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TEILDOKUMENT:
4. Beschäftigungspolitische Strategien in der Praxis - Die Länderberichte [Seite der Druckausg.: 13 ( Fortsetzung) ] 4. Beschäftigungspolitische Strategien in der Praxis - Die Länderberichte In einheitlicher Gliederung werden im Folgenden die wesentlichen Aussagen der Länderberichte zusammengefaßt. Ihnen wird jeweils ein kurzer Zahlenüberblick aus dem EU-Arbeitsmarktbericht 1995 vorangestellt. Eine vergleichende Darstellung der Entwicklung von Erwerbsbeteiligung, Arbeitslosigkeit und Teilzeitbeschäftigung in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Deutschland sowie die Entwicklung im EU-Durchschnitt ergibt sich aus den nachfolgenden Grafiken.
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[Seite der Druckausg.: 15 ] 4.1. Großbritannien Strategischer Ansatz Großbritannien verfolgt seit Amtsantritt der ersten konservativen Regierung im Jahre 1979 in der Wirtschafts- und der Beschäftigungspolitik den Ansatz der Deregulierung des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft. Von der Deregulierung des Arbeitsmarktes versprach man sich die folgenden vier Effekte:
All dies sollte zu mehr Beschäftigung führen, indem den Betrieben Alternativen zum Arbeitsplatzabbau zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie sich auf andere Weise den neuen Verhältnissen auf den Märkten anpassen könnten. Die Hoffnung war, daß sie dies eher mit Lohnsenkungen als mit Entlassungen bewerkstelligen würden. Der Staatssektor sollte ebenfalls einen Beitrag leisten, indem durch die Reduzierung der Staatstätigkeit im Industriebereich sowie durch Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen neue unternehmerische Betätigungsfelder eröffnet und die Beschäftigung in diesen Bereichen ebenfalls flexibler und kostengünstiger gemacht werden sollte. Die Unterstützung der Geld- und Fiskalseite sollte in einer scharf gegen Inflationstendenzen ausgerichteten Politik bestehen. Instrumente Dieser Ansatz wurde zunächst umgesetzt durch Beschränkungen gewerkschaftlicher Rechte im Betrieb und beim Tarif- und Streikrecht. Die gesetzlichen Maßnahmen richteten sich vor allem gegen die Rolle der Gewerkschaften bei der Einkommensverteilung und stärkten die Verfügungsmacht der Arbeitgeber über ihre Beschäftigten. Der Effekt war ein Niedergang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades von 50% im Jahre 1979 auf heute 30%. Parallel wurden die Wage Councils, die die Aufgabe hatten, verbindliche Mindestlöhne festzusetzen, geschwächt. Durch schrittweise Einengung der betroffenen Personenkreise und der Kompetenzen wurden sie schließlich 1993 vollständig abgeschafft. Das individuelle Arbeitsrecht wurde so geändert, daß erst nach zweijähriger Beschäftigung der Kündigungsschutz greift. Die abweichende Be- [Seite der Druckausg.: 17 ] stimmung für Teilzeitbeschäftigte, denen dieser Schutz erst nach fünfjähriger Teilzeitarbeit zustehen sollte, wurde vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben. Schließlich wurde das Schutzniveau der Arbeitslosenversicherung abgesenkt. Die Lohnersatzquote des Arbeitslosengeldes sank von 43% des durchschnittlichen Arbeitslohns im Jahre 1979 auf 25% in den 90er Jahren. Die anderen Leistungen wurden einkommensabhängig gemacht, um sie auf die Bedürftigen zu konzentrieren. Dies bedeutete, daß die Betroffenen ihre übrigen Einkommensquellen offenlegen mußten und es dadurch ggf. zu Leistungskürzungen kam. Zusätzlich wurden auch die Einkünfte der übrigen Haushaltsmitglieder in die Anrechnung einbezogen, so daß sich eine Zugangsschwelle zu diesen Leistungen ergab. Darüber hinaus wurden die Kriterien zumutbarer Arbeit verschärft. Ein alle 6 Monate stattfindendes "Restart"-lnterview der Arbeitslosen beim Arbeitsvermittler sollte schließlich die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme prüfen. Dieses Gespräch diente dem Ziel, die Arbeitslosen zur Aufnahme irgendeiner Arbeit oder aber zur Aufgabe ihres Leistungsanspruchs zu bewegen. Wirkungen Hinsichtlich der Zielsetzung, den Arbeitsmarkt flexibler zu machen, ist festzustellen, daß der Beschäftigungstrend sehr stark der Nachfrage- und der Output-Entwicklung folgte. Die Lohnentwicklung erwies sich dagegen als nicht so flexibel, wie im Deregulierungsansatz unterstellt. Die Beschäftigungsverluste folgten den rezessiven Entwicklungen sehr streng und schnell, die Wachstumsphasen wurden mit geringen Verzögerungen nachvollzogen. Die Reallöhne sind - entgegen der Theorie - während der jüngsten Rezession nicht gesunken, sondern - entgegen der negativen Beschäftigungsentwicklung - gestiegen. Der Arbeitsmarkt hat seine Reaktionsmuster auf die Zyklen also noch kaum geändert. Die entsprechende Entwicklung ergab sich vice versa auch in der jüngsten Erholungsphase, wo trotz sinkender Arbeitslosigkeit noch kein Lohnerhöhungsdruck zu verzeichnen war. Sie wurde zwar als Erfolgsbeweis der Deregulierung angesehen, war aber mit zwei nach Ansicht des Referenten entscheidenderen Begleiterscheinungen verknüpft: Einerseits spiegelt sich in der Lohn- [Seite der Druckausg.: 18 ] entwicklung auch der seit mehreren Jahren verfügte Lohnstopp im öffentlichen Sektor wieder, der trotz Schrumpfung immer noch ein Fünftel der Gesamtbeschäftigung ausmacht. Zum anderen verlief die Erholungsphase regional sehr ausgeglichen, so daß im Unterschied zu den vorangegangenen Erholungsphasen noch keine Engpaß-Probleme bei der Rekrutierung von Arbeitskräften auftraten, die einen Lohnerhöhungsdruck hätten erzeugen können. Aus den makroökonomischen Analysen sowohl der Regierung als auch der OECD konnten also keine durchschlagenden Erfolge abgeleitet werden. So blieb das Wachstum hinter den Erwartungen zurück. Die Industrieproduktivität hat zwar zugenommen, was auch mit einem Aufschwung der Ausrüstungsinvestitionen einherging. Diese Entwicklung wird auch auf den Rückgang des gewerkschaftlichen Einflusses zurückgeführt. Die vorangegangene Schrumpfung dieses Sektors war jedoch so stark, daß dennoch Probleme geblieben sind. Ebenso ist die Balance zwischen Insidern und Outsidern unverändert geblieben. Anscheinend kommt die Insidermacht aus anderen Quellen, die vielleicht eher mit Theorien zu erklären