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[Seite der Druckausg.: 9 (Fortsetzung) ]


3. Strategien gegen die Beschäftigungskrise

Die auf der Konferenz präsentierten strategischen Ansätze einzelner europäischer Länder zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit lassen sich in drei Schwerpunktbereichen darstellen. Sie verstehen sich weniger als klar abgegrenzte Politikalternativen, sondern eher als Akzentuierungen innerhalb eines Gesamtensembles beschäftigungspolitischer Maßnahmen im Sinne des eingangs beschriebenen Spannungsfeldes zwischen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik.

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3.1. Wirtschaftspolitische Beeinflussung der Nachfrageseite

In allen Ländern werden die traditionellen Instrumentarien der regionalen Strukturförderung in mehr oder weniger ausgeprägter Form eingesetzt. Ihre Wichtigkeit zeigte sich vor allem im Transformationsprozeß in den neuen Bundesländern in Deutschland.

Im Sinne von strategischen Ansätzen lassen sich unterscheiden:

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  • Langfristige und breit angelegte Infrastrukturmaßnahmen, wie z.B. die auf der Konferenz vom polnischen Referenten artikulierte Notwendigkeit eines "Marshall-Plans" des Westens für Mittel- und Osteuropa, mit dem die auf der Hand liegenden Infrastrukturdefizite der Transformationsstaaten - insbesondere im Verkehrs- und im Umweltbereich - behoben werden sollen. Die strategische Qualität solcher Maßnahmen für beide Seiten liegt angesichts der Größenordnungen und der erschließbaren Entwicklungspotentiale auf der Hand.

  • Der vom WZB-Vertreter bereits angesprochene Ansatz gezielter Produktinnovationen im Hochtechnologiebereich: Durch gebündelte Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie durch gezielte Nachfrageunterstützung sollen neue Märkte erschlossen und entwickelt werden. Diese Potentiale - z.B. bei ressourcenschonenden Produkten im Umwelt-, Kommunikations- und Verkehrsbereich - erfordern jedoch nicht nur quantitative Anreize und Nachfragevolumina im Sinne keynsianischer Traditionen, sondern insbesondere auch Wagnispotentiale der wirtschaftlichen Akteure im Sinne des Schumpeter'schen "Entrepreneurs".

  • Erschließung neuer Beschäftigungsfelder, in denen die reguläre Beschäftigungsnachfrage aus Kostengründen unterbleibt, durch Verbilligung der Arbeitskosten. Modelle für sogenannte Dienstleistungsschecks, mit denen sozialversicherte Beschäftigung im Privathaushalt steuerlich gefördert wird (s. u. Länderbericht Frankreich), allgemeine Subventionierung von Niedriglöhnen (s.u. Länderberichte Frankreich und Niederlande) etc. Diese Ansätze bezwecken eine allgemeine Beschäftigungsexpansion, markieren aber mit dem Zuschnitt auf geringqualifizierte Arbeitslosengruppen den Übergang zum arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium.

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3.2. Arbeitsmarktpolitische Zielgruppenförderung - Die Angebotsseite

Die klassischen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik setzen bei der Verbesserung der Beschäftigungschancen der von Arbeitslosigkeit besonders betroffenen bzw. bedrohten Zielgruppen an.

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  • Präventive Ansätze sollen durch Kurzarbeiterregelungen, d.h. kollektive Umverteilung der Arbeitszeit in Kombination mit Lohnersatzleistungen/ Subventionen drohende Massenentlassungen wegen vorübergehender Absatzschwierigkeiten vermeiden. Sie sind teilweise auch längerfristig einsetzbar und - in Grenzen - mit anderen Instrumenten kombinierbar.

  • Qualifizierungsmaßnahmen zur Auffrischung, Verbesserung und Ausweitung beruflicher Kenntnisse bzw. zur beruflichen Umorientierung sollen die Arbeitsmarktchancen der Arbeitslosen verbessern. Solche Maßnahmen werden häufig mit Betriebspraktika zur Verbesserung der Beschäftigungschancen verknüpft bzw. in Module mit verschiedenen Lernorten aufgefächert, um den Lerngewohnheiten der Teilnehmer Rechnung zu tragen.

  • Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, d.h. zusätzliche Beschäftigung, wird zur Rückführung bzw. Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit eingesetzt, insbesondere in marktunabhängigen Beschäftigungsfeldern des non-profit-Sektors. Solche Maßnahmen werden auch eingesetzt in Kombination mit Qualifizierung bzw. auch mit psychosozialen Betreuungskomponenten. Sie erstrecken sich bis hin zu gemeinnützigen Betrieben mit Zielsetzungen sozialer Integration für besonders benachteiligte/chancenlose Zielgruppen.

  • Schließlich werden Lohnkostenzuschüsse zur Verbesserung der Beschäftigungschancen bzw. als Ausgleich für die verminderte Produktivität von Zielgruppen auf dem regulären Arbeitsmarkt gewährt, insbesondere für Langzeitarbeitslose, für Frauen zur Wiedereingliederung nach der Erziehungsphase, für Jugendliche beim Start in das Berufsleben sowie für Behinderte.

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3.3. Deregulierung des Arbeitsmarktes- Anpassung an die Instabilitäten der Wirtschaft

Diese vor allem mit Großbritannien in Verbindung gebrachten Ansätze zielen darauf ab, den Arbeitsmarkt an die Instabilitäten der Gütermärkte anzupassen, indem die institutionellen Kräfteverhältnisse im Beschäftigungssystem verändert werden. Im umfassenden Sinne zielt dieser Ansatz darauf ab, sowohl den Arbeitsmarkt wie auch die Gütermärkte von

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als "überreguliert" wahrgenommenen Zuständen zu befreien. Die Staatstätigkeit soll sich auf Kernbereiche reduzieren und alle ökonomisch verwertbare Betätigung dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen.

Mit diesem Ansatz gerät insbesondere die Funktion der Gewerkschaftsmacht in Lohnfindungsprozessen und zur Stärkung der Güternachfrage in Konflikt. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit lautet der Kernvorwurf der Protagonisten dieses Ansatzes, daß durch die Gewerkschaftsmacht Insider des Beschäftigungssystems auf Kosten der Outsider und der nachwachsenden Generation geschützt und begünstigt würden. Die den institutionellen Kräfteverhältnissen zwischen Unternehmen und Beschäftigten innewohnenden Verweilanreize, sowie das Sicherungsniveau der Schutzsysteme für Arbeitslose liefen den Anforderungen der Märkte nach Flexibilität und Mobilität zuwider. Durch die Beseitigung von Regelungen, die diese Verhältnisse sicherstellten, solle sich nach diesem Ansatz die Ausgangsposition des arbeitsuchenden Individuums verbessern, indem Einstellungen und Entlassungen nur noch der individuellen Vertragsfreiheit unterfallen.

Deregulierende Elemente auf dem Arbeitsmarkt sind insbesondere

  • Stärkung der Dispositionsfreiheiten von Arbeitgebern bei Kündigungsschutz, Arbeitszeit, Arbeitsentgelt, Arbeitnehmermitwirkung

  • Erhöhung der Konfliktschwellen bei Arbeitskämpfen und gewerkschaftlichen Betätigungsrechten

  • die Absenkung von Schutzniveaus der Arbeitslosenversicherung durch Absenkung, Verkürzung, Zugangserschwerung von Lohnersatzleistungen

  • Sanktionen bei mangelnder Verfügbarkeit für Arbeitsvermittlung bzw. Fördermaßnahmen etc.

Ziel dieser Strategie ist es, die rechtlichen und finanziellen Bindungswirkungen von Arbeitsverhältnissen zu lockern, Löhne nach unten flexibel zu machen und stärkere Anreize zur Aufnahme von Arbeit zu setzen.

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Die Wirkungsbereiche solcher Strategien sind sehr heterogen, da ihre Elemente nicht nur auf die Eintrittsschwellen des Arbeitsmarktes, sondern auf das gesamte Kräfteverhältnis zwischen Unternehmen, Arbeitnehmern und Arbeitslosen wirken. Die Effektivität solcher Strategien hinsichtlich der Reduzierung der Arbeitslosigkeit setzt also eine verfügbare Nachfrage nach Arbeitskräften als Alternative zur Arbeitslosigkeit voraus. Bleibt diese Alternative aus, erwächst aus den übrigen Wirkungsbereichen - Lohnsenkung, Destabilisierung von Arbeitsverhältnissen etc. - die Gefahr kontraproduktiver Effekte wie zusätzliche Arbeitslosigkeit, Konkurrenzkämpfe in den Betrieben, Ausweichung in Schattenwirtschaft und dergleichen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001

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