuchungen eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen.

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Da der Militärflughafen Hahn nicht der Planungshoheit der betroffenen Gemeinden unterlag, gab es hierfür auch keine kommunalen Bauleitpläne. Nach dem Wegfall der militärischen Zweckbestimmung und der Wiederherstellung der gemeindlichen Planungshoheit macht sich dieser Aspekt im Zusammenhang mit der Konzeption und Umsetzung von Konversionsprojekten negativ bemerkbar, weil die Zulässigkeit von Neu- oder Umbauten nicht nach § 30 oder § 34 BauGB geklärt ist. Der Erstellung vollziehbarer Bauleitpläne wird deshalb ein für die weitere Entwicklung des Gesamtprojektes Hahn hoher Stellenwert beigemessen. Dafür müßte aber auch Klarheit in bezug auf die beabsichtigten Nutzungszonen und hinsichtlich der Ziele eines möglichen Investors bestehen.

Schließlich machen sich bei der Umnutzung des Flugplatzes Hahn auch Mängel in der Ver- und Entsorgung sowie im Bauunterhalt bemerkbar. Seit der Einrichtung des Flugplatzes im Jahr 1953 sind permanent Ausbaumaßnahmen vorgenommen worden. Größere Teile der Anlagen entsprechen aufgrund des Alters, der Nutzungsintensität und unterschiedlicher Qualitätsmaßstäbe nicht mehr dem gestiegenen technischen und den deutschen gesetzlichen Anforderungen. Nach Einschätzung des Landrates des Rhein-Hunsrück-Kreises muß mit einem Erschließungs- und Sanierungsbedarf in Millionenhöhe gerechnet werden. So entsprechen zwei vorhandene Kläranlagen nach amerikanischem Standard nicht den bundesdeutschen Vorschriften. Hinzu kommt, daß deren Funktionsfähigkeit aufgrund des derzeit nur geringen Abwasseraufkommens nur schwierig erhalten werden kann. Probleme bereitet weiter die Wasser- und Stromversorgung. Die Wasserleitungssysteme müssen einer umfangreichen Prüfung unterzogen werden. Die Elektroanlagen haben teilweise einen technisch überholten Standard oder entsprechen nicht den deutschen Normen; durchgeführte Untersuchungen enthalten hierfür Vorschläge für eine stufenweise Instandsetzung und Modernisierung.

Schwierigkeiten macht derzeit auch die Beheizung der Gebäude auf dem Flugplatzgelände. Während der militärischen Nutzung wurden etwa zwei von drei Gebäuden über eine mit aus den USA importierter Kohle betriebene Hochdruckdampfanlage beheizt. In den letzten Jahren wurden einzelne Gebäude auf Ölheizung umgestellt. Die Häuser der zum Militärkomplex gehörenden Wohnsiedlung hatten eine Kohleheizung. Für die beiden großen Schulen und Turnhallen gab es schließlich eine Ölheizung. Derzeit ist es häufig nicht möglich, bestimmte Gebäude, die ein potentieller Mieter nutzen möchte, separat zu beheizen. Planungen sehen vor, den gesamten Flugplatz auf eine mit Gas betriebene Heizungsanlage in Verbindung mit einem Blockheizkraftwerk umzustellen.

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 65]

Vernachlässigt werden muß inzwischen auch die Bauunterhaltung. In den drei Jahren seit der Schließung des Flugplatzes entwickelte sich ein erheblicher Sanierungsbedarf - insbesondere im Bereich von schadhaften Flachdächern. Es werden nur noch die notwendigsten und dringendsten Reparaturen durchgeführt. Dieses Konzept der Bauunterhaltung kann auf Dauer nicht erfolgreich durchgehalten werden.

