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[Seite der Druck-Ausgabe: S. 28 (Fortsetzung)]

5. Europäische Konversionsprogramme und landespolitische Konversionsstrategien



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5.1 Schwerpunkte der Konversionsaktivitäten in einzelnen Bundesländern

Die landesspezifischen Konversions-Aktivitäten reagieren auf die unterschiedlichen Anpassungsprobleme infolge der für die Regionen typischen strukturellen Abhängigkeiten von Militär und Rüstung individuell. So spielen Probleme der betrieblichen Konversion auf der Agenda der Landesregierung Rheinland-Pfalz nur eine nachgeordnete Rolle. Vielmehr stehen hier Schwierigkeiten der Standort- und der Raumkonversion im Mittelpunkt. Während die Standortkonversion die Umwandlung ehemals militärisch genutzter Liegenschaften umfaßt, beschäftigt sich die Raumkonversion mit der Durchführung nicht liegenschaftsbezogener Maßnahmen mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen oder die erforderlichen infrastrukturellen Voraussetzungen hierfür oder für den kommunalen Bereich bereitzustellen. In Rheinland-Pfalz werden insgesamt 325 Liegenschaften geräumt; von einer Reihe dieser Areale ist das Militär inzwischen bereits abgezogen. 7.800 ha Flächen werden angeboten; dies entspricht ungefähr einem Viertel dessen, was zuvor insgesamt für militärische Zwecke zur Verfügung stand. Auf dieser Fläche können beispielsweise etwa 250 große Gewerbe- oder fast 800 größere Wohngebiete untergebracht werden. Umgerechnet entfällt in diesem Bundesland ca. 1,6 qm freigegebene ehemals militärisch genutzte Fläche auf jeden Einwohner.

In Bremen konzentriert sich die Konversionsförderung dagegen hauptsächlich auf Probleme, die sich aus der starken Abhängigkeit des Landes von der Rüstungsproduktion in quantitativer Hinsicht (Arbeitsplätze, Wertschöpfung), in qualitativer Hinsicht (Innovationspotential, Qualifikationsniveau, Systemfähigkeiten) sowie aus dem hohen regionalen Gefährdungspotential infolge des abrüstungsbedingten Strukturwandels ergeben.

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In Schleswig-Holstein gehört die Unterstützung der wehrtechnischen Industrie bei der Bewältigung von Umwandlungsproblemen zu den landespolitischen Konversionsaktivitäten. Hier sind die Ausgangsbedingungen für betriebliche Konversionsbemühungen besonders ungünstig, weil viele Rüstungsbetriebe Zweigwerke oder Tochterfirmen sind, die von unternehmerischen Entscheidungen außerhalb des Landes abhängen. Die Produktionsstätten stehen damit in Konkurrenz zu anderen, oft größeren Unternehmensstandorten. Deshalb werden viele Konversionsbemühungen von den Muttergesellschaften aus der Sicht der Landesregierung nicht in wünschenswerten Ausmaß unterstützt. Die Schwerpunkte der landespolitischen Aufgaben liegen jedoch im Bereich der Standort- und Raumkonversion, weil sich Schleswig-Holstein seit vielen Jahrzehnten durch die höchste Bundeswehrdichte unter allen Ländern auszeichnet.

Im Land Brandenburg stellt der enorme Umfang des Konversionsvolumens politische Anforderungen vor allem im Bereich der Liegenschaftskonversion. Dies verdeutlicht der Hinweis, daß das zivile Brandenburg durch die Abrüstung um 5% gewachsen ist. Allerdings bildet auch die Freisetzung von ca. 15.000 Berufssoldaten durch die Auflösung der Nationalen Volksarmee eine große Herausforderung für die Konversionsbemühungen. Dagegen spielen die Arbeitsmarktprobleme von Zivilbeschäftigten nur eine geringe Rolle, weil die sowjetischen Streitkräfte deutsche Arbeitskräfte - anders als die Westalliierten - kaum eingesetzt haben.

Wie bereits im Kapitel 1 erläutert, machten sich die Länder zu Beginn der vereinbarten Abrüstungsprozesse Anfang der 90er Jahre Hoffnung auf ein Konversionsprogramm des Bundes. Im Frühjahr 1992 stellte die Bundesregierung jedoch klar, daß es ein solches Programm nicht geben werde, und daß der Bund auch keine Möglichkeit sieht, seine regionalpolitischen Fördermaßnahmen zu verstärken. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Länder die Abrüstungsfolgen aus eigener Kraft bewältigen können. Die finanzielle Basis hierfür bilde das Steueränderungsgesetzes von 1992, nach dem den Ländern aus einer um zwei Prozentpunkte erhöhten Beteiligung am Mehrwertsteueraufkommen allein 1993 und 1994 rund 9 Mrd. DM zur freien Verfügung zufließen. Die Länder teilen diese Einschätzung keineswegs und forderten die Bundesregierung mehrfach auf, einen Bundeskonversionsfonds einzurichten - beispielsweise in dem Beschluß der Wirtschaftsministerkonferenz von März 1992 in Saarbrücken. Da der Bund dieses Sonderprogramm bis heute nicht aufgelegt hat, mußten sich die Länder darauf einstellen, die Konversionsprozesse fast ausschließlich aus eigenen Kräften zu organisieren.

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5.2 Regionale und europäische Konversionskonzepte

Neben den Aktivitäten auf Landesebene wurden auch regionalpolitische Ansätze zur Bewältigung von Konversionsproblemen entwickelt. Hierzu zählt insbesondere das Ende 1991 von der EG-Kommission ins Leben gerufenes Netzwerk "DEMILITARISED" (Decrease in Europe of Military Investment, Logistics and Infrastructures and the Tracing of Alternative Regional Initiatives to Sustain Economic Development). Das Netzwerk, zu dem 16 Teilnehmer - Gemeinden, Regionen, Länder - aus fünf EU-Nationen gehören, hat sich zum Ziel gesetzt, das Problem des militärischen Strukturwandels von der Basis, also von den betroffenen Städten und Regionen aus anzugehen. Eine wichtige Grundlage der Netzwerkarbeit ist der Erfahrungsaustausch zwischen unterschiedlichen Partnern nach dem Motto "Hilfe durch Selbsthilfe".

Unter dem Vorsitz der Stadt Kaiserslautern wurden modellhafte und übertragbare Vorgehensweisen für alle wichtigen Facetten der Konversionsproblematik entwickelt. Für Unternehmen der Rüstungsindustrie fand ein Seminar zur Diversifizierung der Produktpalette statt. Für den Bereich "Liegenschaften" wurde ein Leitfaden zur Bewertung des ökonomischen Potentials erstellt. Aktivitäten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit zielen darauf, die EU-Kommission und Mitglieder des Europaparlaments für die spezifischen Probleme der von Abrüstung betroffenen Gemeinden, Städte und Regionen zu sensibilisieren. Außerdem wurde ein Empfehlungspapier für eine EG-Konversionsförderung vorgelegt, das mit zur Auflage des PERIFRA-Programms (Régions Périphériques et Activités Fragiles) durch die EG-Kommission beigetragen hat. Dieses 1991 initiierte und 1992 weitergeführte Programm zielt auf den Ausgleich nachteiliger Wirkungen

  • aufgrund der Erweiterung der EG um das Gebiet der ehemaligen DDR
  • aufgrund der handelspolitischen Zugeständnisse an osteuropäische Länder
  • aufgrund des Abzugs von Militär aus westeuropäischen Standorten sowie
  • aufgrund der Energieverteuerung infolge des Golfkrieges.

Zusätzlich schlug man der EG-Kommission vor, die Konversionsförderung für den Rüstungsbereich als eine spezifische Aufgabe der Strukturpolitik wie die Umstellung von Stahl- und Kohlerevieren zu behandeln.