sind, die sich an den Effizienz- statt den Tariflöhnen orientieren. Eine Erklärung für diese dürftigen Ergebnisse ist, daß die Deregulierung noch nicht lange genug wirkt, da sie erst in allerjüngster Zeit in vollem Umfang wirksam geworden ist. Eine weitere Erklärung ist, daß die Akteure sich noch nicht darauf eingestellt haben, mit ihr umzugehen und die veränderten Bedingungen zu akzeptieren. In dieser Hinsicht mag die Rezession von 1990 - 1992 und der Wechsel zu einer schärferen Antiinflationspolitik den entscheidenden Schub gegeben haben, um Arbeitgeber und Gewerkschaften für die neuen Realitäten zu öffnen. Darin könnte auch die ungewöhnliche Antwort der Lohnentwicklung auf die zurückgehende Arbeitslosigkeit begründet sein. Der Arbeitsmarkt in Großbritannien war 1979 nach Ansicht des Referenten auf jeden Fall überreguliert und wurde durch die Deregulierung flexibler und anpassungsfähiger gemacht. Die Erfahrungen zeigen jedoch keine überzeugenden Hinweise darauf, daß dadurch neue Jobs entstanden sind. Weder die Wachstums- noch die Arbeitslosenzahlen zeigen eine positive Verbindung mit dieser Strategie. Die Alternative zwischen einer deregulierten Wirtschaft, die zwar Ungleichheit aber auch Beschäftigung [Seite der Druckausg.: 19 ] produziert, und einer regulierten Wirtschaft, die mit hoher Arbeitslosigkeit behaftet ist, scheint nicht einfach darstellbar zu sein. Unterhalb der makroökonomischen Ebene lassen sich jedoch tiefe Spuren der Deregulierung - sowohl erwartete, wie auch teilweise unerwartete - erkennen, wie verschiedene im folgenden dargestellte Ergebnisse von Studien zeigen. Diese Ergebnisse waren zum Teil erst nach Eintritt der vollen Wirksamkeit der Deregulierung in jüngster Zeit erkennbar. So muß der Entwicklung der Arbeitslosenquote auch eine Inaktivitätsquote gegenübergestellt werden, da ein zunehmender Anteil Arbeitsloser die Suche nach Arbeit aufgegeben hat. Sie ist von 3% in 1975 auf 12% im Jahre 1993 gestiegen. Dieser Befund wird noch unterstrichen von der Beobachtung, daß die Abmeldung aus Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren nur in 60% der Fälle mit der Aufnahme einer Arbeit verbunden war, gegenüber einem Wert von 80 - 90% am Ende der 70er Jahre. Zudem stieg der Anteil der Haushalte, in denen kein Haushaltsmitglied Erwerbseinkommen bezieht, von 8% im Jahre 1979 auf 20% im Jahre 1994. Hier machte sich ebenfalls ein kontraproduktiver Effekt bemerkbar, der mit der Einkommensabhängigkeit der Transferleistungen einherging. Durch diesen Effekt werden in Mehrpersonen-Haushalten Verbleibsanreize gesetzt, da die Aufnahme einer Beschäftigung des einen Partners den Wegfall der Transferleistung beim anderen und Einkommensverluste nach sich zieht. Dies gilt insbesondere auch für das Wohngeldsystem, das wegen der starken Mietpreissteigerungen der vergangenen Jahre immer wichtiger geworden ist. Die Zunahme der Selbständigkeit war die stärkste innerhalb der OECD. Dies ist sicherlich zu einem beträchtlichen Teil auch Wirkung direkter Förderprogramme für Existenzgründer. Die Selbständigkeit nahm hauptsächlich bei den Opfern von Sanierungen in schrumpfenden Unternehmen, durch den Trend zur Ausgliederung von Arbeitsbereichen aus den Betrieben, sowie bei denjenigen, die auf dem Arbeitsmarkt keine Anstellung mehr finden konnten, zu. Dies erfolgte also mehr oder weniger gezwungenermaßen - eine neue Selbstständigkeits-Kultur im Sinne von Strukturwandel von abhängiger Beschäftigung in eine selbstständige Existenz läßt sich also nicht feststellen. [Seite der Druckausg.: 20 ] Teilzeitarbeit ist ebenfalls sehr expandiert, wobei unklar ist, ob dies auf die Deregulierung zurückgeführt werden kann, oder ob sich lediglich der bereits in den 70er Jahren begonnene Trend fortgesetzt hat. Wichtig zu wissen ist, daß die Teilzeitjobs oft nur wenige Wochenstunden umfassen. So befinden sich 70% der Teilzeitbeschäftigungen im Bereich von maximal nur 16 Wochenstunden. Die jüngsten Zahlen in Bezug auf die neugeschaffenen Arbeitsplätze ergeben ein unklareres Bild. Während von Frühjahr 1994 bis Frühjahr 1995 von 260.000 neuen Jobs 78.000 Teilzeitjobs waren, standen im ersten Halbjahr 1995 nur 29.000 neue Teilzeitarbeitsplätze 249.000 neuen Arbeitsplätzen mit über die normale Wochenarbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeiten ("Übervollzeitarbeitsplätze") gegenüber. Es läßt sich noch nicht feststellen, ob hier eine Retourbewegung oder ein tatsächlicher Wandel zugrunde liegt. Wenn diese Entwicklung eine Reaktion auf die neuesten makroökonomischen Trends ist, mag dies auch auf die Begünstigungen der Industrie durch die Abwertungstendenzen des britischen Pfundes nach Austritt aus dem Europäischen Währungssystems zurückzuführen sein. Die Differenzen in der Arbeitszeitverteilung sind auch in der Langzeitbetrachtung hervorstechend: Die Beschäftigten mit 45 Wochenstunden und mehr nahmen von 4,7 Mio. im Jahre 1984 auf 5,7 Mio. 1994 zu, der Anteil derjenigen mit Wochenarbeitszeiten von 50 Stunden und mehr stieg von 15 % in 1984 auf 21 % in 1994. In den neueren Zahlen zeigte sich auch im Unterschied zu früheren Zeiten eine stärkere Bedeutung befristeter Beschäftigung. Von den 260.000 neuen Arbeitsverhältnissen zwischen Frühjahr 1994 und Frühjahr 1995 waren 126.000 befristet. Generell ist der Zeithorizont der individuellen Arbeitsverhältnisse zurückgegangen. Die Daten zeigen, daß die Durchschnittsdauer von 7,9 Jahren 1975 auf 6,4 Jahre 1993 zurückgegangen ist. Der Anteil der innerhalb der ersten drei Monate beendeten Arbeitsverhältnisse ist von 8% 1975 auf 14 - 22 % in der Dekade 1984 - 1993 gestiegen. Die klassischen sicheren Vollzeitarbeitsplätze alter Prägung nahmen von 55,5% in 1975 auf 35,9% in 1993 ab. Die veränderten Kündigungsschutzregeln bewirken, daß die Unsicherheit auch bei Vollzeitarbeitsplätzen stärker wahrgenommen wird und sich entsprechende Konsequenzen, z.B. durch sinkendes Interesse der Beschäftigten an Weiter und Fortbildung, abzeichnen. Diese Zunahme von Unterschieden und Ungleichheit machte sich insbesondere auch bei den Einstiegslöhnen bemerkbar, die im Durchschnitt ca. 44% des Durchschnittslohns betrugen, die Hälfte dieser Einstiegslöhne lag unterhalb des Lohn-Medians. Gestiegen sind auch die generellen Lohnunterschiede: Der Unterschied zwischen den oberen 10% der Lohnskala und dem Mediän der Löhne männlicher Arbeiter ist höher als zu irgendeinem Zeitpunkt der letzten 100 Jahre. Der Rowntree-Report vom Februar 1995 verzeichnet eine Steigerung des Gini-Koeffizienten, der das Ausmaß der Ungleichverteilung der Einkommen anzeigt, um 10% in der Zeit von 1977 bis 1990, eine Entwicklung, die in den OECD-Ländern nur noch von Neuseeland nach 1985 nachgezeichnet wurde. Reformen Die Deregulierung wird trotz dieser schwachen Ergebnisse fortgesetzt. Zwei Projekte sind gegenwärtig zu erwarten:
Bereits seit 1994 werden für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen im Niedriglohnbereich 12 Monate lang die Sozialversicherungsbeiträge erlassen. Man sieht also die Notwendigkeit, bei stark besetzten Niedriglohngruppen das Existenzminimum außerhalb des Lohnsystems zu sichern, wenn und solange die Lohnarbeit dies nicht erbringt. [Seite der Druckausg.: 22 ] 4.2 Frankreich Strategischer Ansatz In Frankreich wurde auf das Beschäftigungsproblem von allen Regierungen überwiegend mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten reagiert, die den drei Kategorien Qualifizierung, Lohnkostenzuschüsse und öffentlich geförderte Beschäftigung im non-profit-Sektor zuzuordnen sind. Alle Regierungen haben diesen Ansatz mitgetragen, der von der Motivation getrieben wird, der sozialen Marginalisierung der besonders betroffenen Zielgruppen Jugendlicher, Älterer und Gering-Qualifizierter entgegenzuwirken, und die soziale Stabilität der Gesellschaft zu stärken. Akteur dieses Ansatzes ist hauptsächlich der Staat, während die Arbeitslosenversicherung eine paritätische Organisation der Sozialpartner ist. [Seite der Druckausg.: 23 ] Instrumente Die drei klassischen Kategorien lassen sich folgendermaßen beschreiben: Qualifizierungsmaßnahmen werden von der staatlichen Arbeitsvermittlungsbehörde organisiert bzw. vergeben und finanziert. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben für aktive Beschäftigungspolitik belief sich 1993 auf ca. 35% und war seit Mitte der 80er Jahre beträchtlich ausgeweitet worden. Die Förderung beruflicher Erstausbildung Jugendlicher wies 1994 ca. 440.000 Teilnehmer aus. Präventive Lohnkostenzuschüsse zur Vermeidung von Massenentlassungen durch kollektive Senkung der Arbeitszeit werden seit 1994 durch das "Loi Quinquennale" für eine Zeit von 12-18 Monate gewährt. Mit gleicher Zielsetzung werden Beitragszuschüsse zur Sozialversicherung gewährt, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit individuell verkürzen. An der Umsetzung dieser Instrumente sind die Organisationen der Sozialpartner beteiligt. Unternehmensverbände und Gewerkschaften haben damit einen ersten Schritt zu einer aktiven Rolle in der französischen Arbeitsmarktpolitik getan. Beitragszuschüsse zur Sozialversicherung gewährt der Staat auch allgemein für Mindestlohn-Beschäftigte in neugegründeten bzw. wiedereröffneten Unternehmen, um indirekte Anreize zur Beschäftigungsexpansion zu setzen. Auch Arbeitslose, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen, können Zuschüsse zu den Sozialbeiträgen erhalten. Ebenfalls mit der Zielsetzung, im unteren Arbeitsmarktsegment Beschäftigungsanreize zu geben, wurde Ende 1994 der sogenannte Dienstleistungsscheck (Cheque Emploi Service) geschaffen. Er kann von Privatpersonen und Kleinbetrieben in Postämtern und Geldinstituten zum Nominalpreis erworben und zur Entlohnung von Beschäftigten verwendet werden. Sein Gebrauch kann vom Arbeitgeber steuermindernd geltend gemacht werden. Vom Nominalpreis werden dem Arbeitnehmer zwei Drittel in bar ausgezahlt, das dritte Drittel wird über eine zentrale Verrechnungsstelle den Sozialversicherungsträgern gutgeschrieben. Im ersten Geltungsjahr nahmen 106.000 Arbeitgeber an dem System teil und beschäftigten damit ca. 100.000 Arbeitnehmer. [Seite der Druckausg.: 24 ] Die Zielgruppen-Maßnahmen - insbesondere für Arbeitnehmer über 50 Jahre, Jugendliche ohne Berufserfahrung und behinderte Arbeitslose -sind:
Wirkungen Die Zahl der Beschäftigten im regulären Arbeitsmarkt und ohne öffentliche Förderung ist seit 1973 konstant geblieben. Geändert hat sich jedoch die Zahl der Arbeitslosen, der geförderten und vollfinanzierten Beschäftigten, sowie der Qualifizierungs-Teilnehmer. Die Kosten der Arbeitsmarkpolitik stiegen in gleichem Umfang wie die Arbeitslosigkeit. Daraus muß gefolgert werden, daß die Arbeitsmarktpolitik die Gesamtentwicklung eher flankiert als beeinflußt hat. Sie hat also eher konjunkturelle als strukturelle Wirkungen gehabt. Das Förderinstrumentarium umfaßt eine sehr große Zahl verschiedener Maßnahmen, die die Beschäftigungschancen vieler verschiedener Benachteiligtengruppen (Jugendliche, Ältere, Frauen, Langzeitarbeitslose, Behinderte, Niedrig-Qualifizierte etc.) verbessern sollen. Für Unternehmen wurde es lohnender, ihre Nachfrage auf diese Zielgruppen zu richten. Auf diese Weise wuchsen die Arbeitslosigkeits- und Langzeitarbeitslosigkeitsrisiken für Gruppen, auf die kein solches Merkmal zutrifft. Es läßt sich feststellen, daß es in der französischen Arbeitsmarktpolitik bei den Maßnahmen weniger ein Politikdefizit als in erster Linie ein Engagementdefizit der Arbeitsmarktakteure gibt. Auch die institutionelle Trennung zwischen der in Händen der Sozialpartner liegenden Arbeitslosen- [Seite der Druckausg.: 25 ] versicherung und den in staatlicher Trägerschaft liegenden Organisationen aktiver Arbeitsmarktpolitik drückt dies aus. Die Maßnahmen des "Loi Quinquennale" haben in dieser Hinsicht einen ersten Fortschritt gebracht, indem sie mit Beteiligung von Unternehmensverbänden und den Gewerkschaften umgesetzt werden. Weitere Verhandlungen mit dem Ziel, zu Vereinbarungen über die Sicherung der bestehenden Beschäftigung zu kommen, sind im Gange. Zugleich wurde auch die Arbeitslosenversicherung in die Umsetzung dieser Maßnahmen einbezogen, und damit eine Verflechtung zwischen aktiver Politik und passiven Leistungen erreicht. Reformen/Perspektiven Die französische Arbeitsmarktpolitik zielt mit den beiden im Jahre 1994 neu etablierten Instrumenten "Loi Quinquennale" und "Cheque Emploi Service" auf Beschäftigungsimpulse