Ergänzend wies der Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises auf ein besonderes Folgeproblem der Konversion hin: Mit der Schließung des Flugplatzes Hahn wurden über 3.300 angemietete Privatwohnungen frei; hinzu kommen Leerstände in drei amerikanischen Wohnsiedlungen. Hierdurch wurde ein starker Aussiedlerzuzug ausgelöst. Primär hierdurch ist die Kreisbevölkerung in der Zeitspanne 1989-1994 von etwa 90.000 EW auf über 101.000 EW gewachsen; die entsprechende Aussiedlerquote dürfte einmalig in der Bundesrepublik sein. Die ausländischen Arbeitssuchenden verschärfen die Arbeitsmarktsituation, die durch die Einstellung des militärischen Flugbetriebs ohnehin schon beeinträchtigt worden war. Bestätigend wirken hier die relativ starken Zunahmen der Arbeitslosenquote (von 1990 bis 1994 Anstieg von 6,3% auf 10,0%) und das Wachstum der Sozialhilfeausgaben des Kreises (von 4,7 Mio. DM in 1989 über 9,1 Mio. DM in 1993 auf sich abzeichnende 10,7 Mio. DM in 1994). Hohe Ausgaben für Neubauten von Schulen und Kindergärten sind eine weitere Konsequenz. Der Landkreis bemüht sich, die Sozialhilfeausgaben für Aussiedler durch das Beschäftigungsprojekt "Arbeit und Bildung statt Sozialhilfe" zu reduzieren. Mit der Vermittlung von 240 Personen in Arbeit oder Qualifizierung konnten hierbei erste Erfolge erzielt werden.

Etwa zehn Monate nach Durchführung der Fachkonferenz durch die Friedrich-Ebert-Stiftung berichtet die Tagespresse, daß die Bundesregierung den Flugplatz Hahn für knapp 37 Mio. DM verkauft hat: Die Immobilie ging an eine zu 74,9 Prozent von der Wayss und Freytag AG und zu 25,1 Prozent vom Land Rheinland-Pfalz getragene Holding, die die Vermarktung des ehemaligen Militärflughafens übernehmen soll. In den Verträgen hat sich die Holding verpflichtet, in den kommenden zehn Jahren mindestens 120 Mio. DM zu investieren und wenigstens 1.000 Arbeitsplätze zu schaffen. [ Fn 28: "NOTIERT: Nato-Anlage verkauft", in: Kölner Stadtanzeiger vom 5.7.1995 und "Der Weg vom Fliegerhorst zum Ferienflughafen ist weit", in: General-Anzeiger Bonn vom 24.7.1995 ]

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 66]

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6.3 Standortkonversion in Brandenburg - die Beispiele Wünsdorf, Dallgow-Döberitz und Wittstock

Zu den extrem von Konversionsproblemen betroffenen Kommunen im Land Brandenburg, für die inzwischen Sonderregelungen vereinbart wurden, zählt Wünsdorf. In dieser Stadt im Außenbezirk Zossen (9.000 Einwohner) befand sich das Hauptquartier der Westgruppe der Truppen (WGT) mit einer Einwohnerzahl von 40.000 bis 70.000 Menschen und einer bebauten Fläche von 590 ha. Diese ehemalige Militärstadt steht vor einer Konversionsaufgabe, die wohl weltweit ihresgleichen sucht: Für eine bereits vorhandene Stadt müssen ab September 1994 neue Einwohner und Nutzer gefunden werden. Aufgrund dieser besonderen Problemlage steht Wünsdorf auf der Prioritätenliste der Konversionsförderung des Landes neben Fürstenberg, Jüterbog, Fürstenwalde und Eberswalde an oberster Stelle. Für Wünsdorf wurde 1993 für städtebauliche Planungs- und Entwicklungsarbeiten eine 100%-Förderung durch das Land festgelegt. Um möglichst bald eine zivile Wiederbelebung der Stadt zu erreichen, werden darüber hinaus befristet die Kosten für zusätzliche kommunale Beschäftigte vom Land übernommen.