In Fortführung von PERIFRA wurde auf Initiative des Europäischen Parlaments 1993 das Förderprogramm KONVER geschaffen, für das in diesem Jahr insgesamt ca. 260 Mio. DM bereitgestellt wurden. Dieses Programm, mit dessen Hilfe die regiona-

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len und sozialen Auswirkungen der Rüstungs- und Standortkonversion aufgefangen werden sollen, war auch innerhalb der Europäischen Union nicht unumstritten. Davon zeugen die reservierte Haltung des Ministerrates gegenüber Konversionsinitiativen der Kommission und Bemühungen, die für KONVER vorgesehenen Mittel nach der ersten Lesung wieder aus dem Haushaltsentwurf zu nehmen. Letztlich konnten sich aber die Programmbefürworter durchsetzen und erreichen, daß die Gemeinschaftsinitiative KONVER in den Jahren 1994 bis 1997 mit einem Mittelvolumen von insgesamt rund 950 Mio. DM fortgeführt wird. Gefördert werden Maßnahmen, die die Diversifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten in Regionen beschleunigen, die vom Strukturwandel in der Rüstungsindustrie und von der Schließung militärischer Standorte stark betroffen sind, und damit zugleich die einseitige Abhängigkeit der Unternehmen vom Rüstungssektor aufbrechen. Die förderungsfähigen Gebiete werden von den EU-Mitgliedsstaaten vorgeschlagen und müssen eins der folgenden Kriterien erfüllen:

  • "Seit dem 1. Januar 1990 haben sie mindestens 1.000 Arbeitsplätze im Rüstungs- und Verteidigungssektor verloren;
  • seit dem genannten Zeitpunkt beträgt die Gesamtzahl der im Rüstungs- und Verteidigungssektor verlorengegangen und der öffentlich angekündigten künftigen Arbeitsplatzverluste 1.000 oder mehr;
  • seit dem 1. Januar 1990 beträgt die Gesamtzahl der im Rüstungs- und Verteidigungssektor verloren gegangenen und die Zahl der bedrohten Arbeitsplätze 1.000 oder mehr. Von den aufgeführten bedrohten Arbeitsplätzen werden nur diejenigen berücksichtigt, die die Kommission und der Mitgliedstaat einvernehmlich als bedroht ansehen..." [ Fn 22: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, C 180/1. 7. 1994, S. 19]

In Deutschland müssen die Bundesländer in sogenannten "Operationellen Programmen" auflisten, welche Maßnahmen sie innerhalb von KONVER fördern wollen. Diese Programme müssen Bestandteil einer kohärenten regionalen Strategie mit Angabe der globalen Entwicklungs- und Umstellungsziele sein. In die Vorbereitung und Umsetzung des Programms sollen lokale und regionale Behörden sowie Wirtschafts- und Sozialpartner einbezogen werden. Mindestens 50% der KONVER-Mittel müssen in Ziel-1- (Regionen mit Entwicklungsrückstand), Ziel-2- (Regionen, die von der rückläufigen industriellen Entwicklung schwer getroffen sind) und Ziel 5b-Gebiete (ländliche Gebiete) fließen, die die EG-Kommission nach der Reform der Strukturfonds 1993 festgelegt hat. In Deutschland sind die neuen Bundesländer

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ab 1994 in die Ziel-1-Förderung aufgenommen worden; in den Ziel-2-Bereich fallen alle alten Bundesländer außer Hamburg und Baden-Württemberg.

Mit den EU-Geldern können sowohl private und als auch öffentliche Projekte gefördert werden. Ergänzende Darlehen stellt die Europäische Investitionsbank zur Verfügung. Prinzipiell dürfen Maßnahmen in allen industriellen Sektoren gefördert werden. Auch bestimme Dienstleistungen - insbesondere des Regionalmarketings - und Infrastrukturen können über diesen Weg durch die EU finanziert werden. Dagegen sollen keine Hilfen für Aktivitäten des militärischen Sektors und des Bereichs der "dual-use"-Produkte gewährt werden.

In KONVER II wird eine programmatische Integration von Wirtschaftsstruktur- und Arbeitsmarktpolitik angestrebt. Zu den förderfähigen Maßnahmen gehört eine breite Palette von Aktivitäten. Unterstützt werden z.B. Unternehmen bei Maßnahmen zur Verbesserung des Know-how durch Finanzierung externer Beratung. Gefördert werden Aktivitäten in den Bereichen Design, Qualitätsverbesserung, computergestützte Produktion und Planung, Marketing, interne Betriebsorganisation, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer. Beantragt werden können auch Zuschüsse für die Bildung lokaler Unternehmenszusammenschlüsse und für Kooperationen, die auf die Verbreitung von innovativen Produktionsmethoden und neuen Organisationsformen zielen. Ebenso ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungszentren, Universitäten, Zentren für Technologietransfer und Ausbildungseinrichtungen förderfähig.

Das KONVER-Programm unterstützt weiter Aktivitäten, die die Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten bzw. ihren Kunden intensivieren wollen, um so neuen Flexibilitäts- und Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Auch die Vermarktung und Diversifizierung von Produkten sowie die Beschaffung besserer Informationen über Markttendenzen fallen in das KONVER ll-Programm. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten befristet Zuschüsse zur Finanzierung der Gehälter von Ingenieuren, Technikern oder Führungskräften, die für Aufstellung und die Durchführung von betrieblichen Modernisierungsplänen eingestellt werden.

Gefördert werden können außerdem Berufsbildungsmaßnahmen für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Belegschaften von Rüstungsunternehmen oder Militäreinrichtungen. Neben Umweltschutzaktivitäten, Altlastenbeseitigung auf alten Militärflächen, Studien zu Konversionsstrategien, Modernisierung der sozialen und wirtschaftsnahen Infrastruktur der Region sowie Fremdenverkehrsaktivitäten steht

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vor allem auch die Gründung oder Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen auf der Förder-Agenda. Schließlich sollen die Unterstützung von Produktinvestitionen, Verbesserungen des Zugangs von Unternehmen zu Risikokapital und Krediten sowie finanzielle Zuschüsse zum Auf- bzw. Ausbau gemeinsamer Dienstleistungen den Handlungsspielraum von kleinen und mittleren Unternehmen verbessern.

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5.3 Konversionsförderung in Bremen



5.3.1 Aktionsbasis

Der regionalpolitische Ansatz, wie er im KONVER-Programm der EU bestärkt wird, fand im Stadtstaat Bremen für den Sektor Konversion eine gute Basis, weil es in dieser Region bereits eine längere Tradition der Konversionsdiskussion und der Konversionsforschung gibt. Bremen war nie nur ein regionales Rüstungsproduktionszentrum, sondern seit langem auch eine Hochburg der Friedensbewegung. Viele Betriebsräte und Vertrauensleute aus Rüstungsunternehmen beschäftigten sich schon zu Beginn der 80er Jahre mit Konversionsprojekten und wurden dabei von der örtlichen IG Metall und dem Kooperationsbereich Universität/Arbeiterkammer Bremen unterstützt. Anfang 1989 entstand unter Mitwirkung der SPD, der Gewerkschaften und von Wissenschaftlern der Universität die Bremische Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung als eine bundesweit einmalige Einrichtung. An den Bremer Senat wurde appelliert, einen Konversionsbeirat einzurichten und einen Fonds zur finanziellen Unterstützung der Umstellung von militärischer auf zivile Produktion einzurichten. Außerdem sollte ein Institut gegründet werden, das diesen Prozeß durch Gutachten und wissenschaftliche Expertisen vorbereitet und flankiert.

In Bremen waren zu Beginn des Konversionsprozesses im Jahr 1989 etwa 16% der Industriebeschäftigten direkt oder indirekt rüstungsabhängig. Zugleich konzentrierten sich aber die Hälfte der industriellen FuE und des industriellen FuE-Personals in der Rüstungsindustrie. Damit war klar, daß das Wegbrechen dieser Potentiale dem Land erhebliche Strukturprobleme bereiten würde.

Von der Mitte 1990 gebildeten Arbeitsgruppe "Wirtschaftliche Folgen der Abrüstung" wurde ein Bericht vorgelegt, der als bundes- und EG-weit einzige umfassende regionale Strukturanalyse von Rüstungsabhängigkeit und den Folgen der Abrüstung

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zu werten ist. Vertieft wurde diese Untersuchung mit ihren erstmals regionalisiert veröffentlichten Datenreihen zur nationalen wehrtechnischen Beschaffung durch den "Bremer Abrüstungs- und Konversionsbericht" in den Jahren 1990/91. In diese Analyse wurden Unternehmensleitungen, Wirtschaftskammern und Unternehmensverbände, also Institutionen einbezogen, die sich bis dahin in der Konversionsdiskussion eher zurückgehalten hatten. Parallel dazu gab es Gesprächsrunden, an denen Vertreter der Rüstungsunternehmen, der Gewerkschaften, des Arbeitskreises "Alternative Produktion", der Bundeswehr, der Kammern sowie der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung teilnahmen. Diskutiert wurde über Mitbestimmungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in Konversionsprozessen und über die Frage, ob die Schaffung von zivilen Ersatzarbeitsplätzen allgemein oder nur in Rüstungsunternehmen gefördert werden sollte.