im regulären Arbeitsmarkt. Damit ist auch ein erster Schritt zur Überwindung des vom Referenten angemahnten Engagementdefizits der Arbeitsmarktakteure vollzogen worden, so daß diese nun stärker in die langfristige Strategie der Arbeitsmarktpolitik eingebunden werden können. Kern dieser Strategie ist die Nutzung des europäischen Integrationsprozesses für eine Beschäftigungsexpansion. Man geht also von der Hoffnung aus, daß ein vereinigtes Europa neue Arbeitsplätze schafft. Dies drückte sich in der Priorität der sozialistischen Regierung für eine Stärkung des Franc und für die Erfüllung der sogenannten Maastricht-Kriterien aus. Der dafür zu zahlende Preis einer restriktiven Geld- und Haushaltspolitik ist angesichts der bereits angehäuften Probleme hoch. In großen Teilen der Bevölkerung herrscht der Glaube, daß ein vereinigtes Europa gegen die Interessen der sozialschwachen Franzosen wirkt. Diese politische Stimmung wird von den rechtsextremen Bewegungen wie derjenigen von Le Pen bei ihren Kampagnen gegen ein vereinigtes Europa mißbraucht. Dieser Entwicklung muß entgegengewirkt werden, indem der notwendige Anpassungsprozess durch eine wirksame Kooperation der Politik und der Sozialpartner auf allen Feldern der Beschäftigungsförderung flankiert wird. Der Referent erinnerte abschließend daran, daß die französische Sozialversicherung 1945 gegründet wurde, als die Produktivität der Wirtschaft am Boden lag und die Masseneinkommen entsprechend niedrig waren. Deshalb ist es seiner Ansicht nach auch in [Seite der Druckausg.: 26 ] der gegenwärtigen Arbeitsmarktkrise möglich, einen solidarisch gestalteten Ausweg zu finden. 4.3. Niederlande Strategischer Ansatz Die Niederlande haben seit Beginn der 80er Jahre die Beschäftigungspolitik ins Zentrum ihrer Regierungspolitik gestellt. Die gegenwärtige Regierung verfolgt einen zweigeteilten Ansatz, der Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik verbindet:
Im Unterschied zu den übrigen europäischen Ländern ist die Beschäftigung in den Niederlanden auch in den 90er Jahren gestiegen. Die Ar- [Seite der Druckausg.: 27 ] beitslosigkeit konnte dadurch jedoch nicht wesentlich gesenkt werden, da das Angebot an Arbeitskräften im gleichen Umfang wie die Beschäftigung zunahm. Der Berufseintritt geburtenstarker Jahrgänge und die zunehmende Frauenerwerbstätigkeit haben bewirkt, daß seit 1990 jährlich ca. 80.000 Arbeitssuchende hinzukamen. Durch die Überprüfung der Erwerbsunfähigkeitsrentner auf ihre Arbeitsfähigkeit wurden darüber hinaus weitere Personen gezwungen, sich auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Deshalb sucht auf dem Arbeitsmarkt zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Höchstzahl an Arbeitskräften einen Arbeitsplatz. In abgeschwächter Form (ca. 55.000 pro Jahr) wird sich diese Zahl bis ca. 2015 weiter erhöhen und danach nur langsam durch Überalterungsprozesse abnehmen. Deshalb wurde die in den 80er Jahren betriebene Politik der Angebotssteigerung durch Senkung der Sozialeinkommen und Revision der Erwerbsunfähigkeitsrenten gestoppt, um die Situation am unteren Segment des Arbeitsmarktes nicht weiter zu verschärfen. Die Bemühungen gehen nun eher dahin, das Angebot an Arbeitskräften zu reduzieren. Allerdings geschieht dies nicht, wie in anderen Ländern, durch passive Maßnahmen wie Frühverrentungen oder Verlängerungen der Ausbildungsphasen, sondern durch Ausdehnung der Teilzeit und flexible Formen der Arbeitszeitverkürzung. Samstagsarbeit verliert den Ausnahmestatus, ebenso längere Arbeitstage. Die Gleichstellung von Teilzeitarbeit mit Vollzeitarbeit soll im Sozialgesetzbuch verankert werden. Instrumente Neben der Propagierung und Förderung der Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitszeitverkürzung zur Steigerung der Beschäftigtenzahl werden folgende Instrumente eingesetzt, um die Arbeitsnachfrage im unteren Segment des Arbeitsmarktes zu erhöhen:
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Instrumente zur Bekämpfung der Ausländerarbeitslosigkeit sind dagegen noch wenig entwickelt. Ein erster Schritt, der der Erfassung der ausländischen Beschäftigten dient und die Arbeitgeber zu diesem Zweck zur Registrierung der Herkunft ihrer Beschäftigten verpflichtet, stößt auf großen Widerstand. Spezifische Subventionen für Ausländer werden nicht gewährt. Auch für Unternehmensgründungen stehen Ausländern nur die Standardhilfen zur Verfügung, weil man bei Sonderinstrumenten Widerstand gegen die Bevorzugung von Ausländern befürchtet. Für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU), die sich in den 90er Jahren als Hauptträger des Beschäftigungszuwachses erwiesen haben, wurde eine Reihe von Maßnahmen geschaffen, die die Beschäftigung in Neugründungen und insbesondere im schnellwachsenden Bereich von High-Tech-Unternehmen fördern soll. Diese Maßnahmen beinhalten:
In der Förderung des Wirtschaftswachstums wird schließlich die wichtigste Vorbedingung einer erfolgreichen Beschäftigungspolitik gesehen. Eine weitere Maßnahme im technologieintensiven Bereich der KMU ist die sogenannte KIM-Regelung. Sie zielt auf die Implementierung techno- [Seite der Druckausg.: 29 ] logischen Wissens ab, da vielfach KMU Anwender von Technologien sind, die durch klassische Forschungs- und Entwicklungsprogramme in Großunternehmen geschaffen worden sind, KMU aber bei der Anwendung personelle Probleme haben. KIM gewährt KMU bis zu 50 Beschäftigten bei der Beschäftigung eines Hochschulabsolventen im Technikbereich einen 50%igen Lohnkostenzuschuß für ein Jahr. Mit dem Ziel einer allgemeinen Senkung der Arbeitskosten haben die Niederlande 1995 mit der Einführung einer Kleinverbraucher-Abgabe auf den Energieverbrauch begonnen. Ihr Aufkommen soll die Abgabenbelastung des Faktors Arbeit senken. Sie zielt andererseits mit ihren Energiepreiseffekten auf die Stärkung von Umwelttechnologien. Schließlich hat ein Modernisierungsprozeß des Staatssektors und der Sozialverwaltungen begonnen:
Wirkungen Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern verzeichneten die Niederlande in den letzten zehn Jahren einen erheblichen Anstieg der Beschäftigung, der nicht zuletzt auf den offensiven Einsatz wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Instrumente zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zurückgeführt wird. Der starke Ausbau der Teilzeitarbeit, deren Anteil an der Gesamtbeschäftigung ebenfalls in keinem anderen europäischen Land erreicht wird, hat zu dieser Entwicklung ebenfalls beigetragen. [Seite der Druckausg.: 30 ] Die kollektiven Arbeitszeitverkürzungen gehen dagegen wesentlich stärker als früher mit Flexibilisierungsprozessen einher, so daß sie nun eher bestehende Beschäftigung sichern, als zusätzliche schaffen. Die Maßnahmen zur Förderung des unteren Arbeitsmarktsegments haben noch nicht zu einer bedeutsamen Rückführung der Langzeitarbeitslosigkeit geführt. Insbesondere das 40.000-Arbeitsplätze-Programm stößt aufgrund seiner hohen Anforderungen auf Hindernisse bei der Implementierung. Indirekte Wirkungen haben sich im unteren Segment aber durch den Erfolg der KIM-Regelung ergeben, da der seit den 80er Jahren virulente Verdrängungsprozess niedrigqualifizierter Arbeitskräfte durch hochqualifizierte Arbeitslose gestoppt werden konnte. Mit KIM schaffen die Hochschulabsolventen überwiegend den Sprung in eine Dauerbeschäftigung. Die Maßnahmen für KMU kommen hauptsächlich den schnellwachsenden High-Tech-Betrieben zugute, auf die rund ein Drittel des Beschäftigungszuwachses seit 1990 entfiel. Sie repräsentieren jedoch nur 5 -10% der gesamten KMU. Die übrigen KMU profitieren von den Maßnahmen wenig, obwohl sie ein weiteres Drittel der Beschäftigungszuwächse repräsentieren. Für diese Betriebe, die die meisten Arbeitsplätze stellen, mangelt es also an Unterstützung. Die Wirkungsweise der übrigen Maßnahmen ist noch nicht näher beschreibbar, weil noch keine stichhaltigen Erfahrungen vorliegen. Reformen/Perspektiven Nachdem die Absenkungen von Transferleistungen in den 80er Jahren und die Revision der Frühverrentungskriterien Anfang der 90er Jahre die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschärft hatten und gleichzeitig demographische Effekte sowie verstärkte Frauenerwerbstätigkeit einen weiteren Anstieg des Erwerbspersonenpotentials gebracht hatten, steht die Arbeitsmarktpolitik zur Zeit vor einer Angebots-Spitze, die durch Überalterungsprozesse der kommenden Jahre nur langsam abgemildert wird. Ein weiterer Ausbau der Teilzeitarbeit stößt auf Probleme der sozialen Sicherung, die bei Teilzeitarbeit proportional absinkt. Hier ergibt sich ein [Seite der Druckausg.: 31 ] Nachbesserungsbedarf, u.a. durch gesetzliche Gleichstellung der Teilzeit- mit Vollzeitarbeit. Die Diskussion in den Niederlanden wird sich im kommenden Jahr mit einer grundlegenden Reform des Sozialsystems befassen. Das derzeitige System ist sehr gemischt: Der Staat beschränkt sich auf die Absicherung des Existenzminimums in Notfällen durch Sozialhilfe. Die Versicherungssysteme sind reine Arbeitnehmerversicherungen, die entweder den Lebensstandard absichern (Krankheit, Arbeitslosigkeit), oder aber als Grundsicherungen ausgelegt sind (Alter, Invalidität), die durch betriebliche Systeme aufgestockt werden. Die vor einigen Jahren begonnene Reform der Krankheits- und Erwerbsunfähigkeitsregelung hatte das Ziel der vollständigen Privatisierung und der Übertragung derjenigen Bereiche an die Betriebe, die der Vermeidung von Krankheiten und der Arbeitsunfähigkeit dienen. Die erste Phase dieser Reform wird gegenwärtig umgesetzt und stößt auf starke Proteste, insbesondere wegen der Verschärfung der Arbeitsunfähigkeitsregelung. Dadurch sind mittlerweile auch die Grenzen der Privatisierung sichtbar geworden, da auf den Gebieten der Gerechtigkeit und der Solidarität keine positiven Wirkungen festzustellen sind. Deshalb wird dem Staat nun vermehrt eine Kompetenz zur Garantie einer Grundsicherung zugewiesen. In den Niederlanden hat eine öffentliche Debatte um ein garantiertes Grundeinkommen begonnen, deren Anstoß ursprünglich auf das linke und grüne Lager zurückgeht. Diese Debatte hat bereits positive Beiträge von 2 amtierenden Ministern gebracht. Ein Grundeinkommen würde einen weiteren Flexibilisierungsschub des Arbeitsmarktes ermöglichen. Der Mindestlohn wäre verzichtbar. Sozialeinkommensbezieher könnten leichter für Teilzeitarbeit motiviert werden. Die weitreichendste Konsequenz für den Arbeitsmarkt wäre aber eine völlige Neubestimmung des Verhältnisses von bezahlter Arbeit, unbezahlter Arbeit und Freizeit. Es zeichnen sich zwei Übergangsvorschläge ab, um einen Einstieg in ein solches System zu vollziehen: [Seite der Druckausg.: 32 ]
4.4 Deutschland Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf
Strategischer Ansatz Der in Deutschland verfolgte Ansatz ist zweigeteilt:
[Seite der Druckausg.: 33 ] schwachen Gebieten Investitionszuschüsse gezahlt werden und Steuererleichterungen gewährt werden. Diese regulären, allgemein zugänglichen Instrumente werden durch eine Reihe von zinsvergünstigten Kreditprogrammen ergänzt, die auf die Erleichterung von Existenzgründung und Unternehmensgründungen gerichtet sind. Instrumente Während die letztgenannten Bereiche vorwiegend mit in Gesetzen kodifizierten Instrumentarien arbeiten und insoweit wenige Steuerungselemente enthalten, ist die Arbeitsmarktpolitik wesentlich stärker auf fiskalische Vorgaben und Arbeitsmarktentwicklungen verwiesen. Der Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung verwies darauf, daß Arbeitsmarktpolitik ihren Stellenwert in der sozialpolitisch motivierten Zielgruppenarbeit habe. Ihre Zielsetzung sei in erster Linie die Verhinderung bzw. Verkürzung von Arbeitslosigkeit durch Qualifizierung, Beschäftigungsförderung und Vermittlungshilfen für die Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Ihr Stellenwert im Gesamtensemble der Beschäftigungspolitik besteht also in der Verbesserung der Angebotsseite, während die Nachfrageseite von anderen Politikbereichen beeinflußt wird. Ihre Grenze ist nach Ansicht des Referenten dort erreicht, wo die Funktionen des regulären Arbeitsmarktes durch den Einsatz von Förderinstrumenten beeinträchtigt werden. Die traditionellen Instrumente sind
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Als innovative Instrumente wurden seit Beginn der 90er Jahre geschaffen:
Wirkungen Die Sonderentwicklung des Transformationsprozesses in den neuen Bundesländern hat vorübergehend die traditionelle Auslegung der Arbeitsmarktpolitik - im Westen betrug der Entlastungseffekt der Arbeitslosigkeit 0,5 - 0,6 Mio. Personen - gesprengt, da die Schocktherapie der Währungsumstellung 1990 unakzeptable Konsequenzen für die Beschäftigung gehabt hätte. Vielmehr wurden in den neuen Bundesländern in massivem Umfang arbeitsmarktpolitische Maßnahmen mit großzügigen Sonderregelungen, wie Kurzarbeit (auch Null-Kurzarbeit), Vorruhestand und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingesetzt. Die Entwicklung des Arbeitsmarkts in Ostdeutschland ist der nachstehenden Grafik zu entnehmen. [Seite der Druckausg.: 35 ]
[Seite der Druckausg.: 36 ] Diese Sonderentwicklung hat zu Diskussionen um die dauerhafte Schaffung eines Zweiten Arbeitsmarktes öffentlich geförderter Beschäftigungsfelder geführt. Angesichts ausbleibender Auftriebskräfte am regulären Arbeitsmarkt soll ein Zweiter Arbeitsmarkt die dauerhaft hohen Aufwendungen für passive Lohnersatzleistungen in großem Umfang in aktive Beschäftigung umwandeln, indem mit diesen Aufwendungen neue Beschäftigungsfelder hauptsächlich im Infrastrukturbereich erschlossen werden. Der an sich unbestreitbar sinnvolle Ansatz, passive Aufwendungen für aktive Beschäftigung zu nutzen, stößt nach Ansicht des Referenten jedoch auf zwei grundsätzliche Einschränkungen:
Daraus ergibt sich nach Ansicht des Referenten, daß der Ansatz nicht zur Erschließung großflächiger Beschäftigungsfelder geeignet ist, ohne daß der reguläre Arbeitsmarkt dauerhaft geschädigt wird. Er ist jedoch geeignet, in definierten Problembereichen und für bestimmte Zielgruppen Arbeitsplätze zu schaffen, und wurde in Gestalt der Produktiven Lohnkostenzuschüsse in den neuen Bundesländern eingeführt. Diese Lohnkostenzuschüsse werden in Höhe der durchschnittlichen Lohnersatzleistung zur Beschäftigung in den Bereichen Umwelt, soziale Dienste und Jugendhilfe gezahlt, um die aus Kostengründen unterbliebenen öffentlichen Aufgaben zu leisten. Das Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose hatte seit 1989 zu einer spürbaren Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen. Da die Langzeitarbeitslosigkeit in der in Deutschland verzögert einsetzenden Rezession erneut zugenommen hat, wurde seine Verlängerung notwendig. Ein stärkerer Ausbau der Teilzeitarbeit, der nach Umfragen den Wünschen einer breiten Arbeitnehmerschicht von ca. 2,5 Mio. Beschäf- [Seite der Druckausg.: 37 ] tigten entgegenkommen würde, scheint auf vergleichbar starke Vorbehalte und Hindernisse auf Arbeitgeberseite zu stoßen, da diesem Angebot die Nachfrage nach Teilzeitkräften in keiner Weise entspricht. Hier gilt es, durch den Abbau von Vorurteilen und die Verbesserung des Wissensstandes über die Vorzüge und Chancen der Teilzeitarbeit, Hemmnisse abzubauen und die Nachfrage der Unternehmen zu steigern. Hinsichtlich der kollektiven Arbeitszeitverkürzung lassen sich die gleichen Tendenzen beobachten, wie sie der niederländische Berichterstatter beschrieben hat. Die Vereinbarungen kombinieren kürzere Wochenarbeitszeiten mit Flexibilisierungsinstrumenten, so daß sich der Arbeitsplatzeffekt eher auf die Verhinderung weiteren Personalabbaus als auf Neueinstellungen aus dem Arbeitsmarkt konzentriert. Reformen/Perspektiven Die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik unterliegt in Deutschland dem Grundwiderspruch, daß die finanzielle Ausstattung insbesondere bei hoher und anhaltender Massenarbeitslosigkeit prekär ist, da sie durch das Beitragsaufkommen aus den Arbeitnehmereinkommen bestimmt ist. Dies hat in der Vergangenheit periodisch zu Einschränkungen passiver Leistungen und aktiver Fördermaßnahmen geführt. Angesichts der insgesamt hohen Sozialbeitragslast wurden Forderungen gestellt, die aktive Arbeitsmarktpolitik aus Steuermitteln zu finanzieren, da sie im öffentlichen Interesse liege und die beschriebene Scherenentwicklung ihre Wirksamkeit behindere. Der Referent wandte dagegen ein, daß diese Lösung eine Änderung der deutschen Finanzverfassung erfordere, da dann auch Länder und Gemeinden in die Finanzierung einbezogen werden müßten. Darüber hinaus sei eine solche Lösung aber auch nicht sachgerecht, da die Arbeitsförderung die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und von Lohnersatzleistungen zum Ziel hat, also direkt auf das Arbeitslosenversicherungssystem bezogen ist. Beschränkt auf Qualifizierungsmaßnahmen, wie von anderer Seite gefordert wird, sei eine Finanzierung aus Steuermitteln hingegen sachgerecht, da auch schulische Ausbildung aus Steuermitteln finanziert wird. Weiterhin sei die Qualifizierung der Arbeitskräfte ein im gesamtstaatlichen Interesse liegender Wettbewerbsfaktor der deutschen Wirtschaft. [Seite der Druckausg.: 38 ] Da in Deutschland die Zuständigkeiten für Arbeitsvermittlung, Lohnersatzleistungen und für aktive Arbeitsförderung in einer Behörde zusammengefaßt sind, sind die Voraussetzungen für eine stärkere Kombination der Instrumente und damit für den effektiven Einsatz der Mittel gegeben. Dem stehen jedoch Hindernisse durch die zentralisierte Organisation der Arbeitsverwaltung und durch haushaltsrechtliche Vorgaben entgegen, die die Handlungsfreiheit der unteren Ebenen empfindlich einschränken. Die generelle Handhabung des Instrumentariums muß deshalb in einer Reform des Arbeitsförderungsgesetzes wesentlich stärker auf die lokale und die regionale Ebene konzentriert werden, damit die vor Ort vorhandenen Erfahrungen in die jeweils geeignete Prioritätensetzung münden kann. Dem muß auch die Möglichkeit zum veränderten Mitteleinsatz bei den verschiedenen Instrumenten entsprechen, mit dem den örtlichen Problemlagen der Zielgruppen flexibler Rechnung getragen werden kann. Auch Experimentier-Budgets in kleinerem Umfang könnten auf der lokalen Ebene die Erprobung neuer Eingliederungsprojekte möglich machen. 4.5. Schweden Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf
[Seite der Druckausg.: 39 ] Strategischer Ansatz Schwedens Ansatz ist traditionell - entsprechend der starken Bedeutung des öffentlichen Sektors für die Beschäftigung - eine beschäftigungsorientierte Arbeitsmarktpolitik. Das Ziel dieser Politik ist Vollbeschäftigung -diese Betonung ist nach Ansicht des Vertreters des schwedischen Arbeitsministeriums gerade wegen der vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit notwendig, um sich mit der Situation nicht abzufinden. Die Arbeitsmarktpolitik hat deshalb einer klaren Priorität der Wiedereingliederung in Beschäftigung bzw. Qualifizierung vor der Zahlung von Lohnersatzleistungen zu genügen. Daneben hat es neuer Maßnahmen bedurft, um die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu erhöhen. Mit Amtsantritt der neuen Regierung 1994 begann eine neue Linie, mit der das Budgetdefizit zurückgeführt wird, in erster Linie zur Senkung der hohen Geldmarktzinsen und damit zur Freisetzung von innovativen Investitionen. Das Modernisierungspotential der Industrie konnte häufig deshalb nicht ausgeschöpft werden, weil es zu wenig mit Qualifizierungspotentialen verknüpft wurde. Dies sollte durch ein integriertes Herangehen an den technologischen Modernisierungsprozeß verbessert werden. Der betriebliche Innovationsprozeß muß stärker mit der Qualifizierung der Arbeitnehmer verknüpft werden, um sie mit den neuen Kompetenzen vertraut zu machen, die die Veränderung der betrieblichen Abläufe in insgesamt flacheren Hierarchien erfordern. Instrumente Als Instrumente stehen traditionell Lohnkostenzuschüsse, Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung. Im Unterschied zu früheren Jahren liegt das Gewicht des konzeptionellen Ansatzes der neuen Regierung jedoch mehr im regulären Arbeitsmarkt als in öffentlich geförderten Maßnahmen. Das Aktionsprogramm der neuen Regierung sieht im einzelnen vor: [Seite der Druckausg.: 40 ]
Wirkungen Makroökonomische Erfolge zeichnen sich bereits ab, insoweit als das Budgetdefizit im Jahre 1995 voraussichtlich auf 4% des BIP zurückgeführt und die Inflation auf 2,5% reduziert werden kann. Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert. Die Beschäftigung hat 1995 um 2% zugenommen. Ein Handicap bleibt der in Schweden vergleichsweise hohe Realzinssatz, der möglicherweise von exogenen Faktoren (Kapitalbedarf Mittel- und Osteuropas) mitbestimmt wird. Allerdings hat sich die Arbeitslosigkeit (1994: 420.000 Personen laut EU-Statistik) nicht im gleichen Umfang verringert, da dem demographische Effekte zuwiderliefen. Von der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden ca. 240.000 Personen erfaßt, weitere 90.000 sind in Ausbildungsgängen, so daß eine strukturelle Arbeitslosigkeit von 2 - 4% verbleibt. Die integrierte Strategie zur Einführung neuer Technologien in den Unternehmen und zur Ausschöpfung der darin liegenden Produktivitätsreserven hat in den vergangenen Jahren beträchtliche Erfolge gezeigt, sowohl hinsichtlich der Produktivität wie der Beschäftigung, wie die diesbezüglichen Forschungsprojekte ergeben haben. [Seite der Druckausg.: 41 ] Umgekehrt verliefen Modernisierungsprozesse ohne integrierte Konzeption wesentlich weniger erfolgreich. Die Unternehmen hatten sehr schnell mit Engpässen bei der Qualifizierung und der Motivierung ihrer Beschäftigten zu kämpfen. Die Schlußfolgerungen aus den 80er Jahren sind, daß die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik eng mit den Konjunkturzyklen zusammenhängt. Die Abwärtsbewegungen, in denen die Nachfrage nach Arbeitskräften schwach ist, sollten nach Ansicht des Referenten mit höheren Ausgaben für Beschäftigungsmaßnahmen verbunden sein. Diese können mit Löhnen in Höhe des Arbeitslosengeldes, bzw. wenn kein Anspruch darauf besteht, in geringerer Höhe verbunden sein, da es sich nicht um reguläre Arbeit handelt. Allerdings waren die Erfahrungen im Jugend-Trainingsprogramm und im Arbeitserfahrungs-Programm, wo diese Entlohnungsgrundsätze galten, sehr gemischt. In konjunkturellen Aufwärtsbewegungen sollte dagegen der Schwerpunkt eher auf Trainingsmaßnahmen und Lohnkostenzuschüsse bzw. auf Anreize zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser gelegt werden. Die Erfahrungen mit Lohnkostenzuschüssen zum Ausgleich verminderter Leistungsfähigkeit bzw. zur Verminderung von Sozialversicherungsbeiträgen, wie sie in Schweden im Rahmen der regulären Regionalpolitik gemacht wurden, waren eher negativ. Die seit längerem in Schweden verbreitete Ansicht, die Subventionierung von niedrigproduktiven Bereichen durch Niedriglohn-Subventionen sei nicht effektiv und auf lange Sicht nicht erfolgreich, scheint sich bestätigt zu haben. Als wichtig hat sich erwiesen, daß die Maßnahmen auf die Personengruppen hin selektiv gestaltet sind und in langfristige Eingliederungspläne eingebunden werden, die zwischen den Arbeitslosen und dem Arbeitsamt abgestimmt sind. Wichtig war auch, daß die Bezugszeiten für Arbeitslosengeld begrenzt sind, und daß die Arbeitslosen in kurzen Abständen auf ihren Willen zur Arbeitsaufnahme getestet werden. Eine Senkung des Arbeitslosengeldes wird zur Zeit diskutiert. [Seite der Druckausg.: 42 ] Reformen/Perspektiven Die Perspektiven der schwedischen Arbeitsmarktpolitik liegen hauptsächlich im Ausbau des oben beschriebenen Innovationsprozesses, für den die Arbeitslosen und Beschäftigten gleichermaßen fit gemacht werden müssen. Damit werden auch Produktinnovationen möglich, mit denen neue Märkte in den Zukunftsbranchen der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Umwelttechnik erschlossen werden können. Aber auch die Politik muß sich verändern, indem in der Arbeitsverwaltung zur Umsetzung der Programme dezentraler gehandelt und entschieden wird. Außerdem ist ein ressortübergreifendes Denken und Kooperieren notwendig, um die Einzelziele miteinander abzustimmen und so die Wirksamkeit für betriebliche Innovationen zu verbessern. 