Die Landesregierung entschied außerdem, Landesbehörden und nachgeordnete Einrichtungen nach Wünsdorf zu verlegen, wodurch dort bald etwa 1.000 Arbeitsplätze entstehen. Durch den Abzug der Truppen der Westgruppe sind insgesamt 600 Arbeitsplätze verloren gegangen. Für Sofortmaßnahmen in Wünsdorf stellt das Land Sondermittel in zweistelliger Millionenhöhe bereit (allein 1994 knapp 10 Mio. DM). Hiermit konnten z.B. Abriß- und Räumungsarbeiten sowie ober- und unterirdische Maßnahmen zur Sicherung der Infrastruktur durchgeführt und zusätzliche Vorkehrungen zur Umweltvorsorge getroffen werden. Insbesondere die Umsetzung des Sicherheitskonzeptes des Innenministeriums ist eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Nutzung der Liegenschaft. Dieses Konzept umfaßt bauliche Maßnahmen, die Organisation der Bewachung, die Verstärkung polizeilicher Maßnahmen, Munitionsbergung und Brandschutz.

Die Sicherung des Standortes ist aber nicht allein durch Bewachung, sondern in erster Linie mit Belebung durch Nachnutzung zu erreichen. Deshalb stehen das Bewachungs-, Nachnutzungs-, Verwaltungs-, Altlastensanierungs- und weitere Konzepte in engem Zusammenhang. Eine Reihe konzeptioneller Arbeiten wurde in Auftrag gegeben - so verschiedene Gutachten zur wirtschaftlichen Belebung und zur Tourismusförderung, das erwähnte Sicherheitskonzept des Innenministeriums, ein wohnungspolitisches Konzept sowie Planungen für Infrastrukturmaßnahmen, u.a.

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den Ausbau der B 96 und Verbesserungen der Regionalbahn betreffend. Außerdem wurde die Projektgesellschaft Wünsdorf als Verwaltungs- und Verwertungsgesellschaft unter Beteiligung von Land, Kommunen und privaten Dritten gegründet.

Als schwierig erweist sich die Wiedereingliederung ehemaliger Truppenübungsplätze in die zivile Infrastruktur. Diese Flächen machen in Brandenburg über 80% der vom Land übernommenen rund 93.000 Hektar WGT-Liegenschaften aus. Sie verfügen über ein außergewöhnliches Naturraumpotential, das im zerstückelten Europa eine unverzichtbare Reserve für die Entwicklung und den Erhalt naturnaher Öko-Systeme bildet. Nach Auffassung der Landesregierung sind diese Flächen überwiegend für den Landschafts-, Natur- und Artenschutz zu sichern. Dies erfordert längerfristige Projektbegleitungen, bei denen sowohl die Belange der umliegenden Städte und Gemeinden als auch des Naturschutzes beachtet werden. Ziele des Naturschutzes auf ehemaligen Militärflächen sind dabei:

  • die Komplettierung des brandenburgischen Systems der Schutzgebiete durch die Schaffung von Naturentwicklungsgebieten (Sukzessionsräumen) in weitgehend unzerschnittenen und wenig erschlossenen Landschaftsräumen
  • Erhaltung unwiederbringlicher Genreserven
  • Erhaltung und Entwicklung singulärer Lebensräume und ihrer Lebensgemeinschaften als Bestandteil eines nationalen Biotopverbundsystems
  • Errichtung ausreichend großer Biomonitoring-Räume im dichtbesiedelten und hochindustrialisierten Mitteleuropa zur Langzeitbeobachtung natürlicher Prozesse
  • Ergänzung des Bestandes an Naturschutzgebieten als Beitrag zur Erfüllung des EU-Pogramms "Natur 2000", für das mindestens 5% der Landesfläche gefordert sind
  • Erhaltung und weitgehend naturbelassene Entwicklung der großräumigen, unzerschnittenen, landschaftsökologisch wie naturschutzfachlich bedeutenden Flächen als Beitrag zum europäischen Naturerbe.