5.3.2 Konversion als Element der regionalen Wirtschaftsstrukturpolitik

In diesem politischen Diskussionszusammenhang gelang Ende 1992 die Verabschiedung eines bremischen Konversionsprogramms und Anfang 1993 einer betrieblichen Förderrichtlinie mit regionalwirtschaftlichem, den Strukturwandel förderndem Ansatz. Hierbei konnte auf das Instrumentarium, die Erfahrungen, Finanzmittel und Projekte des bestehenden "Wirtschaftsstrukturpolitischen Aktionsprogramms des Landes Bremen" zurückgegriffen werden, wobei jedoch ergänzend originäre Weiterentwicklungen vorgenommen wurden.

Bremen hatte als Mitglied des Kooperationsnetzwerkes "DEMILITARISED" bereits Ende 1991 der EG-Kommission eine Konversionsförderung vorgeschlagen. Mit einer Anmeldung zum EG-Programm PERIFRA 1992 und einem Initiativprogramm zu KONVER 1993 gelang dem Land Bremen ein vergleichsweise schneller Zugang zu Drittmitteln. Bereits der Bremer Konversionsfonds für 1992/93 speiste sich zu einem wesentlichen Anteil aus EG-Fördermitteln. Es folgte ein bremisches Programm zu KONVER II 1994-1997. Parallel hierzu debattierte Bremen mit der EG-Kommission über die betriebliche Konversionsförderung im Bremischen Konversionsprogramm, um den Verdacht auszuräumen, daß seine EG-gestützte Förderpolitik wettbewerbsverzerrende Elemente aufweist. Das Ergebnis dieser Verhandlungen fiel positiv aus und erleichterte Bremen die aktive industrielle Konversionsförderung.

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Mit dem Bremischen Konversionsprogramm vom November 1992 sollten die abrüstungsbedingten strukturellen Anpassungsprobleme bewältigt werden, die sich aus der Abhängigkeit von Rüstungsgüterproduktionen und von Truppenstandorten ergeben. Ein Mangel dieses Programms ist darin zu sehen, daß die öffentlichen Finanzhilfen nur subsidiär und projektorientiert gewährt werden. Es handelt sich auch nicht um ein sektorales Strukturprogramm, das nur exklusiv den Rüstungsunternehmen zur Verfügung steht oder zum Strukturerhalt der Rüstungsindustrie dient. Vielmehr wird das Programm als Teil der regionalen Wirtschaftsstrukturpolitik genutzt. Neben der Umstrukturierung der wehrtechnischen Industrie auf zivile Produkte soll die Entstehung neuer Wirtschaftsstrukturen gefördert werden, um neue Arbeitsplätze als Ersatz für Arbeitsplatzverluste in der wehrtechnischen Industrie zu schaffen. Da das Programm aber keine qualitativ neuen konversionsspezifischen Fördertatbestände schafft, besteht die Gefahr, daß unter dem Deckmantel "Rüstungskonversion" lediglich klassische Wirtschaftsförderung und Standortsicherung durchgeführt wird. Dementsprechend rechnete die Bremer IG Metall beim Konversionsprogramm auch mit zahlreichen Mitnahmeeffekten.

Für die Diskussion über den Stand der Abwicklung des Programms, über die weitere Mittelvergabe und die künftige Akquisition von Drittmitteln wurde Anfang 1993 ein Beraterkreis gegründet. Diesem gelang es, die gesellschaftliche Ebene (Kammern, Unternehmensverbände, Gewerkschaften, Hochschulen, Repräsentanten der Friedensbewegung) mit der betrieblichen Ebene (Geschäftsleitungen und Betriebsräte) informell zusammenzuführen.

Förderempfänger des bremischen Konversionsprogramms können sein

  • Unternehmen der wehrtechnischen Industrie (bei Umstellungsinvestitionen und innovativen Projekten),
  • Zulieferunternehmen der wehrtechnischen Industrie (bei Umstellungsinvestitionen und innovativen Projekten),
  • Existenzgründer bzw. neugegründete Unternehmen in zivilen Produktbereichen/Spin-Offs aus wehrtechnischen Unternehmen (insbesondere bei Errichtungs- und Erweiterungsinvestitionen sowie innovativen Projekten), Hochschulen, Forschungsinstitute und Forscher/Forschergruppen (bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten und bei Maßnahmen der Erweiterung der FuE-Infrastruktur),
  • Entwicklungsträger der Konversion militärischer Standorte (bei Sanierung, Umnutzungsplanung und bei Infrastrukturinvestitionen).

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Es gibt Zuschüsse für Pilotprojekte vor allem im FuE-Bereich, in denen mehrere Unternehmen - nach Möglichkeit unter Beteiligung von zivilen Betrieben - kooperieren. Gefördert werden auch Verbundprojekte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere mit Bezug zu Umwelttechnologien. Außerdem gibt es Zuschüsse für kooperative Maßnahmen mehrerer Wehrtechnik- oder Zulieferunternehmen, die auf eine gemeinsame Erschließung neuer ziviler Märkte zielen. Hilfen für Markterschließungsmaßnahmen sollen vor allem kleinen und mittleren rüstungsabhängigen Unternehmen zugute kommen, deren Absatzbemühungen auf neuen überregionalen und ausländischen Märkten durch eine verstärkte Beteiligung an Messen, Ausstellungen und ähnlichen Veranstaltungen, durch Marktuntersuchungen, Beteiligungen an Ausschreibungen und Angebotserstellungen gefördert werden. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Förderung von "dual use"-Projekten.

Während die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen entsprechend den Kriterien bestehender bremischer wirtschaftsstrukturpolitischer Programme erfolgt, muß für große Unternehmen und Fördersummen, die die Regelgrenzen überschreiten, gegebenenfalls eine Genehmigung durch die EG-Kommission eingeholt werden. Die Anträge auf betriebliche Förderung von Konversionsmaßnahmen sollen mit der Darstellung einer mittelfristigen Konzeption des Unternehmens für die Reduzierung seiner Rüstungsabhängigkeit bzw. für die Konversion militärischer Produkte und Technologien versehen werden. Ergänzend ist auf Arbeitsplatz- und Qualifizierungsaspekte sowie auf die Marktchancen der im Zusammenhang mit der Fördermaßnahme neu zu entwickelnden Produkte und Technologien einzugehen.

Mit Hilfe der mittelfristigen betrieblicher Konversionskonzepte können Mitnahmeeffekte leichter identifiziert und begrenzt werden. Sie erlauben außerdem, strategische Zusammenhänge jedes Einzelprojekts besser zu diskutieren. Dabei kann in Bremen auf die Kompetenz fördertechnischer Experten und externer Technologieberater zurückgegriffen werden. Außerdem kann der Konversionsbeauftragte beim Senator für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie als Verantwortlicher für die Abwicklung der Konversionsförderung in die Konsultationen über die betriebliche Konversion Projektarbeitskreise einschalten, die in Unternehmen unter Beteiligung von Arbeitnehmervertretern gebildet werden können. Hinzu kommt, daß die relativ hohen Förderquoten (bei Erfüllung mehrerer Kriterien bis zu 65%) einen vergleichsweise starken Anreizeffekt ausüben können und daher Mitnahmeeffekte zurückdrängen.

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Insgesamt handelt es sich bei der bremischen Konversionsförderung aber nur um ein relativ kleines wirtschaftsstrukturpolitisches Programm. Bis zum Frühjahr 1995 wurden - ohne die Truppenstandorte-Konversion (knapp 5 Mio. DM) - etwa 12 Mio. DM in 18 Projekten gebunden, die zu einem großen Teil erst Anfang 1994 begonnen haben. Da aber allein schon die Lösung des Problems der Truppenstandorte-Konversion nach ersten Schätzungen Infrastrukturinvestitionen in Höhe von ca. 300 Mio. DM für ein 124 ha großes Areal erfordert, kann der Bremische Konversionsfonds nur als Initialprogramm zur Förderung des regionalen Umstrukturierungsbedarfs verstanden werden.