4.6. Polen Die Entwicklung in Polen fällt aus dem Rahmen der hier behandelten Länder, da dort in den 90er Jahren eine vollständige politische und wirtschaftliche Systemtransformation stattfand. Zugleich sind die Prozesse in Polen jedoch vergleichsweise schnell und erfolgreich verlaufen, da sich in Polen sehr früh der Weg einer Schocktherapie durchsetzte, der dann auch relativ früh erste Erfolge zeitigte. Polen hat diesen Weg mit arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Instrumenten kombiniert, die mit westeuropäischer Hilfe und Beratung implementiert worden sind. Die Gründe, Polen auf dieser Konferenz als das exemplarische Transformationsland einem internationalen Vergleich beschäftigungspolitischer Strategien zu unterziehen, lagen von daher auf der Hand. Die bisherige Entwicklung im Überblick Die im Jahre 1990 durchgesetzte Schocktherapie beseitigte 3,5 Millionen Arbeitsplätze im staatlichen Sektor und führte in den ersten beiden Jahren der Transformation zu einem scharfen Rückgang der Industrieproduktion sowie des gesamten Bruttoinlandsprodukts. Diese Schocktherapie [Seite der Druckausg.: 43 ] war weniger durch ökonomische und soziale Gegebenheiten erzwungen, da Polen bereits einen relativ umfangreichen Privatsektor der Volkswirtschaft besaß. Vielmehr war dies - wie der Vertreter Polens betonte - das Ergebnis politischen Drucks und internationaler Faktoren. Dieser tiefe Einschnitt spiegelt sich in der folgenden tabellarischen Übersicht der wichtigsten makroökonomischen Indikatoren wieder. Zugleich wird sichtbar, daß zwar der wirtschaftliche Niedergang bereits nach den ersten beiden Jahren von einer Aufwärtsbewegung abgelöst wurde, Beschäftigung und Arbeitsmarkt aber erst jetzt sehr zaghafte Aufwärtsbewegungen aufweisen. Besonders auffällig zeigten die Parallele zwischen der dramatischen Steigerung der Arbeitslosigkeit und der Entwertung der Reallöhne, aber auch die teilweise großen Abstände zwischen der Entwicklung der Verbraucherpreise und der Nominallöhne, in welchem Ausmaß dieser Schock den Lebensstandard der polnischen Bevölkerung reduziert hat. Arbeitsmarkt und Beschäftigung Die Beschäftigung ging per saldo um 2,4 Millionen Personen zurück. Dahinter steht ein Rückgang der Beschäftigung im staatlichen Sektor um 3,5 Mio. Beschäftigte, gegenüber einem Anstieg im Privatsektor um 1,1 Mio. Beschäftigte. Damit hat der Privatsektor 1995 mit 9,2 Mio. Arbeitsplätzen gegenüber dem Staatssektor mit nur noch 6,1 Mio. Arbeitsplätzen die dominante Rolle auf dem Arbeitsmarkt übernommen. Bei den übrigen Indikatoren ist seine Bedeutung dagegen weitaus geringer: So beträgt sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt 55%, sein Anteil am Export 45%, und am Import 60%. Zu den Staatseinnahmen aus Steuern trägt er lediglich 30% bei. Die sektoralen Beschäftigungsveränderungen ergaben einen starken Rückgang der Industrie- und Bau-Beschäftigten um 2,7 Mio., das entspricht 28%. Die Landwirtschaft, die mit 28% in Polen eine weit höhere Bedeutung hat als in Westeuropa, baute ca. 1 Mio. Arbeitsplätze, überwiegend im Staatssektor, ab. Dagegen ergaben sich hohe Zuwachsraten für die Bereiche Handel mit 41%, sowie Banken und Versicherungswesen mit 54%. Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten im Handel um 600.000. [Seite der Druckausg.: 44 ]
[Seite der Druckausg.: 45 ] Insgesamt ergibt sich als Resümee der ersten 5 Jahre der Transformation, daß das Bruttoinlandsprodukt und die Industrieproduktion fast vollständig aufgeholt haben. Dagegen zeigt die offene Arbeitslosigkeit einen steilen Anstieg noch bis Ende 1993. Die Zuwächse auf der Beschäftigtenseite ab 1994 schlugen sich dagegen nur in geringem Umfang auf die Arbeitslosenzahlen nieder, wie den beiden folgenden Grafiken zu entnehmen ist. Diese Entwicklung ergab sich trotz bedeutsamer Entlastungseffekte durch Frühverrentungen (ca. 1 Million Personen) und Auswanderungen ( 0,5 Mio. Personen). Das eigentliche Arbeitsplatzdefizit liegt mithin wesentlich höher als aus dem Schwund der Arbeitsplätze und der offenen Arbeitslosigkeit zu vermuten ist. Die demographische Entwicklung für Polen wird dahingehend prognostiziert, daß die Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2005 um ca. 1 Million zunehmen wird. Im gleichen Zeitraum wird sich die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter jedoch um 2 Millionen erhöhen, weil starke Jahrgänge in das Erwerbsleben eintreten werden, während die Zahl der Älteren nur langsam zunimmt. Die Strukturdaten vom September 1995 ergeben für die insgesamt 2,66 Millionen Arbeitslosen folgendes Bild:
[Seite der Druckausg.: 46 ]
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Die mit 46 % vergleichsweise hohe Zahl von Arbeitslosen ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld ist darauf zurückzuführen, daß bereits 1992 ein scharfer Schnitt in die Zugangsbedingungen der Lohnersatzleistungen erfolgt ist, der diese Größe drastisch reduziert hatte. Unterdessen ergab ein im Sommer abgehaltener Zensus, daß die Schattenwirtschaft ca. 2,4 Mio. Menschen beschäftigt. Weitere 1,3 Mio. Beschäftigte sind auf Zweitjobs angewiesen, ca. 1 Mio. arbeiten 60 Stunden und mehr pro Woche, bei einer Regelarbeitszeit von 42 Wochenstunden. Die Bestrebungen, die Schattenwirtschaft mit schärferen Gesetzen und Kontrollen zu bekämpfen, werden von solchen Zahlen beflügelt. Doch ein schlichter Blick auf die institutionelle Seite zeigt, daß solche Versuche angesichts der Größenordnungen völlig aussichtslos sind: Die polnische Arbeitsverwaltung hat landesweit ca. 13.000 Angestellte. Sie ist mit großer westlicher Unterstützung, insbesondere aus Deutschland, aufgebaut worden und arbeitet sehr effektiv. Dennoch entfallen wegen der immensen Massenarbeitslosigkeit auf einen Angestellten rechnerisch 267 Arbeitslose. Ein Arbeitsvermittler hat ca. 1.313 Arbeitslose zu betreuen. Rein theoretisch hätte er pro Monat und Arbeitslosen eine Kontaktchance von 6 Minuten. Es ist also noch ein weiter Weg bis die Arbeitsvermittlung mit individuellen Beratungs- und Vermittlungsbemühungen verbunden sein kann. Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nehmen allmählich auch quantitative Formen an. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben konnte 1994 auf 13 % gesteigert werden - ein Lichtblick. [Seite der Druckausg.: 48 ] Zukunftsprojekte und Reformbedarf Unter dem Titel "Strategie für Polen" hat die Regierung ihr langfristiges Programm dargelegt, das aufbauend auf einem Bericht der polnischen Akademie für Wissenschaften die zentralen Bereiche des Investitions- und Reformbedarfs der kommenden Jahre zusammenfaßt und die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit als entscheidende Frage der polnischen Politik bezeichnet. Die wichtigsten Bereiche sind:
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