Entsprechend diesen Zielen wurden beispielsweise große Areale des ehemaligen Truppenübungsplatzes Dallgow-Döberitz mit hohem ökologischem Wert unter Naturschutz gestellt. Aufgrund seiner Größe und Lage übernimmt dieses seit ca. 95 Jahren militärisch genutzte Gebiet eine klimaregulierende Funktion für das Ballungsgebiet Berlin, dem so neben dem Grunewald eine zweite "grüne Lunge" erhalten bleibt. Aus der Sicht der Landesregierung hat dieses Projekt Modellcharakter für flächenhafte Konversion am Rande einer dichten Besiedlung. Seit 1992 setzt sich der

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Naturschutz-Förderverein "Döberitzer Heide" für die Erhaltung und Pflege dieses Areals als Naturschutzgebiet ein. Bereits 1993 bezog dieser Verein das Gebäude des ehemaligen Panzerschießstandes, das in Eigenleistung wieder nutzbar gemacht wird. Unter Koordination des Fördervereins kamen allein im Zeitraum Juli 1993 bis März 1994 Finanz- und Sachmittel in Höhe von ca. 1,75 Mio. DM - darunter auch ABM- und Lohnkostenzuschußmittel für 34 Mitarbeiter - zum Einsatz. Im Rahmen des EU-Programms KONVER 1993 wurden für das Konversionsprojekt "Döberitzer Heide" Fördermittel in Höhe von 470.000 DM zur Verfügung gestellt. Hiermit sollen sowohl eine Konzeptionsentwicklung für Pflege, Naherholung und Ansiedlung/Umwandlung für bebaute Teile als auch unmittelbare Umwandlungs- und berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen finanziert werden.

Im Auftrag des Umweltministeriums werden zur Zeit Träger- und Finanzierungsvarianten für ein Modell untersucht, mit dessen Hilfe für die Aspekte

  • Naturschutzmanagement
  • Biotoppflege
  • Umwelterziehung und
  • internationaler Erfahrungsaustausch

Maßnahmen effektiv, aber auch effizient durchgeführt werden können. Die Basis hierfür hat die Landesentwicklungsgesellschaft im Sommer 1993 in ihrer Planungsstudie "Konzept für die zivile Nachnutzung des ehemaligen Truppenübungsplatzes Dallgow-Döberitz" vorgelegt.

Im März 1995 wurde zur weiteren Überführung der Fläche der Döberitzer Heide in den Naturschutzfonds Brandenburg von Mitgliedern des Fördervereins und des Zentrums für Regionale Konversion e.V. das gemeinnützige Naturschutzzentrum Döberitzer Heide gegründet. In Abstimmung mit dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung sowie mit der Brandenburgischen Boden Gesellschaft sollen neben der Betreuung der Natur und Landschaft auf den Flächen des ehemaligen Truppenübungsplatzes Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sowie Maßnahmen des Artenschutzes durchgeführt werden. Zusätzlich werden Vorarbeiten für die Ausweisung neuer Schutzgebiete übernommen. Weiter ist vorgesehen, bis Ende 1995 die gegenwärtig im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen tätigen 44 Landschaftsschützer schrittweise in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu überführen.

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Einen Konfliktfall der Standortkonversion stellt der ehemalige sowjetische Truppenübungs- und Bombenabwurfplatz Wittstock dar. Hier hält das Bundesministerium der Verteidigung an seinen Planungen fest, den früheren WGT-Übungsplatz in einen Abwurfplatz der Luftwaffe für Übungsbomben umzuwandeln. Das Land, der Landkreis, Anliegerkommunen und Grundstückseigentümer lehnen dagegen diese Pläne der Bundeswehr strikt ab. Anfang 1994 wurde eine Klage eingereicht, durch die die militärische Nutzung des Areals verhindert und Tiefflüge der Bundeswehr untersagt werden sollen. Gestützt wird diese Klage durch die Ergebnisse eines Rechtsgutachtens und der Ermittlungen einer Interministeriellen Arbeitsgruppe, die einen Bestandsschutz des BMVg für die Weiternutzung des Geländes als Truppenübungsplatz verneinen. Im Verlauf des Rechtsstreits wird sich herausstellen, ob sich diese Einschätzung bei Gericht durchsetzt und damit eine zivile Nachnutzung des Geländes vorgenommen werden kann.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000

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