Als Impulsprogramm "ist die Konversionsförderung in das Wirtschaftsstrukturpolitische Aktionsprogramm (WAP) des Landes integriert, wodurch die hierfür vorhandenen Instrumente zum Zweck der Rüstungskonversion mobilisiert werden können (z.B. Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung, Zuschüsse aus dem Mittelstandsprogramm, Risikokapital nach dem Bremischen lnnovationsfonds)." [ Fn 23: Wolfram Elsner zitiert in Peter Strutynski: "Konversion: Das Einfache, das so schwer zu machen ist - Ein Tagungsbericht", in: BWI - Wirtschaftsdienst Brandenburg, Heft 19, Oktober 1994, S. 14]
Die Verausgabung der Mittel läuft im wesentlichen nach den Kriterien der bereits bestehenden Förderprogramme, vor allem des

  • Technologiefonds (Bremisches Innovationsprogramm, Bremischer Innovationsfonds Technologie),
  • Ökologiefonds (Bremisches Programm zu Förderung der Anwendung von Umwelttechnologien, Bremischer Innovationsfonds Ökologie) und
  • Mittelstandsfonds (Mittelstandsförderungsprogramm einschließlich Mittel der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur").

Da das Bremische Konversionsprogramm selbst nach der deutlichen Aufstockung durch die Gemeinschaftsinitiative KONVER 1994-1997 ein relativ kleines Programm bleibt, hatte die Konversionsförderung bisher nur einen begrenzten Einfluß auf die Entwicklung des bremischen Rüstungssektors. Die Zahl der direkt rüstungsabhängigen Arbeitsplätze sank zwischen Anfang 1990 und Ende 1993 um etwa 21%. Zwar konnte mehr als die Hälfte der in der Rüstung unmittelbar weggefallenen Arbeitsplätze innerbetrieblich in die Produktion ziviler Güter konvertiert werden. Diese hohe "Konversionsquote" ist wohl auch auf die Wartehaltung der Unternehmen zurückzuführen, die zum Teil Personal gehortet und mit zivilen Entwicklungen be

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schäftigt haben, obwohl der Durchbruch zu neuen Produkten mit langfristig sicheren Absatzmärkten noch nicht gefunden war. Statistisch erkennbar sind bis Ende 1993 nur ca. 250 Arbeitsplätze der öffentlichen Konversionsförderung zu verdanken und zwar fast ausschließlich hochwertige FuE-Arbeitsplätze. Dagegen ist die deutliche Mehrheit von Arbeitsplätzen allein durch Marktprozesse konvertiert worden. Diese Zahlen dämpfen allzu hohe Erwartungen an die öffentliche Förderung.

Da bisher noch keine generelle Programmevaluierung erfolgt ist, gibt es über die Zusammenhänge von marktstrategischen Positionen, betrieblichen Produktions- und Kostenbedingungen, Anpassungsstrategien und entsprechend optimalen Ansatzpunkten für eine Konversionsförderung nur grobe Vorstellungen, Man kann aber davon ausgehen, daß das Wachstum des zivilen Produktionsanteils kein kontinuierlicher Prozeß ist. Vielmehr setzt die Entwicklung vom "Wehrtechnikunternehmen mit Zivilanteilen" zum "zivilen Unternehmen mit Wehrtechnikanteilen" einen qualitativen Sprung voraus, bei dem sich die Produktionsverlagerung vom militärischen auf den zivilen Bereich umbruchhaft vollzieht. In Bremen stellte beispielsweise das konversionsaktivste Unternehmen von sich aus Anträge zur Förderung der Veränderung der gesamten Ablauforganisation und umfangreicher Qualifizierungsmaßnahmen, als sein Rüstungsanteil von 90% auf 60% geschrumpft war. Hingegen können sich Unternehmen mit noch 70% bis 90% Rüstungsabhängigkeit nur schwer dazu durchringen, konversionsorientierte FuE-Projekte und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen der Beschäftigten innerbetrieblich zu integrieren und für entsprechende Pilotmaßnahmen Fördermittel zu beantragen.

5.3.3 Konversionsnetzwerke als Lernfeld für sektoralen Strukturwandel

Obwohl sich die regionalwirtschaftliche Relevanz der Förderung nicht in der Anzahl der gesicherten und geschaffenen Arbeitsplätze erschöpft, liegt die Bedeutung der Konversionsförderung eher im Experimentier- und Lernfeld für den industriellen Strukturwandel und für die Weiterentwicklung strukturpolitischer Ansätze in den Regionen. Dabei geht es um die Frage, welche Erkenntnisse aus der Entwicklung der regionalen Rüstungsindustrie für die Analyse betrieblicher Umstrukturierungsprozesse und für eine Analyse des Strukturwandels in der Region insgesamt zu ziehen sind, und welche Rolle die Wirtschaftsstrukturpolitik auf regionaler Ebene spielen kann. Die Praxis eines regionalen Konversionsprogramms kann Hinweise darauf geben, ob die Strukturpolitik den Strukturwandel in Richtung der Alternative "Konversion" beeinflussen kann.

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Der wehrtechnische Bereich bildet als eine Querschnittsbranche, die sich in verschiedenen Branchen der Industriestatistik wiederfindet, für industriepolitische Strategien einen günstigen Ausgangspunkt, weil sich industriepolitische Handlungsansätze auf breit definierte Branchen oder Märkte oder sektorale Verbundkomplexe orientieren sollten. Die Wehrtechnikindustrie weist grundsätzlich Eigenschaften eines derartigen Verbundkomplexes auf, da sie sowohl Endhersteller und Zulieferer, Systemlieferanten und Teilelieferanten sowie Dienstleister umfaßt (beispielsweise bei den Systemen "Schiff" und "Flugzeug"). Sie kann wegen ihres Technologiepotentials und ihres Querschnittscharakters ein regionaler Entwicklungskern für zivile Produktionen werden. Diese Entwicklungsstadium konnte in Bremen aber bisher wegen der Abgeschlossenheit gegenüber der Region noch nicht erreicht werden.

Bezogen auf die Branche werden in der Konversionsförderung in Bremen vorrangig Kooperationsprojekte gefördert, vor allem mit qualitativen Instrumenten wie "Kommunikation", "Koordination" und "Klimaschaffung". Allerdings ist eine rein sektorale Netzwerkbildung zwischen konkurrierenden Unternehmen der wehrtechnischen Industrie im Sinne langfristig vereinbarter horizontaler Kooperationen noch nicht erfolgt. In einzelnen Technologiegebieten gibt es aber bereits regionale Arbeitskreise unter Leitung neutraler Forschungs- und Transferinstitute mit Beteiligung wehrtechnischer Unternehmen. Ein Versuch der bremischen Wehrtechnikindustrie, eine "Strategische Initiative Umweltschutz" zu bilden, scheiterte zwar schon in der Anfangsphase. Es ist aber zu beobachten, daß langjährige Konkurrenten in bestimmten Technologiefeldern - mit sanftem Druck von der Förderseite - damit beginnen, sich über einzelne nahe beeinanderliegende Konversionslinien abzustimmen und arbeitsteilige Projektanträge zu erarbeiten. In Zukunft soll die Bildung von Anbieterkonsortien gezielt unterstützt werden, insbesondere wenn netzwerkbezogene (sektorale oder technologische) Infrastrukturen erreichtet werden, die von überbetrieblicher Bedeutung sind.

Mit der Netzwerkbildung kann auch die regionalwirtschaftliche Bedeutung von Aktivitäten der Rüstungsindustrie erhöht werden. Dafür werden bessere Kenntnisse über regionale Lieferverflechtungen und die damit verbundenen Multiplikatorzusammenhänge benötigt. Gefördert wird die auf Konversion und Integration der Rüstungsbranche ausgerichtete regionale Kooperation u.a. durch Projekte zwischen Rüstungs- und zivilen Unternehmen sowie durch Verbundprojekte zwischen Wehrtechnikunternehmen. Ergänzend werden spezifische Infrastrukturen unterstützt, die das Entstehen eines regionalen Entwicklungskerns aus der Branche

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bzw. unter ihrer Beteiligung voranbringen sollen. Hierzu zählt z.B. ein Transferinstitut, das im Zusammenhang mit einer Demonstrations- und Prüfanlage am bremischen Klärwerk und mit einem neuen umwelttechnologischen Forschungszentrum an der Universität Bremen eingerichtet wurde. In diesem Institut können Kernkompetenzen der Rüstungsindustrie in Sensortechniken, Simulationstechniken und Systemsteuerung im Bereich der Wasser- und Abwasser-Analytik , -Sensorik und -Aufbereitung angewendet und weiterentwickelt werden. Dazu wird mit dem Bremer Institut für Abwasserentsorgungs-Technologien eine spezifische Prüf-, Forschungs-, Transfer-, Beratungs- und Qualifizierungseinrichtung geschaffen, die Katalysatorfunktionen übernehmen soll.

Die vielerorts feststellbaren Konversionsblockaden und die aus Enttäuschung geborene Abkehr vom Ziel der Konversion konnten in Bremen bisher verhindert werden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß breit angelegte regionale Konversionsstrategien entwickelt und mit einem ausbalancierten regionalen Kräftesystem realisiert werden. Es haben sich erste vertrauensvolle Kommunikations- und Kooperationsstrukturen etabliert. In diese Konversionsnetzwerke werden die regionalen staatlichen Vertreter - ursprünglich Initiatoren der Prozesse - zunehmend als gleichberechtigte Partner integriert.

Die bislang erzielten Erfolge deuten darauf hin, daß sich die Konversionsförderung in Bremen auf dem richtigen Weg befindet. Es hat sich gezeigt, daß Konversion unter bestimmten Bedingungen eine machbare, ja sogar zentrale Form des sektoralen Strukturwandels in der Region werden kann. Allerdings befinden sich die Akteure der Konversions-Netzwerke in Konflikten mit retardierenden Kräften. Schwächen des Bremer Modells liegen darin, daß es dem regionalen Konversionsprozeß

  • aufgrund unzureichender Finanzmittel an Dynamik,
  • an Konsistenz der einzelnen Projekte,
  • an Transparenz für die Öffentlichkeit und an Kompetenzen des Beraterkreises fehlt. [ Fn 24: Christoph Butterwegge: Rüstungskonversion als regionalpolitische Strategie. Stand und Perspektiven der Konversionsdiskussion, in: WSI Mitteilungen 1/1995, S.36]

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 41]

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5.4 Konversionsförderung in Brandenburg



5.4.1 Rahmenbedingungen und Instrumente

Das Land Brandenburg hatte als einziges Bundesland einen Beauftragten des Ministerpräsidenten für Konversion eingesetzt und damit den Konversionsaufgaben eine hohe politische Priorität zugewiesen. Mit dieser Institutionalisierung wurden günstige Voraussetzungen geschaffen, um relativ schnell ein gewisses Regelwerk für Konversion in Gang zu setzen. Für Konversionsfragen konnten durch den direkten Zugang zum Ministerpräsidenten in vielen Fällen rasch unbürokratische und praktische Lösungen gefunden werden. Dies gilt beispielsweise für den Wohnungsbau im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte und ihrer Familienangehörigen. Hier wurden mit Hilfe eines Konversionsunternehmens aus Brandenburg [ Fn 25: Vgl. den Fall BUCK INPAR in Kapitel 4.2.3] Fertighäuser für Rußland gebaut. Für den Übergangszeitraum zwischen dem vertraglich vereinbarten Verlassen der militärischen Liegenschaften und den erst später in Rußland vorhandenen Wohnungen konnten Wohnquartiere in Brandenburg genutzt werden. Dieses Wohnungsbau-Projekt hat nicht nur zur Lösung sozialer Probleme beigetragen, sondern auch ehemalige russische Soldaten als Manager und Techniker für modernen Hausbau qualifiziert. [ Fn 26: Helmut Domke: "Military Conversion - The East German Case", Potsdam 20. Januar 1993]

Der Bevollmächtigte für Konversion war allerdings nur bis 1994 im Amt. Den Schwerpunkt seiner Aktivitäten bildete der Abzug der Westgruppe der Truppen WGT (ehemals sowjetische Streitkräfte) bis zum 31.8.1994. Sein Arbeitsstab ging reduziert als Konversionsreferat in die Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie über. Damit nimmt die Konversion eine etwas schlechtere Position ein, denn sie befindet sich jetzt in Konkurrenz mit anderen Ministerien um knappe finanzielle und personelle Ressourcen des Landes.

1992 verabschiedete das Land Brandenburg die Leitlinien für Konversion, die an Artikel 40, Absatz 5 der Verfassung anknüpfen, in dem die verstärkte zivile Nutzung militärischer Liegenschaften festgelegt ist. Die Leitlinien haben im wesentlichen politisch-programmatischen Charakter. Sie wollen helfen, das Interesse für Konversion wach zu halten. Weil Konversion in Deutschland noch keine Lobby hat, werden die-

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jenigen ermutigt, "die sich mit den Hinterlassenschaften von Jahrzehnten voller Rüstung, militärischer Übungen, Kriegsvorbereitungen, Krieg und zuletzt des 'Kalten Krieges' abzuplagen haben." In den Leitlinien wird Konversion als gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe im Schnittpunkt von Friedens-, Abrüstungs-, Wirtschafts-, Umwelt-, Regional-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Kulturpolitik definiert, für die auch der Bund in die Verpflichtung genommen werden muß. Festgeschrieben wird, daß die Landesregierung dem Landtag jährlich einen Konversionsbericht zur Beratung vorzulegen hat.

Für die Verwaltung und Verwertung von WGT-Liegenschaften wurde 1994 ein Gesetz verabschiedet, das für die zivile Nachnutzung ehemaliger militärischer Liegenschaften folgende Verwertungsziele vorsieht:

  • Deckung dringenden Wohnbedarfs
  • Anregung der Investitionstätigkeit
  • Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen
  • Förderung kommunaler und regionaler Entwicklung
  • Erhaltung siedlungsfreier Räume und Naturschutzflächen
  • Verbesserung der Agrarstruktur und des ländlichen Raumes sowie Entwicklung der Forstwirtschaft
  • breite Streuung des Eigentums, insbesondere des Wohneigentums sowie Unterstützung von Existenzgründern
  • Ausgleichsflächen zur Unterstützung der Abwicklung von Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz.

Wichtig ist dabei, daß die Verwertungen unter Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Produkten brandenburgischer Unternehmen und im Zusammenwirken mit öffentlichen Planungsträgern erfolgen sollen.

Für die Liegenschaftskonversion, die mit der Übernahme von ca. 93.000 ha ehemals von den Sowjetstreitkräften genutzten Militärliegenschaften durch das Land Brandenburg einen erheblichen Bedeutungszuwachs zu verzeichnen hat, wurden neue Instrumente für das Konversionsmanagement geschaffen worden, so z.B. die Brandenburgische Boden GmbH, die Projektgesellschaft Wünsdorf, die Clearingstelle Fürstenberg sowie regionale Konversionszweckverbände und Arbeitsgemeinschaften. Die Finanzierung der mit der Liegenschaftskonversion verbundenen Kosten für das Land soll nach einem revolvierenden Prinzip erfolgen: Die aus der Verwertung erzielten Erlöse (insbesondere durch den Verkauf an private Investoren)

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fließen dem Sondervermögen "Grundstücksfonds Brandenburg" zu, aus dem vor allem die grundstücksbezogenen Kosten für die Verwaltung, Entwicklung, Verwertung und evtl. Sanierung der Liegenschaften abzudecken sind.

Für den Erwerb von Liegenschaften durch Städte und Gemeinden gibt es Verbilligungsmöglichkeiten. Bis zu 8.000 ehemals durch die sowjetischen Truppen genutzte Wohnungen sollen vorzugsweise auf Gemeinden bzw. kommunale Wohnungsgesellschaften unentgeltlich für den sozialen Wohnungsbau übertragen werden. Das erste genuine Konversionsförderungsprogramm hat das Land 1994 mit einem Finanzvolumen von 300 Mio. DM für die schnelle Nutzbarmachung von Wohnraum aus dem Bestand der ehemaligen WGT-Liegenschaften aufgelegt. Langfristig dürften für die Sanierung des Potentials von mindestens 20.000 Wohneinheiten insgesamt 1,2 Mrd. DM zur Verfügung gestellt werden.

Nach einer ersten Sichtung von Anzahl, Größe und Umweltschäden der Militärliegenschaften traf die Landesregierung zwei grundlegende Entscheidungen: Der erste Grundsatz sieht vor, daß die Liegenschaftskonversion nur nutzungsabhängig vonstatten gehen soll. Dabei wird davon ausgegangen, daß die ehemaligen Militärflächen nur in den wenigsten Fällen in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Deshalb muß zunächst der zukünftige Nutzungszweck im Rahmen der kommunalen Planungshoheit und/oder durch eine Investorenentscheidung festgelegt werden. Auf dieser Basis ist dann der Grad der Wiederherstellung des Geländes - z.B. durch Bodenreinigung - zu bestimmen.

Nach dem zweiten Grundsatz ist eine Prioritätenliste zu erstellen, die vorschreibt, wo, wann und mit welchen Mitteln der Konversionsprozeß voranzubringen ist. Die interministerielle Arbeitsgruppe "Streitkräfte und Konversion" entwickelte bereits für den "Jahresbericht Konversion 1992" eine solche Prioritätenliste für die Konversion in Brandenburg, die als Lösung für das Spannungsfeld zwischen Umfang des Konversionsvolumens einerseits und knappen Finanzmitteln andererseits zu werten ist. Auch die Verwertungsrichtlinien zum WGT-Gesetz nehmen hierauf ausdrücklich Bezug. Die Prioriätenliste hat keinen Ausschließlichkeitscharakter. Sie betrifft Objekte, bei deren Auswahl die Einpassung in das Leitbild der dezentralen Konzentration und die Signalwirkung für besonders durch Konversionsaufgaben betroffene Kommunen berücksichtigt wurden. Die Aufnahme in die Prioritätenliste bedeutet, daß die zuständigen Ressorts aufgefordert sind, Mittel aus für Konversion nutzbaren Förderprogrammen konzentriert in den prioritären Standorten und Sektoren einzusetzen.

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An vorderster Stelle in der Prioritätenliste 1993 stehen die Standorte Fürstenberg, Wünsdorf, Jüterbog, Fürstenwalde und Eberswalde. Weiter spielen Liegenschaften mit besonderen städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle; hierzu zählen:

  • die Panzerkaserne in Neuruppin,
  • die Jägerkaserne in Lübben,
  • die Kaserne Nuhnenstraße in Frankfurt (Oder),
  • das Olympische Dorf (Dallgow) und
  • ehemalige Grenztruppenobjekte in Freienbrink und Groß-Glienicke.

Wegen ihres Pilotcharakters bilden auch die folgenden Projekte Schwerpunkte der Konversionsarbeit:

  • die Umschulungsmaßnahmen für ehemalige NVA-Angehörige in Strausberg und für deutsche Zivilbeschäftigte im ehemaligen WGT-Betrieb "Progress-Werk" in Zeesen,
  • das Naturschutz-Projekt Döberitzer Heide,
  • das Projekt "Waldstadt" in Bad Freienwalde,
  • die Nachnutzung des Objektes Heidefeld in Rathenow für Gewerbezwecke

    und

  • die zivile Nutzung des WGT-Flugplatzes Eberswalde.


5.4.2 Förderprogramme und -ergebnisse

Die speziell für Konversionsförderung vorgesehenen Finanzmittel des Landes sind sehr begrenzt. Deshalb kann die Landesregierung dem politisch gewollten Prozeß der Abrüstung und Konversion nur Impulse geben. Es gibt allerdings eine Reihe von Förderprogrammen des Bundes und des Landes, die für Konversionsvorhaben genutzt werden können. Mit dem "Ratgeber Konversion" und seinen Ergänzungen wird Interessenten ein Überblick über Förderprogramme für Kommunen und Unternehmen sowie für die personale Konversion gegeben. Dennoch hat sich die Unübersichtlichkeit der vorhandenen Fördermittel ("Förderdschungel") als eines der Hemmnisse für Konversion erwiesen.

Das Landesprogramm "Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg", mit dem generell einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen entgegengewirkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, bietet auch vielfältige Möglichkeiten für die Förderung der

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personalen Konversion. Allerdings gibt es bei den Arbeitsämtern keine Registration ehemaliger Berufssoldaten, so daß es nicht möglich ist, die zivile Umstellung für diesen Personenkreis genau zu verfolgen. In Hochburgen arbeitsloser Berufssoldaten - wie z.B. in Strausberg - hat die Landesregierung mit der Förderung von Projekten der Requalifizierung unterstützend eingegriffen. Beispielsweise wurden mit dem "Konversionsmanager" und dem "Entsorgungsfacharbeiter" neue Berufsprofile geschaffen, für die eine abschließende Bewertung noch nicht möglich ist, weil die umgeschulten Personen erst vor kurzem in neue Arbeitsverhältnisse vermittelt werden konnten. Das gilt auch für 25 ehemalige Zivilbeschäftigte des Panzerreparaturwerks Zeesen bei Königs Wusterhausen, die in ein Projekt nach § 249 h Arbeitsförderungsgesetz übernommen wurden. [ Fn 27: Im Rahmen von Arbeitsförderungsmaßnahmen nach § 249 h AFG sind umweltrelevante Arbeiten und Renaturierungen auf ehemaligen Militärflächen möglich.]
Auch hier wird sich erst in einigen Jahren zeigen, ob diese Maßnahme zu neuen stabilen Arbeitsverhältnissen geführt hat. Insgesamt waren im Frühjahr 1995 ca. 1.800 Menschen im Rahmen von ABM und § 249 h AFG-Maßnahmen auf Konversionsflächen tätig.

Neben den eigenen und den Bundesmitteln nutzte das Land die Förderprogramme der EU (PERIFRA l und II sowie KONVER 1993). Im Fall des KONVER-Programms wurde erreicht, daß die Kriterien für die Vergabe von Fördermitteln den Bedürfnissen der neuen Bundesländer angepaßt wurden, indem zusätzlich zur personalen Konversion auch die Liegenschaftskonversion, die insbesondere in Brandenburg den Schwerpunkt des Konversionsgeschehens ausmacht, in die Förderrichtlinien der EU aufgenommen wurde. Innerhalb der Gemeinschaftsinitiative KONVER für die Rüstungs- und Standortkonversion sind neben investiven Maßnahmen und Umweltsanierungen auch Konversionsprogramme und -studien, Entwicklungs- und Planungskonzepte sowie Machbarkeitsstudien zur Unterstützung der Standortkonversion förderfähig, soweit sie Sicherheit für umsetzungsfähige Maßnahmen bieten. Ebenso sind Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für ehemaliges militärisches Personal, für Zivilbeschäftigte von Militärstützpunkten sowie für Beschäftige von Unternehmen mit dominierender Rüstungsproduktion förderfähig.

Aus dem KONVER-Jahresprogramm 1993 standen dem Land einschließlich der 50% Komplementärfinanzierung insgesamt 17 Mio. DM für die Realisierung von Vorhaben an den Standorten zur Verfügung, die gemäß der Prioritätenliste am mei-

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sten von Konversion betroffen sind. Dementsprechend wurden also insbesondere Vorhaben gefördert, die einen investiven Charakter haben und durch Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen einen direkten Einfluß auf die wirtschaftliche Neubelebung der Regionen ausüben. Brandenburg wird auch aus der KONVER-lnitiative für 1994-1997 Mittel zur Finanzierung von Konversionsprojekten nutzen.

Die Erfahrungen in Brandenburg zeigen, daß Konversion zwar auf die politische, organisatorische und finanzielle Unterstützung angewiesen ist. Notwendig sind aber auch Wagemut, Kreativität und die Bereitschaft zum Umdenken bei den am Konversionsprozeß Beteiligten. Erfolgreiche Konversionen kamen vor allem dann zustande, wenn Kommunalpolitiker selbst initiativ wurden. In Groß Glienicke war es eine Bürgermeisterin, die ein ehemaliges Kasernengebäude quasi kommunal besetzte und damit die Voraussetzungen für die spätere Umwidmung in eine Schule schuf. In einem anderen Fall war es ein Bürgermeister, der gemeinsam mit einer kooperativen Bundesvermögensverwaltung erreichte, daß heruntergekommene Wohngebäude der ehemaligen sowjetischen Streitkräfte für eine symbolische Mark pro Haus angeboten werden konnten. Dies führte in Verbindung mit weiteren außergewöhnlichen Anreizen dazu, daß es heute eine voll bezugsfertige und weitgehend bewohnte Siedlung und eine weitere im Aufbau befindliche Siedlung in der Gemeinde Altes Lager bei Jüterbog gibt.

Insgesamt hebt der Jahresbericht Konversion 1993/94 folgende Ergebnisse der Konversionsarbeit der Landesregierung Brandenburg hervor:

  • 1.700 ehemalige WGT-Wohnungen wurden bzw. werden gegenwärtig als Sozialwohnungen instandgesetzt und modernisiert.
  • Auf 32 Militärbrachen in Städten und Gemeinden wurde mit der Schaffung von Baurecht begonnen.
  • Die Entwicklung von etwa 10 Gewerbeflächen wurde in Angriff genommen oder befindet sich unmittelbar vor dem Abschluß.
  • Die Umstellung der größeren ehemaligen Rüstungsbetriebe auf zivile Produktionslinien verläuft vor allem in den Fällen Bück INPAR Pinnow und MGB Mittenwalde erfolgversprechend.
  • Verwaltungseinrichtungen, Schulen, Gerichte und Fachhochschulen entstehen vorzugsweise auf ehemaligen Militärflächen.
  • Mehr als 1.400 ABM-Stellen sind im Konversionsbereich geschaffen worden bzw. in Vorbereitung.
  • Durch Umweltvorsorgemaßnahmen auf den WGT-Liegenschaften konnten
  • Kosten in Millionenhöhe vermieden werden.

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 47]

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5.5 Konversionsförderung in Schleswig-Holstein

Für die Bewältigung der auf das Land Schleswig-Holstein zukommenden Konversionsaufgaben wurde bereits im Jahr 1990 mit der Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe "Wirtschaftliche Folgen der Abrüstung" eine Basis geschaffen. Ergänzend wurde im Frühjahr 1991 ein Konversionsreferat im Ministerium für Wirtschaft, Technik und Verkehr eingerichtet. Die Landesregierung führte in den folgenden Jahren eine Reihe von Konferenzen durch, in denen über die Probleme der Konversion diskutiert und über Handlungsmöglichkeiten informiert wurde.

In der Wirtschaftspolitik des Landes nimmt die Konversionsförderung seit 1991/1992 eine herausgehobene Rolle ein. Wie Brandenburg legte auch Schleswig-Holstein eine Prioritätenliste für die bevorzugte Berücksichtigung in den Förderprogrammen fest. Als Kriterien für die Auswahl der konversionspolitischen Problemstandorte fungierten:

  • in der Region muß der Anteil der Bundeswehrbeschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen über 10% liegen,
  • die Truppenabbaurate ist höher als 20%,
  • die Arbeitslosigkeit in der Region liegt über dem Landesdurchschnitt.

Diese Anforderungen erfüllen die zehn Standorte Husum, Leck, Flensburg, Süderbrarup, Kappeln, Kiel, Ekernförde, Großenbrode, Oldenburg und Neustadt. Diese Städte und Gemeinde sollen bei allen zur Verfügung stehenden Förderprogrammen bevorzugt berücksichtigt werden. Bei der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" werden primär Maßnahmen zum Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur unterstützt. Einzelbetriebliche Förderung erhalten fast nur noch Unternehmen an Konversionsstandorten. Auch das "Regionalprogramm für strukturschwache ländliche Räume in Schleswig-Holstein" berücksichtigt die Konversionsstandorte mit Vorrang; hier wurden in den Jahren 1992 bis 1994 insgesamt 15 Vorhaben mit rund 25 Mio. DM gefördert.

Im Rahmen der europäischen Förderkulisse "Ziel-5-b" für den ländlichen Raum, die zwischen 1994 und 1999 insgesamt öffentliche Mittel in Höhe von 425 Mio. DM zur Verfügung stellt, wird ein wichtiges Kriterium für den schwerpunktmäßigen Einsatz der Mittel die Frage des Truppenabbaus und der Abrüstungsfolgen sein. Im Städtebauförderprogramm des Landes spiegelt sich die prioritäre Förderung von Konversionsstandorten im Jahre 1995 in einem Anteil von 45%. Außerdem wurden zur Minderung der aus dem Truppenabbau resultierenden negativen Folgen 1993/94

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rd. 4,5 Mio. DM an Zinszuschüssen für kommunale Investitionsmaßnahmen bereitgestellt; hierdurch konnte ein Darlehensvolumen von fast 30 Mio. DM verbilligt werden. An der Gemeinschaftsinitiative KONVER l (1993) partizipierte das Land mit 4,3 Mio. DM. Aus KONVER II (1994-1997) werden rund 17 Mio. DM nach Schleswig-Holstein fließen, die das Land mit einer Kofinanzierung von 10 Mio. DM ergänzt.

Das Ministerium für Wirtschaft, Technik und Verkehr koordiniert seit 1992 die Anschlußnutzung von Militärliegenschaften zwischen Land, Kommunen und privaten Interessenten. Gefördert wird hierbei vor allem die Entwicklung von Nutzungskonzepten (auch Lärmschutzgutachten, Altlastenuntersuchungen) und die Durchführung von baulichen Maßnahmen. An einigen Standorten will das Land freiwerdende Grundstücke und Gebäude für die Unterbringung eigener Landeseinrichtungen (z.B. Polizeidienststellen, Gewerbeaufsichtsamt) nutzen. Mit Hilfe der sich im Frühjahr 1995 in Gründung befindlichen Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) sollen vorrangig an Konversionsstandorten neue integrierte Entwicklungsmaßnahmen initiiert werden.

1992 beschloß die Landesregierung, daß in den Nahbereichen der zehn vom Truppenabbau stark betroffenen Problemstandorte in den nächsten Jahren jeweils mindestens ein größeres Projekt von strukturpolitischer Bedeutung durchgeführt und mit Landeshilfe gefördert wird. Zuschüsse in Höhe von rd. 66 Mio. DM und zinsgünstige Darlehen in Höhe von rd. 61 Mio. DM wurden inzwischen schon für Projekte an sieben Problemstandorten gewährt. Dabei handelt es sich z.B. um

  • die zivile Anschlußfinanzierung der freiwerdenden Marineküstendienstschule in Großenbrode,
  • die Umgestaltung der Schiffsbrücke in Flensburg,
  • die Errichtung eines großen Fähranlegers auf dem Ostufer sowie die Baureifmachung der daran angrenzenden Industriebrache für Gewerbe und Wohnen in Kiel,
  • die Errichtung eines Technik- und Ökologiezentrums in Eckernförde und
  • den Bau eines Bildungszentrums für Tourismus und Gastronomie in Husum.

Im Wehrgütersektor erfolgten die Konversionsbemühungen in Schleswig-Holstein vor dem Hintergrund ungünstiger Rahmenbedingungen, weil viele Betriebe hier Zweigwerke oder Tochterunternehmen sind und deshalb von unternehmerischen Entscheidungen außerhalb des Landes abhängen, die nicht nur aus der Konver

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 49]

sionsperspektive gefällt werden. Trotzdem bemüht sich die Landesregierung, Prozesse der betrieblichen Konversion zu forcieren. Anfang 1994 wurde der Arbeitskreis "Betriebliche Konversion" mit Federführung des Ministeriums für Wirtschaft, Technik und Verkehr gegründet. Dieser Arbeitskreis hat die Diskussion geeigneter Fördermaßnahmen zur Beschleunigung des Konversionsprozesses und die Intensivierung des Informations- und Erfahrungsaustausches zur Aufgabe. In dem Arbeitskreis sind alle für diesen Bereich verantwortlichen Akteure (z.B. betroffene Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern, Verbände, Hochschulen, Arbeitsverwaltung) vertreten. Der Arbeitskreis hat auch entscheidend bei der Ausgestaltung der betrieblichen Konversion innerhalb des KONVER-ll-Programms mitgewirkt.

Entsprechende Maßnahmen werden ergänzend durch die Förderinstrumente des Landes unterstützt. So werden aus den Landesprogrammen "Moderne Technologien" und "Produktinnovation" bereits seit 1990 insgesamt 26 betriebliche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit Zuschüssen von insgesamt 12,4 Mio. DM gefördert. Daneben sollen unter Projektleitung der Technologie-Transfer-Zentrale 12 Einrichtungen im Land, die eine Kernfunktion für den Technologie-Transfer haben (u.a. Hochschulen, Forschungseinrichtungen), durch ein flexibles, offenes DV-gestütztes Kooperations-, Technologietransfer- und Informationsnetz verbunden werden. Aufgabe dieser Netze ist, entscheidend zur Diversifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der vom Rüstungssektor stark abhängigen Regionen beizutragen. Außerdem ist geplant, betriebliche Konversionsprozesse in verschiedenen Unternehmen mehrere Jahre lang von externer Seite zu beobachten und zu unterstützen. In diesem Zusammenhang soll es auch einzelbetriebliche Beratungen für notwendige Umstellungsmaßnahmen sowie zur Entwicklung und Umsetzung von Qualifizierungsstrategien geben.

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5.6 Konversionsförderung in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz hat die Landesregierung seit 1989 eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen getroffen, um den Konversionsprozeß zu steuern. Von Anfang an hat die Landesregierung ihre Konversionspolitik in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen Gebietskörperschaften entwickelt. Über die Jahre hinweg fanden viele Veranstaltungen insbesondere mit der Zielsetzung statt, regionale und kommunale Konversionsstrategien zu verfeinern sowie konkrete Maßnahmen zu ergänzen und abzurunden. Allein im Jahre 1994 wurde auf sechs Regionalkonferenzen des Innenministers über Konversionsprobleme und Lösungsansätze diskutiert.

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Bis 1991 hatte eine interministeriell zusammengesetzte Beratungs- und Betreuungsgruppe der Landesregierung bereits eine Grundeinschätzung der Entwicklungserfordernisse in allen Standorten und Regionen vorgenommen und mit den kommunalen Gebietskörperschaften in allen konversionsbetroffenen Räumen detaillierte Konversionsstrategien erarbeitet. Teilweise war es erforderlich, ständige Arbeits- oder Lenkungsgruppen mit den wichtigsten Beteiligten - in einigen Fällen auch mit Einschaltung des Bundes - einzurichten, weil nur so eine effiziente Abwicklung der Konversionsprozesse gewährleistet werden konnte.

Mit der Verabschiedung des Landeshaushalts 1992/93 hat Rheinland-Pfalz ein sog. Landesüberbrückungsprogramm "Konversion" in einer jahresdurchschnittlichen Höhe von etwa 140 Mio. DM beschlossen, das weitgehend aus bereits eingeplanten Haushaltsmitteln bzw. durch Umschichtungen zusammengestellt wurde. Dieses Programm umfaßt u.a.

  • Maßnahmen zur Bewältigung von Beschäftigungsfolgen des Truppenabbaus
  • Förderung von Innovations- und Forschungsvorhaben
  • Straßenbaumaßnahmen
  • die Erschließung von Industrie- und Gewerbeflächen
  • Zuschüsse zur Neueinrichtung und Erweiterung von gewerblichen Betrieben
  • Zuweisungen zu Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen
  • sowie
  • Unterstützung von städtebaulichen Konversionsmaßnahmen.

Durch Umschichtungen und Einsparungen in anderen Haushaltstiteln konnten 1992/1993 sogar 326 Mio. DM für Konversionsprojekte ausgegeben werden, also erheblich mehr als ursprünglich geplant war. Das Konversionsüberbrückungspro-gramm im Doppelhaushalt 1994/95 ist mit einem Volumen von 500 Mio. DM ausgestattet. Hinzu kommen EU-Fördergelder: Aus PERIFRA l flossen 2,5 Mio. ECU, und aus PERIFRA II standen 1,5 Mio. ECU zur Verfügung, aus KONVER 1993 gab es fast 5 Mio. ECU , und aus KONVER II soll Rheinland-Pfalz knapp 14 Mio. ECU erhalten. Alle EU-Programme werden vom Land und Kommunen mit unterschiedlichen Anteilen zusätzlich kofinanziert.

Während die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Konversionsinitiativen schlecht sind, z.B. weil der Markt ein hohes Flächenangebot in kurzer Zeit verkraften muß, stehen der organisatorische Rahmen und die Logistik für die Bewältigung der Konversion in der Verwaltungspraxis fest. Das erforderliche Rechts- und Förderin-

[Seite der Druck-Ausgabe: S. 51]

strumentarium ist geschaffen und hat sich in der Praxis bewährt. Für die Koordination des Liegenschaftsmanagements von freiwerdenden Flächen hat das Land eine Clearingstelle beim Innenministerium eingerichtet, die als zentraler Ansprechpartner des Bundes und der Kommunen, aber auch aller Landesressorts fungiert. Gegenüber den Kommunen sorgt diese Clearingstelle auch für den notwendigen Informationsfluß. Sie ist weiter Steuerungsinstanz für die Entwicklung wesentlicher Projekte. Hierbei wird sie insbesondere von den Regiestellen der Bezirksregierungen unterstützt. Um Grundsatzfragen auf der Ebene der Landesregierung mit den Vorstellungen des Bundes, der kommunalen Spitzenverbände und auch der Arbeitnehmervertreter zu koordinieren, ist der interministerielle Ausschuß "Konversion" eingerichtet worden. Seit Ende 1993 wurde unter der Leitung des Ministerpräsidenten ein Konversionskabinett gebildet, in dem die wesentlichen politischen Grundentscheidungen gebündelt getroffen werden.

Für Rheinland-Pfalz ist Konversion mehr als die Neuentwicklung militärischer Standorte. Konversion wird vielmehr als umfassende Modernisierung eines Raumes verstanden - vom Schulsystem bis zum Abwasser, vom ÖPNV bis zur Dorferneuerung. Für ihre Bewältigung rechnet man mit einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren; kürzere Zeithorizonte haben sich als zu ehrgeizig und problemunerfahren erwiesen. Als generelle Strategie gilt: einerseits Abzug des Militärs mit Vorrang aus den Verdichtungsräumen und Garnisonsstädten und andererseits Konzentration bzw. Verbleib des Militärs in strukturschwächeren Räumen und damit Vermeidung der Skelettierung von Standorten. Hinzu kommen müssen Standortzusammenlegungen und Optimierungen unter dem Gesichtspunkt der Raum- und Flächenökonomie sowie der regionalen Arbeitsmarktpolitik bei gleichzeitiger sozialer Abfederung. Für die Zivilbeschäftigten hat die Landesregierung eine Reihe von Hilfen und Maßnahmen geschaffen. Neben der Förderung von Qualifizierungen hat die Landesregierung die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Zweibrücken gegründet. Mit ehemals Zivilbeschäftigten, die keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, werden beispielsweise Projekte im Bereich der Instandsetzung militärischer Liegenschaften durchgeführt.

In der räumlichen Konversionsstrategie wurde für die Garnisonsstädte vereinbart, durch den Ankauf und Umbau ehemaliger militärisch genutzter Wohnungen die städtischen Wohnungsmärkte zu stabilisieren und attraktive, standortgünstige Flächen im Rahmen von Stadtentwicklungskonzepten für gewerbliche Dienstleistungen

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und wissenschaftliche Nutzungen zu verwerten. Für einzelne Regionen wie die Westpfalz, den Nahe-Raum, den Hunsrück und den Raum Eifel/Mosel sind Schlüsselprojekte festgelegt worden. Hierzu zählen in der Westpfalz z.B. der Flugplatz Zweibrücken, die Kreuzbergkaserne in Zweibrücken, die Husterhöh-Kaserne in Pirmasens, in der Eifel der Flugplatz Bitburg (vgl. Kapitel 6.1) und im Hunsrück der Flugplatz Hahn (vgl. Kapitel 6.2). Parallel hierzu sind viele kleinteilige Konversionsmaßnahmen erforderlich und teilweise bereits in der Umsetzungsphase. So muß die Konversionsstrategie in der Westpfalz z.B. den relativen Flächenengpaß entlang der A 6 berücksichtigen. Grundphilosophie der Konversionsstrategie ist es, Schlüsselprojekte als Motoren des Umbaus und einer neuen Entwicklung mit einem hohen finanziellen und logistischen Aufwand zu realisieren. Zusätzlich werden über Raumkonversionsstrategien endogene Potentiale genutzt und verstärkt. Wichtig ist schließlich auch, daß man mit der Umwandlung ehemaliger militärischer Liegenschaften gezielt zur Verbesserung der Wohnraumsituation im Land beitragen will.

Bei der Mehrzahl der Projekte können das Land und die Kommunen nur den Rahmen für eine Konversion schaffen. Die eigentlichen Investitionen müssen jedoch im wesentlichen Private vornehmen. Diese wagen im Regelfall aber den Einstieg in die Konversion nicht alleine. Notwendig sind deshalb öffentliche Anreizinvestitionen, eine intensive öffentliche Begleitberatung und eine funktionierende öffentliche Verwaltung. Konversion läßt sich also nicht völlig privatisieren. Sie setzt vielmehr sich ergänzende Strategien und Kooperationen von öffentlicher Hand und privaten Investoren voraus.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000

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